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Telefonat

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02.03.2007
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Telefonat

Telefonat

Er saß auf der Couch, vor sich die Dose Becks Bier, die er noch nicht einmal bis zur Hälfte getrunken hatte. Er schaute auf die große Standuhr, die neben dem alten Wohnzimmerschrank stand. Sie zeigte kurz vor zehn Uhr abends. Danach schaute er wieder auf die Dose Bier und fragte sich selbst, was mit ihm los sei. Obwohl er so erfolgreich war, obwohl er soviel Geld hatte, liebte er sein Bier aus der Dose. Gestern Abend war die letzte Folge seiner Sendung gelaufen. Dreizehn Jahre hatte er das Abendprogramm auf einem kleinen und sehr unbedeutenden Sender, der nur durch ihn überlebte, beherrscht. Nach dem ersten Jahr hatte er kaum Zuschauer, der Sender wollte das Programm absetzen und ihn feuern, doch dann kam der Aufschwung. Das Sendungskonzept wurde umgestellt, er durfte sich seine Autoren selbst aussuchen und die Zuschauerzahlen stiegen und stiegen. Nach drei Jahren hatte er Angebote von größeren Sendern, von Shows zu der Hauptsendezeit und er lehnte immer wieder ab. Sein Gehalt stieg bei dem Sender und die anderen überhäuften ihn mit Traumgagen.
Er nahm ein Schluck Bier, stand auf und schob die Videokassette seiner letzten Sendung in den Rekorder.
Das Telefon schellte und unterbrach damit abrupt die Stille, die in dem großen Zimmer geherrscht hatte. Der Klingelton erschien ihm in diesem Moment sehr aggressiv und fehl am Platz. Er wollte jetzt nicht abheben, wollte sich nicht melden, wollte jetzt lieber alleine sein und diesen Moment der absoluten Einsamkeit genießen. Das Telefon klingelte erneut. Er wartete. Das dritte Klingeln, das vierte Klingeln, das fünfte Klingeln. Er hob den Hörer ab und meldete sich so, wie er es seit seiner frühsten Kindheit tat. Sein Vor- und Nachname, wünschte einen Guten Abend und schwieg dann.
„Ich bin`s.“
Er erschrak. Seit Jahren hatte er diese Stimme nicht mehr gehört und trotzdem war sie ihm noch vertraut. Sie gehörte einer Frau. Nein, nicht irgendeiner Frau, sondern seiner ersten großen Liebe. Diese Frau, die ihn die ganzen Jahre über verfolgt hatte. Er suchte mit einer Hand nach einem Päckchen Zigaretten, fingerte sich eine heraus, zündete sie sich an und pustete den Qualm heraus.
„Hab eben deine letzte Sendung gesehen. Hast du wirklich dabei geweint?“
Wieso meldete sie sich plötzlich. Wie lange war das nun her? Er versuchte sich die damalige Situation wieder vorzustellen. Er war zwanzig, jung, naiv und hatte den Kopf voller verrückter Ideen. Sie war zwei Jahre jünger, sehr hübsch und sehr intelligent, auf ihr Weise.
„Echt? Ich dachte, du könntest es nicht.“
Er hatte das letzte Mal bei dem Tod seines Opas geweint. Als er sie kennen lernte, war sein Vater zwar schon krank, doch er konnte es ihr nicht sofort sagen. Erst später, als eine Basis da war, erzählte er ihr von seinem Vater. Manchmal, wenn er bei ihr schlief und an seinen Vater dachte, war er glücklich, dass sie da war, dass sie ihn in den Arm nahm und ihn, obwohl er nie weinte, tröstete. Dann starb sein Vater und er weinte nicht. Männer weinen nicht, sagte er sich immer und immer wieder. Doch bei der letzten Sendung musste er einfach weinen, nicht wegen Trauer, sondern wegen der unendlichen Liebe, die der ganze Sender ihm gebracht hatte.
„Wie war es für dich? So schlimm?“
Er zog wieder an seiner Zigarette und schaute sich seine zitternde Hand an. Zwei Jahre waren sie zusammen gewesen, oder waren es drei? Er wusste es nicht mehr genau. Sie hatten sich ewige Treue geschworen, wollten zusammen alles durchstehen, doch solche Schwüre halten nie sehr lange. Wer als erstes fremdgegangen war, wusste er nicht. War ja eigentlich auch egal, das Entscheidende war, dass sie sich beide betrogen hatten und als sie sich dann in einem Streit getrennt hatten, beide um diese Zeit trauerten.
„Von deinem Bruder, ich wollte deine Stimme hören. Nicht durch den Fernseher.“
Nach der Trennung stürzte er sich in ein paar lieblose Abenteuer und ein paar Beziehungen, dachte aber jeden Tag, jede Stunde an seine erste wahre Freundin. Sie hatte noch Kontakt mit seinem Bruder, trafen sich ab und zu einmal, angeblich wollte sie hören wie es ihm ging. Ich hatte schon immer Angst um dich, es tut mir leid, sagte sie einmal als er sie anrief, sie anschnauzte, da sie sich mit seinem Bruder traf. Das war das letzte Telefonat zwischen beiden gewesen und das war nun über zwanzig Jahre her.
„Manchmal, war sogar auf deiner Hochzeit, hast mich aber zum Glück nicht gesehen.“
Zwei Jahre nach der ersten Sendung hatte er eine Holländerin geheiratet, war nach Holland gezogen, hatte vier Jahre mit ihr zusammen gelebt und sich dann scheiden lassen. Zwei Kinder wurden während der Ehe von ihm gezeugt, eins gebar seine Frau, das andere eine junge Praktikantin, die dadurch in die Zeitung kam, etwas Geld bekam und wieder von der Bildfläche verschwand. Er schaute anfangs regelmäßig nach seiner Tochter, später nur noch sporadisch und als sie drei Jahre alt war, schickte er ihr jedes Weihnachten ein Geschenk. Nach der Ehe heiratete er nicht mehr. Er hatte eine Affäre mit einer Politikerin, die von den Medien ausgeschlachtet wurde und entschied sich dann, sein Privatleben so gut wie möglich zu verheimlichen.
„Wie geht es deiner Tochter?“
Die Zigarette drückte er in einem Glasaschenbecher aus und zündete sich sofort eine neue an. Er hatte noch eine Tochter, drei Kinder, zwei Mädchen und ein Junge, der Junge lebte in Holland, die eine Tochter in Deutschland bei ihrer Mutter und die dritte lag in Frankreich auf einem Friedhof beerdigt. Sie starb als sie zwölf war, wurde von einem Verrückten erschossen. Er kam nie wirklich darüber hinweg, die Sendung wurde in der Zeit, es waren zwei Wochen, die er für die Trauer von seinem Sender bekam, unterbrochen und es wurden alte Sendungen ausgestrahlt. Er nahm einen Schluck Bier, es fühlte sich gut an, wie es seine Kehle runter rann.
„Nein, geschieden. Er war ein wahres Arschloch.“
Sie stand schon immer auf Arschlöcher. Deshalb war sie auch mit ihm zusammen gewesen, früher war er zwar lieb gewesen, so dachte er es immer von sich, doch seine wahre Freundin hatte ihm damals schon gesagt, dass er ein Arschloch sei. Warum, wusste er nie so genau, doch er hörte es noch öfters von anderen Frauen, mit denen er etwas hatte.
„Nein, keine Kinder.“
Sie sagte damals, dass sie nur von ihm ein Kind haben wolle, das dann genau so süß wie er aussehe, mit den beiden Zähnchen vorne. Er hatte ihr mal Babyfotos gezeigt und da war eben das eine Bild, wo er in die Kamera lachte, den Löffel in der einen Hand, die andere Hand an sein Lätzchen gedrückt und er stolz seine beiden ersten Zähnchen in die Kamera zeigte.
„Wollen wir uns mal treffen? Würde dich gerne mal wieder sehen.“
Er legte den Hörer langsam wieder auf die Gabel, trank den Rest von seinem Bier, ging zum Kühlschrank und holte sich ein neues Bier, das er noch in der Küche öffnete. Er schaute aus dem Fenster und bewunderte die dunkle Nacht, die ihm noch nie so schwarz wie heute vorgekommen war. Er konnte sie nicht sehen, obwohl er sich die ganzen Jahre nichts sehnsüchtiger gewünscht hatte, als sie wieder zu sehen, doch jetzt hatte er Angst. Er hatte damals alle Bilder, die er von ihr hatte, weggeworfen und ein knappes Jahr später bereute er es, da er damit keine Erinnerung mehr an sie hatte. Irgendwann einmal hatte er sich von seinem Bruder ein Bild geklaut, auf dem sie zu sehen war, es war bei der Hochzeit seines Bruders mit seiner Frau. Er schaute sich manchmal das Bild an, dachte wie hübsch und wunderbar diese Frau doch war und wieso er sie damals einfach so hatte gehen lassen, doch er konnte sich nicht mehr dafür entschuldigen und jetzt wollte er sie so im Kopf behalten, wie damals, als sie sich getrennt hatten. Er wusste zwar nicht mehr, was sie anhatte, als sie sich kennen lernten, doch als sie sich trennten, trug sie eine enge Lederhose, eine Bluse, die man nicht beschreiben konnte und die hellbraunen Lederstiefel.
Er trank das Bier leer, stellte die Dose auf den Kühlschrank, wischte sich eine Träne aus den Augen und ging ins Badezimmer.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jim Pansen,

es gibt einige Dinge an deiner Geschichte, die zwar sehr verbesserungsbedürftig sind (zB leuchtet mir überhaupt nicht ein, wieso auch ein erfolgreicher Mensch Dosenbier nicht mögen soll/darf) aber andererseits hat die Geschichte auch eine Basis, an der man gut arbeiten kann (Atmosphäre).

Diese Geschichte hier zu kommentieren wäre etwas zeitaufwändiger. Das werde ich jetzt aber bewusst nicht tun, weil ich von dir vorher gerne wüsste, was du damit bezweckst, sie hier reinzustellen.
Du hast vier Geschichten gepostet und selbst noch keinen einzigen Kommentar zu anderen Geschichten abgegeben.
Wenn alle Mitglieder so handeln würden, wäre kurzgeschichten.de ein totes Forum.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo Bernadette

Warum ich meine Geschichten hier reinstelle? Weil ich wissen will, wie andere Menschen meine Geschichten finden und was ich besser machen könnte.
Warum ich andere Geschichten nicht kritisiere? Weil ich es nicht kann. Damit wirst du dich jetzt nicht zufrieden geben und aus diesem Grund versuche ich es dir zu erklären. Ich lese mir sehr gerne die anderen Geschichten durch und finde manche Geschichten toll, andere finde ich doof. Da ich mir denke, dass es keinem was bringt, wenn ich einfach nur schreibe, dass mir diese Geschichte gefällt oder nicht, lasse ich es komplett. Ich habe hier und da mal versucht eine Kritik zu schreiben, doch hat diese sich bescheuert angehört.
Natürlich wäre dies ein totes Forum wenn jeder so agieren oder denken würde wie ich, aber zum Glück gibt es eben Leute die gute Kritiken schreiben können. Kritiken mit denen ein Autor was anfangen kann. Aber bei meinen Kritiken denke ich mir nun einmal, dass keiner was damit anfangen kann.
Ich hoffe ich habe dir jetzt alles einigermaßen gut erklärt.

Aber nun noch kurz zu dem Dosenbier. Der Protagonist denkt das er kein Dosenbier trinken darf. Das finde ich nun einmal am spannendsten an Geschichten, dass man einfach eine Figur erfindet und diese so Handeln kann wie man selbst nie handeln würde. Die Figuren können Eigenschaften haben, die man selbst nicht hat.

Liebe Grüße
Jim Pansen

 

Hallo Jim!
Mir gefällt deine Geschichte von der Handlung und Beschreibung her. Du beschreibst den Ausschnitt aus dem Leben des Protagonisten so, dass ich mir die Situation gut vorstellen kann. Das mit dem Dosenbier finde ich nicht schlecht, es zeigt, wie der Protagonist denkt und gibt der Geschichte einen individuellen Touch.
Pass auf, dass du deine Sätze nicht allzu oft mit "Er" beginnst. Warum gibst du dem Protagonisten keinen Namen?

Noch zu deiner Erklärung, warum du keine Kritiken schreibst: Deine Ausrede ist ziemlich billig. Ich jedenfalls freue mich über jede Kritik, die zu einer meiner Geschichten geschrieben wird. Es muss keine professionelle Kritik sein, wobei ich den Begriff professionell im Bezug auf eine Kritik auch nicht besonders angebracht finde. Deine Kritik soll auch nicht gut klingen, sondern dem Autor einen Anhaltspunkt geben.
Ich bin sicher, wenn du dir zur einen oder anderen Geschichte Gedanken machst, fällt dir auf, was dir daran gefällt oder nicht gefällt. Kannst ja auch einfach schreiben, wenn dir ein Satz besonders gefallen hat, schon das bringt einen Autor weiter.
Ich hoffe du überlegst dir das noch mal!

Liebe Grüsse meret

 

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