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Tabu

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10.04.2009
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Tabu

Du nimmst meine Hand und ich sehe deine dunklen Augen. In der Halbdämmerung sind sie fast schwarz. So glücklich siehst du aus, dass es mir weh tut. Wir sitzen auf der dunkelroten Ledercouch, auf der wir schon so viele Tage und Nächte verbracht haben. Draußen wirft die Sonne ihr letzten goldenen Strahlen auf den Garten unserer Kindheit. Dort waren wir Piraten, Zauberer, Entdecker, Jäger und Gejagte. Wir waren frei.
Deine Finger streifen leicht meine Wange. Und du beugst dich vor, so dass sich unsere Lippen fast berühren. Als ich leicht zurückweiche, siehst du mich besorgt an. „Was ist los?“ Auf deiner Stirn bildet sich diese kleine Falte, die du schon immer hattest, wenn du dir um etwas sorgen machst. Um mich Sorgen machst. Ich versuche zu lächeln und meine Worte bleiben mir im Halse stecken. Irgendwo zwischen Gedachtem und Gehörtem gehen sie verloren. Ich schüttle nur den Kopf. „Nichts.“ Mehr bringe ich nicht zu Stande. Und als ich diese kläglichen Worte höre, werde ich wütend auf mich selbst. Wütend, weil ich so feige bin. Ich stehe auf und sehe zum Fenster hinaus, damit du mein Gesicht nicht siehst. Früher stand in dem Garten ein Apfelbaum, an dem eine rote Schaukel hing. Stunde um Stunde haben wir dort verbracht und sind geflogen. Irgendwann wurde der Baum dann gefällt. Mit dem Baum fiel unsere Unschuld. Und plötzlich waren wir gebunden. Unsere Flügel hatten wir verloren.
Du trittst hinter mich und schlingst deine Arme um meine Taille. Drückst mich fest an dich. Ich kann dein unverkennbares Parfum riechen. „Ich liebe dich, das weißt du doch, oder?“ flüsterst du mir leise ins Ohr. Ich nicke. Du küsst mich wieder und diesmal habe ich nicht die Kraft zurückzuweichen. Wir lassen uns auf den Boden sinken und unsere Körper sind sich so nah. Es gibt nichts was ich mehr will und nichts was ich mehr fürchte, wenn ich doch weiß, dass das gegen jede Vernunft ist. Dass es verboten ist. Als ich deine weichen Lippen auf meinem Hals spüre, breche ich. Wir versinken zusammen zwischen Lust und Zärtlichkeit.

Später, als es vorbei ist, schläfst du neben mir auf der roten, abgewetzten Couch. Und ich kann nicht aufhören uns beide zu hassen, weil wir es immer wieder tun und nicht stark genug sind. Ich hasse dich, weil ich dich liebe. Und vor allem hasse ich mich, weil ich es einfach nicht schaffe, das alles zu beenden. Die Kerzen auf dem Tisch sind heruntergebrannt.
Draußen ist es nun dunkel und die Finsternis überdeckt die Kindheitserinnerungen, die dort im hohen Gras lauern und darauf warten, mich zu packen und zu schütteln. So wie du es früher getan hast. Du hast dich immer zwischen den hohen Gräsern versteckt, um dann hervor zu springen und mich zu erschrecken. Damals wurde ich immer wütend und bin dann weggerannt. Ich wünschte, ich könnte das nun auch tun. Einfach alles hinter mir lassen.
Neben mir atmest du ruhig. Deine glatte Brust hebt und senkt sich. Du siehst wunderschön aus wenn du schläfst. Sanft streichle ich dir über deinen braunen Wuschelkopf.
Ich wünschte ich könnte dich zurücklassen.
Aber wir könnte ich dir wehtun?
Wir haben geschworen zusammen zu bleiben.
Heute und morgen und weiter.
Es ist verboten. Es ist nicht richtig, was wir tun.
Aber wie könnte ich mein Versprechen brechen?
Ich liebe dich
Du bist schließlich mein eigen Fleisch und Blut.
Mein Bruder.

 

Hallo =)

Ich war hier bei kg.de schon lange nicht mehr aktiv, weil ich eine Schreibpause gemacht habe. Jetzt habe ich wieder angefangen ein bisschen zu schreiben, das ist die erste Kurzgeschichte seit langem.
Ich hoffe ich schaffe es diesmal, mich etwas länger hier zu halten ;)

Lg
Finchen

 

Irgendwie ganz schön soweit, am anfang schwimmt man im Unklaren, möchte wissen was es nun ist. Gehen sie fremd? Hat sie einen anderen? Ist sie schwanger? Irgendwann - so um die Stelle mit dem Baum rum - ist es dann relativ klar, dass es 'Geschwisterliebe ist'. Mir jedenfalls. Dann hättest du, nach meinem Geschmack, schneller zum Punkt kommen können oder doch noch ein wenig unpräziser sein können.

"Du bist schließlich mein eigen Fleisch und Blut. [Ok, nun ist es ganz klar.]
Mein Bruder." [Redundanz! So eine kurze Geschichte braucht das , finde ich , nicht.]

So viel 'aufklärung' hatte ich persönlich also gar nicht gebraucht... Vielleicht reicht es auch, den Leser mal in der Ahnung zu lassen? Ich würde da spontan höchstens ein "Ich liebe dich, Bruderherz." hinreichend finden, vielleicht gehts sogar noch subtiler...?

 

Gefallen hat mir die Geschichte. Sie hat so etwas romantisches ;-) Aber sie ist auch sehr eindimensional, finde ich. Ich lese ganz oft, man darf nicht, weil es verboten ist... aber warum darf man denn nicht? Sie könnten ja auf eine einsame Insel ziehen und immer Saver-Sex betreiben, dann wären alle glücklich. ;-) Nein, verstehst du, worauf ich hinaus will?

Ich fände es schön, wenn deine Protagonistin z.B. an ihre alte Großmutter denken würde, und wie sie das sehen würde, oder der Onkel, die Tante...Ich finde es gerade schwer zu erklären, aber ich glaube, dass würde der Geschichte noch etwas mehr Tiefe geben.

LG
Boje

 

Hallo

Danke für euer beiden Kommentare :)
Also ich sehe beide Kritikpunkte ein, die ihr angebracht habt.
Allerdings müsste, ich um es subtiler zu gestalten eigentlich die ganze Geschichte nochmal neu schreiben, denn eigentlich lebt das ganze ja von den Erinnerungen zwischendurch, die aber gleichzeitig auch schnell klar werden lassen um was es geht. Muss ich mir nochmal überlegen ;)
Das ich noch auf die Meinung anderer eingehe, finde ich eine sehr gute Idee. Allerdings würde das Ganze dadurch wahrscheinlich noch offensichtlicher werden oder? Muss damit nochmal ein bisschen rumprobieren.
Danke an euch zwei!

Lg
Finchen

 

Hey.
Gefällt mir sehr gut. Man möchte sie gleicht zweimal lesen, weil das Ende alles komplett umschmeißt, das finde ich sehr cool. Ein wenig makaber. Gefällt mir.

 

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