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Substitution
Alles um ihn herum, nahe an seinem Körper, seiner Gegenwart, fing an sich zu verfärben. Die Wand bekam Poren aus der langsam eine dickflüssige Flüssigkeit tropfte. Der Boden unter ihm, der Teppich, wurde nass und glitschig. Unter jedem Schritt bildete sich ein dunkelroter feucht schimmernder Fleck, das mit dem Muster des Teppichs verschmolz.
„Was ist denn los?“, fragte sich Robert, „Was geschieht hier?“ Sein Blick kreiste nervös durch seine Wohnung. Er konnte sich die Vorgänge die sich vor seinem Auge abspielten nicht erklären. Komischerweise fühlte er jedoch keine Angst, er fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. Geradezu euphorisch.
Er beobachtete auf seinem Holzschreibtisch kleine Rinnsale dieser roten trüben Flüssigkeit, die seine Wohnung befiel. Als er sich dem Tisch näherte, schwollen die kleinen Rinnsäle zu großen Pfützen an.
Vorsichtig streckte er seinen Arm heraus und tippte mit seinem Zeigefinger in die Brühe. In diesem Moment vergrößerte sich die Pfütze auf der Tischplatte schlagartig und schwappte über den Rand. Seine Schuhe bekamen eine ordentliche Portion ab, ehe der Rest auf den Teppich klatschte. Robert zuckte zusammen und besah sich seinen Finger. Neugierig wie ein kleines Kind, mit dem selben faszinierten und blöden Gesichtausdruck eines solchen, fixierte er seinen Finger. Auf dem Finger haftete etwas dieser mysteriösen Flüssigkeit. Auf einmal wurde ihm klar um was es sich auf seinem Finger handelte. Es war Blut.
Woher kam es? Was sollte das? War es er der blutete?
Vorsichtig aber hastig untersuchte Robert sein Gesicht. Dann seine Hände, seinen Hals, Brust, Bauch. Nichts. Nichts zu finden, am ganzen Körper nicht. Kein Blut und keine Schmerzen. Langsam aber sicher stieg in Robert Panik auf. Er rannte zur Tür, griff zur Klinke und drückte sie runter. Doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie klemmte. „Was für eine verfluchte Scheiße?“, schrie Robert aus. Irgendwer erlaubte sich hier einen richtig üblen Scherz, dachte er bei sich. Aber wer?
Er versuchte weiterhin die Tür nach Draußen zu öffnen doch es war vergebens. Die dicke Holztür bewegte sich kein Stück weit. Er bemerkte nur, wie weiteres Blut aus dem Holz trat und langsam zu Boden sickerte. Wieder schaute er sich um. Dort wo er eben noch gestanden hatte, direkt vor dem Schreibtisch, war nichts mehr vom Blut zu sehen. Es war weg, komplett verschwunden. Der Teppich war sauber, die Holzplatte trocken. Auch seine Schuhe, die eben noch blutverschmiert waren, zeigten sich wie gewohnt in ihrem benutzten, dreckigen Zustand. Aber kein Blut.
Um sich zu vergewissern, was er nur aus der Entfernung sah, trat Robert wieder an die alte Stelle vor den Schreibtisch. Vielleicht spielten ihm auch seine Augen einfach einen Streich. Vielleicht war er auch einfach übermüdet. Brauchte etwas Schlaf, etwas zu Essen, frische Luft? War vielleicht noch etwas bekifft. Wahrscheinlich hatte er die Tür in Gedanken versunkenem Zustand von innen abgeschlossen. Das konnte vorkommen. Er machte sich diese Gedanken aus ganz sachlichen Beweggründen. Nicht aus Unruhe, die Panik von eben war komplett verflogen.
Auf halber Strecke zum Tisch bemerkte er, wie sich der Teppich wieder rot färbte. Die Kommode im Eingangsbereich, an der er vorüberging, versiegelte sich mit Blut wie der Schreibtisch vorhin. Als er am Tisch ankam, zeigte sich nun auch dieser wieder blutverschmiert. Robert schaute daraufhin sofort wieder zur Eingangstür. Kein Blut. Es schien, als ob all das Blut das er sah, nur in seiner näheren Umgebung zum Vorschein kam. Tatsächlich. Bei näherer Betrachtung konnte er nun eine Art Grenze zwischen der blutenden Wohnung und der nicht-blutenden Wohnung ausmachen.
Es war er der blutete, es war wohl sein Blut, dachte er sich. Es umgab ihn, wie eine Hülle, ein Ballon.
Robert setzte sich auf einen Stuhl der daraufhin auch völlig im Blut versank. Seine Gedanken kreisten. Er versuchte sich das alles zu erklären. Warum verspürte er keine Angst, nicht anhaltend? Er fühlte sich schlecht, seine Kehle schnürte sich zusammen. Die Luft in seinen Lungen haftete, sie bewegte sich nicht mehr. Er versuchte zu atmen, tief und lange. Es half…einen Moment. Alles erschien ihm taub, nutzlos und schwer.
Er schaute hoch und sah die einsam hängende Glühbirne in der Mitte des Raumes. Das knappe, schummrige Lichte mochte er. Seine Freunde wollten ihm schon seit langem eine Lampe schenken. Sie fanden die lose Glühbirne zu schäbig. Er mochte es so, so trüb und nackt.
Er stand auf und ging auf die Glühbirne zu. Der Raum begann zu flackern, er sah wie sich seine traurigen Augen im Glas spiegelten. Langsam aber sicher füllte sich die Birne mit Blut. Robert sah rüber zur Wand, dort hing das Bild von Lena. Ein Portrait. Er hatte es selbst geschossen.
Robert schaute wieder zur Birne und griff nach ihr. Plötzlich ging das Licht aus. Dunkelheit.