So, die Geschichte mit dem Panikknopf windet sich unter meinen Wörtern und will nicht so wie ich. Deswegen habe ich mich an eine andere kurze Geschichte gemacht, die ich mit dem hier besprochenen geschrieben habe. Das mit den Ideen sollte ich im Griff haben, auch wenn die Idee zu dieser Geschichte keine technische ist.
Meine bekannten Probleme sind Spannung, kaum Handlung, keine Atmosphäre und tote Figuren.
Stader Straße
„Also was hattet ihr vor?“, fragte die Stimme des Polizisten in sein Ohr. Er roch Zwiebeln und Gewürzgurken.
„Nichts“, antwortete er und es stimmte beinahe. Er hatte sich fast nichts vorzuwerfen, außer mitten in der Nacht mit Vollgas die Stader Straße von Harburg Richtung Stade entlang zu heizen, während sie glucksend und redend neben ihm saß.
Sie war einfach am Jugendtreff aufgetaucht und hatte ihn angequatscht. Seine Kumpels und Bekannten verschwanden nach und nach, um auf Partys oder ins Bett zu gehen. Am Ende waren nur noch sie beide da gewesen Er hatte sie gefragt und sie war kichernd mit ihm gegangen.
Sie hatte wohl darauf spekuliert, nach der Spritztour heute Nacht, mit ihm zu vögeln.
Er hätte gekonnt, ganz sicher, aber ihre Schenkel waren zu dick und die Ringe um den Bauch zu groß. Nichts für ihn, auch wenn der Vorbau imposant war und sie unter dem grellen Make up ein hübsches Gesicht spazieren trug. Aber er mochte ihren Namen: Aurora.
Sie war älter als er, dreiundzwanzig, und abenteuerlustig, wollte einen gerade volljährigen Stadtjungen aufreißen.
Jetzt war das Abenteuer da. Ausgebremst und auf dem Standstreifen der Stader Straße von einer Polizeistreife angehalten. Mit breiten Beinen neben dem Wagen stehend, die Hände ausgestreckt auf dem Dach.
Vögeln wäre vielleicht doch die bessere Alternative gewesen, dachte Dennis. Auf jeden Fall besser, als von Spiegelbrille und Feuermelder angehalten zu werden. Er sah vom regenglitzernden Dach des Wagens auf. Es war lächerlich. Sie hatten nichts Falsches getan. Eine kleine Ordnungswidrigkeit. Höchstens.
„Also, ihr wolltet doch nicht nur schnell fahren, was ja nicht verboten ist, mein ich“, sagte der Polizist neben ihm und sein tiefroter Kopf rückte in sein Blickfeld. Der Nieselregen lief seinen Helm hinab und die Abschlusskante entlang in seinen Nacken, wo er auf den Boden tropfte.
Unter der Helmkante leuchtete das rote Gesicht des Beamten und er stierte Dennis aus unterlaufenen Augen an. Er hob die grobe Linke, setzte seinen ausgestreckten Zeigefinger genau zwischen Dennis Brauen, reckte den Daumen hoch.
„Ich wollte die Karre an die Wand setzen.“
„Verscheißer mich nicht! Meinst du, du wirst dafür belohnt?“
„Stimmt aber doch. Ich wollte die Kiste leer fahren und dann schrotten.“
„Lüg mich nicht an!“
Auf der anderen Seite des Autos stellte sich der Polizist mit der verspiegelten Sonnenbrille hinter Aurora und nestelte an seiner rechten Seite. Dennis konnte nicht sehen, was er mit den Händen machte, aber er bemerkte Auroras zuerst erschrockenen und dann angewiderten Blick. Unvermittelt begann ihre Jacke sich auf und ab zu schieben während sie regungslos da stand.
„Waffen?“, fragte Spiegelbrille hinter ihr. Sie schüttelte heftig den Kopf und sein Gesicht begann nass zu glänzen. „Bäh! Hör auf, ich prüf es sowieso nach.“
Er tauchte ab und ihr Gesicht verzerrte sich.
„Du, also die Kleine gefällt mir nicht“, sagte Feuermelder.
Spiegelbrille gegenüber lachte.
„Mir auch nicht. Aber sie hat Vorzüge.“
„Schau ihr in die Augen.“
„Gefährlich meinst du?“
„Also, nein, eher…“
„Kein Problem.“ Dennis sah Spiegelbrilles Zugriff an seinen Schultern noch bevor Aurora zusammenzuckte.
„Also, was ist euer kleines Geheimnis?“ Wieder Zwiebeln und Gewürzgurken.
„Wir haben keins.“ Dennis wünschte sich weit weg, zurück zum Jugendtreff, zu den Kumpels, in die Gruppe.
„Das Auto ist geklaut“, presste Aurora zwischen ihren Zähnen durch.
Spiegelbrille grunzte und tauchte auf. „Das wissen wir. Ist ein zwanzigelfer Passat. Weit über neun Jahre alt. Wundert mich, dass wir den Besitzer noch nicht erwischt und verhaftet haben. Na, vielleicht kommt das Gesetz über die Ablieferung solcher Autos doch noch.“ Spiegelbrille zog seinen Rotz hoch. „Wir können euch nicht anzeigen, weil das geklaute Auto zu alt ist. Aber was ihr vorhattet, interessiert mich doch. Weil ihr so ein Geheimnis daraus macht.“
„Also, wir wollens einfach nur wissen“, kicherte es neben Dennis Ohr und er quiekte auf, als ihn etwas in die Seite stach. Als er merkte, dass es der Finger des Polizisten sein musste, atmete er langsam aus.
„Wir haben kein Geheimnis“, sagte Aurora.
Grob packte Spiegelbrille sie an der Schulter und drehte sie um.
„Du bist doch auf Drogen. Bist du eine Nutte? Bläst du mir einen?“
Aurora spuckte aus.
„Du willst nicht.“, knurrte er.
„Mein Ausweis. Ich bin …“
Spiegelbrille stieß sie um, bevor ihre Hand ganz in ihrer Jacke verschwunden war, zog brüllend seine Dienstwaffe und schoss.
„Aurora!“, schrie Dennis, während Feuermelder ihn den Wagen entlang zum Heck zerrte, dabei „Ich wills auch sehen!“ rief.
Sie lag auf dem Rücken, den Oberkörper schon auf dem rechten Ellenbogen aufgestützt, aber starr, als wäre sie beim umdrehen eingefroren.
Dennis hatte noch nie einen so blanken Gesichtsausdruck gesehen. Alles panisch aufgerissen, erstarrt, das Make up gesammelt an Kanten und in Vertiefungen, die kurzen schwarzen Haare ängstlich an ihr klebend. Dennis fragte sich, ob sie genau in die Mündung schaute oder ob sie das Loch gar nicht mehr wahr nahm.
„Du willst wirklich nicht.“, sagte Spiegelbrille und seine Worte lösten ihre Blockade.
Aurora begann mit den dicken Schenkeln zu strampeln und versuchte, sich unbeholfen auf dem frischen Asphalt rückwärts zu schieben.
Dennis war erbärmlich zumute, während er nur fasziniert auf ihre hysterisch zappelnden Beine sehen konnte. Er hörte kaum wie sie mehrfach spitz „Nein!“ rief, erst der nächste Satz drang durch. „Ich bin Polizistin.“
„So?“, keuchte Spiegelbrille und blieb in gespannter Haltung, die Waffe im Anschlag, stehen.
„JA! JA! Nehmen Sie die Waffe runter. Bitte.“
„Gib mir deinen Ausweis. Vorsichtig!“
Sie nickte und fummelte mit spitzen Fingern ihren Geldbeutel aus der Jacke. Dennis konnte die Plastikkarte mit dem Bundesadlerholo ebenfalls sehen.
„Drogendezernat, hm?“ Er spuckte aus.
„Ja.“
„Jennifer Fiehn?“
Sie nickte und Dennis steckte eine weitere Überraschung ein.
„Nimmst du auch die Drogen, die du suchen sollst? Deswegen werden von euch kaum welche zur Verkehrspolizei befördert.“
Sie stand mühsam auf, richtete ihre hochgerutschte Jacke und zog den bunten Strickrock wieder glatt, unter dem die dicke schwarze Strumpfhose nass glänzte.
Sie schlichen durch den Nieselregen davon, überquerten die sechs Fahrbahnen und zwei Standstreifen und folgten der taghell ausgeleuchtete Straße Richtung Neugraben. Immer wieder sah Dennis ihre strampelnden Beine vor sich.
Sie wurden beide schneller, als das wummern eines Fahrzeugs näher kam und waren kurz davor, sich in die Büsche zu schlagen, als es hupte. Die schwere Polizeilimousine zog an ihnen vorbei und Spiegelbrille winkte.
Die Stader war schon zur Cuxhavener Straße geworden und der Abschleppwagen mit dem geklauten Auto gerade vorbeigezogen, als Dennis sie nach dem KFC in die Einfahrt eines Autohauses zog. Sie setzten sich unter einem Vordach vor die Scheiben des Präsentationsraums. Die kleinen Steinchen auf dem kalten Pflaster drückten sich durch die Jeans in seinen Hintern, aber wenigstens war es trocken.
„Ich war ganz schön feig“, sagte er nach einer Weile.
„Was hättest du tun wollen?“
In der ratlosen Pause nahm sie seine Hand und der Druck tat ihm überraschend gut.
„Ich hatte Angst“, sagte er endlich.
„Ich hab Emotionsverstärker genommen. Hab mich ein bisschen nass gemacht“
Sein Kopf ruckte herum. Sie zuckte mit den Schultern.
„Polizistinnen hängen auch an ihrem Leben. Ich zumindest.“
Er nickte.
„Jennifer Fiehn?“
„Jennifer Aurora Fiehn“, antwortete sie. „Sag mal, was hattest du wirklich vor?“
„Das Auto schrotten“, sagte er lahm. „Es gehört einem Kunden meines Vaters und das Autohaus hinter uns gehört meinem Vater.“
Ihre Augen wurden groß und er nahm sie zum ersten Mal wahr.
Wahrscheinlich war vögeln doch das Beste, was sie heute Nacht tun konnten. Nach einer Dusche.
Was meint ihr?
CU,
Teja