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Sturmzeiten

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24.06.2001
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Sturmzeiten

Sturmzeiten

Das Meer.
Mächtig, Ehrfurcht gebietend und unerbittlich in seiner Gewalt. Ein ganz besonderes Spektakel - mächtiger als jede von Menschenhand erschaffene Attraktion und älter als das Leben selbst. Eine beängstigende Schönheit. Vor allem, wenn man an einem grauen, stürmischen Tag hoch oben auf den Klippen steht, hinunter auf die tosenden Brecher schaut, die sich an den kantigen Felsen brechen. In solchen Momenten fühlt man die Relationen, nimmt sich selbst als kleines Rad in der Maschinerie des Lebens wahr. Was sind wir? Menschen, die ihre kleinen Spiele spielen um Erfolg und Liebe, Sieg oder Niederlage. Unsere Technik - so ausgefeilt und modern. Doch auch sie verblasst gegen die Techniken der Natur, schon seit Jahrmillionen bewährt. Geburt und Tod, der ewige Kreislauf des Werdens, Seins und Vergehens.
Der Himmel hatte sich an jenem Tag verfinstert. Schwere, schwarze Wolken hingen über der Steinküste, jagten dahin nur um sich irgendwo im Landesinnern auszuregnen. Doch hier in dem kleinen Küstendörfchen bekamen wir nur den Wind mit, und das Rauschen der aufgewühlten Wellen. Schaumkronen zeichneten sich darauf ab - und das war niemals ein gutes Zeichen. Sie kündeten von weiteren Unwettern, machten es den Fischern unmöglich, hinaus zu fahren um ihren Fang einzuholen. Auch die vielen Touristenboote mussten im geschützten Hafen bleiben, wippten an ihren Anlegeplätzen auf und nieder.
Es war nicht der perfekte Urlaub, und doch passte es zu meiner Stimmung. Kein Trip in ein fernes Paradies, keine Erholung sondern eine Flucht. Vor den Problemen, welche zu Hause warteten und vor einer Beziehung, die längst gescheitert nur noch aufrecht erhalten wurde, um den schönen Schein zu wahren. Allein, damit wir unseren Freunden keinen Anlass zum Spott boten lebten wir unter einem Dach. Doch dies war rein körperlich. Emotional waren wir einander so weit entfernt wie Mars und Erde. Lichtjahre trennten uns - eine unüberbrückbare Distanz. Jeder hatte sein Leben, jeder seine kleinen Affären und ein jeder von uns seinen Hass auf den anderen. Es wäre gut gewesen, es zu beenden. Je schneller, je besser. Doch wie gesagt - unseren Freunden keinen Anlass zum Spott bieten, ihnen niemals zeigen, wie es um uns stand. Dadurch ergaben sich groteske Situationen. Abendessen, bei denen geheuchelte Zweisamkeit zum Besten gegeben wurde. Rührstücke, von einem schlechten Autor erdacht und von einem drittklassigen Regisseur in Szene gesetzt. Händchen halten und angewidert von der Nähe des Partners. Besuche, bei denen schon die Fahrten zu einer Tortur wurden, angefüllt mit nichtssagenden Diskussionen, lächerlichen Argumenten und vorsätzlichen Sticheleien. Glück darin findend, den anderen zu verletzen. Ihm weh zu tun, statt auf seine Gefühle Rücksicht zu nehmen. Wie es dazu kommen konnte? Keine Ahnung. Irgendwann hatten wir aufgehört, einander zu achten. Die Folge waren Vorwürfe, die tiefer gingen als jemals zuvor. Damit trieben wir wohl den letzten Rest von Liebe aus dem Haus, begaben uns auf das große, weite Feld persönlicher Beleidigungen und respektloser Missachtung der Grundzüge einer jeder Beziehung. Gescheitert. So einfach und doch so tragisch. Scheiße.
Wie bereits gesagt - der Wind jagte die Wolken über meinen Kopf dahin, während ich durch das Dorf schlenderte, den steifen Kragen hochgeklappt und den Hals eingezogen. Meine Nase und auch meine Wangen leuchteten in einem intensiven Rot, doch dies war mir egal. Was einen nicht tötet, härtet ab. So oder so ähnlich geht wohl der alte Spruch. Dämlich zwar, aber dennoch voll Weisheit. Das Wissen der Alten…
Das Haus, zu welchem ich wollte lag etwas außerhalb auf einem kleinen Hügel. Eine Wiese umgab es, und selbst jetzt im dämmerigen Zwielicht machte es einen guten Eindruck. Rauch stieg aus dem kleinen Schornstein auf, wurde jedoch sofort vom Wind erfasst und davon getrieben.
Früher einmal hatte dort ein Schäfer gewohnt, seine Tiere auf dem Anwesen grasen lassen. Doch inzwischen gehörte es meiner Schwester. Sie war vor ein paar Jahren hierher gezogen. Damals, als sie sich von ihrem Freund trennte und beschloss, in einem Nest die Dorfärztin zu spielen. Nun, beides konnte sie verwirklichen. Das Nest hatte sie gefunden, und auch ihre Bestimmung.
Meine Gedanken wanderten zurück, während ich den sanften Hügel hinan stieg. Zurück zu einer Zeit, als wir noch in Frankfurt wohnten. Geschwister im besten Sinne mit nur vier Minuten Altersunterschied. Sie war die Ältere, die große Schwester. Und sie war es auch, die ein Studium begann, während ich mich auf der Handelsschule abmühte. Später konnte ich zwar nachziehen, doch erst einmal war sie der Star in der Familie. Nun waren wir beide knapp Sechsunddreißig, standen mit beiden Beinen fest auf dem Boden und hatten die Erwartungen unserer Eltern längst erfüllt, übertroffen und auch wieder enttäuscht. Keine Enkel, nicht einmal richtige Schwiegerkinder. Geld und Erfolg können kaum den Nachwuchs ersetzen. Doch dies ist ein anderes Thema.
Die Tür des Hauses öffnete sich, noch bevor ich es erreicht hatte. Offenbar hatte sie mich kommen sehen, wollte mich keine Minute länger als notwendig frieren lassen.
Etwas schneller ging ich, schlüpfte durch den Spalt ins Innere und schüttelte die Kälte im Flur ab.
Sandra schaute mir lächelnd zu, eine Hand in die Hüfte gestemmt, am Küchentisch lehnend. Sie sah gut aus. Nicht wie Sechsunddreißig und auch nicht wie eine gestresste Ärztin. Irgendwie schaffte sie es, ihren Körper in Form zu halten. Anders ihre Psyche. Die Einsamkeit in diesem Haus und der Stress im Beruf setzen ihr zu. Hin und wieder brauchte sie Tabletten, um am Abend abschalten zu können und manchmal auch, um am Morgen aus dem Bett zu kommen. Sie wusste besser als ich, welch verdammter Teufelskreis es sein konnte, doch irgendwie fehlte ihr die Kraft, ihrem Leben den letzten, entscheidenden Kick zur Wende zu geben. Halbherzige Versuche gab es zwar, doch sie alle waren von vornherein zum Scheitern verurteil.
„Tee?“.
Damit hob sie eine Tasse, noch immer lächelnd. Dampf stieg aus dem Gefäß auf, trieb zu mir rüber. Kein Tee, sondern eher ein Grog. Genau das Richtige, um den Körper auch innerlich aufzuheizen und auch, um auf andere Gedanken zu kommen. Wir hatten beide unsere Päckchen zu tragen. Jeder für sich, ohne die Chance, andere um Hilfe zu bitten. Auch nicht unsere Eltern. Vor allem nicht unsere Eltern.
Dankbar griff ich zu, stellte mich dann an das kleine Fenster und starrte hinaus in die triste Natur. Jetzt im Herbst hatte diese Gegen herzlich wenig zu bieten. Man musste schon suchen, um schöne Fleckchen zu finden. Entsprechend gering auch das Touristenaufkommen. Nur die Hartgesottenen kamen, oder eben jene, welche Verwandte besuchten. Anders im Sommer. Wenn die Felder im Hinterland blühten und sich das Meer ruhig, friedlich gab, zum Baden einlud. Die Steinküste bot viele Plätzchen, an denen man sich unentdeckt der Sonne hingeben konnte. Selbst nackt, wenn man wollte. Zudem hatten Schmuggler in früheren Jahren Höhlen in den Felsen unter dem Dorf getrieben. Ob es noch Schätze gab, wusste niemand zu sagen. Auf jeden Fall machten sich öfters einmal Wagemutige auf, das Labyrinth aus Gängen, Höhlen und Schlüpfen zu erforschen. Auch Kinder tobten und spielten gerne dort unten. Während sich die Eltern auf den aufgeheizten Steinen der Sonne hingaben, schlüpften der Nachwuchs in die Rolle von Störtebeker oder einem anderen Piraten, um ihrer angeborenen Abenteuerlust zu frönen. Früher einmal war es vorgekommen, dass sich die Kinder dabei verirrten und erst nach Tagen gefunden wurden - teils völlig verängstigt und teils auch tot. Doch inzwischen hatte die Regierung reagiert und Schilder angebracht. Den Ausgang zu finden war daher nicht sonderlich schwer, und seit mehr als zehn Jahren war es zu keinen Unglücksfällen mehr gekommen. Eine Tatsache, welche die Höhlen vor einer endgültigen Schließung bewahrt hatte.
Nach dem Essen können wir einen Spaziergang machen“, schlug Sandra nach ein paar Minuten vor. „Es gibt eine Stelle, in der man von Wind und Regen geschützt das Meer beobachten kann.“
Nickend leerte ich meinen Grog, spürte die Wärme des Alkohols durch meinen Körper fließen. Sandra nahm derweil einen Auflauf aus dem Ofen, stellte ihn auf den Tisch und legte auch Teller sowie Besteck bereit. Im Grunde war es nicht mein Ding, mich bedienen zu lassen. Doch in diesen Tagen fehlte mir einfach der Elan. Es war, als wäre ich in ein tiefes Loch gefallen, aus dem es keinen Ausweg gab. Alles erschien sinnlos, und diese nihilistische Grundeinstellung übertrug sich auf jede noch so kleine Alltäglichkeit.
Kurz noch wartete ich, nahm dann an dem kleinen Holztisch Platz. Gerade ausreichend für zwei Personen und doch groß genug, um Teller, Gläser und auch den Römertopf abzustellen.
Der Auflauf duftete köstlich, und während des Abendessens unterhielten wir uns über das Leben im Besonderen und im Allgemeinen. Alte Geschichten, verflossene Liebe. Mit Sandra konnte ich über meine unglückliche Beziehung sprechen, ohne mich lächerlich zu machen. Konnte ihr sagen, wie die Dinge standen ohne Hohn oder Spott zu ernten. Und sie konnte mir von ihren Gefühlen erzählen. Ohne Hemmungen und ohne dieses verschämte Lächeln, wenn die Details zu intim, zu persönlich wurden. Wir hatten einander stets vertraut, und vielleicht war dieser Urlaub längst überfällig gewesen. Eine Reinigung der Seele sozusagen, welche uns zurück in Jugendzeiten führte und hinein in die langen Nächte in ihrem oder meinem Schlafzimmer. Wenn wir zusammengesessen hatten, um über Frauen, Männer, Liebe und das Verlassenwerden zu sprechen. Über schlechte Zensuren, der Angst vor der nächsten Prüfung oder über unseren Problemen mit den Eltern.
Selbst in meinen Beziehungen hatte ich es vorgezogen, mich Sandra anzuvertrauen statt meiner jeweiligen Freundin. Und Sandra - nicht anders. Wie oft hatten wir telefoniert, uns unseren Kummer geschildert in der Hoffnung, dass allein das Sprechen, das teilen der Probleme zu einer Linderung führte.
„Wollen wir aufbrechen?“.
Meine Schwester schaute mich aufmunternd an, hatte offenbar beschlossen, die trüben Gedanken zu vertreiben, welche in unseren Köpfen wir ein noch beschisseneres Regenwetter sorgten, als es ohnehin vor der Tür tobte.
Nickend erhob ich mich, griff nach einer metallenen Thermoskanne und füllte etwas von dem Tee-Rum-Gemisch hinein, welches noch auf dem Herd stand, dampfte. Ein heißes Getränk, dass die Kälte vertreiben sollte.
Anschließend räumten wir die Spülmaschine ein, schlüpften in unser Gummizeug und verließen das Haus, ergaben uns den Winden.
Die Wellen krachten inzwischen heftiger gegen die Felsen, umspülten die tieferliegenden Höhlen, überfluteten sie. Nun war die Schifffahrt endgültig eingestellt, gab es auch niemanden mehr, der an der felsigen Küste spazieren ging. Nicht einmal die Einheimischen. Sie hockten wahrscheinlich zu Hause und hofften, dass sich der Sturm bald legte. Oder aber sie hatten sich damit abgefunden, gingen ihrem Tagesgeschäft nach.
„Wohin gehen wir?“, rief ich gegen das Tosen des Windes an. Sandra drehte den Kopf, griff nach meinem Arm und zog mich zu einem schmalen Pfad, der sich entlang der Felsen in die Tiefe schlängelte. Wenn man ihm bis zu seinem Ende folgte, stand man irgendwann unweigerlich im Wasser. Doch dies war nicht unser Ziel und wäre bei diesen Naturgewalten mehr als fahrlässig gewesen. Statt dessen bog Sandra nach knapp fünfzig Meter ab, legte einen noch schmaleren Pfad frei, den Kinder während der Sommermonate angelegt hatten und zog mich kurzerhand mit sich zu einer Höhle, welche sich schräg in den Felsen bohrte. Der Eingang war recht schmal, bot dem Wind wenig Angriffsfläche. Nach gut drei Metern jedoch klappte diese Höhle auf, entfaltete ihre Pracht. Grünschimmerndes Gestein und ein paar Stalagmiten verliehen ihr einen ganz besonderen Charme. Zudem war es erstaunlich warm im Innern. So, als würde sie über eine natürliche Beheizung verfügen. Ob dem wirklich so war oder ob es lediglich die außen herrschende Kälte war, welche uns so empfinden ließ - ich vermochte es nicht zu sagen. Und ehrlich gesagt - es war mir auch egal. Irgendwie schien es nicht der richtige Moment zu sein, um über irgendwelche Dinge nachzugrübeln. Die Schönheit der Natur offenbarte sich uns, und es war nur klug, sie einfach anzunehmen. Keine tiefschürfenden Betrachtungen und keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Nur genießen.
Sandra schüttelte sich kurz, zog dann ihre Gummijacke aus und warf sie achtlos nach hinten. Dort auf dem warmen Gestein konnte sie trocken, ohne uns zu stören. Anschließend nahm sie Platz, zog die Beine an und deutete an, ich solle mich hinter sie setzen, um ebenfalls in die wild heranrollenden Fluten zu schauen. Ein guter Rat, denn der Eingang war einfach zu schmal, um nebeneinander zu sitzen. Entsprechend dem machte ich es mir hinter ihr bequem, legte meine Hände locker um ihre Hüften und umfasste ihren Bauch etwas, damit sie sich anlehnen konnte. Ich selbst folgte in meiner Position dem Verlauf des Gesteins, konnte mich an einem etwas abgerundeten Felsen abstützen.
Das Schauspiel, welches sich uns bot war nahezu atemberaubend. Die Wellen bäumten sich weit draußen auf dem Meer auf, rollten heran und wurden - von Schaumspitzen gekrönt - zu einer mächtigen Bedrohung. Nur Sekunden später trafen die Brecher auf die Steinküste, platzten dort auseinander und warfen feine Gischt empor. Je länger ich in das Wasser starrte um so mehr kam ich zu der Überzeugung, in einen tiefen, hässlichen Schlund zu starren, der uns nur zu gerne verschlungen hätte. Ein Sog herrschte dort unten, ein Zischen und Grollen. Wieder und wieder bäumten sich die langen Zungen auf, leckten über das Gestein um uns aus der Höhle zu saugen. Vergebens. Wir saßen zu hoch, triumphierten über die Natur.
Ein zugegebenermaßen idiotischer Gedanke und doch hatte er etwas bedrückend Reales. War es nicht so, dass ganz andere Dinge an uns leckten, nagten und uns verschlingen wollten. Dinge wie der ganz normale Alltag - zu einem Horrortrip mutiert weil der Absprung aus der Beziehung nicht klappte? Hatte uns die Tristesse nicht längst verschlungen, hinabgewürgt in einem Schlund so viel grässlicher als das Meer?
Irgendwann - ob Minuten oder Stunden später öffnete Sandra die Thermoskanne, schüttete etwas von dem noch heißen Getränk in den als Kappe dienenden Becher, nippte daran und reichte ihn dann über ihre Schulter. Inzwischen hatten die Wolken die Oberhand über die ohnehin winterlich geschwächte Sonne gewonnen, verdunkelten sie das Land. Und - als geschehe es zum Trotz - ließen sie auch dem Mond keine Chance - geschweige denn einem einzigen, verdammten Stern.
Wir saßen schweigend in dem engen Eingang, starrten hinaus und tranken, ließen uns von der Atmosphäre, dem Moment gefangen nehmen. Noch immer ruhten meine Hände auf dem Bauch meiner Schwester, strichen sanft über eine nackte Stelle hinweg, welche kess unter dem etwas nach oben gerutschten Stoff hervorlugte. Ihr Atem floss über ihre Lippen, scheinbar geräuschlos. Doch am rhythmischen Heben und Senken ihrer Bauchdecke konnte ich ihre tiefen, gleichmäßigen Atemzüge erkennen, sie nachempfinden. Sie übertrugen eine tiefe Ruhe auf mich, ließen mein Bewusstsein auf einer merkwürdigen Wolke aus Faszination Betreff des Naturschauspiels und innerem Frieden davon treiben. Es war, als seien alle Sorgen fern. In diesem Augenblick gab es einfach keinen Raum mehr für Bedenken und Zweifel. Mit einem Mal schien alles einfach und klar vor mir zu liegen. Nach meiner Rückkehr diese unselige Beziehung beenden, in eine kleine Wohnung ziehen und das Leben neu ordnen. So wie das Meer die Steine tief unter uns formte, mit Gewalt und Ausdauer glättete und ihnen jenen unverwechselbaren Charakter verlieh, so wollte ich mein Leben glätten. Zu lange schon war es ein Existieren gewesen, ein täglicher Kampf. Ja, in diesen Minuten war es, als habe ich all die Kraft des Sturmes in mich aufgesaugt, um endlich einen Schlussstrich zu ziehen.
Sandra hatte sich etwas zurückgelehnt, lag nun regelrecht in meinen Armen. Ein weiterer Becher mit Grog kreiste zwischen uns, wurde geleert. Längst sorgte der Alkohol für eine wohlige Wärme, trug sein Scherflein zu der in mir herrschenden Ruhe bei. Meine Hände begannen unbewusst, in immer größer werdende Kreisen den Bauch meiner Schwester zu streicheln, krochen dazu unter den Pullover.
Obwohl es inzwischen völlig finster war, konnten wir noch immer auf das Meer schauen. Doch der Anblick hatte sich verändert. Die zuvor weißen Schaumkronen hatten sich in ein schmutziges Grau verwandelt, tanzten einen steten Tanz. Hypnotisch vielleicht, uns umschmeichelnd. Hinzu kam Sandras weiche Haut sowie ihr Atem, ihren an meine Schulter gelehnten Kopf. Und meine Hände, welche all das ertasteten, über ihren Oberkörper strichen und schließlich ihre Brüste berührten. Sie trug einen seidenen Büstenhalter, welcher ihre weiblichen Rundungen umspannte. Ein leises Seufzen entfloh ihrem Mund, als meine Finger ihre Knospen unter dem Stoff ertasteten, kurz berührten, liebkosten. Und genau dieses Seufzen war es, welches mich aus dem Bann riss, der mich umfangen gehalten hatte.
Was geschah hier? In meinen Armen lag nicht irgend eine Frau und auch nicht meine Partnerin, sondern Sandra - meine Schwester.
Schnell, mit dem Gefühl etwas verbotenes, unsagbar unanständiges getan zu haben zog ich meine Finger zurück, inständig hoffend, sie möge mir diesen Fehltritt verzeihen. Doch noch bevor ich unter ihrem Pullover hervorschlüpfen konnte, waren ihre Hände da, hielten meine Arme fest.
Gleichzeitig drehte sie den Kopf, schaute mich mit einem Blick an, den ich von ihr nicht kannte. Ein hungriger Blick vielleicht, und voll sanfter Hingabe. Ein unausgesprochenes Versprechen, welches niemals eingelöst werden durfte. Nicht in diesem Leben. Und doch schien es in diesem Moment so richtig, meine Hände genau dort zu lassen, wo sie sich noch vor Sekunden befunden hatten. Vorsichtig, um sicher zu gehen ihren Blick und auch ihre Geste richtig gedeutete zu haben setzte ich meine kreisenden Bewegungen fort, strich über ihre Haut hinweg. Abermals spürte ich ihre Knospen, während sie wieder auf das Meer schaute, es einfach geschehen ließ.
Bald schon kam mir der seidene Stoff störend vor, krochen meine Finger unter die Körbchen. Ihre Brüste fühlten sich gut an. So weich, so empfindsam. So unnötig, sie zu bedecken. Der BH ließ sich locker nach oben streifen, gab so sein Geheimnis preis. Sandra seufzte erneut, zog dann den Pullover aus, um schließlich ihren BH folgen zu lassen. Dabei drehte sie sich etwas, so dass sie mir fast gegenüber saß. Ihr Mund stand etwas offen, während ihre Hände unter mein Hemd krochen, es aus der Hose zogen und schließlich öffneten. Ihre Finger strichen über mein Gesicht, den Hals und folgten den Körperlinien über die Brust bis hin zum Bund meiner Hose. Dabei beugte sie sich vor, suchte meine Lippen.
Unser erster wirklicher Kuss jenseits des Geschwisterlichen. Atemlos betörend gab er uns das Gefühl, niemals zuvor geküsst zu haben. Was wir taten, war verboten. Es war verrucht, im Grunde undenkbar. Es war falsch - und doch so richtig in diesem Augenblick. Nie zuvor wäre die Zeit für etwas derartiges reif gewesen, und wahrscheinlich auch niemals danach. Doch der Augenblick mit all seiner Magie hielt uns umklammert, erzwang sich diesen Akt auf dem Drahtseil.
Wir versanken in unseren Küssen, berührten uns. Erst langsam, unsicher und nicht sicher, das Spiel wirklich bis zum Ende spielen zu wollen. Doch letztlich gab es keine Grenzen mehr. Hungriger, gieriger ließen wir unsere Zungen tanzen, streiften die noch am Körper verbliebene Kleidung ab um schließlich auf den harten, aber warmen Höhlenboden zu sinken. Niemals hatte ich meine Schwester mit den Augen eines Liebhaber betrachtet. Doch nun geschah es und ich musste feststellen, wie schön, wie begehrenswert sie war. Ihre schwarzen Haare, welche ihr Gesicht umrahmten. Die festen Brüste, der schlanke Körper und dieses nur leicht behaarte Dreieck, welches ihr Geheimstes barg.
Wir ließen es geschehen, ließen zu, dass die Lust einer Woge gleich über uns hereinbrach. Bald war vergessen, dass wir Geschwister waren und kein Liebespaar. Wir fanden einander an jenem Abend, wissend, dass nur diese eine Chance, diese einzige und einzigartige Gelegenheit gab. Allein dieses Wissen beflügelte uns, kein Ende zu finden. So, als müssten wir den Morgen mit all seinem Schrecken mit Gewalt von uns und dieser Höhle fernhalten. Ihr Geruch, ihr Geschmack betörte mich, ließ mein Innerstes Beben. Wieder und wieder erlebten wir die Gipfel der Lust, um anschließend abzutauchen in die tiefen Täler der Erschöpfung, nur um sofort wieder von vorne zu beginnen.
Schließlich verließ uns die Kraft, blieben wir erschöpft und glücklich liegen. Eng umschlungen den Morgen erwartend, bereit uns dem Moment der Ernüchterung zu stellen. Wenn der Bann riss, uns zurück in die Wirklichkeit katapultierte.
Der Sturm hatte sich gelegt, und die Sonne stieg auf über einem ruhigen, fast friedvollen Meer. Noch immer hielten wir uns umschlungen. Keine Vorwürfe. Kein Bedauern. Nur eine Liebe, inniger als zuvor.
„Lass uns frühstücken“, flüsterte Sandra schließlich, griff nach ihren Kleidern und zog sich an. Ich folgte ihrem Beispiel, ein letztes mal ihren Körper bewundernd.
Als wir die Höhle verließen, waren wir wieder Bruder und Schwester. Doch was wir einander geschenkt hatten, konnte uns niemand mehr nehmen. Wir trugen es tief in unseren Herzen, bewahrten es dort auf für die Ewigkeit und all die dunklen Stunden, welche uns das Leben noch zu schenken vermochte.
Nach meiner Heimkehr beendete ich meine Beziehung, zog einen endgültigen Schlussstrich. Ein halbes Jahr später lernte ich meine jetzige Frau kennen und lieben, heiratete sie schließlich.
Auch Sandra fand nach dieser Nacht recht schnell eine neue Liebe, verließ das Küstendorf und kehrte zurück nach Frankfurt. Unser Erlebnis von einst hatte sich niemals wiederholt. Es war schön, es war einmalig und es hatte uns geholfen. Auf viele verschiedene Arten.
Doch manchmal, wenn der Wind um das Haus pfeift und der Regen gegen die Fenster peitscht, ist da eine ganz leise Sehnsucht. Eine Wehmut, welche mich zurückwünscht zu jener Nacht in der Höhle hoch oben über dem Meer.

Ende

By G. Arentzen 2001. All rights reserved. Jede Veröffentlichung - auch im Usenet / auf Homepages - bedarf der schriftlichen Genehmigung des Autors. Ebenso die Kopie oder Vervielfältigung der Geschichte als Ganzes oder in Teilen.
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Also doch wieder die Herrenrasse, die keine "doofen" Gene hat!

Zitat: "hat man doofe gene (niedrige intelligenz, abstossendes aussehen, geringe soziale
kompetenz, gestörte wahrnehmung irgendwelcher sinne usw.) hat man es einfach wesentlich schwerer. Entweder musst du 3 mal härter arbeiten als andere, oder du rutscht unten durch und kackst ab. Vielleicht schaffst du es, dein gehirn zeitweise davon zu überzeugen, dass du mit deinem leben ganz zufrieden bist und deine eigene ruhe gefunden hast, aber das ist einfach ein selbstschutz, eine illusion, eine seifenblase die eines tages - platsch - zerplatzt."

Oh, oh, da steckt aber viel drin! :eek1:

Doofe gene = niedrige Intelligenz (wie niedrig?), abstossendes Aussehen (wie definierst Du das? Reicht eine Brille, um abstossend auszusehen? Muss man einen Buckel haben? Oder vielleicht Pickel?), geringe soziale Kompetenz (hat man die, wenn man freche Kritiken schreibt, sich über andere lustig macht?), gestörte Wahrnehmung irgendwelcher Sinne (nun wieder die Frage nach der Brille).

Stichwort Intelligenz: Wer ist intelligent? Der mit sozialer Intelligenz, aber ohne abstrakte Intelligenz? Oder derjenige, der Pyramiden ausplanen kann? Derjenige, der ein fantastisches Bild malen kann? Oder ein Händchen für Pflanzen hat? Oder jeden Computer hacken kann? Oder der Koch, der ein schmackhaftes Essen zubereitet? Oder der Lateinprofessor? Oder der Maurer, der hochakkurate Wände baut? Oder die Mutter, die ihre Kinder zu vernünftigen Erwachsenen erzieht?

Stichwort abstossendes Aussehen: Wer ist gutaussehend? Jemand, der gross und dünn ist? Oder klein und dick? Schwarze Haare? Blonde Haare? Rote Haare? Sommersprossen? Helle Augen? Dunkle Augen? Als meine Mutter damals aus Ostpreussen in der Westen kam (und durch ihren teilromänischen Vater pechschwarze Haare hatte), wurde sie von den "netten" Westlern als "Zigeunerin" und "Dahergelaufene" beschimpft. Obwohl sie sehr hübsch war, war ihr Aussehen eben damals im Ruhrgebiet nicht als "passend" anerkannt worden. Heutzutage würde sie von niemandem als "anders" bemerkt werden.

Sieht man sich Bilder alter Meister an, dann war das Schönheitsideal besonders bei Frauen noch vor wenigen Jahrhunderten völlig anders. Also, wer hat recht mit dem Geschmack? Rubens? Oder Karl Lagerfeld?

Stichwort Geringe soziale Kompetenz: ist dies der verrückte Professor, der in seiner eigenen Welt lebt? Der Prolo, der seine Kinder blutig schlägt? Der schüchterne Mann, der sich nicht traut, eine Frau anzusprechen? Die depressive Person, die sich von der Gesellschaft zurückzieht und Schriftsteller wird? Das Partyanimal, was sich jedem an die Brust schmeisst? Der arrogante Angeber, der alle mit seinem Aufgeschneide nervt?

Stichwort gestörte Wahrnehmung irgendwelcher Sinne: also ist ein Brillenträger hier der Betroffene? Oder derjenige, der Hörprobleme hat? ….


Zitat: "ich kenne dich ja gar nicht und habe keine ahnung von den genen, die du erwischt hast. "

Hast Du denn schon die Standards für den geplanten Einheitsbrei festgelegt? Erst dann kann man sich ja beurteilen… :p :p :cool:

Schöne Grüsse von einem Bewohner des "geilen Planeten"
Heike :D :)

[Beitrag editiert von: Roswitha am 27.11.2001 um 02:15]

 

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