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Tal der tausend Hügel

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21.04.2019
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Tal der tausend Hügel

Das „Valley of a 1000 hills“ hügelt sich von Pietermaritzburg nach Durban. Wer in Howick absteigt, kann auf zwei Pfaden zum ältesten Baum Südafrikas wandern. Im Sommer 1997 Jahren erstolperte ich mir irgendwie den Weg dazwischen, in ridikulös verseuchtes Gelände.

Doch das Stück Dschungel am Ausgangspunkt hatten die Ranger ganz humorlos geschrebert und kleingegärtnert. Auf einem Ast zwitscherte ein gefiederter Regenbogen in allen Farben, die die südafrikanische Vogelwelt zu bieten hat. Eine Pavianfamilie picknickte darunter. Nicht weit entfernt pirschte sich ein Grauhörnchen an einen Sekretärsvogel heran, sprang auf den Rücken und ritt in eine Wolke. Die einzige Gefahr, so zu lesen im Reiseführer, gehe von einem schwarzen Panther aus, der hier seine Kreise zieht. Ein Ranger entwarnte. Er holte aus seinem Rucksack ein Einmachglas, in dem ein Gebiss mit Reißzähnen schwamm: „We only give it to him at lunchtime.“ Irgendwas kicherte, leise und kurz, ich konnte es nicht orten.

Die Wahl zwischen den beiden Pfaden fiel leicht: Das Schild am linken Weg zeigte Schmetterlinge, die um einen Blütenbusch tanzen – aus dem rechten blickte ein altersschwacher Panther mit eingefallenen Backen. Ich nahm den Pantherweg! Der schlängelte sich über eine Hängebrücke tiefer ins tausendhügelige Tal hinein. Hier und da ein kleines Rascheln von kleinen Tieren mit kleinen Zähnen und kleinen Krallen. Vielleicht auch von einer Raubkatze, die Flüssigfleisch aus einer Schnabeltasse schlürft.

Man hört, wenn Menschen ohne Zähne sprechen. Das klingt schmatzend und feucht, als würde man Wörter mit einem Pömpel aus einem verstopften Abfluss saugen und in die Ohren werfen. Doch wie klingt ein Panther ohne Gebiss? Zahnlos oder nicht – das Brüllen ging durchs Mark ins Bein. Ich rannte los, bis die Muskeln brannten und das Herz gegen den Kopf hämmerte. Die Welt wirbelte an mir vorbei wie ein betrunkenes Karussell. Da stellte ich mit meinem linken dem rechten ein Bein, und Shakespeare plätscherte mir entgegen. „Doubt thou the stars are fire; Doubt that the sun doth move; Doubt truth to be a liar; But never doubt I love“, skandierte ein Wasserfall und sprang mit geschwellter Brust aus dem Felsspalt. Als er mich erblickte, blieb ihm das Wasser im Hals stecken. Er hielt inne. Aus dem Spalt drangen Knch-Knch-Geräusche, wie sie entstehen, wenn das Lachen nicht über die Lippen darf und den Weg durch die Nase sucht. Aber durch die Nasenlöcher passt nicht so viel Lachen wie durch den Mund. Also staut es sich, im Kopf, im Bauch, im Nebenbecken hinter dem Fels. Ich sah mir das genauer an und steckte den Kopf durch den Spalt. Da schoss eine Fontäne heraus, schleuderte mich durch die Luft und lachte mich von oben bis unten nass: die gelöcherte Stonewashed-Jeans im Destroyed Look, die Jeansjacke mit den abgeschnittenen, ausgefransten Ärmeln und Iron Maiden-Aufnäher, die Sneaker mit Iron Maiden-Aufdruck. Ich rappelte mich auf, richtete mein Iron Maiden-Capy mit Schild nach links aus und verknotete das Hemd über dem Bauchnabel. Ich weiß bis heute nicht, was den Wasserfall so amüsiert haben könnte.

Während er weiter lachte, blickte ich mich um. Von hier aus konnte ich zwei Wege einschlagen, denn den Pantherpfad zurück schloss ich aus. In nordwestlicher Richtung warnte ein Schild vor Bäumen, die mit dornigen Ästen um sich schlagen und Menschen in ihre Blütenbacken stopfen. Ich entschied mich spontan für den anderen Weg, zumal ich nicht wusste, ob der Ranger die Zähne der menschenfressenden Pflanzen ebenfalls verwahrte. Auf diesem, so das Schild, könnte ich auf Kamele mit Zapfhähnen in den Höckern treffen. Ich machte ein paar Schritte, und hörte den Wasserfall hinter meinem Rücken Shakespeare sprudeln, immer wieder von hysterischen Lachanfällen unterbrochen. Hinter ihrer bildungsbürgerlichen Fassade sind Wasserfälle echt doof.

30 Minuten später näherte ich mich einem Zulu-Dorf. Ich betrat es durch ein Holztor und stellte ich fest: Der Wasserfall war schneller gewesen. Über unterirdische Kanäle hatte er auch den letzten Wassertropfen im Dorf über mich informiert. Es lachte tief aus dem Brunnen in der Dorfmitte, glucksend aus einem Wasserhahn, hell aus einer Coca-Cola-Flasche, mehrstimmig aus einem Duschkopf. Am Boden wasserlachten die Pfützen, die Höcker der Kamele im Dorf bogen sich vor Lachen, aus den angebrachten Zapfhähnen quollen kichernde Lachtränen.

Anscheinend hörte das nur ich. Denn die Zulu-Frauen und -Männer sahen mich ernst und neugierig an, Königin Cetshwayo begrüßte mich äußerst respektvoll. Sie erzählte, dass die wichtigste Einnahmequelle des Dorfes Zulu-Bier sei. Ihr Großvater habe entdeckt, dass man Kamelen nur Hopfen, Malz, Hefe und Wasser geben muss, um die körpereigene Brauerei in Gang zu setzen. Von da an sei es ein kurzer Weg zu den Zapfhähnen in den Höckern gewesen. Sie fragt mich, ob ich das Bier probieren wolle, und führte mich in die Dorfmitte. Dort stand eine bauchige Glasflasche mit einem ranzigen Korken auf dem Tisch.

Als Cetshwayo den Korken aus der Flasche drehte, fiel eingetrockneter, weißer Schimmel ab. Die Königin goss das Bier in eine tönerne Schale und reichte sie mir. Ich blickte hinein. In der gelben Flüssigkeit schwamm ein dicker Wurm mit grünen Augen und dichten Borsten. Es gibt keinen Namen für so ein Wesen. Aber wer es sieht, weiß, dass es nur ein Schlonz sein kann. Wie jede Flüssigkeit in diesem Dorf lachte mich auch das Bier an oder aus. Wer weiß das schon? Ich trank, und spürte, wie mir das Lachen durch den Hals in den Magen plumpste. Mit Wucht stieß es wieder nach oben, doch ich presste die Lippen zusammen und es wirbelte zurück in die Eingeweide. Irgendwas explodierte in mir. Alle Gedanken. Auf einen Schlag. Ich packte die Welt und drehte sie um mich herum. Ich griff mir eine Wolke vom Himmel, biss hinein, kaute, spuckte aus – das Grauhörnchen und der Vogel vom Anfang der Geschichte waren drin. Dann bückte ich mich, hob den Boden auf und knallte ihn gegen meinen Kopf. Endlich war ich mich los. Großartiges Gefühl!

Als ich aufwachte, lachte niemand. Die Kochsalzlösung nicht, auch nicht der Tropfenzähler am Infusionsgerät oder der Orangensaft auf dem Nachttisch. Nicht einmal der Wasserhahn lachte. Und ehrlich gesagt: Schade!

 

Hallo @Wizo,

So wirklich reingekommen bin ich in die Geschichte nicht, ich kann aber auch nicht wirklich sagen, wo für mich genau das Problem liegt.

Was ich aber habe, sind ein paar kleine Anmerkungen:

Im Sommer 1997 Jahren erstolperte ich mir irgendwie den Weg dazwischen, in ridikulös verseuchtes Gelände.
Solche Sätze verwirren mich einfach nur. Sind für mich weder schön, noch kunstvoll oder irgendwie interessant. Seltsam sind sie vielleicht, aber das alleine ist es mir persönlich nicht wert, den Lesefluss zu verlieren.
„Doubt thou the stars are fire; Doubt that the sun doth move; Doubt truth to be a liar; But never doubt I love“, skandierte ein Wasserfall und sprang mit geschwellter Brust aus dem Felsspalt. Als er mich erblickte, blieb ihm das Wasser im Hals stecken. Er hielt inne
Spätestens hier wurde für mich aus "Humor" Wahnvorstellung, wobei es angesichts des Endes der Geschichte gar nicht so unpassend ist.

Das Problem ist für mich, dass ich zuerst den Eindruck habe, dass die Geschichte schlicht versucht lustig zu sein. Eben ein seichter (nicht negativ gemeint) unterhaltsamer Text. Dann lande ich am Ende plötzlich in der geschlossenen Psychiatrie. Ich komme da irgendwie einfach nicht mit.

Gruß,
Henrik

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Wizo,

So wirklich reingekommen bin ich in die Geschichte nicht, ich kann aber auch nicht wirklich sagen, wo für mich genau das Problem liegt.

Was ich aber habe, sind ein paar kleine Anmerkungen:


Solche Sätze verwirren mich einfach nur. Sind für mich weder schön, noch kunstvoll oder irgendwie interessant. Seltsam sind sie vielleicht, aber das alleine ist es mir persönlich nicht wert, den Lesefluss zu verlieren.

Spätestens hier wurde für mich aus "Humor" Wahnvorstellung, wobei es angesichts des Endes der Geschichte gar nicht so unpassend ist.

Das Problem ist für mich, dass ich zuerst den Eindruck habe, dass die Geschichte schlicht versucht lustig zu sein. Eben ein seichter (nicht negativ gemeint) unterhaltsamer Text. Dann lande ich am Ende plötzlich in der geschlossenen Psychiatrie. Ich komme da irgendwie einfach nicht mit.

Gruß,
Henrik

Lieber Henrik,

danke für Deinen Kommentar. Mir ist nicht klar, wie die Geschichte auf andere wirkt. Deine Einschätzung hilft mir weiter.

Viele Grüße, Alexander

 

Als deutscher Tourist im Ausland stehe man vor der Frage, ob man sich anständig benehmen müsse oder ob schon deutsche Touristen dagewesen seien, lautet im Netz eine Behauptung, die mutmaßlich fälschlicherweise Tucholsky zugeschrieben wird und genau das frag ich mich, als ich Dein Debüt gelesen hab,

lieber Wizo -
und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts!

Satire bedeutet auch Opposition und, da fall ich gleich mit der Tür ins Haus, die vermag ich nicht zu erkennen. Es wird quasi wortgespielt (lachen [‘laxn] und Lachen [‘la:xn]), da „hügelt“ sich das Tal so hin als Modell für weitere Wortschöpfungen (wie „geschrebert“, „kleingegärtnert“), bis der Witz buchstäblich zu Tode gelaufen ist und Shaka, Sohn des Senzangakhona ka Jama im Grabe routiert.
Was nicht heißt, dass da nix wäre und ich nicht auch mal gegrinst hätte. Es ist Schülerpoesie und die verrät zumindest eines: Dass Du wahrscheinlich über Dich selbst lachen kannst. Und das ist quasi schon die halbe Miete für Humor und Witz, die mit einer Prise (Selbst)Ironie gepfeffert werden.

Paar Flusen

Im Sommer 1997 Jahren erstolperte ich mir irgendwie den Weg dazwischen, in ridikulös verseuchtes Gelände.
Warum das Komma? Wenn Du den Grund weißt, verrat ihn uns!

Die einzige Gefahr, so zu lesen im Reiseführer, gehe von einem schwarzen Panther aus, der hier seine Kreise zieht.
Warum erst Konjunktiv I („gehe“) und dann Indikativ („zieht“)?

Das klingt schmatzend und feucht, als …
Wie klingt eigentlich Feuchtigkeit?

... die gelöcherte Stonewashed-Jeans …
stonewashed, oder machstu gerade Reklame für ‘ne Marke, die man kennen muss?

Ich betrat es durch ein Holztor und stellte ich fest: …
Da ist ein Stellungsfehler oder ein ich zu viel!

Ich schließe mit dem vorletzten Satz:

Nicht einmal der Wasserhahn lachte.
Der lacht nie, soweit ich weiß.

Wird schon werden, meint der

Friedel

 

Hallo Friedel,

danke, dass Du Dir die Zeit zum Lesen genommen hast. Und danke auch für das witzige und auch aufmunternde Feedback. Ich gebe zu: Ich hab's übertrieben mit den Wortspielereien und Neuschöpfungen. Manchmal pflanzt die Phantasie Purzelbäume und es hampelmannen und hampelfrauen Sätze wie dieser aus dem Kopf :) Aber im Ernst: Da muss ich an mir arbeiten, dass ich nicht jeder Wortclownerie hinterlaufe...

Viele Grüße und eine gute Zeit

Alexander

 

Ich misch mich ungern in andere Kommentare ein, aber hier muss es sein,

liebe @Ellariana,

denn hier

Die Welt wirbelte an mir vorbei KOMMA wie ein betrunkenes Karussell.
ist kein Komma zu setzen. Warum? Weil die vergleichende Konjunktion tatsächlich nur vergleicht und keinen ganzen Satz, also keinen Nebensatz einleitet. Gilt genauso fürs "als", falls es euch mal unterkommt.

Aber so lernt man sich auch kennen, und damit

welcome to the pleasure dom, liebe Ella!

Gott säge und verhüte euch!

Friedel,
der übrigens kein Lehrer ist - auch nie werden wollte.

 

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