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Summer in the city

Beitritt
10.07.2002
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Summer in the city

Neun Uhr morgens - und die Kaiserstraße war wieder einmal heillos verstopft. Der Toyota suchte sich hustend einen Weg zu meinem Büro. Das Autoradio lief und ein gutgelaunter Moderator verkündete, dass es ein heißer Tag werden würde. Um das festzustellen, hätte ich ihn nicht gebraucht. Trotz der geöffneten Fenster staute sich die sommerliche Hitze in meinem Wagen. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, wie heiß der Tag für mich noch werden würde, ich hätte die Nonne sofort rausgeschmissen. Als ich an meinem Büro ankam, wartete sie vor der Eingangstür und lächelte mich schüchtern an.
„Sie sind Benedikt Meyer?“, fragte sie leise.
Clever kombiniert in Anbetracht der Tatsache, dass dieser Name in großen Lettern auf meiner Bürotür prangte und ich die Schlüssel für eben diese Tür in der Hand hielt. Ich wollte schon einen entsprechenden Kommentar loslassen, doch da auf meinem Bankkonto genauso viel Trubel herrschte wie sonntags in einer der zahlreichen Kirchen der Altstadt, nickte ich nur und schloss die Tür auf. Wir gingen hinein und setzten uns. Der Mief unzähliger gerauchter Zigaretten stand wie ein unheiliger Geist zwischen uns.
„Was kann ich für Sie tun?“
Statt zu antworten, schaute sie sich in aller Ruhe in meinem Büro um. Schließlich kehrte ihr Blick zu mir zurück.
„Nach all den Kriminalromanen habe ich mir einen Detektiv ganz anders vorgestellt“, sagte sie.
„Wenn Sie damit auf meinen Bauch anspielen, der stört mich nicht beim Denken“, antwortete ich. Sie errötete. Ich holte meinen Tabak raus, drehte mir eine Zigarette und schaute sie wieder fragend an, nachdem ich den ersten Zug inhaliert hatte.
Schließlich fing sie an zu erzählen. Ihr Name war Hermine, Schwester Hermine, um genau zu sein, Provinzoberin im Orden der Heiligen des letzten Tages. Ihre Nichte Susanne Dallmayer arbeitete als Journalistin für das Mainzer Tageblatt, war vor einigen Tagen für Recherchen nach Bingen gefahren und wollte sie vorgestern im Kloster auf dem Laurenziberg besuchen. Sie hatte sich telefonisch bei Schwester Hermine angekündigt, war aber nie erschienen. Da ihre Nichte sonst sehr zuverlässig war, machte Schwester Hermine sich große Sorgen. Sie hatte in dem Hotel angerufen, in dem Susanne übernachten wollte. Dort hatte man ihr gesagt, dass Susanne bereits nach einer Übernachtung wieder abgereist sei. Zuhause konnte sie Susanne nicht erreichen. Also ging Schwester Hermine zur Polizei. Die machten das, was sie in solchen Fällen immer tun. Legten eine Akte an. Ansonsten versuchten sie die Nonne zu beruhigen. Die aber wollte sich nicht beruhigen lassen, suchte im Telefonbuch nach einem Detektiv und saß nun vor mir.
„Sie möchten also, dass ich Ihre Nichte suche, die anscheinend vor vier Tagen von der Bildfläche verschwunden ist?“
„Ich weiß, dass ihr etwas zugestoßen sein muss. Sie hätte sich sonst bei mir gemeldet.“ Sie nestelte nervös an ihrer Brille.
„Okay, Schwester, kein Problem. Ich weiß nicht, ob Sie sich als Nonne einen Detektiv leisten können. Sie haben doch bestimmt ein Verzichtsgelübde oder so etwas in der Art abgelegt. Es heißt zwar, der Herr ernährt auch jene, die weder säen noch ernten, aber mit solchen Sprüchen kann ich meinen Kühlschrank leider nicht füllen. Zweihundert am Tag plus Spesen ist der übliche Satz.“
„Wegen der Bezahlung müssen Sie sich keine Sorgen machen, ich habe vor einigen Jahren etwas geerbt und als Notgroschen zur Bank gebracht.“
Sie griff in ihren Habit und zog einige grüne Scheinchen hervor, legte sie vor sich auf den Tisch und schob sie zu mir rüber. So klein schien der Notgroschen nicht zu sein – ohne Zögern hatte sie mir Tausend Euro hingeblättert.
„Wenn Sie jetzt noch ein Foto Ihrer Nichte hätten, würden Sie mich zum glücklichsten aller Detektive machen.“
Wieder wühlte sie in ihrer Kutte. Wie ein Zauberer das Kaninchen aus dem Hut, zog sie ein Polaroid hervor. Eine junge Frau schaute mich böse an. Schwarze Locken umrahmten ein ovales Gesicht, aus dem mandelförmige Augen grimmig in die Kamera blitzten. Zornig hatte sie ihr etwas zu breites Kinn nach vorne gereckt.
„Sie lässt sich nicht gerne fotografieren“, sagte Schwester Hermine, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

Nachdem sie mein Büro verlassen hatte, fuhr ich zur Lokalredaktion des Mainzer Tageblatts. Leider konnte mir niemand sagen, an welcher Story Susanne zuletzt gearbeitet hatte und wo sie sich aufhalten könnte. Schließlich landete ich im Sekretariat des Chefredakteurs. Eine Sonnenstudioschönheit starrte mit offenem Mund auf einen Monitor. Ab und zu hämmerte sie mit beiden Fäusten auf die Tastatur. Sie schaute kurz auf, sagte „Moment“ und malträtierte weiter das Keyboard. Ich lehnte mich gegen die Tür, schaute mir die Vorstellung eine Zeitlang an, und drehte mir währenddessen eine Zigarette. Schließlich reichte es mir.
„Sagen Sie mir Bescheid, wenn er Stöckchen holen kann, dann gehe ich mit ihm Gassi, während Sie uns einen Kaffee kochen.“
Wie in Zeitlupe drehte sie ihren Kopf in meine Richtung. Aus dem immer noch geöffneten Mund hingen feine Speichelfäden. Bevor sie jedoch dazu kam, meinen Vorschlag intellektuell zu verarbeiten, öffnete sich die Tür hinter ihr und ein Kerl wie ein Sumo Ringer stürmte mit hochrotem Kopf in das Zimmer.
„Hast du Susanne endlich erreicht?“, raunzte er sie an.
Sie wollte antworten, doch er kam ihr zuvor.
„Die kann was erleben. Mich hier allein zu lassen. Die fliegt. Hochkant. Und du fliegst gleich mit. Nichtskönner alle zusammen.“
Er rollte wie ein überdimensionaler Big Mäc durch das Zimmer und blieb schließlich vor mir stehen.
„Wer sind Sie? Was wollen Sie?“, fauchte er mich an.
„Ich bin Parsifal, der Ritter der traurigen Gestalt. Wenn Sie brav sind, werde ich Sie nicht als Wegzehrung verspeisen.“
Er japste nach Luft und seine Gesichtsfarbe wechselte zu einem tiefen Purpur. Gleich würde er platzen.
„Raus! Mach, dass du hier verschwindest, sonst kannst du was erleben.“
Er hätte sicherlich noch weitergebrüllt, doch ich hielt ihm das Foto von Susanne unter die Nase.
„Ich bin ebenfalls auf der Suche nach Susanne Dallmayer“, sagte ich in die plötzlich eintretende Stille hinein. „Wenn ihr Puls wieder Normalgeschwindigkeit erreicht hat, sollten wir uns in Ruhe unterhalten“.
Er schnaufte noch zwei, drei Mal, doch dann drehte er sich um und ging in sein Büro. Ich folgte ihm.
„Sie sind also auch auf der Suche nach Susanne? Warum? Was ist mit ihr?“, blaffte er mich an, nachdem wir Platz genommen hatten.
Ich erzählte ihm von Schwester Hermine und ihrer Befürchtung, Susanne könne etwas zugestoßen sein. Dann fragte ich ihn, an welcher Story Susanne zur Zeit arbeite.
„Sie hat behauptet, einer richtig heißen Geschichte auf der Spur zu sein. Drogenhandel im großen Stil. Sie hatte einen Informanten in der Frankfurter Rotlichtszene. Genaueres wollte sie mir aber nicht sagen.“
Das brachte mich auch nicht weiter. Wenn sie in der Frankfurter Drogenszene recherchierte, was hatte sie dann in Bingen zu suchen? Dort wurde höchstens mit gepanschtem Wein gedealt. Während ich noch überlegte, stand er auf und wanderte um den Schreibtisch herum. Dabei redete er sich schon wieder in Rage. Er war der Typ, der nicht lange ruhig bleiben konnte.
„Immer sind sie einer heißen Geschichte auf der Spur, diese hoch trabenden Tussis. Suchen alle Watergate am Rhein. Wollen alle mit einer heißen Story zum Spiegel. Dabei brauche ich sie hier, diese blöde Ziege. Wer interviewt mir heute Abend den OB?“
Er lief schon wieder rot an. Es war ein faszinierendes Schauspiel, von dem ich mich jedoch verabschieden musste. Ich stand auf und ließ ihn weitertoben.

Ich fuhr zu der von Schwester Hermine angegebenen Adresse und befragte die Nachbarn und den Hausmeister, doch keiner konnte sich erinnern, wann er Susanne das letzte Mal gesehen hatte. Vielleicht hatte Frau Journalistin auch einfach keinen Bock mehr gehabt, ihre Koffer gepackt und ließ sich jetzt am Strand von Malibu den Rücken von einem braun gebrannten Surfer eincremen. Statt mich ebenfalls in die immer greller scheinende Sonne zu legen, erinnerte ich mich an die fünf grünen Scheinchen, die nun in meinem Bürosafe lagen, und fuhr nach Bingen.
Als erstes steuerte ich das Rheinhotel an, ein hässlicher, postmoderner Kasten, funktional und ohne jegliches Flair. Ich durchquerte die verspiegelte Eingangshalle und fragte das Mäuschen hinter der Theke nach Susanne.
„Tut mir leid, aber wir dürfen keine Auskünfte über unsere Gäste geben“, flötete sie mit einem Augenaufschlag, der Sharon Stone zur Ehre gereicht hätte.
Ich zückte meinen Ausweis, doch das brachte mir nur einen weiteren Beweis ihrer fantastischen Mimik. Diesmal in Kombination mit einem herrlichen Schmollmund.
„Lass gut sein, Süße“, sagte ich und demonstrierte ihr, warum sich mein Zahnarzt die teuren Golfstunden leisten konnte, „ruf den Manager, wir regeln das schon.“
Nach zehn Minuten tippte mir jemand von hinten auf die Schulter. Ich drehte mich um. Obwohl ich nicht gerade zu den Zwergen zähle, musste ich meinen Kopf weit nach hinten beugen, um meinem Gegenüber in die Augen schauen zu können. Er war fast zwei Köpfe größer als ich und bestimmt hundert Kilo Muskelmasse schwerer. Im Normalfall war er so friedlich wie ein Teddybär, doch wenn man ihn reizte, wurde er zum Grizzly. Während meiner Zeit als Bulle in Frankfurt hatte ich des öfteren mit ihm zu tun gehabt. Er war unter dem Namen Shorty bekannt, auch wenn ihn manche wegen seiner geringen geistigen Größe Dumpfbacke nannten, dies jedoch nie in seiner Anwesenheit. In Frankfurt hatte er für Jaguar-Schulze den Türsteher gespielt.
„Hey Shorty, was hat dich denn in die Provinz verschlagen?“, fragte ich ihn freundlich.
Irritiert blinzelte er mich an. Dann hellten sich seine Gesichtszüge auf. Er hatte mich erkannt.
„Hi Benny. Bin jetzt Sicherheitschef. Muss auf das Hotel aufpassen.“ Kleine Wassertropfen flogen mir entgegen. Er lispelte. Seit unserer letzten Begegnung hatte er mehrere Zähne verloren, sicher nicht vor Altersschwäche.
„Gehört dieser Kasten etwa Jaguar-Schulze, oder arbeitest du nicht mehr für ihn?“, fragte ich, nachdem ich mir die Spucke aus dem Gesicht gewischt und zwei Schritt Abstand genommen hatte.
„Das darf ich dir nicht sagen“, antwortete Shorty nach kurzem Zögern.
„Dann erzähl mir doch etwas über Susanne Dallmayer. Der Name müsste dir doch bekannt sein.“
Er kratzte sich hinter seinem rechten Ohr, zog die Augenbrauen nach unten und holte tief Luft. Er dachte nach. Dann tappte er zu dem Empfangsmäuschen. Nachdem sie ihm die Informationen aus dem Computer rausgesucht hatte, kam er wieder zu mir zurückgetappt.
„Sie war da. Eine Nacht. Ist vorgestern wieder abgereist. Und das solltest du auch tun.“
Langsam aber bestimmt schob er mich zur Tür.
„Wir sehen uns, Shorty“, sagte ich, und stieg in meinen Wagen.
Er beugte sich zu mir hinunter und verabschiedete sich mit einem kleinen Spuckeschauer. „Besser nicht“.

Ich parkte den Toyota in der Nähe des Marktplatzes und genehmigte mir an einem Imbissstand eine Currywurst mit Pommes. Anschließend latschte ich mir die Sohlen von den Schuhen, ging von einem Geschäft zum nächsten, zeigte Susannes Bild herum, sprach mit Bäckerinnen, denen man den Genuss zu vieler Quarkstullen, Kirschstreusel und ähnlichem Süßkram schon von weitem ansah, hörte mir das Gejammer blutbespritzter Metzger über die unbegründete Angst vor Rindfleisch an, musste mich vor schwitzenden Verkäuferinnen in Sicherheit bringen, die mir mehr als nur an die Wäsche wollten, und kam keinen Schritt weiter. Niemand hatte Susanne gesehen. Mein Hemd war inzwischen so durchgeschwitzt, dass ich es auswringen musste. Als die ersten Kneipen öffneten versuchte ich es dort. In der dritten, einer heruntergekommenen Spelunke in der Nähe des Rathauses, hatte ich Glück. Der Wirt, ein kleines, altes Männchen mit hängenden Schultern, konnte sich an Susanne erinnern. Ich fragte ihn, ob sie mit jemandem gesprochen habe. Er zeigte auf einen Typen, der am Flipper stand.
„Willi hat sich lange mit Ihrer Freundin unterhalten“, sagte er müde.
Ich bestellte zwei Kurze und ging zum Flipper. Der Typ dort hatte auch schon bessere Tage gesehen. Er hatte die typisch rote Nase eines Säufers. Lange, fettige Haare hingen ihm in ein großporiges Gesicht. Das schwabbelige Doppelkinn hatte schon seit Tagen keinen Rasierapparat mehr gesehen. Ein verwaschenes Hemd hing über eine Jeans, die fast so viele Löcher hatte wie die verdreckten Turnschuhe.
„Na, wie wär’s mit einem Spiel?“, fragte ich ihn, während ich die zwei Schnäpse vor seiner Nase balancierte.
„Gerne, Meister, wenn Sie bezahlen“, antwortete er und stierte wie ein Verdurstender auf den Schnaps in meiner Hand. Er stank nach billigem Essen und noch billigerem Wein. Ich gab ihm ein Glas, wir prosteten uns zu und kippten den Stoff hinunter.
„Wo der gelandet is’, wär’ noch Platz für’n paar Freunde.“ Er lachte und zeigte mir die Trümmer seiner Beißwerkzeuge. Mein Zahnarzt hätte für Monate ausgesorgt. Ich gab dem Wirt ein Zeichen und schoss die erste Kugel ab.
Sie hatte ihn angesprochen und ihn nach seiner früheren Arbeit ausgefragt. Bis zu seiner Kündigung vor einem halben Jahr hatte er im Binger Hafen gejobbt.
„Das Fräulein aus Mainz wollt alles Mögliche wisse. Welche Schiffe in Binge festmache, woher se komme, welche Ladung se habe, wie das mit den Formulare is’, und so weiter und so weiter. Macht übrigens ganz schön durstig, so’n Schwätzche.“
Wir kippten uns eine weitere Runde Schnaps hinter die Binde.
„Und immer wieder hat se mich nach Herbert gefragt“. Er grinste verschwörerisch.
Ich tat ihm den Gefallen. „Herbert?“, fragte ich.
„Na, Herbert Koslowski, der arbeitet doch im Zollamt am Hafen.“
„Und was wollte sie von diesem Koslowski?“
„Keine Ahnung, hattse nich’ gesagt.“
Susanne hatte ihn schließlich beauftragt, sich im Hafen umzuschauen, insbesondere nach Schiffen aus Rotterdam. Sie hatte sich am nächsten Abend mit ihm in dieser Kneipe treffen wollen.
„Aber das Fräulein kam nicht. Kam überhaupt nicht mehr. Keine Ahnung, warum“, sagte er und zog resignierend die Schultern hoch. Wahrscheinlich hatte er auch von Susanne eine Runde nach der anderen spendiert bekommen und gehofft, dass diese Quelle nicht so schnell versiegen möge.
„Sonst noch was?“, fragte ich ihn, „versuch dich zu erinnern. Was hat sie sonst noch gesagt, was hat sie gesucht?“
Er schaute mich aus blutunterlaufenen Augen an und zog dann schniefend die Nase hoch. Nachdem er sich mit dem Handrücken den Rotz von der Nase gewischt hatte, sagte er mit quengeliger Stimme: „Ich weiß sonst nix, ehrlich.“
Etwas an seiner Körperhaltung störte mich. Er wirkte wie ein Junkie, der einen Fünfhunderter gefunden hat, und noch nicht genau weiß, wie er ihn ohne großes Aufsehen gewechselt bekommt. Er hatte mir noch nicht alles erzählt, soviel war klar. Aber er würde mir nicht mehr erzählen. Zumindest jetzt nicht.
„Nichts für ungut, Meister, aber ich muss wieder.“ Er drehte sich um, grüßte kurz zu dem Wirt rüber und verschwand. Ich zahlte und trat ebenfalls hinaus in das grelle Sonnenlicht. Obwohl die Mittagszeit schon lange vorbei war, knallte die Sonne noch immer erbarmungslos vom Himmel. Der Alkohol drückte sich durch jede Pore und blieb als klebriger Film auf der Haut haften. Ich schüttelte mich, um einen klaren Kopf zu bekommen und sah Willi einige Meter weiter auf der anderen Straßenseite. Ein brauner Jaguar hatte neben ihm gehalten. Eine Scheibe glitt nach unten und ich konnte das Glitzern einer goldenen Armbanduhr erkennen, dann stieg Willi ein und der Jaguar verschwand hinter der nächsten Ecke.

Ich ging zum Hafen. Auf der Rheinpromenade war mehr los als auf der Zeil während des Sommerschlussverkaufs. Alte Männer hielten ihre müden Knochen in die Sonne, junge Mütter versuchten ihre Bälger einzufangen, ein paar Penner stritten sich um eine Flasche Lambrusco und mittendrin die unvermeidlichen Japaner, alles fotografierend, was ihnen vor die Linse kam.
Am Zollamt angekommen, schaute ich mir die beiden Wagen auf dem Parkplatz an. Kein Jaguar. Ein Opel Astra und ein Porsche Cabrio. Langsam stieg ich die drei Stufen zum Eingang hinauf. Mein Hemd war schon wieder feucht. Die Tür vor mir wurde aufgerissen und ein fettfleckiges T-Shirt bewegte sich rückwärts auf mich zu.
„Denk dran. Ich bin immer in deiner Nähe“, sagte der dazugehörige Besitzer leise zu seinem für mich nicht sichtbaren Gegenüber. Das T-Shirt drehte sich um und rannte mich fast über den Haufen.
„Pass doch auf, du blöder Sack.“
Noch bevor ich etwas erwidern konnte, wetzte er die Treppe hinunter und sprang gekonnt in den Porsche. Demnach musste der Bursche, der aus dem Schatten des Büros vor mir auftauchte, der Besitzer des Astra sein. Schweißtropfen perlten von seiner Stirn. Ob von der Hitze oder von etwas anderem, war nicht zu erkennen.
„Mittagspause“, sagte er, und wollte die Tür schließen. Ich klemmte meinen Fuß dazwischen und schob ihn langsam mitsamt der Tür zurück.
„Aber, aber, Herr Koslowski, warum denn so abweisend. Beantworten Sie mir doch bitte erst einmal ein paar Fragen“.
„Sind Sie von der Polizei?“, fragte er mit zittriger Stimme.
„So ähnlich“, knurrte ich, während ich ihm erst meinen Ausweis und dann das Foto von Susanne zeigte.
„Kenne ich nicht. Noch nie gesehen“, stotterte er. Seine rötliche Gesichtsfarbe verwandelte sich in das ungesunde Aussehen verwesender Wasserleichen.
„Und Jaguar-Schulze? Den kennen Sie auch nicht. Und mit Schiffen kennen Sie sich auch nicht aus. Und Rotterdam ist ein Vorort von Frankfurt.“
Den Zeigefinger meiner rechten Hand wie einen Pistolenlauf auf seine Brust gerichtet, trieb ich ihn vor mir her. Schließlich landete er unsanft auf der Kante seines Schreibtischs. Über uns wühlte sich ein Ventilator altersschwach durch die stickige Luft des Büros.
„Was wollte der Kerl eben? Drogen?“ Bei jedem Wort klopfte ich ihm meinen Zeigefinger auf die Brust.
Es war ein Versuchsballon, doch er schien gelandet zu sein. Er zitterte am ganzen Körper, japste hechelnd nach Luft und riss seine Augen so weit auf, dass ich sehen konnte, wie ein Äderchen platzte. „Ich habe nichts gesagt“, stöhnte er. Erst jetzt bemerkte ich, dass er nicht mich ansah, sondern jemand hinter mir. In dem Moment fiel mir ein, dass ich den Porsche nicht wegfahren gehört hatte. Ich hatte keine Zeit mehr, mich intensiver mit dieser Tatsache zu beschäftigen, denn noch bevor ich mich umdrehen konnte, erwischte mich ein Dreißigtonner am Hinterkopf und ich fiel in eine dunkle, kühle Bewusstlosigkeit.

Ich erwachte von dem Gezeter meiner Nachbarin. Eine bösartige alte Hexe, die mir schon seit Jahren lautstark erläutert, was Adolf mit dem ganzen asozialen Gesocks in unserer wunderschönen Landeshauptstadt gemacht hätte. Ich bekam Kopfschmerzen von dem Gekeife und versuchte mir die Ohren zuzuhalten, musste aber feststellen, dass meine Hände gefesselt waren. Jetzt übertreibt sie aber, dachte ich und öffnete die Augen. Die Hexe verwandelte sich in eine Horde wild hüpfender Elstern, die sich links von mir um etwas silbrig Glänzendes versammelt hatten. Ich saß auf einer Bank inmitten einer Waldlichtung. Um mich herum waberten Rauchwolken durch die drückende Hitze des Tages, und der harzige Geruch brennender Bäume stieg mir in die Nase. Neben mir saß Willi und schaute den Elstern bei ihrem wilden Spiel zu. Ich versuchte aufzustehen und fiel auf die Knie. Meine Füße waren ebenfalls gefesselt. Mein Kopf dröhnte wie der Dieselmotor eines Rheinfrachters, die aufgeschlagenen Knie schrieen nach Linderung und in meinem Magen verbündeten sich Currywurst, Pommes, Schnaps und Magensäure zu einem explosiven Gemisch. Als nur noch Gallenflüssigkeit kam, rappelte ich mich auf und schaute mich um. Etwa drei Meter hinter der Bank stand eine Plakatwand. Über dem im untergehenden Sonnenlicht fotografierten Mäuseturm stand in riesigen Lettern AGENDA 21. Etwas kleiner darunter „Quo vadis, Bingen?“ Willi würde mir diese Frage nicht mehr beantworten können. Er war so tot wie der letzte Lachs im Rhein. Um das festzustellen, musste ich nicht erst mit einem Gerichtsmediziner sprechen, das kleine Loch in seiner Stirn war beredt genug. Seine Augen waren geöffnet, doch er schaute in eine Ferne, die mir verborgen blieb. Die Elstern hatte ich durch meinen Sturz verscheucht. Sie beschimpften mich aus der sicheren Deckung eines Holunderbeerbusches. Im Gras vor mir lag eine Browning, um die sie sich gestritten hatten. Ich hätte Hermines Scheinchen darauf verwettet, dass meine Fingerabdrücke auf der Pistole waren. Ich schaute mich weiter um, doch außer Willi war niemand zu sehen. Nachdem ich mich von den dilettantisch angelegten Fesseln befreit und die Pistole eingesteckt hatte, durchsuchte ich hastig Willis Klamotten. Außer einer angebrochenen Packung Lucky Strike und einem Einwegfeuerzeug fand ich nur noch eine Eintrittskarte zu einer Vortragsveranstaltung zum Thema „Fremdenverkehr in Bingen im 21. Jahrhundert“. Ich steckte sie ein. Die Veranstaltung sollte heute Abend im Rheinhotel stattfinden.
Das Feuer hatte inzwischen die Lichtung erreicht. Die Hitze versengte mir die Augenbrauen. Ich musste machen, dass ich hier wegkam, oder in Mainz würde die Stelle eines Privatschnüfflers frei werden. Rings um mich herum brannte der Wald, ich konnte nicht erkennen, in welche Richtung ich mich durchschlagen sollte. Wenn ich in die falsche Richtung liefe, wäre ich schneller gar, als ein Hackbraten im Ofen meiner Großmutter. Plötzlich hörte ich Sirenen. Ohne nachzudenken rannte ich los. Brennende Äste griffen gierig nach mir. Vor mir fiel eine Tanne sterbend auf den Weg. Es roch nach verbranntem Haar. Ich zog mir die Jacke über den Kopf und lief weiter. Meine Jeans fing an zu kokeln, meine Lungen schrieen nach Luft und der Dieselmotor in meinem Schädel schaltete in den zweiten Gang. Ich stolperte über eine Wurzel und knallte der Länge nach hin. Am liebsten wäre ich liegengeblieben. Mit letzter Willenskraft rappelte ich mich hoch und torkelte weiter. Und dann spürte ich Wassertropfen auf meiner Haut. Ein Feuerwehrmann tauchte wie ein urzeitliches Lebewesen aus dem Nebel vor mir auf und schrie mich an, doch ich konnte kein Wort verstehen. Er kam auf mich zu und führte mich zu seinem Einsatzleiter. Der gab mir eine Decke und eine Flasche Mineralwasser und verschwand dann wieder. Sie würden Willi finden und die Kripo alarmieren. Die würden Fragen stellen, auf die ich im Moment noch keine Antworten wusste. Also machte ich, dass ich Land gewann. Ich ging die Straße bergab, kam zu einem Ausflugslokal und bestellte mir ein Taxi. Der Fahrer runzelte die Stirn, stellte aber keine Fragen. Wieder in der Stadt angekommen, machte ich mich auf den Weg zum Rheinhotel. Es wurde Zeit, sich nochmals mit Shorty zu unterhalten.
Als ich ankam, lief die Veranstaltung schon. Ein Redner erläuterte seine Vorstellung einer Stadterneuerung. Er hätte Willi fragen sollen, der hätte ihm bestimmt gerne weitergeholfen. Ich schaute mich um. Rechts neben der Bühne stand Shorty neben einem sauber herausgeputzten Jaguar-Schulze. Ich ging auf die beiden zu.
„Hi Shorty, schlechte Gesellschaft hast du dir ausgesucht.“
„Sie müssen der Schnüffler sein, von dem Shorty mir erzählt hat“, sagte Jaguar-Schulze mit einer Fistelstimme, die so gar nicht zu seinem gedrungenen Körper passen wollte. Er begutachtete mich von oben bis unten. „Sie sehen ganz schön abgebrannt aus, Schnüffler, vielleicht könnte ich Ihnen mit einem Job aushelfen.“
„Vielen Dank für das Angebot, ich habe mein Auskommen. Aber wir sollten uns vielleicht einmal in Ruhe über einige Sachen unterhalten, die in den letzten Tagen in dieser schönen Stadt vorgefallen sind.“
„Ich wüsste nicht, was hier vorgefallen sein soll“, antwortete Jaguar-Schulze, „aber weil Sie ein Freund von Shorty sind, gewähre ich Ihnen 10 Minuten meiner kostbaren Zeit. Kommen Sie. Du bleibst hier, Shorty, und passt auf, dass alles glatt läuft“.
Wir gingen hinter die Bühne, passierten mehrere Türen, stiegen Treppen rauf und Treppen runter und kamen schließlich zu einem langen, hell erleuchteten und mit meterdickem Teppich ausgelegten Flur. Schließlich blieben wir vor einer mahagonivertäfelten Tür stehen. Jaguar-Schulze schloss auf und bat mich einzutreten. Ich drückte mich an ihm vorbei, sprang in das Zimmer und rollte mich über die linke Schulter ab. Im Aufspringen zog ich die Browning und richtete sie auf Mister T-Shirt, der hinter der Tür auf mich gewartet hatte. Jaguar-Schulze war inzwischen ebenfalls in das Zimmer gekommen und applaudierte freundlich. „Sie verstehen ihren Job, Schnüffler, alle Achtung.“
„Sagen Sie Ihrem Gorilla, er soll den Totschläger weglegen und sich auf den Boden setzen“, keuchte ich.
„Lass gut sein, Alex, und setz dich“, sagte Jaguar-Schulze leise.
Aber Alex hatte entweder nicht mehr alle Tassen im Schrank oder noch nie eine Browning gesehen. Er stürmte auf mich zu. Ich schoss ihm in den rechten Oberschenkel. Ohne einen Laut von sich zu geben, sackte er zusammen. Eine Blutlache verschandelte den teuer aussehenden Teppich.
„Ziehen Sie’s ihm vom Gehalt ab“, sagte ich und richtete die Waffe auf Jaguar-Schulze.
„Was sollen diese Brutalitäten?“, fragte er. „So können wir nicht ins Geschäft kommen. Sie wissen sicherlich, wer ich bin. Wenn Sie sich mit mir anlegen, haben sie keine ruhige Minute mehr. Also legen Sie die Waffe weg und nennen Sie mir Ihren Preis.“
„Zweihundert am Tag plus Spesen. Aber die hat schon ein anderer gezahlt.“
Ohne ihn aus den Augen zu lassen, schaute ich mich um. Auf dem Schreibtisch fand ich, was ich suchte. Ich nahm mir die Flasche, drehte den Verschluss auf und trank. Nachdem ich die Flasche wieder abgesetzt hatte, ging die Tür auf und Shorty betrat die Szene.
„Hi Shorty, komm rein, leiste uns Gesellschaft. Aber schön vorsichtig, du willst dich doch nicht neben deinen Freund hier legen“, sagte ich und zeigte mit der Waffe auf den stöhnenden Alex.
Shorty blinzelte irritiert, sah erst mich, dann Alex und schließlich Jaguar-Schulze an. Er kratzte sich kurz am Hinterkopf und ließ sich schließlich plump in einen gemütlich aussehenden Ohrensessel fallen.
Ich schaute mich weiter um und entdeckte ein Telefon. „Ich rufe jetzt die Bullen an, und der erste, der sich deswegen aufregt, kann sich schon mal bei Alex erkundigen, wie es ist, eine Kugel im Leib zu haben.“
Jaguar-Schulze wurde etwas blass um die Nase und setzte sich ebenfalls in einen Sessel.
Ich fragte mich bei der Mainzer Kripo bis zu meinem alten Kumpel Roland durch, erklärte ihm kurz die Sachlage und bat ihn, mit einigen Kollegen vorbeizuschauen. Anschließend legte ich den Hörer vorsichtig wieder zurück auf die Gabel. Meine Hände waren schweißnass. Ich griff zur Flasche und trank noch einen Schluck.
„Ich hab’ keine Ahnung, was du hier für ein Ding abziehst, aber wenn die Bullen hier sind, werde ich dich wegen Hausfriedensbruch und versuchtem Totschlag anzeigen. Und wenn du nach einigen Jährchen aus dem Knast kommst, werden sich meine Frankfurter Freunde um dich kümmern“, quakte Jaguar-Schulze.
Ich hatte keine Lust mehr, mich mit diesem Gesocks zu unterhalten. Schweigend warteten wir auf die Bullen. Ich trank ab und zu einen Schluck, wischte mir abwechselnd die feuchten Hände an der Hose ab und passte auf, dass keiner von den beiden auf dumme Gedanken kam. Währenddessen hatte Alex sich in eine Ecke geschleppt und jammerte, was das Zeug hielt.
Schließlich klopfte es, und Roland streckte seinen kahlen Schädel in das Zimmer. Ich stand auf und ging auf ihn zu.
„Endlich, Herr Kommissar, befreien Sie uns von diesem Verrückten“, nörgelte Jaguar-Schulze los, „er hält uns hier...“
„Schnauze“, brüllte ich, und zog ihm den Revolverlauf über die Nase.
Nach kurzem Tohuwabohu beruhigten sich die Gemüter und Roland fragte mich, was hier los sei.
Ich erzählte ihm in aller Kürze von meinem Auftrag.
„Und warum legst du dich mit einer Frankfurter Rotlichtgröße an? In Bingen?“, fragte er schließlich.
„Jaguar-Schulze hatte die geniale Idee, Drogen aus Holland via Bingen in das Rhein-Main-Gebiet zu schaffen. Containerschiffe aus Rotterdam transportierten Stoff in großen Mengen und luden es hier in Bingen aus. Um dies ohne großes Aufsehen durchziehen zu können, musste ein Mitarbeiter beim Zollamt geschmiert werden. Die Journalistin Susanne Dallmayer kam durch einen Tipp aus der Frankfurter Szene auf diese Spur. Wie viel sie gewusst hat, weiß ich nicht. Dumm nur, dass sie sich gerade in dem Hotel einquartiert, das Jaguar-Schulze benutzt, um die Drogen zwischenzulagern. Die Journalistin wurde zu gefährlich und musste aus dem Weg geräumt werden. Wahrscheinlich findet ihr sie zugedröhnt irgendwo hier im Hotel, es sei denn, die Typen haben sie schon alle gemacht und die Leiche verschwinden lassen. Aber so, wie ich diese Ganoven einschätze, wollten sie die junge Dame auch noch verhökern. Dummerweise wurde ich von ihrer Tante beauftragt, sie zu suchen. Ich fragte mich durch, stieß zufällig auf einen abgehalfterten Trinker, der wenige Tage zuvor mit Susanne gesprochen hatte und der mir den Tipp mit dem Zollamt gegeben hat. Dafür hat er teuer bezahlen müssen. Die Leiche dürften deine Kollegen inzwischen im Binger Wald gefunden haben. Die Ganoven waren nach meinem Besuch in diesem Hotel nervös geworden und hatten mich beschattet. Sie hatten sich Willi geschnappt, der sich in seinem Trinkerhirn einiges zusammengereimt hatte, und ihn kaltgestellt. Vielleicht hatte er es mit einer kleinen Erpressung versucht, aber das wird er uns jetzt nicht mehr sagen können. Dieser Mord dürfte auf das Konto von Schulze persönlich gehen, denn ich habe noch gesehen, wie Willi in seinen Jaguar stieg. Währenddessen wurde ich von Alex in das Reich der Träume und anschließend in den Binger Wald befördert. Ich hatte Glück und wachte auf, bevor mich das Feuer erwischte. Was aus dem Zollamtswärter geworden ist, weiß ich nicht, darum musst du dich kümmern“.
Erschöpft setzte ich mich auf den Rand des Tisches. Nachdem Rolands Kollegen mehrere hundert Kilo Drogen und die tatsächlich betäubte Susanne gefunden hatten, wurden Jaguar-Schulze, Shorty und Alex abtransportiert.
Ich verabschiedete mich von Roland und trottete müde zu meinem Toyota, der brav in der immer noch heißen Sommernacht auf mich wartete. Auf dem Weg zum Kloster überlegte ich mir, was ich alles mit dem vielen Geld von Schwester Hermine hätte machen können. Zum Beispiel einen Benz kaufen...

 
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Hi George,

willkommen in dieser wundervollen Rubrik! :)

Wow, eine klassische Detektivgeschichte, metaphernreich und mit einer ordentlichen Prise Humor gewürzt. So mag ich das. Hat mir wirklich sehr, sehr gut gefallen. Bitte mehr davon! :)

Kommen wir zu den Details:

Der Toyota suchte sich hustend einen Weg zu meinem Büro.
Ein Toyota hat nie eine Panne und sicher hustet er auch nicht. Wenn man der Werbung glauben darf. Schäm dich, schlecht recherchiert. ;) :D

Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, wie heiß der Tag für mich noch werden würde, ich hätte die Nonne sofort rausgeschmissen.
Das hörte sich für mich erst so an, als hätte sie mit ihm im Wagen gesessen und er hätte sie dort rausgeschmissen. Aber schon im nächsten Satz wird es ja deutlich, wie du es gemeint hast. Ich dachte nur, ich erwähne es mal.

Tja, ein bisschen Meckerkram habe ich auch. Aber das sind fast alles nur Kleinigkeiten. Fange ich mal mit den beiden etwas größeren Dingen an:
Auf einmal gibt es einen toten Willy, aber ich habe keinen Schimmer, wer das sein soll. Ich dachte schon, ich hätte etwas überlesen und habe noch mal hochgescrollt und mir die Stellen angesehen, an denen er neuen Menschen begegnet. Aber keiner hat den Namen Willy. War es vielleicht die Schnapsdrossel aus der Kneipe? *** Das habe ich zwischendurch geschrieben. Jetzt habe ich die Geschichte zu Ende gelesen und weiß, dass es tatsächlich die Schnapsdrossel war. Aber ich glaube wirklich, der Name wird nie genannt, als die beiden in der Kneipe sind. Oder ich habe es zwei Mal übersehen.

Die Auflösung am Schluss, die komplett im Monolog stattfindet, wirkt auf mich nicht so glücklich. Ich habe das selbst mal bei einer Geschichte gemacht (mit einem Abschiedsbrief) und mir seit Ewigkeiten vorgenommen, das mal auszumerzen und lieber früher versteckte Hinweise im Text einzubauen. Hier ist mir aber auch nicht klar, warum und woher dein Prot das alles plötzlich weiß. Schließlich schweigen sich alle nur an, während sie auf die Polizei warten. Nee, warte mal, im Grunde kann man sich das alles tatsächlich zusammenreimen. Und dein Prot sagt ja auch, dass er trotz Bauch gut denken kann. Anscheinend besser als ich um diese Uhrzeit. Vergiss es einfach.

Nun zum echten Kleinkram:

genauso viel Trubel herrschte wie Sonntags in einer der zahlreichen Kirchen der Altstadt,
sonntags (klein)

Eine
Sonnenstudioschönheit starrte mit offenem Mund auf einen Monitor.
Hier hast du noch einen festen Zeilenumbruch drin.

Dabei redete sich schon wieder in Rage.
Da fehlt „er“

Als erstes steuerte ich das Rheinhotel an, ein hässlicher, postmoderner Kasten, funktional und ohne jegliches Flair. Ich durchquerte die verspiegelte Eingangshalle
Ja, und ich habe mal nachrecherchiert. Es gibt tatsächlich das Rheinhotel in Bingen. Und es sieht tatsächlich so aus, als könnte die Eingangshalle verspiegelt sein. Fein, ich mag authentische Geschichten. :) Und du kannst ja doch recherchieren. ;-)

und demonstrierte ihr, warum sich mein Zahnarzt die teuren Golfstunden leisten konnte
:thumbsup: Warum fällt mir nie so was ein?

Es roch nach verbranntem Haar. Ich zog mir die Jacke über den Kopf und lief weiter. Meine Jeans fing an zu kokeln. Ich bekam kaum noch Luft, meine Lungen brannten
Wiederholung

und kamen schließlich zu einem langen, hell erleuchteten und mit meterdickem Teppich ausgelegten Flur. Schließlich blieben wir vor einer Mahagoni vertäfelten Tür stehen.
Ich mag Übertreibungen, benutze sie selbst ständig auch in Unterhaltungen, wenn ich etwas verdeutlichen will. Aber „meterdick“ ist sogar für mich hier zuviel. Das gilt auch für eines der beiden „schließlich“. Und ich würde „mahagonivertäfelt“ schreiben, also zusammen. Meckert die Word-Rechtschreibprüfung auch nicht an. ;) Wenn du es nicht schön findest, würde ich zumindest „vor einer mit Mahagoni vertäfelten Tür“ schreiben.

„Was sollen diese Brutalitäten“, fragte er, „so können wir nicht ins Geschäft kommen.
Hier fehlt ein Fragezeichen. Und den nächsten Satz würde ich groß beginnen.

werde ich dich wegen Hausfriedensbruch und versuchtem Totschlag
Eigentlich „wegen Hausfriedensbruchs und versuchten Totschlags“, aber Jaguar-Schulze redet sicher eher so, wie du es geschrieben hast. Also passt das schon.

Dumm nur, dass sie sich gerade in dem Hotel einquartiert, das Jaguar-Schulze benutzt,
einquartierte (Tempus)

Auf dem Weg zum Kloster überlegte ich mir, was ich alles mit dem vielen Geld von Schwester Hermine hätte machen können.
Tja, hätte er besser mal was langsamer gearbeitet. :D


Insgesamt sehr, sehr genial. Meine Lieblingsstellen habe ich hier mal nicht gelistet, sondern einfach still genossen. Wann kommt deine nächste Geschichte in diese Rubrik?

Liebe Grüße
Kerstin

 

Hallo George,

du bleibst deinen Musiktiteln treu. :)
Das Ende finde ich etwas runtergeleiert, so als wolltest du die Geschichte jetzt unbedingt zu Ende bringen. Dadurch hat die Auflösung so etwas von den abgeschlossenen Kurzkrimis in den Illustrierten, die jede Woche Montags herauskommen. ;)
Bis zu diesem Ende fand ich deine Geschichte sehr amüsant und spannend. Der typische lakonische Privatschnüfflerstil ist gut getroffen.

Einige Details:

Provinzoberin im Orden der Heiligen des letzten Tages
also ein Mormonenkloster?
Eine
Sonnenstudioschönheit starrte mit offenem Mund auf einen Monitor.
Zeilenumbruch
Erst jetzt bemerkte ich, dass er nicht mich ansah, sondern jemand hinter mir.
mE jemanden hinter mir.

Lieben Gruß, sim

 

Hi ihr zwei,

danke für die Kommentare. Ich hatte schon befürchtet, eine so lange Geschichte, die ja noch nicht mal extrem spannend ist, fände keine Leser. So kann man sich täuschen.

@ Kerstin

Ein Toyota hat nie eine Panne und sicher hustet er auch nicht. Wenn man der Werbung glauben darf.
Ich hatte mal eine Toyota – und der hat schlimmer gehustet als ich während meiner Hardcoreraucherzeit. Und: Werbung sollte man nie glauben ;)

Es gibt tatsächlich das Rheinhotel in Bingen...
Ja, dat gibbet wirklich. Ein monströser Kasten, den sie erst vor ein paar Jahren dort hingestellt haben. War aber nicht der Grund, warum ich aus Bingen weggezogen bin ;)

Die Tippfehler habe ich zum größten Teil korrigiert, auch den falschen Zeilenumbruch. Der Tempusfehler ist sicher ein Tempusfehler, aber von mir bewusst so eingesetzt. Ich denke aber noch mal darüber nach. Die „brennende“ Wiederholung finde ich nicht so gravierend, als dass ich unbedingt nach einem Synonym forschen müsste. Auch der meterdicke Teppich bleibt in dieser übertriebenen Stärke dort liegen. Vorerst.

@ CJ

...sauber und spannend komponierten Krimi...
Spannend? Ich weiß nicht, ich weiß nicht...? Aber komponiert – das ja. Und genau das stört mich an dieser Geschichte: Man merkt ihr den konstruierten Plot doch ziemlich stark an – findest Du nicht?
Als erstes mal: Wieso fährt er am Ende einen Benz?
Weil er auch zu Beginn einen fuhr J Nein, Quatsch – ich hab’s verbessert. Diese Geschichte liegt ja schon seit Urzeiten auf meinem Rechner, da galt es immer wieder nachzubessern, zu korrigieren, zu ändern. Gestern aber wollte ich das Dingen einfach und endgültig beenden. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder Papierkorb oder ... Naja, ich habe mich für KG.de entschieden. Doch zuvor galt es Hundertmarkscheine gegen Euro auszutauschen, Papst Johannes Paul zu eliminieren (den ich bis dato noch drin hatte) und und und. Tja, und irgendwie ist der Benz am Ende der Geschichte wohl auf der Strecke geblieben :hmm:
Kein Kommentar
:susp: :p Okay, okay...

Ansonsten hast Du den Finger so ziemlich genau in die Wunden gelegt, die ich auch sehe. Das Ende bzw. den Monolog am Ende hat Kerstin ja schon (zu Recht) angemosert. Wenn ich mal etwas mehr Ruhe habe, gehe ich speziell über die von Dir aufgeführten Stellen, um sie zu straffen. Den Monolog am Ende der Geschichte werde ich wohl zu einem Dialog zwischen Detektiv und Kommissar umbauen. Was anderes fällt mir sonst auch nicht ein.

Dann hatte ich mir noch notiert, wie man irritiert blinzelt, ob das anders aussieht, als wenn man überrascht oder unfreundlich blinzelt
Hey, was soll das? Das ist mein Part. Solche Sprüche kommen sonst von mir :D
Okay, hast Recht, ist natürlich Quatsch. Wenn ich mich richtig erinnere, sind da noch einige andere Stellen drin, die genauso Quatsch sind. Mal sehen.

Und nun werde ich mich mal auf die Suche nach den erwähnten das/dass und Anredefehlern begeben. Vielleicht sollte ich keine Geschichten nach 20.00 Uhr posten.


Gruß
George

Edit: Den Titel finde ich auch doof. Bis gestern hieß die Geschichte noch „Ein heißer Tag“ – und der Titel ist ja noch langweiliger. Leider fällt mir so gar kein gescheiter Titel für dieses Stück ein :crying:

 

Hi sim,

sim schrieb:
du bleibst deinen Musiktiteln treu. :)
In diesem Fall eher unfreiwillig. Mir fällt einfach kein gescheiter Titel ein - und dabei haust auf der Festplatte meines ibook noch eine andere Geschichte mit dem Arbeitstitel "Summer in the city". Ojeh, ojeh...

Das Ende finde ich etwas runtergeleiert, so als wolltest du die Geschichte jetzt unbedingt zu Ende bringen.
Mist - erwischt. Ich habe es in meiner Antwort an Kerstin und Crazy Janey ja schon geschrieben: Das Ende muss ich unbedingt ändern.
Dadurch hat die Auflösung so etwas von den abgeschlossenen Kurzkrimis in den Illustrierten, die jede Woche Montags herauskommen. ;)
:crying: Wenn Du wüsstest, wie Du mich damit triffst - das ist fast noch schlimmer, als wenn Du gesagt hättest, die Geschichte wäre langweilig.

Bis zu diesem Ende fand ich deine Geschichte sehr amüsant und spannend. Der typische lakonische Privatschnüfflerstil ist gut getroffen.
Danke :)

Einige Details:
also ein Mormonenkloster?
Ist das so? Ich geb's zu, in diesem Fall habe ich nicht nur schlecht, sondern gar nicht recherchiert. Verrate das nur nicht Katzano ;)
Zeilenumbruch
Erledigt.

mE jemanden hinter mir.
Sicher? Mmmh, muss ich nachschlagen.

Danke Dir für's Lesen und den Kommentar.

Lieben Gruß zurück
George

 

Einige Details:
also ein Mormonenkloster?

Ist das so? Ich geb's zu, in diesem Fall habe ich nicht nur schlecht, sondern gar nicht recherchiert. Verrate das nur nicht Katzano

Nein, ich halte natürlich den Mund.
Die Mormonen nennen sich selbst "Kirche der Heiligen der letzten Tage", also nur geringfügig anders als dein Kloster.

Lieben Gruß, sim

 

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