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Teddybär

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17.06.2008
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Teddybär

„Nimm das!“ sagte Thomas, und die Faust der Cowboypuppe traf den Teddybären auf die Nase. „Uff!“ sagte Thomas und öffnete die rechte Hand. Der Teddybär kippte nach hinten und fiel auf den Rücken, blieb reglos liegen.
Die Tür öffnete sich, und Thomas Mutter trat ein. „Zeit zum Schlafen gehen“, sagte sie fröhlich, und Murren antwortete ihr.
Eine störrische Viertelstunde später lag Thomas im Bett. Das Licht war gelöscht. Der rechte Flügel des Fensters stand offen, denn es war eine warme Nacht. Der Himmel war sternenklar, und der Mond eine silberne Scheibe im oberen Drittel der geöffneten Fensterlade.
Grillen zirpten leise. Die Luft roch nach frisch gemähtem Gras.
Ein Schatten huschte durch die Krone des Baumes, dessen oberes Geäst bis an Thomas Fenster heranreichte. Im silbernen Mondlicht hielt das Eichhörnchen kurz inne, schnüffelte mit der Nase in der Luft und huschte davon, verschwand zwischen grünen Blättern.
Silbernes Mondlicht fiel auch auf einen großen Tisch, der direkt vor dem Fenster stand. Auf ihm die typischen Utensilien eines Fünfjährigen. Spielzeugautos und Bilderbücher, Buntstifte, Blätter, Höhrspielkassetten und vieles mehr.
Unter anderem befand sich auch die Cowboypuppe auf dem Tisch. Sie saß mit dem Rücken an ein Kästchen gelehnt an der dem Fenster zugewandten Seite des Tisches und sah in die Dunkelheit hinaus.
Genau genommen handelte es sich gar nicht um eine Cowboypuppe. Thomas nannte sie nur so. Es war eine Actionfigur aus Hartplastik, nachempfunden dem Helden einer jener Zeichentrickserien, in denen ein Gesetzeshüter mit Laserpistole vor einer futuristischen Kulisse für Recht und Ordnung sorgt. Seine Gesichtszüge brachten das hinreichende Maß an Strenge und Rechtschaffenheit zum Ausdruck. Er wirkte beinahe wie ein Wächter, wie er so in die Nacht hinausschaute.
Ein schmaler Streifen Mondlicht fiel auch auf einen Schrank, der neben der Tür stand. Auf ihm war Thomas Stofftiersammlung aufgereiht.
Unter ihnen der Teddybär.
Er glich entfernt einem Koalabären. Eine gedrungene Statur, Arme und Beine muskelbepackt, ein stoischer Gesichtsausdruck. Zwei schwarze, liedlose Knopfaugen spiegelten den silbernen Schein des nächtlichen Trabanten wieder.
Es lag etwas nachdenkliches darin, wie er mit seinen seelenlosen Plastikaugen unverwandt in die Scheibe des Mondes starrte. Es war, als würde etwas lebendiges in ihm existieren, etwas, das mehr war als bloße Schaumstofffüllung und Styroporkugeln, so wie seine Schöpfer es eigentlich beabsichtigt hatten. Reglos blickten seine Augen die silberne Scheibe an, in sie hinein, tiefer, immer tiefer gruben sie sich in das milchige Licht, bohrten, fragten, forschten, suchten und...
...fanden schließlich!
Er blinzelte. Langsam drehte er den Kopf nach links, sah in die schattige Ecke, in der Thomas friedlich in seinem kleinen Bettchen schlief. Dann, langsam, sehr langsam, drehte er den Kopf nach rechts, hin zum Tisch, hin zum Fenster, vor dessen Helligkeit sich die Silhouette der Cowboypuppe abzeichnete.
Er erhob sich. Langsam ging er zu jener Seite des Schrankes, die dem Tisch am nächsten war. Vorsichtig, jeden seiner Schritte mit äußerster Behutsamkeit setzend, um auch ja kein Geräusch zu verursachen, stieg er über die ausgestreckten Beine der anderen Puppen hinweg. Am Ende des Schrankes angekommen hangelte er sich über die Kante und kletterte mit den für einen Koalabären typischen langsamen Bewegungen am Schrankbein herunter.
Schattiges Halbdunkel verbarg seine Gestalt, während er über den Boden schlich.
Am Tisch angekommen kletterte er mit den gleichen langsamen Bewegungen an dessen Bein herauf.
Oben angekommen blieb er für einige Sekunden hoch aufgerichtet stehen. Das Mondlicht traf ihn frontal, warf seinen Schatten stark vergrößert an die Wand hinter ihm.
Dann setzte er seinen Weg fort.
Vorbei schlich er an einer Kinderschere, mit der Thomas am Nachmittag etwas gebastelt hatte. Vorbei an ein paar Buntstifften und einem Radiergummi, womit Thomas ein Bild für seine Mutter gemalt hatte. Vorbei an einem roten Feuerwehrauto näherte er sich zielstrebig der Cowboypuppe von hinten.
In deren Rücken angekommen blieb er stehen, wendete den Kopf und sah zu Thomas Bettchen hin. Dieser schlief tief und fest, hatte sich während der ganzen Zeit nicht bewegt.
Sekunden verharrte der Teddybär reglos...
Dann schlug er zu!
Sein rechter Arm fiel von hinten auf die Brust der Cowboypuppe. Sein linker legte sich um deren Hals. Stählerne Muskeln spannten sich kurz:
Ein lautes Knacken!
Blitzartig ruckte der Kopf des Teddybären nach links, hin zu Thomas: Aber der hatte das Geräusch nicht vernommen, schlief friedlich weiter.
Der Teddybär versetzte der Cowboypuppe einen verächtlichen Stoß. Sie sackte nach vorne. Ihr Kopf pendelte haltlos hin und her.
Mit den gleichen langsamen, vorsichtigen, lautlosen Bewegungen wie zuvor ging der Teddybär zurück, über den Tisch, am Tischbein hinab, den Schrank herauf bis er seine alte Position erreicht hatte. Dort setzte er sich in exakt derselben Haltung hin, die er auch vorher eingenommen hatte und erstarrte zur Reglosigkeit.
Silbernes Mondlicht spiegelte sich in schwarzen Knopfaugen wieder.
Thomas seufzte und drehte sich im Schlaf auf die andere Seite. Im Apfelbaum vor dem geöffneten Fenster sang ein Nachtvogel.

 

Hallo Du,

Rache der Stofftiere, thematisch wollte ich Dir beim Lesen schon die Verschiebung nach Kinder empfehlen, doch die Story biegt dann ja anders ab.

Den Gedanken finde ich interessant, die Umsetzung ist mir noch zu unausgegoren, am anfang haust du Bilder raus, die von Größe und Wucht dann keien Entsprechung da mehr finden, wo die eigentliche Geschichte spielt, dafür ist die eigentlich interessante Szene eher blutlos, also naturalistisch, sachlich präsentiert, so leuchtest Du die Nebenschauplätze hell aus und lässt das eigentliche Geschehen eher im Dunklen.
Das Ende ist mir auch ein wenig laff, es lässt mich ratlos zurück, pointierter fände ich im Moment ein Ende ohne die beiden letzten Sätze, da damit bliebest Du auf dem Spannungsbogen, der Perspektivwechsel zurück in die ruhige Normalität des Kinderzimmers verpufft.

Details :

sagte sie fröhlich, und Murren antwortete ihr.
entweder mit Artikel (ein Murren), besser fände ich etwa "Thomas antwortet murrend"
Eine störrische Viertelstunde später lag Thomas im Bett.
die Viertelstunde ist ja nicht störrisch, sondern Thomas, ich würds streichen, das störrisch
Sternenpracht schmückte den Himmel, füllte das Firmament mit Myriaden winziger Lichtsplitter aus. Der Mond war eine silberne Scheibe im oberen Drittel der geöffneten Fensterlade.
bei diesem Passus (und einigen weiteren im Anschluss) gerätst Du mir ein wenig zu sehr in romantisch-verklärte Vokabular, wenn Du eine Distanz zwischen Situation und Geschehen schaffen willst, dann solltest Du dennoch sprachlich im Bild bleiben, und bis hierhin ist Deine Sprache in dem Text eher sachlich
Silbernes Mondlicht entriss der Nacht die Silhouette eines Eichhörnchens
entriss die Nacht die Silhouette ist ein starkes Bild, doch zu stark für die Sprache des restlichen Textes - will sagen: nimm den Satz und bau ihn in einer passenden Geschichte gut ein (weil er _ist_ stark), hier wirkt er deplatziert

Soweit meine Gedanken zu diesem Text, nimm ihn Dir nochmal vor, schaffe eine passende Stimmung und stimmungsvolle Beleuchtung, um die morbide Szene gut in Szene zu setzen.

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo

ach, das liest sich doch ganz nett und allzuviel würde ich nun nicht daran ändern. Die schönen Formulierungen, das behutsame Vorwärtsgehen auch die gelegentlichen Wiederholungen, die Stimmung insgesamt, die Beschreibung der Umgebung - finde ich gelungen.
Allerdings - es ist dann doch früh erkennbar, was Bärchen so Böses vor hat und von da an zieht sich der Text etwas. Das Vorhersehbare bekommt keinen Break, da könnte ne kleine Überraschung der Geschichte noch mehr Pfiff geben.

Hat mir gut gefallen.
Hawowi

 

Hallo C. Seltsem und Hawowi.

Danke für eure Kommentare. Allerdings habt ihr mich jetzt echt verwirrt. Ich habe ein paar Tage über eure Vorschläge und mögliche Veränderungen nachgedacht, und habe jetzt so viele mögliche Veränderungen im Kopf, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich machen soll. Also habe ich mich entschlossen, das einfach mal hier aufzuzählen, und zu hoffen, dass ihr oder andere mir einen Ratschlag geben könnt. (geben können?)
Zuerst einmal die einfachen Sachen:
Bei dem Murren und der störrischen Viertelstunde muss ich vehement widersprechen. Das ist volle Absicht und fällt unter stilistische Mittel und individueller Schreibstil. Gemessen an meinen schriftstellerischen Fähigkeiten halte ich diese Formulierungen sogar für ein klein wenig genial (Ja, Eigenlob muss auch mal sein:D) Ähnlich verhält es sich mit den letzten beiden Sätzen. So, wie die Geschichte jetzt dasteht, sind sie von meinem Gefühl her absolut stimmig. Würde ich allerdings die Genickbruchszene ändern, worauf ich gleich noch näher eingehe, dann würden sie für mich nicht mehr stimmen und ich würde sie streichen.
Bei einigen Sachen bin ich nicht sicher, ob ich dir zustimme, bin aber auch nicht sicher, ob ich dir nicht zustimme, und habe deshalb beschlossen, mich auf deinen größeren Erfahrungsschatz zu verlassen.
Deshalb:

Sternenpracht schmückte den Himmel, füllte das Firmament mit Myriaden winziger Lichtsplitter aus. Der Mond war eine silberne Scheibe im oberen Drittel der geöffneten Fensterlade.
Ist geändert.
Silbernes Mondlicht entriss der Nacht die Silhouette eines Eichhörnchens
Ist geändert.
Und wegen
am anfang haust du Bilder raus, die von Größe und Wucht dann keien Entsprechung da mehr finden, wo die eigentliche Geschichte spielt
habe ich bei
Das Mondlicht traf ihn frontal, warf seinen Schatten stark vergrößert an die Wand hinter ihm. Er wirkte wie ein Fels in der Brandung.
das fette gestrichen.
War das von dir so gemeint?
Und (Hihi) wegen
Das Ende (...) lässt mich ratlos zurück
willkommen im Club. Wenn ich an diese Geschichte denke, dann sehe ich vor meine inneren Auge auch nur ein großes Fragezeichen. (War von dir wahrscheinlich anders gemeint, aber ich find's trotzdem lustig.)

Jezt zu den großen Problemen. Hier weiß ich nicht mehr, ob ich etwas ändern soll oder nicht, und bräuchte einen Ratschlag.

es ist dann doch früh erkennbar, was Bärchen so Böses vor hat und von da an zieht sich der Text etwas. Das Vorhersehbare bekommt keinen Break, da könnte ne kleine Überraschung der Geschichte noch mehr Pfiff geben.
1. Idee: Der Teddybär tritt auf ein Blatt Papier unter dem ein Stift liegt. Dadurch hebt sich das Papier an einer Seite ein wenig und ein zylinderförmiger Anspitzer rollt vom Tisch und fällt auf den Boden. Durch das Geräusch dreht sich Thomas unruhig im Bett. Der Teddybär wartet kurz und geht dann weiter.
2. Idee: Der Teddybär duckt sich unter der Schaufel eines Spielzeugkrans hindurch und streift dabei einen Legostein. Der Stein fällt, der Teddybär packt blitzschnell zu und fängt ihn in der Luft auf, legt ihn dann vorsichtig hin.
3. Idee: Thomas Mutter schaut kurz herein, öffnet also die Tür einen Spaltbreit. Der Teddybär verharrt regungslos.

Hast du das so gemeint? Oder würde der Text sich dann nur noch mehr hinziehen.

dafür ist die eigentlich interessante Szene eher blutlos, also naturalistisch, sachlich präsentiert, so leuchtest Du die Nebenschauplätze hell aus und lässt das eigentliche Geschehen eher im Dunklen.
Ich habe mir überlegt, dass ich auch der Cowboypuppe Leben einhauchen könnte, und es dann zu einem Kampf kommt. Der Lärm des Kampfes lässt Thomas sich unruhig im Bett umherwälzen. Und dann könnte ich von meinem Gefühl her auch die letzten beiden Sätze weglassen.

Ok, ich glaube, dass wars. Reicht ja auch. Ich würde mich wirklich freuen, wenn mir jemand einen Tipp geben könnte, weil ich nämlich echt den Überblick verloren habe.

lg ichwersonst

 

Hallo,

ich hab deine Geschichte schon kurz nach dem Hochladen gelesen und finde sie recht gut, wenn du keine Änderungen mehr einbaust, ist das meiner Meinung nach kein Beinbruch.

Die störrische Viertelstunde stört mich auch nicht besonders.

Von deinen drei Ideen würde ich keine umsetzen :D
Tschuldigung, ist nicht so fies gemeint, wie es sich anhört. Aber was Hawowi glaub ich meinte, war: Dem Leser ist nach Erwachen des Teddies klar, dass der Bär jetzt zum Cowboy geht und dem eins auf die Nase gibt. Deine drei Ideen verlängern nur unnötig die Beschreibung, wie er dahinkommt. Gute Ideen für etwas wirklich Unerwartetes habe ich auch nicht. Vielleicht könnten während des Kampfes noch mehr Spielzeuge erwachen, die den Cowboy auch nicht leiden können und Teddy anfeuern "Ja, gib's ihm endlich, dem alten Sack." Vielleicht regnet es nachts immer aus einem Bild an der Wand, weshalb über den Kinderzimmerboden ein Fluss fließt, den Teddy überqueren muss (dabei könnte er auch noch ein paar Lachse fangen). Sowas halt. Dass Teddy zwischendurch nur aufpassen muss, um nicht entdeckt zu werden, ist einfach "zu normal" um unerwartet zu sein und den Leser zu überraschen.

Ich habe mir überlegt, dass ich auch der Cowboypuppe Leben einhauchen könnte, und es dann zu einem Kampf kommt.
Damit hatte ich beim Lesen auch gerechnet. Ich finde es aber im Moment viel besser so :D

Für die letzten Sätze - keine Meinung. Mach, was dir am besten gefällt.

Ich weiß nicht, ob dir mein Kommentar irgendwie hilft. Aber ein grundsätzliches "mir gefällt's", liest man als Autor sowieso ganz gern, oder?

 

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