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Thema des Monats Tinkerbell

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Monster-WG
Seniors
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15.07.2004
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837
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Tinkerbell

Ich kann Tinkerbell schmatzen hören. Kann hören, wie ihre wundervollen Kiefer aufeinander schlagen. Wie ihre kleinen, spitzen Zähnchen Stück für Stück das Fleisch herausreißen.
Und ich weiß, dass du es ebenfalls hören kannst, Marie.

Oh ja, du kannst es sogar fühlen. Tief in deinem Inneren. Ihre Bisse. Ihre Zähne. Meine wunderschöne Tinkerbell. Ich sehe es an deinem schmerzverzerrten Gesicht. Dem blanken Entsetzen, das sich in deinen Augen widerspiegelt. Und an dem stummen Schrei, der deine Lippen niemals verlassen wird. Tinkerbell hat sich längst an deinen Stimmbändern gütlich getan. Sie ist eine richtige Feinschmeckerin, meine Kleine.
Glaub mir, Mariechen, ich weiß, dass es wehtut. Es tut mir leid für dich. Wirklich ungemein leid. Aber der Schmerz wird bald vorübergehen, das verspreche ich dir.
In spätestens einer Stunde ist alles vorbei.

Du hast nie verstanden, Marie, dass ich Tinkerbell lieben kann. Nie begriffen, wie sehr ich Tinkerbell liebe. Mehr als ich dich jemals geliebt habe. Vielleicht hasst Du Tinkerbell deshalb so sehr?

Du warst nie in der Lage, ihre wirkliche Schönheit zu erkennen. Für dich ist Tinkerbell nichts weiter als ein grässlicher Bandwurm. Von mir eines Tages unter Schmerzen auf die Welt gebracht. Ein Monster, das es nie geben sollte. Das es gar nicht geben darf.
Aber es gibt sie, Marie. Tinkerbell ist real. Und keiner spürt das besser als du gerade.

Ich glaube nicht, dass Tinkerbell ein Bandwurm ist. Sie mag wie einer aussehen, sich wie einer bewegen. Aber das ist nur ihre irdische Gestalt. Ich kann sie mit anderen Augen sehen. Für mich ist sie eine Fee, eine Elfe, ein Engel. Mein Engel.
Ich weiß nur zu gut, was Tinkerbell mir hätte antun können, als sie so nah an meinem Herzen schlummerte. Aber sie hat mich verschont. Weil meine Seele rein ist. Weil ich lieben kann.
Oh ja! Ich liebe dich, Tinkerbell.

Ich habe dir nie erzählt, Marie, was Tinkerbell mit dem Arzt gemacht hat, zu dem ich nach ihrer Geburt gegangen bin. Voller Panik und Angst. Ekel. Böser Gefühle.
Doch als sie ihn vor meinen Augen fraß, erfüllte mich eine nie gekannte Ruhe. Ungeahnter Frieden. Mich hat sie nicht getötet. Tinkerbell war in mir, hat in mir gehaust. Es wäre so leicht für sie gewesen. Aber sie hat mich nicht getötet. Nach ihrem Mahl kam sie zu mir zurück. Sanft wie ein Kätzchen. Ja wirklich, Marie. Sie kommt nach jedem Mahl zu mir zurück.
Ich weiß, wie verrückt das klingt. Aber ich glaube, sie liebt mich auch.

Noch frisst sie. Doch bald werden deine Augen starr sein, Marie. Dann wird das Schmatzen verstummen und ihr Hunger gestillt sein. Deine Bauchdecke wird sich ein wenig wölben, wenn sie in dir nach einem Ausgang sucht.
Das ist für mich das Zeichen, mich bereit zu machen. Mich demütig hinzuknien und meinen Mund zu öffnen. Die Tür zu ihrem Nest. Ihrem Heim. Dann wird Tinkerbell kommen und in mich hineinschlüpfen. Meine Kleine. Mein Schätzchen. Um sich auszuruhen. Bis zur nächsten Jagd. Bis morgen vielleicht? Oder übermorgen? Ich weiß es doch auch nicht, Marie.

Weine nicht. Es ist bald vorbei.
Das verspreche ich dir, Marie.


*Thema des Monats April*

 
Zuletzt bearbeitet:

@ tamara (edit: ähm.... sorry... tamira!!!!!!!! asche auf mein haupt... und danke für den hinweis sternensegler)

danke für die netten zeilen. sorry, dass die antwort so spät kommt, aber ich hatte urlaub und keinen internetzugang.
deinen änderungsvorschlag baue ich gleich ein.
das mit der eigenen note freut mich sehr, vieleln dank dafür.

@ ardandwen
auch dir ein herzliches dankeschön und ein sorry fürs wartenlassen.
dass mit dem ekel ist natürlich musik in meinen ohren, darüber freue ich mich ebenfalls sehr.
und was die magenspiegelung anbelangt: bislang war es bei mir gott sei dank nur eine darmspiegelung, aber das hat mir schon gereicht ;).

 

Hi svg,
Rundherum gelungen die Geschichte. Ich habe mehr ekel empfunden als Angst.
Vielleicht einen Satz mehr zu Tinkerbells ausssehen (Guter NAme übrigens) dann ist die Geschichte perfekt

L.G.
Bernhard

 

Hi Bernhard,

eine fast perfekte Geschichte :), vielen Dank für das Kompliment. den Ekel nehme ich übrigens auch gern mit.
Mache mir im Laufe der Woche auf jedenfall noch einmal Gedanken, über den Tinkerbell beschreibenen Satz. Schätze du hast Recht mit deinem Einwand.

vielen Dank und lieben Gruß,
Sebastian

 

@ rip

ach, ich wünschte, ich würde mal das völlig unverbraucht, neue thema finden ;). aber wer von uns tut das nicht?

nein, ernsthaft, es freut mich, dass dir die geschichte gefallen hat und das hier...

Rip van Winkle schrieb:
Fühlt man sich irgendwie krank, wenn man das laut liest ;)
... werte ich als richtig großes kompliment. Habe mich darüber gefreut.
danke und schönen gruß, sebastian

 

Hallo svg!

Schließe mich meinen Vorkritikern an, besonders Tamira und Naut.

Naut schrieb:
Tja, wenn es angeblich so etwas wie Penisneid gibt, dann wohl auch Schwangerschaftsneid. Wie süß! Und der Protagonist hat, wovon viele Frauen träumen: Nach der Geburt kehrt das Kleine immer wieder in den Leib zurück, um seinem Wirt ganz nah zu sein.
Genau diesen Gedanken hatte ich auch beim Lesen. :D

Hübsch scheußlich!


Ciao
Antonia

 

Hallo Antonia,

danke für den netten Kommentar. Schwangerschaftsneid... klingt gut :D!

Gefreut habe ich mich über das "hübsch scheußlich"! Genauso war es gedacht.

Lieber Gruß, Sebastian

 

Hallo Sebastian!

Deinen Geburtstag hab ich erst ganz übersehen, aber schließlich ist er mir nun doch noch ins Auge gesprungen. Also nachträglich noch alles Gute! :)

Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, lautete das Thema des Monats ungefähr so, daß es ein kurzer Happen sein sollte, max. eine Seite oder so. Als ich das las, konnte ich mir gar nicht vorstellen, daß man in so kurzer Zeit Horror aufbauen kann, aber Dir ist das doch recht gut gelungen! :) Die Vorstellung dessen, was Du da beschreibst, ist jedenfalls schon recht grauslich.

Von mir eines Tages unter Schmerzen auf die Welt geschissen.
Das »geschissen« reißt, finde ich, aus dem Horror ein bisschen raus und paßt auch stilistisch nicht zum Rest. Dein Protagonist/Erzähler benutzt ja sonst eine recht gepflegte Sprache, auch wenn das, wovon er spricht, noch so eklig ist. Eher würde ich von »auf die Welt gebracht« oder direkt »geboren« verwenden; Du kannst ja schreiben, daß er in seinem Darm gewachsen ist, dann ist auch klar, wie er ihn geboren hat.

»Ich kann Tinkerbell schmatzen hören. Kann hören, wie ihre wundervollen Kiefer aufeinander schlagen.«
– das doppelte »kann hören« würde ich vermeiden, überhaupt würde ich vielmehr zu einem »Ich höre« tendieren, ganz ohne »kann«.

»Ich sehe es an deinem schmerzverzerrtem Gesicht.«
– deinem schmerzverrten Gesicht

»Doch als sie ihn vor meinen Augen fraß, erfüllte mich nie gekannte Ruhe.«
– würde »erfüllte mich eine nie gekannte Ruhe« schreiben

»Ich weiß wie verrückt das klingt.«
– weiß, wie

Naut schrieb:
Und der Protagonist hat, wovon viele Frauen träumen: Nach der Geburt kehrt das Kleine immer wieder in den Leib zurück, um seinem Wirt ganz nah zu sein.
Also das kann ich als Mutter nicht bestätigen. Nach der Schwangerschaft ist man dann schon froh, wenn sie draußen sind und es auch bleiben! :lol:

Verzeih bitte, daß ich mir für Deine Geburtstagskritik diesmal so eine kurze Geschichte ausgesucht hab – demnächst kommt mal eine längere dran. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi,

danke für die Geburtstagskritik. :)
Ist mir leider durchgerutshct, deswegen zunächst keine Antwort.

Jetzt nur eine kurze, aber...
a) schön, dass dir die Geschichte zugesagt hat
und b) fast alle Korrekturen und Vorschläge finden meine ungeteilte Zustimmung und werden prompt ausgeführt. (das mit dem scheißen überlegt ich allerdings noch, tendiere aber zu deiner meinung)

Danke an die Lektorin :)

 

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