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Tagträume

btc

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23.03.2007
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Tagträume

‚Drrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr!‘

Das ekelhafte Geräusch der Türklingel reisst mich aus meinem Tagtraum.

‚Mann! Wer ist das denn?‘

Mit einem mürrischen ‚Ja?‘ betätige ich die Sprechanlage. Eine ältere Frau murmelt was vom Kirchenblatt.

„Mich können Sie auslassen, ich bin aus der Kirche ausgetreten! Schönen Tag noch!“
Ha! Alte Schachtel, meinen freien Tag so zu stören!

Hey, du unsensibler Depp! Das war höchstwahrscheinlich eine nette alte Dame, die in ihrem Leben viel durchgemacht hat und die Kraft und Freude, die sie aus ihrem Glauben zieht mit anderen teilen will.

Egal! Zu spät, die ist schon wieder weg. Ich gehe zurück in mein Wohnzimmer. Meine im Flur verstreuten Schuhe schiebe ich an die Seite. Schnell noch einen Happen aus dem Kühlschrank. In der Küche erinnert mich der eingetrocknete Topf daran, dass ich mal wieder abspülen müsste. Und diese Verpackung von den leckeren chinesischen Schnellkoch-Nudeln müsste in den Mülleimer. Ich verschiebe das Problem mit dem Fuss unter die Heizung und damit auf später. Zurück aufs Sofa. Zurück zu den Tagträumen. Welchen nehm ich denn? Einen mit dem Scheich? Mit Steve Wynn? Oder mal wieder die Dietz-Brüder? Ich entscheide mich für den Scheich. Mal sehen.

Ich habe meine Schlüssel für die Tiefgarage verlegt und muss mit einem Parkplatz weiter weg vorlieb nehmen. Es ist dunkel, ich hab bis abends gearbeitet. In der lauen Spätsommernacht laufe ich nach Hause. Plötzlich Schreie aus einer dunklen Hausecke. Da! Ein junges hübsches Mädchen, arabischer Typ, wird von zwei bulligen Nazis bedrängt und begrapscht. Ich eile ihr zur Hilfe. Ich bin nicht so stark wie diese Schläger, aber gekonnt trete ich dem einen von hinten zwischen die Beine und entreisse ihm das Messer. Dieses Messer ramme ich dem zweiten, verdutzten Stiernacken in den Oberschenkel. Galant geleite ich die Schönheit über die sich krümmenden Muskelpakete und rufe per Handy die Polizei. Auch die Gerettete telefoniert mit einem Handy, das ziemlich exklusiv aussieht.

War da nicht neulich eine Doku auf einem dieser privaten Verblödungssender, wo es um diese Platin-Nokias ging? Mist, aus dem eigenen Tagtraum abgelenkt. Weiter im Text. Wo war ich? Ach ja...

Natürlich erkenne ich sofort das Edel-Nokia. Interessant.

Zeitsprung.

Die Polizei lädt die Schlägertypen in den Kastenwagen und bedankt sich bei mir für die Zivilcourage. Unterdessen hält neben uns eine dunkle Limousine. Ein muskelbepackter Araber mit Knopf im Ohr und Sonnenbrille (nachts!) steigt vom Beifahrersitz aus und geht auf das junge Ding neben mir zu. Sie heisst übrigens Asia. Die beiden unterhalten sich schnell in einer für mich unverständlichen Sprache. Sie deuten immer wieder auf mich. Irgendwann fährt das hintere Fenster nach unten, aus dem dunklen Inneren winkt den beiden eine Hand mit vielen Goldringen zu. Jetzt diskutieren Muskelmann und Asia mit dem Fenster. Schliesslich werde ich ins Auto gebeten und sitze plötzlich neben einem echten Scheich. Ein eilig angerufener Übersetzer erzählt mir, erst verschlafen, dann immer ungläubiger, satzweise folgende Geschichte:

Der Scheich ist ein Ölscheich, stinkreich.
Bei ihnen ist es Brauch, dem Lebensretter seine Dankbarkeit zu beweisen, in dem man ihm einen Teil der gesamten Habe überlässt. Bei der Erstgeborenen ist die Hälfte angebracht. Der Scheich, der seinen Palast und seine Pferde, Autos usw. behalten will, bietet mir an, mich auszuzahlen. Er nennt die bescheidene Summe, 6 Milliarden US-$.

Zeitsprung.

Ich werfe mit Geld nur so um mich, kaufe Inseln, marode Firmen zum Sanieren (Ich bin der Held der Arbeiter!), Yachten, Villen. Ich eröffne ein Megageschäft, in dem alle meine Bekannten in ihrem Spezialgebiet arbeiten können. Usw. usw.

Tagtraum zu Ende.

Mann, ist das trist hier. Ich bin toll, warum gibt mir keiner Geld? Dann doch wieder zurück in die Welt, die nur ich allein gestalte. Geld hatten wir grade, jetzt bin ich schnell mal ein mächtiger Magier.

Was? Schon Zeit für die Arbeit? Naja, mich versteht eh keiner, also redet auch keiner mit mir, dann geht’s halt dort weiter. Na warte, du blöde Schlampe, ...

Hey, ist ja gut. Denk dran: 'Liebe' ist das Schlagwort! Sie ist halt doof, sie kann nichts dafür.

Ist mir doch egal, ich kann ja auch nichts dafür. Also, Schl... dumme Frau, heut werd ich dich mehrmals einäschern, dich stolpern lassen, dass du dir den Schädel brichst, den Schrank über dir einstürzen lassen. Und keiner kann mir was beweisen, schliesslich bin ich Magier....

 

Hallo btc,

Auslassungspunkte immer so: Jetzt kommen gleich ... Auslassungspunkte.

marode Firmen zum Sanieren(Ich bin der Held der Arbeiter!)

Leerzeichen nach Sanieren. Ich vermute mal, das soll satirisch sein, da würde noch sowas fehlen wie "ich verhelfe ihnen durch meine Sanierungsmaßnahmen zu Unmengen von Freizeit" oder sowas, sonst kommt der Gag irgendwie unvollständig.

Ich bin toll, warum gibt mir keiner Geld?

Den Satz fand ich ganz geil. :D

Ansonsten, da der Traum im Mittelpunkt der Geschichte steht und sonst nicht viel passiert, gehört die Story denke ich eher nach "Seltsames" oder "Sonstiges" als in den Alltag.

Grüße
JC

 

Danke für die Tipps, wenn die Kategorie falsch ist, bitte verschieben. War meiner Meinung nach als Kurzeinblick und Querschnitt der Gedanken des 'Protagonisten' in Alltag am besten aufgehoben.

 

hallo btc,
deine Geschichte hat mich gut unterhalten, sogar amüsiert. Schlicht gesagt, ich finde sie gut!
Jeder kennt solche Tagträume, sie sind eigentlich banal und auch lächerlich. Dir gelingt eben diese Lächerlichkeit sympathisch darzustellen und der Geschichte trotzdem einen Hauch tieferen Sinn zu verleihen. Ohne dabei hochtrabend /gestelzt zu werden. => Deinen Schreibstil finde ich sehr angenehm.

Kleiner Einwand:
"Denk dran: Liebe! Ist das Schlagwort, sie ist halt doof, sie kann nichts dafür".
Denk dran: Liebe ist das Schlagwort! Sie ist halt doof, sie kann nichts dafür.

Gruß
Kasimir

 

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