Was ist neu

Substitution

Mitglied
Beitritt
15.01.2007
Beiträge
3
Zuletzt bearbeitet:

Substitution

Alles um ihn herum, nahe an seinem Körper, seiner Gegenwart, fing an sich zu verfärben. Die Wand bekam Poren aus der langsam eine dickflüssige Flüssigkeit tropfte. Der Boden unter ihm, der Teppich, wurde nass und glitschig. Unter jedem Schritt bildete sich ein dunkelroter feucht schimmernder Fleck, das mit dem Muster des Teppichs verschmolz.

„Was ist denn los?“, fragte sich Robert, „Was geschieht hier?“ Sein Blick kreiste nervös durch seine Wohnung. Er konnte sich die Vorgänge die sich vor seinem Auge abspielten nicht erklären. Komischerweise fühlte er jedoch keine Angst, er fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. Geradezu euphorisch.
Er beobachtete auf seinem Holzschreibtisch kleine Rinnsale dieser roten trüben Flüssigkeit, die seine Wohnung befiel. Als er sich dem Tisch näherte, schwollen die kleinen Rinnsäle zu großen Pfützen an.

Vorsichtig streckte er seinen Arm heraus und tippte mit seinem Zeigefinger in die Brühe. In diesem Moment vergrößerte sich die Pfütze auf der Tischplatte schlagartig und schwappte über den Rand. Seine Schuhe bekamen eine ordentliche Portion ab, ehe der Rest auf den Teppich klatschte. Robert zuckte zusammen und besah sich seinen Finger. Neugierig wie ein kleines Kind, mit dem selben faszinierten und blöden Gesichtausdruck eines solchen, fixierte er seinen Finger. Auf dem Finger haftete etwas dieser mysteriösen Flüssigkeit. Auf einmal wurde ihm klar um was es sich auf seinem Finger handelte. Es war Blut.
Woher kam es? Was sollte das? War es er der blutete?

Vorsichtig aber hastig untersuchte Robert sein Gesicht. Dann seine Hände, seinen Hals, Brust, Bauch. Nichts. Nichts zu finden, am ganzen Körper nicht. Kein Blut und keine Schmerzen. Langsam aber sicher stieg in Robert Panik auf. Er rannte zur Tür, griff zur Klinke und drückte sie runter. Doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie klemmte. „Was für eine verfluchte Scheiße?“, schrie Robert aus. Irgendwer erlaubte sich hier einen richtig üblen Scherz, dachte er bei sich. Aber wer?

Er versuchte weiterhin die Tür nach Draußen zu öffnen doch es war vergebens. Die dicke Holztür bewegte sich kein Stück weit. Er bemerkte nur, wie weiteres Blut aus dem Holz trat und langsam zu Boden sickerte. Wieder schaute er sich um. Dort wo er eben noch gestanden hatte, direkt vor dem Schreibtisch, war nichts mehr vom Blut zu sehen. Es war weg, komplett verschwunden. Der Teppich war sauber, die Holzplatte trocken. Auch seine Schuhe, die eben noch blutverschmiert waren, zeigten sich wie gewohnt in ihrem benutzten, dreckigen Zustand. Aber kein Blut.

Um sich zu vergewissern, was er nur aus der Entfernung sah, trat Robert wieder an die alte Stelle vor den Schreibtisch. Vielleicht spielten ihm auch seine Augen einfach einen Streich. Vielleicht war er auch einfach übermüdet. Brauchte etwas Schlaf, etwas zu Essen, frische Luft? War vielleicht noch etwas bekifft. Wahrscheinlich hatte er die Tür in Gedanken versunkenem Zustand von innen abgeschlossen. Das konnte vorkommen. Er machte sich diese Gedanken aus ganz sachlichen Beweggründen. Nicht aus Unruhe, die Panik von eben war komplett verflogen.

Auf halber Strecke zum Tisch bemerkte er, wie sich der Teppich wieder rot färbte. Die Kommode im Eingangsbereich, an der er vorüberging, versiegelte sich mit Blut wie der Schreibtisch vorhin. Als er am Tisch ankam, zeigte sich nun auch dieser wieder blutverschmiert. Robert schaute daraufhin sofort wieder zur Eingangstür. Kein Blut. Es schien, als ob all das Blut das er sah, nur in seiner näheren Umgebung zum Vorschein kam. Tatsächlich. Bei näherer Betrachtung konnte er nun eine Art Grenze zwischen der blutenden Wohnung und der nicht-blutenden Wohnung ausmachen.
Es war er der blutete, es war wohl sein Blut, dachte er sich. Es umgab ihn, wie eine Hülle, ein Ballon.

Robert setzte sich auf einen Stuhl der daraufhin auch völlig im Blut versank. Seine Gedanken kreisten. Er versuchte sich das alles zu erklären. Warum verspürte er keine Angst, nicht anhaltend? Er fühlte sich schlecht, seine Kehle schnürte sich zusammen. Die Luft in seinen Lungen haftete, sie bewegte sich nicht mehr. Er versuchte zu atmen, tief und lange. Es half…einen Moment. Alles erschien ihm taub, nutzlos und schwer.
Er schaute hoch und sah die einsam hängende Glühbirne in der Mitte des Raumes. Das knappe, schummrige Lichte mochte er. Seine Freunde wollten ihm schon seit langem eine Lampe schenken. Sie fanden die lose Glühbirne zu schäbig. Er mochte es so, so trüb und nackt.

Er stand auf und ging auf die Glühbirne zu. Der Raum begann zu flackern, er sah wie sich seine traurigen Augen im Glas spiegelten. Langsam aber sicher füllte sich die Birne mit Blut. Robert sah rüber zur Wand, dort hing das Bild von Lena. Ein Portrait. Er hatte es selbst geschossen.
Robert schaute wieder zur Birne und griff nach ihr. Plötzlich ging das Licht aus. Dunkelheit.

 

Hej Cavum,

wenn die Wand Poren bekommt, naja, dann liegt der Gedanke an Drogenkonsum nahe. Schöner hätte ich es gefunden, wenn Deine Geschichte ohne Drogen bzw. die Erwähnung derselben ausgekommen wäre - es würde sie seltsamer machen.
Auch wenn es so ausdrücklich nicht da steht, nun denke ich: zuviel gekifft und wer weiß was noch alles, kein Wunder, Robert. Auch die extremen Stimmungsschwankungen - euphorisch, panisch dann wieder ganz ruhig und zum Schluss geht es ihm schlecht und er wird traurig - wirken auf mich nur nachvollziehbar, wenn ich mir vorstelle, dass er auf irgendeinem Trip ist oder war.
Aber gefallen hat mir die Geschichte. Wahrscheinlich, weil ich unheimlich auf rot stehe:D , nein, im Ernst, vor allem das letzte Bild mit der Glühbirne fand ich gelungen.

Gruß Ane

PS: Und willkommen hier.

 

Hallo Cavum,

und herzlich Willkommen auf kg.de.

Dein Erstling liest sich für mich blutig, im wahrsten Wortsinne. Du bringst die Vokabel sehr häufig unter, zu häufig. 17 Mal, um genau zu sein.

Es liest sich für mich wie ein Flashback, erst dachte ich, es wird wohl ein Trip sein, doch der Prot scheint sich nichts dergleichen bewusst zu sein, wenn er daran glaubt, vielleicht bekifft zu sein. Wobei auch diese fehlende Refexion im Rausch passieren mag, seine Stimmungsschwankungen gehen ja auch in diese Richtung.

Jedenfalls ist sie für einen Erstling hoffnungsvoll, Du zeigst ein dichtes Bild einer surrealen Situation, die möglicherweise auch voller Symbole, Metaphern sein mag, die nackte Glühbirne, die Holztür nach draussen, das Blut aus allen Zeilen... Ich nehme sie als museale Erfahrung, nicht als Acker meiner Interpretationen.

Als er sich dem Tisch näherte, schwollen die kleinen Rinnsäle zu großen Pfützen an.
Das Bild ist quer. Rinnsale (so würde ich einem Rinnsal den Plural hinzufügen) können, da bewegt, zu Flüssen anschwellen, zu Fluten, doch eine Pfütze ist statisch, unbewegt. Tropfen können Pfützen werden.

Grüße,
C. Seltsem

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo,

danke für die Antworten. Es ist sehr interessant für mich zu lesen, wie die Story auf euch wirkt. Es ist quasi die erste Story die ich "jemandem" zeige.

Vor allem überrascht es mich das ihr ein Drogenthema focusiert. Vielleicht hätte ich die Zeile mit dem "bekifft" weglassen sollen. Denn um Drogen geht es eigentlich gar nicht. Ich habe beim Schreiben sehr viel in Bildern gedacht und gefühlt.

Bin gespannt, auf vielleicht weitere Antworten, Eindrücke...

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom