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Suum cuique! Oder besser doch nicht?
Es fehlen nur ein ein paar Handgriffe und die lang geplante Tat ist endlich vollbracht.
Wie lange hat er, Klaus Volkmann, auf diesen Tag gewartet? Er hat gelogen, betrogen, geschmeichelt und bestochen.
Die Zahl erscheint ihm, dem Chef des großen Konzerns 'Brauerei Nationales Deutschland', wie in großen Lettern vor seinem geistigen Auge. 12 Jahre.
Er fing damals ganz unten an, nahm Kredite. Nur dank seines Fleißes und seines taktischen Vermögens machte er aus seiner kleinen Brauerei in Leipzig einen der führenden, speziell auf die Bedürfnisse der rechten Szene eingestellten, Bierlieferanten.
Der Schlüssel zum Erfolg war ein zielgruppengerechtes Marketing und er kannte die Vorlieben seiner Kunden ganz genau.
Seine erste Braukreation „Wotan Bräu mit 18% Stammwürze“, ein Starkbier in runenverzierter Bügelverschlussflasche, war ein Renner beim NPD Parteitag.
Danach fand er Zugang zu einschlägigen Kreisen, welche sein Bier weiterempfahlen, da es von einem korrekten, national eingestellten Deutschen gebraut wurde, der für die Sache einstand. Natürlich halfen auch die diversen Spenden an die richtigen Organisationen, um Beachtung zu finden.
Das Warensortiment wuchs schnell an. Die neuen Sorten 'Achtundachtzig, das kühle Blonde' und
'Germania Urpils ' waren nicht minder beliebt.
Auch den Exportmarkt hatte er nicht vergessen. Gerade im Ausland gab es eine Menge Kundschaft und auch die Biernamen durften expliziter sein, da die Rechtssprechung von der deutschen abwich.
Er lieferte große Mengen der Sorte „Blitzkrieg Beer - Truly german taste“ und „Hitlers favorite – the white lager“ in die USA, die skandinavischen Länder und in den ehemaligen Ostblock.
Der Umsatz seiner Brauerei stieg innerhalb von fünf Jahren auf sieben Millionen Liter Gerstensaft pro Jahr.
Diese Einnahmen ermöglichten seiner Firma noch zügigeres Wachstum und die Werbemaßnahmen wurden stetig erweitert. Die Firma wurde größter Sponsor von nationalen Rockkonzerten und schnell der Jugend bekannt. Das Marketingkonzept wurde ein Selbstläufer und das Geld floss in Strömen.
Er steht in seiner großen Produktionshalle. Es ist 3 Uhr nachts und er ist vollkommen allein in diesem großen Raum, der die riesigen Brau- und Lagertanks beherbergt.
Die mitgebrachten Fässer, als Desinfektionsmittel getarnt, hatte er schon mit Abpumpschläuchen versehen und konnte nun per Knopfdruck ihren Inhalt in die Tanks umfüllen. Es war gar nicht so leicht gewesen, selbst für ihn, dieses Zeug, genau gesagt 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin in heissem Wasser gelöst, zu beschaffen, aber er hatte es dann doch über Umwege geschafft.
Die Brautanks und die Lagertanks sind komplett gefüllt, denn es nähert sich ein wichtiger Termin, der 20. April 2014 steht vor der Tür. Der Gröfaz hätte seinen 125. Geburtstag gefeiert und deshalb produziert seine Firma Sondersorten mit Sammelbildchen der NSDAP Führungsriege, um die stattfindenden Feste zu beliefern, welche die Neonazis weltweit feierten.
Ein Knopfdruck nur, und Millionen Liter Bier sind verseucht. Nach der Abfüllung wird direkt ausgeliefert und mit einer Lebensmittelkontrolle ist in nächster Zeit nicht zu rechnen.
Dieses Gift wird nicht herausgeschmeckt, die letale Dosis ist sehr gering. Der Tod ist grausam. Und hunderttausende seiner treuen Kunden würden ihn erleiden.
Aber haben sie das wirklich verdient? Weiss er noch, warum er das tut? Er hatte Jahre mit diesen Leuten zusammengearbeitet und einige Beziehungen konnte man sogar freundschaftlich nennen.
Er holt ein altes Foto aus der Jackentasche und sieht es sich an.
Nun weiss er wieder warum. Das Bild zeigt ihn zusammen mit seiner, aus Kuba stammenden, Frau und seinen drei Kindern.
Er lernte Maria zu Beginn der Achtziger Jahre in Leipzig kennen. Sie nahm am Kulturaustauschprogramm der sozialistischen Länder teil und studierte dort Medizin. Maria blieb und beide heirateten. Sie bekamen Kinder und lebten ein einfaches und unbeschwertes Leben in der DDR.
Er arbeitete damals in einem Getränkekombinat und war für die Bierproduktion zuständig.
Nach der Wende gab es ein paar finanzielle Probleme und so reifte die Idee der eigenen Kleinbrauerei in Klaus Kopf, da nach Schliessung des Kombinats, seine Leidenschaft für das Brauen nicht erlosch.
Dann kam der 20. April 2001, dieses Datum wird er nie vergessen. Er kam spät nach Hause, es war schon dunkel und zu seiner Verwunderung fand er die Wohnung leer vor. Wo waren Maria und die Kinder? Sie wollten doch nach dem Abendbrot nur einen kleinen Spaziergang in dem nahe gelegen Wald machen, so wie immer.
Ihr Handy konnte er nicht erreichen, es war scheinbar abgeschaltet. So machte er sich selbst auf die Suche im dunklen Wald, blieb aber erfolglos. Nach zwei Stunden rief er die Polizei und eine Suchaktion wurde gestartet.
Man fand sie im Morgengrauen, vergraben an einer schwer zugänglichen Stelle. Ihre toten Körper waren übersät von blauen Flecken und Platzwunden. Die Gesichter, komplett zertreten, sahen aus wie eine riesige Wunden, welche jeweils von einem aufgesprayten Hakenkreuz, noch mehr geschunden wurden. Marias Unterleib war entkleidet und man fand dort neben Messerschnitten noch Spermaspuren.
Die Täter wurden nie gefasst.
Dieses schreckliche Erlebnis machte aus dem netten, sympathischen Klaus Volkmann einen anderen Menschen. In ihm starb die Liebe und wurde ersetzt durch Hass und Rachegedanken. Er war wochenlang nicht ansprechbar, wie erstarrt. Sie nahmen ihm alles.
Falls es überhaupt noch einen Grund für das Weiterleben gab, dann, um die Welt von solchen Menschen zu befreien, die zu so etwas fähig waren. Nur noch das zählte.
Er entfachte das Potential seiner deutschen Tugenden und wurde noch fleißiger, noch pünktlicher, noch pedantischer und achtete wie kaum ein anderer auf seinen guten Ruf. Er war bereit, die Idee mit der Brauerei im großem Stil umzusetzen. Nur war das Ziel nun nicht mehr das Geld und der Erfolg, sondern die totale Rache.
Er würde dem braunen Krebsgeschwür der Gesellschaft bald selbst eine Menge Geschwüre, in Bier verpackt, bereiten. Der Plan war teuflisch und er liess sich Zeit bei der Durchführung, den richtigen Zeitpunkt abwartend. Möglichst viele sollten bestraft werden.
Sein Zeigefinger berührt nun die glatte Oberfläche des Abpumpknopfes und er erhöht langsam den Druck.
Hat er an alles gedacht? Sein Jet steht abflugbereit am Flughafen. An Board befand sich jede Menge Bargeld und falsche Pässe. Alle denken, er würde in den Urlaub fliegen, um Geschäftskontakte in Südamerika zu pflegen.
Er müsste für immer untertauchen, da ihre Wut auf ihn unermesslich groß wäre und sie nie von der Jagd ablassen würden.
Ist es das wert?
Klack. Er drückt den Knopf und die Pumpe beginnt ihre Arbeit. Es dauert bis zum Morgen, dann ist er verschwunden und fliegt schon über dem Atlantik, während in der Fabrik das Jubiläumsbier abgefüllt wird.
SIE hätten diese Tat verhindern können, aber SIE nahmen ihm das Einzige, was ihn abgehalten hätte, sein Mitgefühl.