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Thomas
So, das wäre geschafft. Alle Einkäufe fürs Wochenende erledigt, mein kleines Einzimmer-Appartement aufgeräumt, und noch schnell die neueste Wettervorhersage aus dem Internet abgerufen.
Schön soll es bleiben, zumindest noch bis einschließlich Montag oder Dienstag, das klingt toll.
Gerade verlasse ich meine Wohnung, ich stehe noch in der Tür, als mir Martina, meine beste Freundin, eine SMS sendet. Sie müsse leider, so schreibt sie, unsere Verabredung für heute Nachmittag kurzfristig absagen, da ihre Mutter erkrankt sei, sie zu ihr fahren wolle, und wahrscheinlich nicht vor Sonntag Abend zurück sei.
Schade, aber so was geht halt vor, denke ich mir, und schicke ihr eine Antwort zurück. SMS schreiben, das ist bei mir so, wie bei anderen, wenn sie z.B. bei einem Laufwettbewerb versuchen, als erster durchs Ziel zu kommen. Ein Platz auf dem Siegertreppchen wäre mir wohl sicher! Wenn man taubstumm ist, wie ich, sind die anderen Sinne oder Fähigkeiten meist besser ausgeprägt.
Martina kenne ich nun seit knapp 10 Jahren, seit der achten Klasse, und sie ist die einzige meiner alten Freundinnen, mit der ich noch engen Kontakt habe. Wir hatten uns, wie schon öfter dieses Jahr, zu einem Sonnenbad im Englischen Garten verabredet. Während der letzten Wochen hatte meine Haut, so fand ich, schon eine ganz passable Farbe bekommen, nahtlos versteht sich, aber die gilt es nun mindestens zu halten. Soll ich alleine zum Sonnenbaden gehen? Hm, nein, dazu habe ich auch keine Lust! Dann schlendere ich halt doch lieber einfach nur so ein bisschen durch Schwabing.
Aber erst noch mal zurück, denn ich habe mich entschlossen, statt meines roten T-Shirts, doch lieber meine sandfarbenen Bluse, die ich mir vorgestern bei H&M gekauft habe, anzuziehen. Gesagt, getan. Das war kein schlechter Kauf, denke ich mir, während ich in den Spiegel schaue. Passt perfekt, Frisur sitzt auch immer noch, und auch sonst finde ich mich ausgesprochen ok. So, nun nichts wie raus.
Ganz schön viel los heute auf der Leopoldstraße. Was mag das das für ein Lärm sein, von den Autos und den vielen Leuten? Egal, ich erfreue mich des Sonnenscheins, meiner guten Laune und der vielen Gesichter, die ich auf mich wirken lasse. Viele der Passanten huschen nur so an mir vorbei, bei anderen habe ich die Gelegenheit, sie länger zu beobachten. In meiner Phantasie überlege ich mir dabei immer, welchen Namen die jeweilige Person haben könnte, wie alt sie wohl sei, ob Single, befreundet oder verheiratet, welcher Beruf wohl zu ihr passen könnte, und was sie veranlasst, gerade hier zu sein. Für eine solche Rundumeinschätzung brauche ich normal nie länger als 5 Sekunden.
Bernd, 25, Single, Student, auf dem Wege zur U-Bahn – Michael, 26, Single, Noch-Student (wahrscheinlich Elektrotechnik), auf Frauensuche – Sabine, 18, Single, Schülerin, auf dem Weg zur Freundin – Karin, 35, verheiratet, Hausfrau, geht zu ihrem Lover – Markus, 28, verheiratet, WEB- Designer, gelangweilter Spaziergang.
Ein sanftes vibrieren aus meiner Handtasche, eine SMS auf meinem Handy: „Hi Celine, hoffe du amüsierst dich trotzdem gut. Bis Montag, Tschau, Martina.“ Na das mit dem Amüsieren hoffe ich doch auch.
Ich nähere mich dem Schlappo, einem Szene-Straßencafé, das ich immer wieder sehr gerne besuche.
Wieder nichts frei, so ein Shit, aber was ist das? Mein Herz beginnt leicht zu pochen, als ich ihn sehe, er ist es wieder, mein Thomas, 27, Single, IT- Koordinator, Kaffee trinkend. Ich habe ihn schon öfters alleine hier sitzen sehen, und mir schon mindestens zwei vorgenommen, mich einfach zu ihm zu setzen, aber getraut hatte ich mich dann doch nicht.
Er blickt zu mir, während ich ihm ein Augenzwinkern zurückwerfe. Mein Herz schlägt noch etwas kräftiger, und ich setze mich einfach auf den noch freien Stuhl an seinem Tisch. Ja, ich habe es getan, ich sitze, bei ihm. Ob er genauso aufgeregt ist wie ich? Blödsinn, wieso sollte er? Was jetzt ? Erst mal was bestellen. Ich nehme mir die Eiskarte und entscheide mich für ein Spaghettieis.
Thomas sitzt bei seiner Tasse Kaffee und holt eine angefangene, schon leicht zerknüllte Packung Zigaretten heraus. „Möchtest du auch eine?“ lese ich von seinen Lippen ab. Hm, ablehnen, annehmen, oder ihm vielleicht sogar schon jetzt zu verstehen geben, dass ich ein gewisses Problem habe? Ich sage gar nichts, lächle ihm nur zu und schaue ihn an, während er sich eine Zigarette anzündet und raucht.
Er hat brünettes, kurzes Haar, blaue, ausdrucksvolle Augen, ein glatt rasiertes, gepflegtes Gesicht und einen, so wie es scheint, gut durchtrainierten Körper. Thomas, ich möchte dir gehören, bitte versteh das. Ich schaue wieder zu ihm rüber, hoffentlich starre ich ihn dabei nicht zu sehr an. Wo ist eigentlich die Bedienung? Ich schaue mich mehrmals um, aber vergebens, sie kommt nicht vorbei.
Er erwidert meine Blicke und mir wird warm, ganz warm. Ich habe nur noch Augen für ihn.
„Schönes Wetter heute“ sagt er zu mir. Ziemlich abgedroschene Bemerkung, aber egal was du auch sagst, du gefällst mir, ich will dich.
Irgend etwas scheint am Nachbartisch, hinter mir, vorzugehen. Muss interessant sein, denn Thomas blickt immer wieder hin. Aber was ist jetzt los? Er schaut etwas verstört, blickt dann wieder zu mir hin.
Jetzt sollte ich wohl besser die Initiative ergreifen. Also, los geht’s. Ich nehme mir Papier und Stift aus meiner Handtasche und beginne zu schreiben: „Ich finde dich sehr gut aussehend und sympathisch. Ja, wir haben heute schönes Wetter, und ich möchte es zusammen mit dir im Englischen Garten bei einem Sonnenbad genießen. Falls du Lust hast, und es dich nicht stört, dass ich taubstumm bin, bleibe bitte noch 10 Minuten sitzen. Celine.“
Er ist etwas verwirrt, während ich ihm den Zettel rüber schiebe, und ich bin mir auch nicht mehr ganz sicher, ob das eine gute Idee war, aber jetzt kann ich nicht mehr zurück und lächle ihm noch ein letztes Mal zu, bevor ich aufstehe und gehe.
Jetzt nimmt alles seinen Lauf. Wird er gehen, wird er sitzen bleiben? Bange Minuten. Ich komme nicht zur Ruhe. Ich gehe weiter. Wie lange gehe ich jetzt schon hier weiter? Keine Ahnung. Ich muss zurück, um nachzusehen, um Gewissheit zu haben. Ich gehe und gehe. Dort ist es wieder, das Schlappo. Ist er noch da?
Mein Herz pocht und pocht.
„Küss mich“ sagt er zu mir, als ich ganz nahe bei ihm bin. Montag werde ich Martina viel zu erzählen haben.
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Nachdem ich meine erste KG "Celine" etwas kurz gehalten und aus Sicht von Thomas geschrieben habe, möchte ich mich nochmal an die selbe Story aus Sicht von Celine wagen. Gewiss, gibt es jetzt weniger Überraschungen, mich würde aber trotzdem interessieren, wie ihr sie findet. Danke, Lars
Vorwort nach unten gestellt von chaosqueen, nächstes Mal bitte eigenes Posting unten drunter. Danke.