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Tod im Wintergarten

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29.06.2005
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Tod im Wintergarten

- TOD IM WINTERGARTEN -

Paul Regen kauerte am Schreibtisch, stützte sein leicht vorstehendes, glattrasiertes Kinn in die Hände und starrte aus dem Fenster. Es goss seit Tagen in Strömen und die ganze Stadt war in ein diesiges, unter die Haut gehendes Grau gehüllt. Unter anderen Umständen hätte er die hübscheste Aussicht genießen können, über die alte Stadt mit ihren wenigen Hochhäusern und den leuchtendroten Hausdächern hinaus, auf die hügeligen Wiesen und den spätsommerlichen Laubwald, bis hin nach Künzelsau, wo in idyllischer Abgeschiedenheit seine Helen wohnte.
Pauls Blick verklärte sich. Helen - bestimmt saß sie derzeit auf der ledernen Wohnzimmercouch und lackierte sich die Zehennägel. Oder sie trank ihren ersten morgendlichen Sekt. Wobei es wahrscheinlicher war, dass sie gerade erst aufstand und sich aus dem Nachthemd schälte, um ihre ersten wachen Momente in der erfrischenden Nässe des neuen Pools zu verbringen.
Ja, so war sie, seine Helen, eine Luxusdame, die es verstand, wie man den Tag auf Kosten des Ehemanns verbrachte.
Paul wollte schmunzeln, stieß aber stattdessen einen tiefen Seufzer hervor. Er wusste nicht, weshalb er so schlecht gelaunt war. Vermutlich war es wegen ihres Streits über den Anbau einer riesigen Dampfsauna, in der Helen zwanzig Gästen auf einmal unterbringen wollte. Es war ihr erster Streit überhaupt gewesen und seit er am Sonntagabend wieder in die Stadt zurückgefahren war, dachte er immer wieder daran. Er wollte kein Pfennigfuchser sein, obwohl es gut fürs Geschäft war - ja, nur durch eisernes Sparen und ein gutes Händchen an der Börse war es ihm gelungen, aus Regen-Informatik ein rentables Unternehmen zu machen. Aber war er geizig?
Es klopfte an der Tür und Paul fing an, einige herumliegende Blätter zu durchwühlen. „Herein“, rief er geschäftig.
„Entschuldigen Sie!“ Hanne, seine rotwangige Sekretärin mit dem großen Busen trat schwungvoll ins Büro und schien allerbester Laune zu sein. „Hier habe ich die morgendliche Post, dann ein paar unwichtige Unterlagen und ihren Kaffee. Wie immer schwarz, wie der Tod.“ Sie lud alles auf seinem Schreibtisch ab und sah ihn dann weniger heiter an. „Ich soll Ihnen sagen, dass Helen heute Abend nicht zum Essen in die Stadt kommt.“
Pauls Brauen hoben sich. „Warum nicht?“
„Das wollte sie mir leider nicht sagen.“
„Verdammt, diese…“ Paul griff nach dem Telefon und gab Hanne mit einem Wink zu verstehen, dass er ungestört sein wolle.
„Aber vergessen Sie nicht Ihren Termin bei Sie wissen schon wem“, erinnerte ihn Hanne und verschwand wieder ins Vorzimmer.
Paul ließ es zwei Minuten klingeln, ehe Helen endlich ranging. „Was willst du?“, fragte sie genervt. „Ich habe jetzt keine Zeit! Franziska hat Apari vorbeigebracht und er ist schon gesattelt Ich kann ihn nicht einfach warten lassen!“
„Was hast du vor, mein Engel?“, fragte Paul sanft.
„Ich will durch die Hügel reiten.“ Sie machte eine Pause. Dann fragte sie zuckersüß: „Hast du es dir überlegt? Kriege ich die Sauna?“
„Ich… ich weiß noch nicht“, druckste Paul herum. Sie schwieg und Paul hörte im Hintergrund Apari schnaufen. Sie hatte wieder den Lautsprecher eingestellt! Das tat sie immer, wenn sie nebenher alles Mögliche machte, außer zuzuhören!
Er wollte sie vorsichtig bitten, ihn auszuschalten, doch Helen knurrte wütend und legte auf.
Verärgert ging Paul aus seinem Büro und eilte an Hanne vorbei. Vielleicht war es wirklich das Beste, wenn er den Termin bei Sie wissen schon wem wahrnahm.
Er hatte gehofft, es wäre unnötig, aber scheinbar doch nicht!

***​

Dr. Raphael, der eulenhafte Firmenpsychologe, hatte sein Büro am Ende des Ganges.
Paul klopfte und trat dann ein.
Aus dem Halbdunkel seines Büros starrte der Doktor ihm über den Rand seiner Brille hinweg entgegen. „Wieso ziehen Sie eigentlich immer die Vorhänge zu?“, fragte Paul missmutig. „Ist Ihnen etwa zu hell hier drinnen?“
„Meine Arbeit erfordert Ruhe“, sagte Dr. Raphael leise. Er wies auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch und schien zu erwarten, dass Paul sich setzte.
„Wissen Sie, was ich amüsant finde, Herr Doktor?“, fragte Paul, als er sich zögernd niederließ. „Ständig halte ich meine Angestellten dazu an, Sie aufzusuchen, und dabei würde ich selbst lieber sterben als Ihnen meinen Privatangelegenheiten anzuvertrauen.“
Dr. Raphael lächelte mit dünnen Lippen und Paul erschrak. Weshalb hatte er das gesagt? Er war hier der Chef! Er schuldete niemandem die Wahrheit! „Ich habe meine Sekretärin sogar dazu angehalten zu lügen“, hörte er sich sagen. „Falls jemand nach mir fragen sollte, wird sie sagen, ich hätte ein paar Meetings. Nur, damit niemand denkt, ich hätte Probleme und sei bei ihnen.“
Dr. Raphael sah ihn nachsichtig an und schloss für einen Moment seine Augen. „Sicher, sicher, eine Ausrede brauchten Sie doch. Eine Ausrede braucht doch jeder.“
Eine unerklärliche Kraft ging von diesem ausgemergelten Männlein in seinem altmodischen Jackett aus.
Paul schluckte. „Fang - fangen wir an“, brachte er hervor.
Der Doktor sah ihn an und griff dann wortlos nach einem Blatt und einem Schreiber. „Sie sind wegen Ihrer Eheprobleme hier. Was für Probleme sind das?“
Pauls Mund öffnete sich von selber. „Sie wirft mir vor, ich sei geizig.“
Dr. Raphaels Stirn wies eine steile Falte auf.
„Sie behauptet, ich sei ein raffgieriger Pfennigfuchser!“
Dr. Raphael sah ihn interessiert an. „Und Sie fragen sich, ob das stimmt, ist es nicht so?“
Paul nickte. „Unsere Villa liegt sehr weit draußen, am Rande eines Waldes, wissen Sie? Da gibt es weit und breit kein Mobilfunknetz, deshalb ist es für mich der ideale Rückzugsort nach einer stressigen Woche. Ich will mich nicht streiten, wenn ich da hinfahre, um Helen zu sehen. Ich will einfach nur meine Zeit mit ihr genießen.“
„Aha.“ Dr. Raphael notierte sich etwas und sah ihn dann wieder an, ohne zu blinzeln. Seine Augen, die lidlos zu sein schienen, hielten ihn auf unheimliche Weise fest. „Ihre Frau ist den ganzen Tag allein da draußen?“, fragte er kaum hörbar.
„Wenn sie nicht Besuch hat, ja. Ich habe ihr bereits mehrmals angeboten, ein paar Bedienstete anzustellen, aber sie weigert sich. Sie will sich nicht mit dummen, begriffsstutzigen Köchen herumärgern. Wenigstens habe ich endlich ein paar Kameras installiert. Nur zu ihrer Sicherheit versteht sich!“
Dr. Raphael legte seinen Schreiber weg und starrte Paul an. „Überwachungskameras“, murmelte er, als sei das ein wichtiges Detail. Dann stand er auf und kam langsam um seinen Schreibtisch herum. „Wenn ich herausfinden soll, ob ihre Frau Recht hat mit ihrem Vorwurf, dann muss ich in ihr Inneres schauen.“
„Wie meinen Sie das?“
„Haben Sie schon einmal eine Hypnose mitgemacht?“
Paul sah ihn besorgt an.
„Ich werde in Ihr Unterbewusstsein schauen, um den Grund Ihres Geizes herauszufinden - falls sie überhaupt geizig sind. Bisher scheint mir eher, Sie haben Angst.“
„Angst? Wovor denn?“
„Die Möglichkeiten sind unbegrenzt“, sagte Dr. Raphael orakelhaft. „Vor Entfremdung zum Beispiel. Oder vor viel greifbareren Gefahren.“
„Aha.“ Paul fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
„Setzen Sie sich auf mein Sofa“, forderte der Doktor ihn auf.
Paul zögerte, dann ging er zu dem roten Sofa und ließ sich darin nieder. Es war weich und er sank viel zu tief in dem Polster ein, wie bei diesem schrecklichen Staubfänger in seiner Wohnung, auf dem er immer spätestens nach fünf Minuten einschlief. „Ist es so gut?“
„Aber ja.“ Dr. Raphael trat von hinten an ihn heran und legte seine knochige Hand über seine Augen. „Denken Sie an nichts“, flüsterte er. „Atmen Sie ruhig. Lassen Sie völlig los.“

***​

Am nächsten Morgen war Paul ohne ersichtlichen Grund verkatert. Deswegen war er auch verspätet. Im Foyer sah er, wie sich die Aufzugtür eben schloss und gerade noch rechtzeitig schaffte er es, seinen Fuß dazwischen zu klemmen. Er stellte sich zu dem jungen, schlaksigen Portier und der schick gekleideten Dame, die vermutlich zu einem Meeting mit einem seiner Angestellten wollte. Schweigend fuhren sie aufwärts. Paul bemerkte, dass seine beiden Aufzugsnachbarn ihn verstohlen musterten. Ein säuerlicher Zug schien den schönen, geschwungenen Mund der Frau zu umspielen. Was hatte sie? Als Paul dem Portier gerissen zuzwinkerte, um gute Laune vorzutäuschen, sah dieser hastig weg.
Im Vorzimmer erwartete ihn bereits Hanne mit sorgenvollem Gesicht. „Sagen Sie nichts, Hanne“, warnte Paul. „Ich weiß, ich sehe aus wie durch die Mühle gedreht. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich habe weder getrunken, noch die Nacht durchgemacht und trotzdem fühle ich mich so.“
„Sie verzeihen doch, Paul. Ich mache mir Sorgen.“ Sie sah auf die Uhr und sagte dann vorwurfsvoll: „Nach zehn waren Sie noch nie hier!“
„Ich weiß, ich weiß. Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Ist die Morgenpost schon drinnen?“
„Aber natürlich.“
„Oh, herrjeh, das wird sicher ein ganz erquicklicher Tag. Ich freue mich schon!“
„Na, na, Sie sind ein alter Zyniker, Paul.“
Paul zuckte mit den Schultern und ging in sein Büro.
„Ihre Schuhe, sie Ferkel!“, rief Hanne, ehe er die Tür schließen konnte. Hanne zwängte ihre rundliche Gestalt durch den Türspalt und Paul sah auf seine Schuhen hinab und erkannte verdutzt, dass sie über und über mit Schlamm bespritzt waren.
„Ziehen Sie diese Dreckschleudern aus, Paul! Na los, machen Sie schon! So können Sie ja nicht herumlaufen!“
Paul schlüpfte hastig aus seinen Schuhen und gab sie Hanne.
„In zehn Minuten sind sie wieder blitzblank“, versprach sie grimmig und Paul schloss schleunigst die Tür hinter ihr.
Er ging an seinen Schreibtisch und setzte sich hin.
Wo war er nur herumgelaufen, dass seine Schuhe derart verschmiert sein konnten? Sie sahen ebenso aus, wie sein Wagen, den er heute Morgen auf unerklärliche Weise schlammbeschmiert vorgefunden hatte.
Sein Wagen war ein nicht mehr ganz neuer Porsche Boxter, den er billig auf Helens Drängen hin gekauft hatte und er fuhr ihn normalerweise nie so, dass er schmutzig wurde. Woher sollte der Schlamm überhaupt gekommen sein, der seitlich an der Karosserie angetrocknet war? Er war doch nur in der Stadt gefahren. Und außer ihm besaß niemand einen Schlüssel. Außer Helen. War sie etwa nachts da gewesen und hatte sich den Porsche geliehen? Ohne ihn dabei einzuweihen und auf ein kleines Stelldichein in seine Wohnung zu kommen?
Sie war sauer, vielleicht lag es daran.
Paul griff nach dem Telefon und diesmal ließ er es noch länger in der Villa klingeln als gestern. Aber heute nahm niemand ab.
Fluchend legte er auf. Vielleicht sollte er noch einmal zu Dr. Raphael.
In Socken eilte er durch den Gang, an der verdutzten Hanne vorbei und klopfte gegen Dr. Raphaels Tür.
„Herein“, kam es leise von drinnen.
Paul stieß die Tür auf und zwinkerte überrascht. Heute war der Raum sonnenlichtdurchflutet. Die Vorhänge waren zurückgezogen und Dr. Raphael stand am Regal und las in einem dicken Buch. „Wie geht es Ihnen, Herr Regen?“, fragte der Doktor. Heute wirkte er gar nicht unheimlich.
„Das ist es ja gerade“, sagte Paul. „Ich weiß es nicht. Heute Morgen wache ich auf und bin vollkommen erledigt. So, als hätte ich keine Minute geschlafen. Dann entdecke ich, dass meine Frau nachts da war und meinen Porsche ausgeliehen hat. Und scheinbar hat Sie es weder für nötig gehalten, mich vorher zu fragen, noch, den Wagen hinterher zu waschen. Er ist völlig verschmutzt und ich weiß wirklich nicht, wie ich damit umgehen soll. Augenscheinlich hat sie überhaupt keinen Respekt vor mir.“
Dr. Raphael runzelte die Stirn. „Wissen Sie, vermutlich haben Sie einfach nur schlecht geschlafen. Und das mit dem Porsche ist sicher auch kein Weltuntergang. Rufen Sie ihre Frau einfach an.“
„Aber ich erreiche Sie praktisch nie!“
„Wann fahren Sie denn das nächste Mal raus zu ihr?“
„Eigentlich morgen Abend. Morgen ist ja Freitag.“
„Gut. Dann überlegen Sie sich einen Plan. Was sie ihr sagen wollen und wie sie es möglichst so verpacken, dass sie sich nicht angegriffen fühlt. Mir scheint, ihre Frau ist eine sehr ich-bezogene Person. Sie scheint wenige Gedanken an andere zu verschwenden.“ Paul lachte. „Das kann man wohl sagen.“
„Nun. Machen Sie es so, wie ich sagte. Dann werden Sie merken, dass Sie es nicht aus Bosheit tut.“
Paul nickte.
Dr. Raphael sah wieder in sein Buch und gab vor, keine Notiz mehr von ihm zu nehmen, also ging Paul in sein Büro zurück.
Da er wusste, dass sie wieder nicht rangehen würde, rief er nicht noch einmal bei Helen an. Stattdessen arbeitete er. Es gab viel zu tun und eigentlich mochte er seine Arbeit.
Erst, als er abends das Büro verließ und sich von Hanne verabschiedet hatte, dachte er wieder an einen Anruf.
Diesmal nahm er sein Handy und wählte ihre Nummer, doch wieder nahm sie nicht ab. War sie den ganzen Tag nicht zuhause? Eigentlich war es doch üblich, dass er sie jeden Tag anrief, das wusste sie doch!
Mit seinem Porsche steuerte er die nächste Waschanlage an und als er auf der anderen Seite langsam herausfuhr, glänzte sein metallicblauer Sportwagen wie neu. Innerlich jedoch fühlte sich Paul schmutzig. Wie ein Jugendlicher, den sein Vater mit einem Stapel Schmuddelhefte erwischte.
Verwirrt durch diese ursachenlosen Gewissensbisse, parkte Paul seinen Boxter in der Tiefgarage des Wohnblocks und stieg durch das dunkle Treppenhaus ins Erdgeschoss. Er schloss seine Wohnungstür auf und tastete in der Garderobe nach dem Lichtschalter.
Als er ihn umlegte, blieb es dunkel.
Fluchend suchte er nach dem kleinen Sitzschemel und machte sich an der Deckenlampe zu schaffen, so gut das eben ging, wenn man kaum etwas sah. Nichts passierte. Er zog seine Jacke aus und tastete nach einem Haken, woran er sie aufhängen konnte, dann tapste er ins Wohnzimmer und suchte dort nach dem Lichtschalter. Wieder blieb das Licht aus. Verdammt, die Sicherung musste rausgeflogen sein. Vor den Fenstern war bereits das letzte Tageslicht geschwunden, daher fühlte er sich völlig blind.
Auf dem Weg, zurück in die Garderobe, stieß er sich das Knie an einer Kommode. Fluchend wühlte er sich durch sämtliche Jacken und Mäntel zum Sicherungskasten durch, tastete eine Weile nach dem großen Hauptschalter und betätigte ihn. Mit einem Mal erstrahlte in Wohnzimmer und Eingangsbereich Licht.
Geblendet humpelte er zum Kühlschrank. Was war das? Der Fernseher gab ein sirrendes Geräusch von sich. Hatte er vergessen, ihn auszuschalten? Vielleicht war deshalb die Sicherung rausgeflogen.
Er angelte sich rasch ein Bier aus dem Eisfach und humpelte zum Sofa, um die Sache zu überprüfen. Als er sich eben vor dem summenden Gerät niederlassen wollte, wehte ein kühler Lufthauch aus seinem Schlafzimmer. Er sah durch den Türspalt, wie sich drinnen die dünnen Vorhänge vor dem großen Fenster bauschten. Einbrecher, dachte Paul sofort. Mit feuchten Händen stieß er die Tür auf. Aber drinnen war niemand. Er knipste das Licht an und riss den Wandschrank auf. Da waren nur seine Anzüge. Langsam drehte er sich um und ging auf die Knie, um unter dem Bett nachzusehen. Da war auch nichts. Vermutlich hatte er einfach vergessen, das Fenster zu schließen. Das war naheliegend.
Paul schloss das Fenster und ging wieder aus dem Schlafzimmer, um mit ein paar gezielten Blicken den Zustand sämtlicher Schubladen und Schränke im Wohnzimmer zu erfassen. Alles war an seinem Platz. Nichts fehlte.
Lachend setzte er sich auf sein Sofa und sah auf die Uhr. Bald würden die Nachrichten kommen. Vielleicht stellte sich ja seine Paranoia ab, wenn er sich völlig normalen Dingen widmete.
Schon etwas entspannter knipste er das erste Programm an. Doch anstatt der Nachrichten, erschien das DVD-Ladesymbol auf dem Bildschirm. Was sollte das! Er hatte doch gar keine DVDs! War Helen hier gewesen?
Er warf die Fernbedienung beiseite und wollte den Stecker für den DVD-Player herausreißen. Da erschien ein stechend scharfes Bild. Paul zwinkerte ungläubig. Er sah den sphärisch beleuchteten Swimming-Pool im Wintergarten seiner Villa. Er war genau aus der Position der zuständigen Überwachungskameras gefilmt. Soeben erschien Helen im Badeanzug und setzte sich an den Poolrand. Ihre schönen, langen Beine baumelten ins Wasser und verursachten kleine Wellen.
Paul grinste. Er liebte Überraschungen dieser Art! Zufrieden trank er einen Schluck Bier und ließ sich in sein Staubfänger-Sofa zurücksinken.
Helen stemmte sich jetzt mit ihren schlanken Armen aus der Sitzposition und glitt wie eine Meerjungfrau ins durchsichtig- blaue Wasser. Geschmeidig stieß sie sich vom Beckenrand ab und schoss vorwärts, die Arme ausbreitend, wie ein Schmetterling und langsam zog sie eine gurgelnde Bahn durch das Nass. Am anderen Ende des Pools machte sie eine vollkommene Wende und schwamm wieder auf ihn zu.
Paul bewunderte ihr Gesicht, das perlend auftauchte und beobachtete ihren Mund, der gierig nach Luft schnappte, ehe sie wieder in einem Wirbel aus nassem, goldenem Haar untertauchte. Paul lachte und nippte an seinem Bier. Er spürte plötzlich das Verlangen, Helen anzurufen. Wo war noch das Telefon?
Gerade griff er danach, als sich auf dem Fernsehschirm ein langgezogener Schatten in Richtung Poolrand schob.
Eine Bildstörung?
Nein. Eine Person, die im Film mitspielte. Helen hob lachend den Arm und winkte in die Richtung des Schattens. War es ein Bekannter?
Paul sah neugierig zu, wie Helen nach der Metallleiter griff und hastig aus dem Wasser stieg. Sie wickelte sich in einer fließenden Bewegung in das bereitliegende Handtuch und sagte etwas. Sie trocknete sich ab und plapperte in einem fort. Dann hob sie den Kopf, das Haar auswringend. Ihre wunderbar blauen Augen lachten für einen Moment in die Kamera.
Dann veränderte sich der Schatten. Als würde er eine Bewegung ausführen. Und Helens Gesicht spiegelte plötzlich Entsetzen wieder. Ihr vollkommener Mund öffnete sich zu einem Schrei und sie ließ das Handtuch fallen.
Paul fuhr aus dem Polster hoch. Was zum…!
Der Schatten kam näher auf Helen zu. Sie wich mit angstgeweiteten Augen zurück. Dann löste sich das Bild in tausend Pixel auf.
Paul starrte ungläubig auf den Bildschirm, auf dem ein roter Schriftzug erschien: Wenn Sie vernünftig sind, kommen sie umgehend! Schalten Sie keine Hilfe ein! Es ist in Ihrem Interesse.

***​

Paul umklammerte das fellbesetzte Lenkrad und die Scheinwerfer seines Porsches fraßen sich in die Dunkelheit. Regenböen peitschten gegen die Windschutzscheibe und nahmen ihm die Sicht. Paul nahm die Landstraße nur als einen verschwommenen Graustreifen war, an dessen Rändern die Reflektierpfeiler wie Lichtgestalten vorbeirasten. Zusätzlich spritzten immer wieder Wasserfontänen über sein Heck, so dass er um ein Haar den kleinen Feldweg vor Künzelsau verpasst hätte. Im letzten Moment riss er das Lenkrad herum und ein harter Schlag zitterte durch den Rumpf des Fahrzeuges. Eine Gischtfontäne schoss über die Windschutzscheibe hinauf und Paul sah vor sich schon die nächste Pfütze auftauchen. Hastig lenkte er den Wagen vom Feldweg in die nasse Wiese und rauschte entlang des Weges durch das hohe Gras. Erst kurz vor dem Laubwald kehrte er wieder auf den Weg zurück und preschte in die völlige Dunkelheit hinein. Mit einem Handgriff warf er die Fernlichter an. Er sah, dass der Weg stellenweise überschwemmt war. Schlamm spritzte auf. Normalerweise hätte er nun die Lage der Villa verflucht, denn für einen Porsche war dieser Geländetrip tödlich. Aber schon lichtete sich der Wald und Paul fuhr zwischen den Feldern hindurch und bog schließlich über eine kleine Holzbrücke, die von dichtem Gehölz umgeben war.
Hinter der Brücke öffnete sich ein weiter, gepflasterter Hof. Paul parkte im Schatten der Büsche. Das Wasser dahinter war vom Regen aufgepeitscht und Paul hatte keine Jacke an. Er würde bald völlig durchnässt sein.
In seinem leergefegten Kopf gab es nur einen Gedanken: Helen. Ihr roter Nissan stand im Schatten der Linde. Im Untergeschoss brannte Licht! Aber Paul wusste nicht, welcher Verrückte da drinnen auf ihn wartete, also hastete er durch den großen, dicht bewachsenen Garten, um die Villa herum.
Das unterste Wohnzimmerfenster war von hohem Flieder geschützt. Er zog sich am Fenstersims empor. Die Scheibe war schmutzig, aber war es hell. Auf dem gläsernen Rundtisch standen Sektgläser. Die Zimmerpalmen in den Ecken warfen lange Schatten über den Teppich und auf der Couch lagen eine zerfledderte Zeitung, ein paar Kissen und Helens Mobiltelefon. Durch den offenen Flur sah Paul, dass die Tür zum Wintergarten, in dem sich der Swimming-Pool befand, offen stand.
Da drinnen war es geschehen! Was auch immer es war.
Paul ließ sich wieder auf den Rasen fallen und schlich sich weiter um das Haus herum, bis er die hohe Glasfront des Wintergartens erreichte. Er versuchte hindurchzusehen, aber drinnen war es völlig dunkel. Die regenüberströmte Scheibe spiegelte außerdem im schwachen Mondlicht und von innen versperrten die vielen tropischen Pflanzen die Sicht auf den Pool.
Paul schlich an der Glasfront entlang, auf der Suche nach einem Spalt zum durchschauen, aber er gab es bald auf. Absolut unmöglich.
Er schlich weiter um das Haus. Die übrigen Fenster waren ebenfalls beleuchtet, lagen jedoch zu hoch. Das hätte er wissen müssen. Schließlich gelangte er zu der abschließenden Gartenhecke, hinter der wieder der Hof lag. Er zwängte sich soweit es ging in die Hecke hinein und reckte den Kopf um das Gebäude. So hatte er ein Versteck, von dem aus er gut den Eingang beobachten konnte.
Die Haustür lag im Schatten des knappen Vordachs. Nichts bewegte sich darunter.
Wann würde Helens Geiselnehmer seinen Porsche am anderen Hofende entdecken? Es war lächerlich, sich davor zu drücken, hineinzugehen. Der Geiselnehmer wartete auf ihn. Irgendwann musste er das Haus betreten und sich seinem Widersacher stellen, wenn er Helen befreien wollte. Aber welche Forderung hatte der Entführer eigentlich gestellt, überlegte Paul verunsichert. Er hatte nur gesagt, er solle kommen. Na, sicher würde er Klartext reden, wenn er ihm erst einmal gegenüberstand.
Mit einem beherzten Schritt brach Paul aus der Hecke hervor und ging über den Hof auf die Haustür zu. An der Stelle, wo sie Helen und er die Kastanie pflanzen wollten war das Pflaster aufgerissen und in der Vertiefung schillerte eine große, schlammige Pfütze. Paul sah Fußspuren, die auf der anderen Seite herausführten. Auf die Haustür zu. Mit flatterndem Puls erklomm er die drei Stufen und suchte dann seinen Schlüssel hervor. Er zögerte. Sollte er nicht lieber klingeln, um sich dem Geiselnehmer anzukündigen? Wer wusste schon, was der Kerl tat, wenn er seine Nerven strapazierte?
Unsicher näherte Pauls Finger sich dem Klingelknopf, dann gab er sich einen Ruck und drückte. Er wartete zitternd. Nichts regte sich. Nicht einmal ein Laut drang aus dem Haus. Er klingelte noch einmal. Im Haus blieb es still. Ermutigt schloss Paul die Tür auf.
Das geflieste Foyer war beleuchtet. An der Wand sah er die vielen Skulpturen, die er aus fernen Ländern mitgebracht hatte und er bemerkte erstmals, wie unheimlich einige von ihnen waren.
Leise ging er durch den offenen Flur ins Wohnzimmer. „Hallo?“, rief er hinein. Stille. Er sah sich um, aber außer einem seltsamen Summton, der vom Fernseher auszugehen schien, war hier nichts auffällig. Im Treppenhaus rief er: „Hallo? Ist da wer?“ Wieder Stille. Dann entdeckte er auf dem Boden erneut braune Fußspuren, wie von getrocknetem Schlamm. Sie kamen aus dem Foyer und führten in Richtung Wintergarten.
Paul nahm sich ein Herz und trat die schmalen Stufen hinab. Der Regen trommelte gegen die Glasfassade. Drückende Schwüle umfing ihn und es roch metallisch.
Als er Licht machte, dachte er zuerst, die rote Abdeckplane läge über dem Swimming-Pool. „Hallo?“, rief er und blinzelte. Dann erkannte er, dass da keine Plane war.
Das Wasser war rot. Helen trieb mit dem Gesicht nach unten am Rand des Pools und der metallische Geruch war der von Blut.
Paul starrte sie an. „Helen?“, fragte er mit schwankender Stimme. „Helen, was machst du da?“
Helen antwortete nicht. Sie schaukelte gegen den Poolrand, während unter ihr eine Düse Wasser zirkulieren ließ. „Helen?“, rief Paul und hielt sich an der Metallleiter fest. Helens goldenes Haar schwamm aufgefächert auf dem Wasser und ihr nackter Rücken starrte Paul entgegen. „Helen“, wimmerte Paul. Er ließ die Leiter los und ging am Poolrand auf die Knie. Er stupste Helen an die Schulter. Sie schaukelte im Wasser. Er stupste sie wieder. Sie blieb stumm.
Paul stand auf. Er starrte aufs Wasser und auf einmal schwimmen er und Helen prustend nebeneinanderher. Helens Lachen klingt von den Glaswänden wieder und er hasst es, von ihr verspottet zu werden. „Schwimm allein weiter!“, brummt er und zieht sich an der Metallleiter hoch. Sie hält sich lachend am Poolrand fest und ruft: „Du bist der schlechteste Verlierer, den ich kenne, Paul!“
Paul kommt zurück, um ihr mit dem Gartenschlauch kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen.
„Verschone mich! Ich bin eine Wasserleiche“, kichert sie und lässt sich mit dem Gesicht nach unten auf dem Wasser treiben.
Paul spritzt ihr zwischen die Schulterblätter und sie fährt quiekend und prustend auf.

***​

Helens Körper stieß fortwährend gegen den Poolrand. Paul zitterte. Er packte ihre Schultern und wollte sie umdrehen. Halb schaffte er es. Aber dann verlor er das Gleichgewicht und Helen wippte in ihre ursprüngliche Bauchlage zurück. Für einen Moment hatte Paul ihn gesehen - den fürchterlich klaffenden Spalt an ihrem Hals.
Er erhob sich mit bleichem Gesicht und stolperte die Treppe hinauf. Die Flurwände schienen auf ihn zuzuschwanken. Er taumelte ins Wohnzimmer und rammte den Glastisch beiseite. Die Couch! Seine Hand tastete zwischen die Sitzkissen und fand das Mobiltelefon. 1-1-0. Es tutete laut. Nach dem dritten Ton hob jemand ab. „Helen schwimmt im Pool“, sagte Paul. „Jemand war da! Sie schwimmt im Wasser!“ Er kotzte auf den Teppich und suchte verzweifelt nach etwas, womit er die säuerlich riechende Lache wegwischen konnte.
„Hallo?“, rief eine leise Beamtenstimme aus dem Lautsprecher. „Was ist los? Sagen Sie, wo Sie sich befinden? Geben Sie uns Ihre Adresse!“
Aber Paul hörte nicht mehr zu. Er hatte eine große, zerfledderte Zeitung entdeckt und ließ das Telefon ungeachtet aufs Sofa fallen. Dann bemerkte er, dass der Fernseher lief.
Der Bildschirm zeigte Helen, wie sie hastig die Poolleiter hinaufstieg. Sie trocknete sich ab, wrang ihr Haar aus und redete in einem fort mit dem Schatten.
… „Hallo? Sind Sie noch dran?“, kam es gedämpft aus dem Telefon …
Der Schatten bewegte sich. Paul sank in die Polster zurück und sein Blick war starr. Der Schatten schob sich vor. Ein dunkler Haarschopf erschien im Bild. Es folgte ein Mann im Anzug. Er hatte schmutzige Schuhe, die Abdrücke auf den Fliesen hinterließen. Dann sah Paul eine Hand mit einem großen Küchenmesser aufblitzen.
… „Hallo? Geht es Ihnen gut?“, kam es zwischen den Sitzkissen hervor ...
Helen taumelte.
… „Hallo? Hallo? Ich glaube, da ist etwas passiert. Der redet nicht mehr!“
„Hat er aufgelegt?“
„Nein, ich höre im Hintergrund seinen Atem, aber….“ …
Sie starrte ihm fassungslos ins Gesicht und hob die Hände. Der Mann schlug ihre Abwehrgeste beiseite und setzte das Messer an ihren Hals. Helens Augen nahmen einen irritierten, ungläubigen Ausdruck an. Er schnitt in mehreren Zügen tief hinein. Aus ihrem Hals quoll Blut.
... „Die Nummer! Wenn er jetzt auflegt, haben wir immerhin die Nummer.“
„Toll! Da muss jemand vorbeischauen! Solange er nicht auflegt, bleiben Sie am Apparat, kapiert?“ …
Der Mann ließ sie los. Er sah ihr zu, wie sie mit ihren Händen die Wunde abtastete und das Blut hilflos über ihrem nackten Bauch verschmierte. Sie schwankte. Hob die Hände, um sich irgendwo festzuhalten, dann stürzte sie mit dem Gesicht nach unten in den Pool.
… „Hallo?“, kam es leise aus dem Telefon. „Hallo? Wir schicken Hilfe.“ …
Es spritzte gewaltig und Helens Arme und Beine ruderten in dem wogenden Wasser.
… „Hallo?“ …
Rötliche Farbe breitete sich aus und irgendwann strampelte sie nicht mehr. Das Wasser glättete sich und sie trieb reglos im Wasser.
… „Hallo…“…
Ihr Gesicht war nach unten gerichtet und starrte auf den Grund. Blutige Wolken pulsierten aus ihrem Hals.
Neben Paul versuchte der Polizist noch einmal, ihn zu erreichen, aber Paul hörte gar nichts mehr. Er starrte nur mit regloser Miene auf den Bildschirm und selbst als Helens Mörder sich umdrehte und er ihn erkannte, reagierte er nicht.
Wie man das Ergebnis einer Matheaufgabe hinnimmt, so nahm er zur Kenntnis, dass er selbst Helen umgebracht hatte.
Er hatte es getan.
Denn aus dem Fernseher starrte ihm sein eigenes Gesicht entgegen.

***​

„Jeder braucht eine Ausrede, nicht wahr, Herr Regen? Das sagte ich bereits.“
Hinter Paul war eine gebückte Gestalt aufgetaucht. Ihre unheimliche Brille spiegelte das Licht des Fernsehers wider und ihre Stimme klang unmenschlich kalt. „Wissen Sie, was Ihre Ausrede ist?“, fuhr sie fort. „Sie wissen es eigentlich. Hypnose. Ja! Sie hören richtig.“ Die Gestalt lachte. „Eigentlich habe ich Ihre Frau ermordet und nicht Sie! Aber ich schätze diese Ausrede bringt Sie nicht weiter.“ Er kam einen Schritt näher. „Ich habe die Filmaufnahmen, wie Sie sicher ahnen. Und Sicher wollen Sie wissen, weshalb ich Sie hergebeten habe.“
Paul blieb stumm und reglos und Dr. Raphael knetete seine Hände. „Nun?“, fragte er leise. „Wollen Sie sich nicht äußern?“
Paul schwieg.
Der Blick des Doktors flackerte und schien sich in Pauls Hinterkopf zu graben. Pauls Augen wirkten seltsam leer. Dann, kurz, spiegelte sich etwas wie Erkenntnis darin wider, ehe sie wieder starr den Fernseher fixierten.
Der Doktor lachte leise. Sein stechender Blick schwelte merkwürdig. „Sicher denken Sie, ich sei verrückt. Dabei will ich nur, was alle wollen - Wenn Sie die Filmaufnahmen wollen, bringen Sie mir bis Morgen um achtzehn Uhr einen Koffer an den Flughafen. Terminal 2. Dann erhalten Sie im Tausch dazu die Originale.“
Paul regierte nicht. Er sah auf das Standbild des Fernsehers, das sein eigenes Gesicht zeigte, in ebenso reglosem und leerem Zustand, wie es auch jetzt war.
Dr. Raphael blinzelte. Dann trat er rasch hinter Paul und legte ihm seine knochige Hand über die Augen. „Schließen Sie die Augen“, flüsterte er. Doch weiter kam er nicht. Paul streifte die Hand des Doktors ab und stand auf und packte ihn am Hals. Dr. Raphael keuchte erschrocken. Er wollte sich befreien, doch Pauls Griff war zu fest. Dünne Arme ruderten durch die Luft. Wollten Paul wegstoßen. Doch Paul war eine Mauer. Seine Hände schraubten sich wie Folterwerkzeuge um den mageren Hals des Doktors und ganz leise hörte man den Kehlkopf quietschen. Der Doktor riss mit hervorquellenden Augen an Pauls Handgelenken, aber es war zwecklos. Seine Augen verdrehten sich auf groteske Weise. Das Leben wich aus ihnen. Die Arme sanken schlaff nach unten. Er war tot.
Paul stand der Schweiß auf der Stirn. Er ließ den leblosen Körper des Doktors über der Sofalehne liegen und setzte sich. Da hörte er Stimmen zwischen den Sofakissen.
„Hallo?“, sagte er verwundert in das Telefon. „Hallo?“ Es kam keine Reaktion und er legte auf.
Gleichzeitig hörte er, wie draußen Sirenen näher kamen.

***​

Paul schwamm mit dem Gesicht nach unten im Wasser. „Paul! Paul, kommen Sie heraus! Ihre Bewegungszeit ist um!“
Am Beckenrand stand Schwester Inge. Paul hob prustend den Kopf und lächelte in ihr hübsches Gesicht. „Schauen Sie, Schwester! Ich bin eine Wasserleiche!“

- Ende -​

 

Hallo Karlsson!

Deine Schreibe ist recht routiniert, es finden sich kaum Fehler (die Andrede-Sies und -Ihnen müsstest du dir aber nochmal ansehen), also gehe ich auf den Inhalt ein.

Mich stören so ein paar Dinge:

Die Szene im Fahrstuhl: Warum reagieren die Frau und der Portier so ablehnend/angewidert? Das wird doch wohl kaum seinen schmutzigen Schuhen gelten.

Die Szene bezüglich des Herumstolperns in seiner Wohnung finde ich zu lang.
Und warum besitzt er einen DVD-Player, aber keine einzige DVD?

"Der Geiselnehmer wartete auf ihn." => Okay, Paul ist vielleicht etwas verwirrt, aber fällt ihm wirklich nicht auf, die blöd dieser "Geiselgangster" sein muss? Und warum hat er nicht mal in einem einzigen Gedanken in Betracht gezogen, die Polizei einzuschalten, oder irgendeinen Freund, oder sonstwen?

"Das Wasser war rot." => Wirklich dermaßen rot, dass Paul es für eine rote Plane halten kann? So viel Wasser, so wenig Blut.

Der Polizist, der den Notruf annimmt, ist offensichtlich ein Volldepp. Und so etwas ist nicht glaubwürdig, und zieht damit den ganzen Text runter.
"Die Nummer! Wenn er jetzt auflegt, haben wir immerhin die Nummer." => Was für ein komisches System soll denn das sein?

"dass er selbst Helen umgebracht hatte.
Er hatte es getan." => Doktor Eule hat ihn also hypnotisiert, und er geht hin und sticht seine Frau ab? Sorry, aber soweit ich weiß, gehört es in das Reich der Fabeln, dass man Leute mittels Hypnose derartig programmieren kann, dass sie zu Mordmaschinen an geliebten Menschen werden. (Falls du etwas anderes recherchiert hast, nenn mir bitte deine Quelle.)

"Wenn Sie die Filmaufnahmen wollen, bringen Sie mir bis Morgen um achtzehn Uhr einen Koffer an den Flughafen." => Gefüllt mit schmutziger Wäsche? Gar kein Problem. Nein, ernsthaft, das Motiv (das wohl Geld sein soll) ist mir in wenig dünn. Und woher hätte der Doc denn wissen sollen, dass Paul seine Frau wirklich umbringt, und dann noch genau an einem Ort, wo eine Überwachungskamera hinzeigt?

Das Erwürgen des Herrn Doktors: "Seine Augen verdrehten sich auf groteske Weise. Das Leben wich aus ihnen. Die Arme sanken schlaff nach unten. Er war tot." => Nein, er ist nicht tot. Er ist bewusstlos. Diesen Fehler dürfen gerne verhinderte Mörder machen, aber nicht der Autor eines Krimis.

"sagte er verwundert in das Telefon. „Hallo?" Es kam keine Reaktion und er legte auf." => Wieso antwortet der Polizist nicht?

Oh, und bitte, schreibe niemals "Ende" an das Ende eines Textes. Das widerspricht vollkommen dem Konzept einer Kurzgeschichte. (Im übrigen weiß der Leser, dass, wenn kein Text mehr folgt, er nicht weiterlesen muss.)

So, das war's.

Grüße
Chris

 

Hallo Chris. Wenn ich eine Geschichte hier zur Diskussion stelle, dann sicher nicht, weil ich sie für fertig halte. Daher ist deine Kritik inhaltlich für mich in Ordnung. Aber du solltest versuchen, weniger selbstgefällig zu schreiben. Das nervt.
Gruß, Karlsson

 

Hi, Karlsson,
so ganz am Schluss bin ich mir nicht sicher, ob das so eine Ätsch-ist-ja-ganz- anders-Geschichte sein soll und das Ganze nur die "Unterwasserphantasie" eines Kranken ist. Das fänd ich dann aber schon übel, wenn für die ganze Geschichte ohne vorherige Einflechtungen dann nur vier mickrige Zeilen herhalten sollen.
Ich fand Deine Geschichte interessant, aber hatte beim Lesen auch das Gefühl, dass da unnötige Längen drin sind. Also die Spannung wird für mich nicht durchgehend gehalten und man ertappt sich beim hundertundypsten Adjektiv dabei, dass man sich konzentrieren möge;) Tschuldigung.
Vielleicht gibt es Passagen, von denen Du Dich zugunsten des Spannungsaufbaus trennen könntest?
Deinen Kommentar zu Chris find ich übrigens ziemlich überzogen und auch ungerecht. Sie hat sich mit Deinem recht langen Text beschäftigt und hat Dir ihre Auffälligkeiten kundgetan.
Ist doch schon mal mehr, als man zwingend erwarten darf, oder?

Bis denne und LG

butterblume

 

Hallo Karlsson!

Selbstgefällig? Was soll denn das?
Ich habe dir nur gesagt, was ich noch nicht in Ordunug an deinem Text finde. Dazu (und damit die Autoren an ihren Texten arbeiten können) ist kg.de doch da.
Zur Diskussion stellen scheinst du deinen Text ja nicht zu wollen, sonst hättest du auf meine Punkte eingehen können, anstatt an meiner Kritik rumzumotzen.

Grüße
Chris

 
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Hallo Chris, ich wollte auf deine Kritikpunkte nicht eingehen, weil es da keine Diskussion gibt - du hast mit allem, was du sagst recht und ich habe auch vor, einiges davon zu ändern. Nur das mit der Hypnose finde ich etwas überkritisch. Klar, unrealistisch ist diese Sache auf jedem Fall, aber das wollte ich auch irgendwie, sonst hätte ich es nicht gemacht. Kennst du diese Geschichte von Edgar Allen Poe, in der am Ende ei Orang Utan der Mörder ist? Das ist auch ziemlich albern, wenn man es mal genauer betrachtet, aber trotzdem gefällt mir die Geschichte.
Wie gesagt, alle anderen Punkte sind mir einleuchtend und dafür danke ich dir.

Ich empfand deine Kritik als selbstgefällig, weil sie sich für mich nun mal so liest. Besonders deinen Satz zum "Ende" am Ende meiner Geschichte fand ich unnötig. Warum bitte sollte man am Ende einer Geschichte nicht "Ende" schreiben? Dass es überflüssig ist, versteht sich ja von selbst.


Gruß Karlsson

Hi Butterblume, danke für deine Mühen. Eine Ätsch-Geschichte soll es natürlich nicht sein :-) Wenn es so rüberkommt, muss ich mir den Schluss noch mal anschauen.

Etwas abstrus ist die Geschichte aber auf jedem Fall. Ich wusste bereits, ehe ich zu schreiben anfing, dass es verdammt schwierig sein würde, so eine Idee, wie die mit der Hypnose, gut zu verkaufen. Und der Schluss ist vielleicht auch deshalb so unbefriedigend, weil es einem unglaubwürdig erscheint, dass der Doktor "scheinbar" in seinem allerersten Sitzungsgespräch mit Paul den ganzen Plan für sein Verbrechen fasst. Das ändere ich um. Vielleicht fehlt auch ein angemessener Showdown. Und über die Szene, in der Paul im Wasser badet und Wasserleiche spielt, bin ich mir auch noch nicht schlüssig. Jedenfalls soll nicht alles eine Unterwasserphantasie sein, da kannst du ruhigt aufatmen ;-)

Kann auch ganz generell sein, dass da einige Längen im Text sind, die ich noch beseitigen muss. Und wenn ich viele Adjektive benutzt habe, dann muss ich da vermutlich auch nochmal den Rotstift zücken.

Was allerdings meinen Kommentar zu Chris Stone betrifft, finde ich meine Reaktion nach wie vor angemessen. Vieles was sie zu meiner Geschichte geschrieben hat ist inhaltlich gut und natürlich bin ich normalerweise für jede Kritik dankbar. Ich will aber, dass Chris klar ist, dass sie als Kritikerin auch Gegenkritik vertragen muss. Immerhin hat sie eine Beurteilung abgegeben, die nicht ganz wertfrei war. Ihr Statement wurde bereits auf unterschiedlichste Weisen gedeutet - du fandest es anscheinend völlig in Ordnung, ich finde es auch nach dem circa fünften Mal lesen noch herablassend. Was letztendlich wirklich dahinter steckt ist mir völlig egal. Ich will nur klar machen, dass es viel ausmacht, wie man Kritik formuliert.

Deine Kritik dagegen war zum Beispiel freundlich und klar. Nicht ganz so ausführlich wie die von Chris, aber dafür auch kein bisschen besserwisserisch. Darauf reagiert wohl jeder anders, oder?
Grüße, Karlsson

 

Hallo Karlsson!

Natürlich sind meine Kommentare nicht "wertfrei"! Es geht dabei schließlich um meine Meinung. (Was kann daran eigentlich so "herablassend" sein, wenn ich dir Punkte aufzähle, an denen du, wie du selbst zugibt, Fehler gemacht hast?)
PS: Du kannst ja mal zu einem meiner Texte einen Komm schreiben und mir zeigen, wie du es anders machen würdest.

Und ich mag nun mal keine unrealistischen Krimis.

"Warum bitte sollte man am Ende einer Geschichte nicht "Ende" schreiben?" => Weil es das Prinzip einer Kurzgeschichte ist, nur einen Abschnitt aus dem Leben abzubilden. Also etwas ohne ein ultimatives "Ende"

Grüße
Chris

 

Hallo, Karlsson!

Ich möchte nur mal auf den Punkt der Hypnose eingehen.

Zwar ist es durchaus möglich, jemanden zu hypnotisieren und ihn das Geschehene vergessen zu lassen - kein Problem. Aber man kann einen Menschen nicht dazu bringen, etwas zu tun, was er sonst nie tun würde.

Hat er also seine Frau umgebracht, dann war der Impuls schon längst in ihm. Wenn er seine Frau aber so sehr liebt, dass er ihr kein Haar krümen kann, dann würde er das auch unter Hypnose niemals tun. Das Unterbewusstsein schützt uns in diesen Momenten.

Wenn du allerdings diese noch unbewusste Absicht Pauls, sich seiner Frau zu entledigen, bzw. eine niedrige Hemmschwelle in Bezug auf das Töten in die Geschichte einbaust, dann wird auch die Handlung unter Hypnose glaubwürdig.

Liebe Grüße
Tyra

 
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Hi Chris. Ich sagte, deine Kritik sei inhaltlich in Ordnung. Du darfst also sehr wohl deine Meinung sagen. Aber du hast sie ganz einfach so formuliert, dass es mir auf die Nerven ging. In einem Tonfall, den ich nicht ertragen kann. Vielleicht ist das ja auch mein Fehler und ich schneide mir damit ins eigene Fleisch, wenn ich dich als potentiellen Kritiker vergraule, aber darauf lass ichs ankommen.

Übrigens habe ich Familienbande von dir gelesen. Willst du, dass ich sie kritisiere?

Gruß Karlsson

Hi Tyra. Das ist ja interessat. Wenn ich das also ändern würde, bekäme meine Geschichte eine ganz neuen Plot. Paul, der sich seiner Frau, die er eigentlich über alles liebt, entledigen will, weil sie mit ihrer impulsiven und anspruchsvollen Natur sein geordnetes Leben völlig durcheinander bringt.
Klingt nach viel Arbeit, würde sich aber vermutlich lohnen. Darüber muss ich ein paar Nächte schlafen.

Danke für den Hinweis!!!

Grüße, Karlsson

 

Ich hab's mal recherchiert, weil ich es für einen Roman brauchte, der auf einem Hypnosebefehl basiert. Allerdings Komödie.

Bin gespannt auf eine evtl. neue Version!

LG
Tyra

 

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