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Tag der geschlossenen Tür - Redone

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06.06.2005
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Tag der geschlossenen Tür - Redone

Tag 1748: Es liegt nun genau ein Jahr zurück, dass die Kameras hinter den Wänden aufhörten zu surren.
Wir beschlossen die Bereiche aufzuheben und vereinten uns zu einer Gruppe.
Drei Frauen und vier Männer: gekommen um zu siegen, geblieben um da zu sein.

Es ist nun etwas mehr als drei Monate her, dass Kristian sich im Kuhstall die Schläfe an einer herausragenden Schraube aufriss.
Etwas weniger als drei Monate ist es her, dass Kristian im Haus Nummer Sieben unter Krämpfen starb.
Niemanden von der Außenseite schien das zu interessieren, also begruben wir Kristian bei den Ställen, wo auch schon Simone lag.
Verona ist nun schon seit vier Monaten sichtbar schwanger.
Die wievielte Woche es wirklich ist, weiß keiner.
Wer der Vater ist, weiß einer.

Als wir uns entschieden zu bleiben, wussten wir nicht, was uns erwartet, wir wussten nur, dass draußen nichts wartet.
Die anderen lachten uns aus und machten sich auf den Weg in die Außenwelt.
Das ist nun ungefähr ein Jahr her – wer weiß das jetzt schon noch.
Wer ich draußen war, habe ich längst vergessen. - War nix Tolles auf jeden Fall.
Die Entscheidung fiel mir nicht schwer, mich für das Projekt zu bewerben.
Nun hängt mir ein Bart wie juckendes Stroh vom Kinn und unter meiner Vorhaut ist soviel Käse, wie er auf hundert Ruccola Salaten keinen Platz gefunden hätte.
Da es kein fließendes Wasser mehr gibt, sammeln wir Regen in Eimern, die so rostig sind wie das Wrack der Titanic.
Sara gibt schon seit Wochen keine Milch mehr.
Der Gedanke kam auf, sie zu schlachten und aufzutischen. – Aber wer von uns sollte das tun.
Also essen wir das was die Wiese so hergibt.

Ich habe in den letzten drei Monaten Veränderungen am Wetter festgestellt.
Die Sonne umgibt ein grünlicher Nebel, der sich gegen Abend ins Braune verfärbt.
Wolken sind soweit ich mich erinnern kann schon seit mehreren Wochen nicht mehr zu sehen.
Der ganze Himmel ist mir fremd und der Gedanke an den nahenden Winter lässt mich erschaudern.

Wir fanden Simone an einem Morgen des letzten Winters.
Sie saß mit verschränkten Beinen den Kopf an die Wand von Haus Nummer Sieben gelehnt.
Ihre Augen waren geöffnet und starrten ins Leere.
Ich habe nie mit jemandem darüber gesprochen, aber in ihren Augen sah ich die absolute Zufriedenheit
Was hatte Simone gesehen, das sie bei Minusgraden am Aufstehen hinderte?
Was hatte Simone zuletzt gesehen?
Wir zogen Simone von der Hauswand, doch die Haut ihrer Wange hatte sich mit dem Eis auf der Außenseite des Hauses verbunden.
Und so kam es, dass wir Simone ohne einen Teil ihres Gesichts begruben.
Erst drei Monate später, im Frühjahr als die Kälte nachließ, konnten wir den Hautfetzen lösen und hinter den Ställen begraben, wo auch der Rest von ihr lag.

Heute bin ich mit hämmernden Kopfschmerzen aufgewacht.
In meinem Mund ist ein Zustand, als hätte ich ein Kilo Mehl verspeist.
Ich muss hier raus!
Es ist mir nicht fremd so aufzuwachen.
Mir fehlt der Kaffee am Morgen.

Heute ist Tag 1748.
Heute ist der Tag, an dem ich das Spiel beende.
Heute ist der Tag, an dem ich die Anderen ihrem Schicksal überlasse.

Der Letzte hatte das Spiel vor einem Jahr verlassen.
Er hieß Rainer glaub ich; na egal.
Heute ist mein Tag.
Ich werde meine Sachen packen, die Pforte öffnen und zu meiner Familie zurückkehren.
Vielleicht nehme ich noch eine alberne Single auf, rede in ein paar Talkshows über meine Zeit als Gefangener fern ab der Zivilisation.
Hauptsache hier raus.

Ich erhebe meine Stimme:
„Leute, ich hau ab!“
Die anderen blicken unbeteiligt zu mir hinauf.
Was haben die sich verändert.
Keine überstylten Frisuren, kein Makeup. Nichts von dem Glanz ist übriggeblieben, den sie einst versuchten auszustrahlen um damit die Einfältigkeit ihrer wahren Persönlichkeiten zu überspielen.
„Jau Mann, dann mach`s mal gut.“
Ein Haufen elendiger Penner!
Ich beschließe ohne meine Sachen zu gehen und bewege mich Richtung Ausgang.
„Dann grüß mal die anderen!“
Das Tor klemmt ein wenig.
Endlich gibt es nach.
Das Geräusch der rostigen Scharniere hallt über den Dorfplatz.
Ich blicke mich um.
Wie vertriebene Indianer kauern die Übriggebliebenen um ihr Feuerchen und blicken mir nach.
Das Tor ist auf.

Ich schaue ein paar Meter weiter.
Auf dem rissigen Asphalt, wo einst Massen unseren Einzug feierten, liegen die verrotteten Reste eines Menschen.
Der alte Bundeswehrrucksack und die peinlichen Klamotten verraten mir, dass es sich um Rainer handeln muss.
Ein süßlicher Geruch stößt in meine Nase, ein Würgen steigt in mir hoch.
Ich hebe meinen Blick von der Leiche.
Nichts ist wie damals am ersten Tag.
Kein Baum, keine Autos, keine Menschen.
Alles weg, schießt es durch meinen Kopf.

Die Ebene, die sich vor mir ausbreitet, ist so karg und leer wie die Tundra.
Die Luft steht und die Sonne schwebt über dem Ödland, wo sich mal die Skyline von Köln erstreckte.
Das Tor fällt mit einem merkwürdigen Knall in das schwere Schloss.
Ich schrecke auf.
Ich muss wieder rein!
Ich hämmere gegen das Tor, doch nichts ist zu hören.
Ich schreie. Nichts.
„Macht das verdammte Tor auf!“
Mein Schreien verhallt, bevor es entsteht.

Ich lege meine Hand über Mund und Nase und gehe zu dem, was von dem Idioten Rainer übriggeblieben ist.
Meine Schritte verursachen kein Geräusch.
Das Würgen steigt wieder in mir hoch.
Rainer liegt mit dem Gesicht nach unten.
Ich habe freie Sicht durch seinen Hinterkopf auf den trockenen Boden.
In seiner linken Hand hält er ein Stück Papier.
Ich nehme es ihm ab und versuche die Schrift auf dem porösen Blatt zu entziffern.
Ich spüre wie sich ein Knoten um meine Kehle schnürt.
In meinen Schläfen rauscht das Blut.
Die Schrift verschwimmt vor meinen Augen, es fällt mir schwer den Inhalt zu entziffern.

Vor uns war nichts und nach uns kommt nichts. So ist es und so wird es immer sein.
E.d.M.

Ich lasse Rainer liegen und mache mich auf den Weg irgendwo hin, es wird sich schon was finden lassen.
Ich blicke zurück auf das Dorf, das mich jetzt so lange Zeit beherbergte.
Vielleicht hätte ich doch da bleiben sollen, na egal.

 

Hi Krilliam,

super Geschichte, allerdings fand ich sie eher zum Schmunzeln als gruselig, wobei das Thema allein ja schon gruselig genug ist ;-)
Super Idee und klasse umgesetzt. Mehr davon! :-)

Lieben Gruß
Mel-Cay

 

oops. wollte eigentlich gerade noch selber einen komentar darunter setzen. aber egal du warst schneller

hallo tiefkühlkatze. erstmal eine anekdote: meine eltern sollten vor ein paar monaten auf die katze von freunden aufpassen, die für ein paar wochen unterwegs waren. schon am ersten abend verstarb die katze auf unerklärliche weise. um den bekannten die reise nicht zu verderben, verschwiegen sie es ihnen und packten die katze luftdicht ein und verstauten sie im tiefkühlfach ihres kühlschrankes. -wahre geschichte!

zu dieser geschichte: ich habe sie vor ungefähr einem jahr hier als meine erste geschichte gepostet, das ende war damals allerdings nur für insider verständlich. das habe ich nun geändert und einige kleinigkeiten.

dass sie dir gefallen hat freut mich natürlich. den schmunzelfaktor kann ich nicht leugnen. horror ist es aber denke ich trotzdem.

danke für deine reaktion

beste grüße
krilliam Bolderson

 

Hi krilliam Bolderson,
so, hab dich für mich entdeckt, nach "Kaffeekranz" ;)

Pöh, also erst mal, ich hasse so geschichten, wo nix aufgelöst wird ...

Aber der Schreibstil ist ziemlich gut, man empfindet mit dem Typ (anfangs dachte ich ja, des wären Kühe oder so -.- )

Was soll das auf dem Zettel bedeutetn? Hab ich net verstanden ... also, ich mein, woher soll der des haben, dieser Rainer??

Na ja ...

Bruder :sick: Tserk
P.S: Fehlerliste kommt - ihr ahnt es sicher schon - per PN

 
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hey Tzerk,

es spricht kulturell gesehen für dich, dass dir nicht glaich klar wird, was hier vor sich geht.
es handelt sich um ein big brother-das dorf szenario. die kandidaten bewerben sich aus dem nichts und wenn das spiel vorbei ist, erwartet sie nichts, oder sogar noch weniger. in diesem fall wurde die sendung wärend des spiels abgesetzt und die kandidaten im dorf vergessen. das spiel eigenmächtig zu verlassen sind diese leute aber nicht zu im stande, ausser dann an besagtem tage unser prot.
der zettel ist eine nachricht von endemol, der fernsehproduktionsfirma von john de mol, denen wir so kranke formate wie eben bb, hire or fire oder traumhochzeit zu verdanken haben.
das ende habe ich ja in dieser überarbeiteten version, so dachte ich eigentlich zusammenhängender gestaltet, in der urversion endet es noch offener und völlig zusammenhanglos (wie ich es ja manchmal auch mag hehe) siehe hier


danke dir auf jeden fall für deine kritik (werde mir deine fehlerliste jetzt gleich vornehmen.

beste grüße
krilliam Bolderson

 
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tag krilliam!

Als wir uns entschieden zu bleiben, wussten wir nicht was uns erwartet, wir wussten nur dass draußen Nichts wartet.
… wir wussten nurKOMMA
Also essen wir das was die Wiese so hergibt.
Also essen wir dasKOMMA
Wolken sind soweit ich mich erinnern kann schon seit mehreren Wochen nicht mehr zu sehen.
Wolken sindKOMMA soweit ich mich erinnern kannKOMMA
Sie saß mit verschränkten Beinen den Kopf an die Wand von Haus Nummer Sieben gelehnt.
Würde schreiben: Sie saß mit verschränkten Beinen da, den Kopf an die Wand von Haus Nummer Sieben gelehnt. Klingt irgendwie runder.
Ich habe nie mit jemandem darüber gesprochen, aber in ihren Augen sah ich die absolute Zufriedenheit
PUNKT
Wir zogen Simone von der Hauswand, doch die Haut ihrer Wange hatte sich mit dem Eis auf der Außenseite des Hauses verbunden.
Und so kam es, dass wir Simone ohne einen Teil ihres Gesichts begruben.
Erst drei Monate später, im Frühjahr als die Kälte nachließ, konnten wir den Hautfetzen lösen und hinter den Ställen begraben, wo auch der Rest von ihr lag.
verbunden hört sich komisch an. … doch die Haut ihrer Wange war an der Außenseite des Hauses festgefroren. Klingt mMn viel schrecklicher.
… im FrühjahrKOMMA; … konnten wir die Hautfetzen lösenKOMMA und;
Ansonsten ein sehr geiler Absatz.
Vielleicht nehme ich noch eine alberne Single auf, rede in ein paar Talkshows über meine Zeit als Gefangener fern ab der Zivilisation.
fernab
Keine überstylten Frisuren, kein Makeup. Nichts von dem Glanz ist übriggeblieben, den sie einst versuchten auszustrahlen um damit die Einfältigkeit ihrer wahren Persönlichkeiten zu überspielen.
… den sie einst versuchten auszustrahlenKOMMA
Der Alte Bundeswehrrucksack und die peinlichen Klamotten verraten mir, dass es sich um Rainer handeln muss.
alte
Alles weg, schießt es durch meinen Kopf
Es fehlt der Punkt. Der Satz hört sich so „unpersönlich an. Schreib doch: Alles weg, schießt es mir durch den Kopf.
Die Ebene die sich vor mir ausbreitet ist so karg und leer wie die Tundra..
Und hier einer zuviel :D
Ich spüre wie sich ein Knoten um meine Kehle schnürt.
Ich spüreKOMMA

Nein, tut mir Leid, dass war nichts. Der Stil schwankt irgendwo zwischen locker, lässig und düsterem. Normal ist das ja auch ganz gut, nur kam es mir diesmal … so durcheinander vor. Manchmal so unnötig.
Atmosphärisch bewegst du dich erst gegen Ende hin auf gutem Gebiet. Vorher beschreibst du recht wenig, was da eigentlich ist. Was das Ganze soll.
Ich habe gewartet, dass etwas passiert, aber so richtig spannend fand ich es nicht. Aber das Ende war dann ganz in Ordnung, auch wenn ich die Sache mit dem Zettel nicht ganz verstanden habe. Rainer kommt zurück, kann aber nicht mehr in den Ort. Er stirbt und verwest vor den Türen? Er hat in der Welt nichts gefunden. Sie hat sich verändert. Es ist nichts mehr da. So hab ich das aufgefasst, aber verstanden nicht.

edit: deine Erklärung gelesen. Ich lass nur die Frage mit Rainer offen. Warum ist er nicht mehr hineingekommen?

Gruß,
One

 

hi one weak,

deine kritikpunkte mögen treffend sein. ich habe die geschichte eher aus nostalgischen gründen rausgekramt, es war meine erste hier und insgesamt, nur das ende passte mir nicht.
verzeih mir also wenn ich nichts formelles mehr ändere und sie jetzt langsam ín die unendlichkeit abwandern lasse um mich neuen herausforderungen zu stellen.

danke dir aber fürs lesen und kommentieren

beste grüße
krilliam Bolderson

 

Hi Krilliam.

Auch diese Geschichte war wieder gut und auch gut zu lesen. Schön dass du sie "rausgekramt" hast, sonst wäre sie mir entgangen. :)

Dass der Leser am Anfang im Unklaren gelassen wird, sich die trocken beschriebene Situation selbst zusammenwürfeln muss, das finde ich überhaupt nicht unspannend. Im Gegenteil: Es reizt mich weiter zu lesen. Ich werde dann richtig heiß drauf, auf das, was als nächstes kommt.
Dein Stil gefällt mir einfach.

Die Frage was am Ende geschieht, warum die Stadt ein Ödland ist und warum die Kameras ausgingen... (eine große Kathastrophe?; ein Krieg? ...und "drinnen" hat das niemand mitbekommen... deswegen hat Simone vielleicht auch in den Himmel gestarrt..?!) das frage ich mich schon. Auch warum Rainer vor dem Dorf liegt, mit einem Loch im Kopf...

Igendwie auch seltsam... aber gut!

liebe Grüße,
Pareto

 

hi pareto,

freut mich dass du es seltsam aber auch gut fandest. für mich verlieren viele geschichten, aber auch filme an reiz, sobald erklärungen geliefert werden.
ich freue mich als leser bzw zuschauer immer wenn ich mit einem dicken fragezeichen zurückgelassen werde. passiert leider viel zu selten, also muss ich doch meinem eigenen anspruch gerecht werden. hehe

danke fürs lesen pareto

beste grüße
krilliam Bolderson

 

Hi Krilliam!

Beklemmend ist das schon, was du da beschreibst. Aber für eine richtige Horrorgeschichte ist zu wenig Entwicklung der Geschichte vollzogen. Alles bleibt in den Anfängen stecken, ist angedeutet.
Habe dann doch mal die Kommentare gelesen, die Idee mit dem Big Brother Extrem ist prima, aber es fehlt eine richtige Horrordramaturgie.

Der lakonische Sprachstil passt gut.


Sebastian

 

Hallo Mister Bolderson.

Auch wenn ich es nie gesehen habe, so ahnte ich es doch sofort: BB-Das Dorf.
Eine wahrhaft kranke Idee, die ja glücklicherweise schnell ihren Reiz verlor, aber lassen wir das.

Als besagtes Dorf angesetzt wurde, dachte ich mir auch immer, dass es doch ziemlich lustig sein müsste, die Kameras ohne das Wissen der Insassen einfach abzuschalten, und dann nach Jahren oder Jahrzehnten mal heimlich nachschauen, was denn nu so aus denen geworden ist. Mensch, jetzt fang ich schon wieder an ...

Zu deiner Geschichte: Sicherlich stellst du den Horror schon ansatzweise sehr gut da (ich glaube, mit mir wäre meine kranke Phantasie Achterbahn gefahren :D ).
Also, wirklich erschreckende Vorstellung, ebenso das Ende. Hat mir wirklich sehr gut gefallen.

Gruß! Salem

 

Hallo aquata,

es ist natürlich keine klassische Horrorgeschichte. Es war mein Erstling, den ich aus Unwissenheit in Horror postete und dann in der überarbeiteten version auch nicht mehr woanders hin verfrachten wollte.
Vom klassischen Aufbau halte ich persönlich aber eh nicht so viel, aber das ist ein anderes Thema.

Ich danke dir wiedereinmal für das entstauben einer meiner alten!

gruß
krilliam

Hallo Salem,

ich musste ja wirklich zum konzept der show nicht so viel Grusel hinzufügen um das daraus zu machen was es geworden ist. deine Achterbahnfahrt würde mich sehr interessieren. ist ja schon klar, dass da noch mehr drin wäre.

Dass sie dir gut gefallen hat ehrt mich sehr.

Danke und Gruß
krilliam

 

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