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Tag danach

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03.01.2005
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Tag danach

Und dann dachte er an den Tag danach. Den Tag, an dem er wieder in langsameren Tempo nach Hause gehen wird, an dem er vielleicht, wie sonst auch, einen seiner Freunde anruft, diesen fragt, ob er zu Besuch kommen kann und dann wird er ihn eben besuchen, weil seine Freunde eigentlich immer Zeit für ihn haben. Eigentlich.

Diesen Morgen hatte ihn ein Geräusch geweckt. Er war aufgestanden, ohne nach dessen Quelle zu suchen, suchte vielmehr nach einer Tasse Kaffee und erst als er die gefunden, getrunken hatte, wusste er nichts mehr von dem Geräusch. Aber er fühlte sich unwohl und er schob das darauf, dass sie wieder einmal irgendwo - jedenfalls nicht hier - dass sie irgendwo - wo ist sie diese Nacht gewesen?

Er kannte ihre Handynummer auswendig. Ihre Stimme klang kratzig, aber zunächst einmal gehe es ihr gut. Danke der Nachfrage. Sie kommt zum Mittag, er soll sich keine Sorgen machen. Sie liebt ihn.

Bis zum Mittag waren es noch vier Stunden, die er nutzen wollte, um die gemeinsame Wohnung aufzuräumen. Hauptsächlich - natürlich - für sich. Aber er meinte auch ihre Stimme zu hören, wie sie ihn gestern noch darum gebeten hatte. Die Bitte war dann auch der Grund, warum er, nachdem sein eigenes Zimmer wieder einigermaßen ordentlich aussah, auch in ihres ging und dort die herumliegenden Zettel unsortiert auf den Schreibtisch legte.

Während er die einzelnen Zettel zusammensuchte, sie halbwegs gerade auf den Tisch legte, fiel sein Blick auf einen kleineren, zusammengefalteten, der wohl aus dem Papierkorb gefallen war. Er hob ihn auf. Zwei oder drei Sekunden spielte er mit dem Gedanken, den Zettel aufzufalten, weil das Papier - es erinnerte ihn an irgendwas. Egal.

Achtlos legte er ihn zu den anderen und es waren noch zwei Stunden bis zum Mittag. Wieder fühlte er sich unwohl. Wieder dachte er daran, vielleicht nicht sie, aber doch irgendjemanden anzurufen. Er wählte die erste Nummer die ihm einfiel und ließ es sieben oder achtmal erfolglos klingeln.

Hätte er gleich nach dem Aufstehen über das Geräusch nachgedacht, das ihn geweckt hatte, dabei festgestellt, dass vor seinem Fenster irgendein Wagen irgendwo dagegen gefahren ist, hätte er sich vielleicht nicht unwohl gefühlt, hätte sicher nicht in der schmalen Küche gesessen und die Tauben dabei beobachtet, wie sie einander ihr Fressen streitig machen.

Er wäre dann auch nicht in ihr Zimmer zurückgekehrt, um dort den Papierstapel auf ihrem Schreibtisch ein leichtes Stück zu verschieben, gerade so viel, dass der zusammengefaltete Zettel ein weiteres Mal auftauchte und zu Boden fiel. Er drehte den Zettel mehrmals in seiner Hand. Wenn er ihn auffaltet, kann er ihn genausogut wieder zusammenfalten, ohne dass sie etwas davon merkt. Vermutlich sind es eh nur irgendwelche Notizen und er meint sich zu erinnern, dass sie öfter aus Langeweile ihre Notizen zusammmenfaltet. Dann braucht er ihn aber auch nicht zu lesen.

Er legte ihn wieder zurück, wollte aber nicht weiter in der Küche auf sie warten, zog stattdessen seine Schuhe an und ging spazieren. Unterwegs kam ihm der Gedanke, dass der Freund, den er vergeblich anrufen wollte, mittlerweile aufgewacht sein könnte, dass er sich vielleicht über seinen Besuch freut, auch wenn er noch nie irgendjemanden unangekündigt besucht hatte. Es gab für alles ein erstes Mal.

Der vermeintliche Freund sagte durch die Gegensprechanlage, es sei jetzt ungünstig. Vielleicht heute nachmittag. Auch seine Stimme klang kratzig. Der unerwartete Gast pochte zuerst darauf, dass er als Freund doch wohl willkommen sei und dann, dass er sich einfach nur langweilte und vielleicht in dessen Wohnung auf andere Gedanken käme. "Jetzt ist es ungünstig. Vielleicht heute Nachmittag."

Enttäuscht verließ er das Haus des vermeintlichen Freundes wieder, ging auf direktem Weg zurück. Bis zum Mittag war es noch eine Stunde, der zusammengefaltete Zettel lag noch immer auf ihrem Schreibtisch und dann dachte er an den Tag danach.

 

Hallo!

Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.

Das einzige was mir nicht sehr gut gefällt ist die kratzige Stimme von Ihr und dem Freund. Warum sind beide Stimmen kratzig? Das sticht irgendwie hervor obwohl es mMn gar nicht notwendig ist für die Geschichte selbst.

Lg, Zorro

 

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