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Tony

Seniors
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29.11.2005
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Tony

Georg Krämer gehörte zu den besonders anstrengenden Patienten. Verstockt, unzugänglich und in seinen Reaktionen immer dann aggressiv, wenn Dr. Petersen sich mit seinen Fragen zu weit vorwagte. Das mühsame Gespräch mit ihm dauerte dadurch etwas länger als geplant. Vera Bungert, Petersens gut organisierte Sprechstundenhilfe, hatte sich zwischenzeitlich schon zur Mittagspause abgemeldet. Nachdem Krämer endlich gegangen war (der Therapeut dachte wirklich "endlich"), stand Dr. Petersen eine Weile am Fenster und starrte hinaus, einfach nur, um sich zu sammeln.

In letzter Zeit fühlte er sich zunehmend müde und abgespannt. Manches Mal bedrückte ihn die Befürchtung, den Erwartungen seiner Patienten nicht mehr gewachsen zu sein. Wie ein Rudel Wölfe fielen sie über ihn her. Zerfetzten ihn. Teilten ihn unter sich auf. Ließen ihn langsam ausbluten. Sollte er jetzt, mit fast sechzig Jahren, Stress und Alter ersten Tribut zollen müssen? Die Vorstellung, einfach alles hinzuschmeißen, war in den Augenblicken totaler Erschöpfung sehr verlockend. Petersen spielte mit dem Gedanken, dem chinesischen Restaurant auf der anderen Straßenseite einen Besuch abzustatten, um wenigstens etwas gegen den Hunger zu unternehmen. Nach einem guten Essen würde die lähmende Müdigkeit vielleicht vergehen.

Der Arzt war überrascht, im Wartezimmer einen Jungen anzutreffen. Bevor sie zum Essen gegangen war, hatte die Bungert ihm mitgeteilt, dass es für heute keine weiteren Vormittagstermine geben würde. Krämer sei der letzte Patient gewesen. Deshalb war Dr. Petersen nicht darauf vorbereitet, jetzt noch jemandem in der Praxis zu begegnen. Besonders irritierte ihn eine leichte Ähnlichkeit des Jungen mit ... Markus. Die Erinnerungen an Markus waren für den Psychologen auch nach fünfzehn Jahren noch sehr schmerzhaft. So lange lag der Verkehrsunfall bereits zurück, bei dem er seine Frau und seinen damals zwölfjährigen Sohn verloren hatte.

Entschieden befreite er sich vom Druck der Vergangenheit und bemühte sich, seine Stimme freundlich und locker klingen zu lassen, während er den Jungen begrüßte. Der unerwartete Besucher legte die Zeitschrift aus der Hand, in der er geblättert hatte, und musterte den Arzt mit ernsten Augen, ohne das Lächeln zu erwidern.
"Wie heißt du denn?", wollte Petersen wissen.
"Alexander Brehm."
Dieser Name war dem Psychologen nicht unbekannt. Erst vor wenigen Tagen hatte sich Alexanders besorgte Mutter bei ihm gemeldet, um für ihren Sohn einen möglichst kurzfristigen Termin zu bekommen. Die Geschichte, die sie über ihren zwölfjährigen Jungen am Telefon erzählt hatte, war sehr bedenklich gewesen.

Seit einem Jahr hatte Alexander einen Freund namens Tony, mit dem er bevorzugt spielte, redete, Streiche ausheckte und herumtobte. Die beiden Jungen teilten Freud und Leid, und Tony nahm immer mehr Raum in Alexanders Alltag ein. Beunruhigend an dieser Freundschaft war die Tatsache, dass es Tony nicht wirklich gab. Er war ein erfundenes Wesen, Alexanders lebhafter Phantasie entsprungen. Anfangs hatten die Brehms das Verhalten ihres Sohnes nicht besonders ernst genommen. Sie hielten es für eine weitere von Alexanders zahlreichen Marotten. Der Junge hatte schon früh unter Kontaktschwierigkeiten und Ängsten gelitten und deshalb häufig Verhaltensweisen gezeigt, die ihn von anderen Kindern seines Alters erheblich unterschieden. Die Hoffnung der Eltern allerdings, Tony würde aus dem Leben ihres Sohnes genauso schnell verschwinden, wie er aufgetaucht war, erfüllte sich nicht - im Gegenteil. Der Fantasie-Freund blieb allgegenwärtig. Das Verhältnis zwischen ihm und Alexander nahm immer intensivere Formen an. Tony saß bei den Mahlzeiten mit am Tisch, begleitete Alexander in die Schule, verwickelte den Jungen bis spät in die Nacht in Gespräche und zeichnete auch für manche Ungehorsamkeit verantwortlich, mit der Alexander den Aufstand gegen seine Eltern probte. Wenn der Junge zur Rede gestellt wurde, verschanzte er sich bevorzugt hinter der Begründung, es wäre Tonys Idee gewesen und schien allen Ernstes zu glauben, dass die Angelegenheit damit für ihn erledigt sei.

Nach Ansicht der Brehms - und diese Meinung teilte auch Petersen gleich nach dem ersten Gespräch mit der Mutter - war nun der Punkt erreicht, an dem sie Alexanders Verhalten nicht mehr ignorieren oder als harmlose Kinderei abtun konnten. Es musste möglichst bald und mit wirkungsvollen Mitteln etwas gegen Tony unternommen werden, bevor dieser lästige Parasit in Alexanders Psyche bleibende Spuren hinterließ. Der geschilderte Zustand, in dem sich der Junge befand, ließ den Psychologen nicht daran zweifeln, dass größte Eile geboten war. Dank der Findigkeit seiner eifrigen Sprechstundenhilfe war ein kurzfristiger Termin vereinbart worden. Heute, gleich nach der Mittagspause, hätte das erste Gespräch mit Alexander stattfinden sollen. Deshalb war das zu frühe Erscheinen des rätselhaften Jungen, noch dazu ohne seine Eltern, eine Überraschung. Petersen hatte es noch nie leiden können, unvorbereitet auf einen Patienten zu treffen, erst recht nicht, wenn es sich um ein Kind handelte.

"Wo sind denn deine Eltern?", fragte er den Jungen.
Alexander begutachtete angestrengt seine Fingernägel. "Die kommen später."
"Wissen sie, dass du hier bist?"
"Nein."
"Soll ich sie schnell mal anrufen, damit sie sich keine Sorgen um dich machen müssen?"
Alexanders Blick verließ die Fingernägel, um sich in Petersens Augen zu bohren. "Das möchte ich nicht. Ich will mit Ihnen allein reden. Erstmal wenigstens. Das war Tonys Idee."
"Ach ja, Tony ...", murmelte Petersen. "Und du? Willst du wirklich mit mir reden?"
Alexander zuckte mit den Achseln.
Der Psychologe überdachte die Lage. Sicher würde sich bald eine günstige Gelegenheit ergeben, die Eltern zu benachrichtigen. Dass der Junge aber auf eigene Faust gekommen war, bewies nicht nur eine für dieses Alter erstaunliche Selbständigkeit, sondern ließ vermuten, dass Alexander wenigstens die erste Runde nach seinen Regeln spielen wollte. Es musste ihm irgendwie gelungen sein, etwas über die Pläne seiner Eltern herauszubekommen. Wie er erfahren haben mochte, dass seine Mutter bei Dr. Petersen einen Termin für ihn abgemacht hatte, war nur eines von vielen ungelösten Rätseln. Das musste zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden. In diesem Zusammenhang wäre es ein gefährlicher, vermutlich sogar ein nicht wieder gutzumachender Vertrauensmissbrauch, fand Petersen, wenn er darauf drängen würde, die Eltern des Jungen sofort zu verständigen. Vorrangig war alles zu vermeiden, was diesen Fall erschweren oder gar scheitern lassen könnte, noch bevor er überhaupt begonnen hatte. Er wollte diesen Patienten! Es versprach, ein besonders interessanter Fall zu werden.

Nur für ein paar Sekunden quälten ihn noch die verlockenden Gedanken an das Essen, das er sich unter normalen Umständen in wenigen Minuten im chinesischen Restaurant hätte bestellen können. Gleichzeitig erinnerte er sich plötzlich an sein letztes Zusammensein mit Markus und seiner Frau Carmen. Sie hatten mittags zu dritt beim Chinesen gegessen. Ein zufälliger Termin, weil seine Frau und sein Sohn gerade in der Nähe gewesen waren. Vor dem Restaurant hatten sie sich liebevoll verabschiedet. Carmen und Markus waren ins Auto gestiegen. Petersen hatte ihnen auf dem Weg über die Straße zu seiner Praxis noch einmal zugewinkt. Sie hatten gelacht und Faxen gemacht. Carmen war nur mühsam aus der sehr engen Parklücke gekommen. Petersen hatte noch hinterher geschaut, bis der Wagen um die nächste Kurve verschwunden war. Sich irgendwie unwohl gefühlt. Düstere Vorahnungen? Kurze Zeit später war der Anruf von der Polizei gekommen. Der Anruf, der alles veränderte.

Jetzt war ein Junge erschienen, dessen Ähnlichkeit mit Markus alte Wunden aufriss. Es waren keine wirklichen Ähnlichkeiten. Er war ein zwölfjähriger Junge mit braunen Haaren. Das reichte. Petersen verzichtete nicht nur das geplante Essen, sondern entschied spontan, vorerst auch nicht die Familie Brehm anzurufen, um Alexander das gewünschte Gespräch unter vier Augen gewähren zu können. Mit einer einladenden Handbewegung bat er den Jungen in sein Büro. Der schmale Bursche erhob sich vom Stuhl und durchquerte das Wartezimmer mit geheimnisvoller Würde. Seine Bewegungen zeigten keine Anzeichen von Eile oder Verunsicherung.

In Petersens Sprechzimmer schien seinen wachsamen Augen nichts zu entgehen. Kaum, dass sich Arzt und Junge gesetzt hatten, ließ Alexander interessierte Blicke durch den großen und hellen Raum schweifen. Petersen ließ ihm die Zeit, sich mit der fremden Umgebung vertraut zu machen. Er wusste, wie wichtig es für seine Patienten war, sich rundherum wohl und sicher zu fühlen. Der äußere Rahmen musste absolut stimmen, bevor er damit begann, in das komplizierte und vielschichtige Innenleben einer verstörten Seele vorzudringen. Bis ins letzte Detail hatte der Arzt sein Büro von einem namhaften Innenarchitekten streng nach beruhigenden Grundsätzen gestalten lassen. Nichts dem Zufall überlassen.
"Ist es hier okay für dich?", fragte Petersen, nachdem sich Alexanders Interesse nun wieder den Fingernägeln zuwandte.
Der Junge nickte.
"Ich würde gern wissen, wie du den Weg in meine Praxis gefunden hast."
"Das war leicht", entgegnete Alexander. Seiner Meinung nach schien das als Erklärung auszureichen.
Der Therapeut lehnte sich in seinem bequemen Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. Er versuchte, sich in eine entspannte Lage zu bringen. Mechanisch griff er nach Notizblock und Kugelschreiber. Jetzt, da er seine routinemäßige Position eingenommen hatte, sollte er sich eigentlich sicher und überlegen fühlen. Dennoch blieb er nervös und verkrampft. Trotz seiner langjährigen Berufserfahrung behagte ihm diese sonderbare Situation nicht. Da saß er nun einem Jungen gegenüber, der diese unheimliche Ruhe und Ernsthaftigkeit ausstrahlte. Fast schien es so, als hätte sich ein erwachsener Mann als Kind maskiert.
"Hast du auch wirklich Lust, dich mit mir zu unterhalten?", erkundigte sich Petersen. Die schlechte Imitation des väterlichen Tonfalles, die sich bei dieser Frage in seine Stimme mischte, verärgerte ihn. Kein gutes Zeichen, wenn er jetzt schon die Distanz verringerte.
"Weiß nicht", murmelte der Junge. "Glaub' schon."
"Du musst es nicht tun, wenn du nicht willst."
"Ist schon okay."
"Worüber möchtest du reden?"
"Mir egal."
"Du hast vorhin einen Namen erwähnt. Tony. Wollen wir über ihn reden?"
Bei diesem Vorschlag nahm Alexander nicht die von dem Arzt erwartete ablehnende Haltung ein, sondern reagierte mit einem eigenartigen Lächeln. Ganz kurz und ungeübt zupfte es an seinen Mundwinkeln und verschwand wieder. Petersen fühlte sich dadurch ermutigt, weitere Fragen in dieser Richtung zu stellen.
"Hast du Lust, mir von Tony zu erzählen?"
"Wir sind Freunde."
"Seit wann kennst du ihn?"
"Weiß nicht genau. Schon länger."
"Siehst du ihn oft?"
"Jeden Tag."
"Warum hast du ihn nicht mitgebracht?"
"Hab' ihn ja gefragt. Er wollte nicht. Hatte keine Lust. Zu so was. Hier."
"Warum hatte er keine Lust? Hat er dir das gesagt?"
Alexander rieb sich verlegen an der Nase und schniefte. "Weiß nicht. Er wollte eben nicht. Tony macht was er will!"
Dr. Petersen räusperte sich einige Male. "Und was ist mit dir? Machst du auch, was du willst?"
"Ich bin doch bloß ein Kind", murmelte Alexander. Auch für diese Antwort lieferte er keine weitere Begründung. Für ihn war damit scheinbar alles gesagt, was es zu sagen gab. Und für Petersen war damit auf jeden Fall schon einmal eine Menge gesagt.
Er startete sofort ein Ausweichmanöver. "Wie alt ist Tony?"
Alexander runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. Schließlich sagte er zögernd: "Ziemlich alt. Glaub ich." Ein wenig schien es ihn zu beunruhigen, diese Frage nicht genauer beantworten zu können. Jedenfalls meinte der Arzt, das Verhalten seines Besuchers so interpretieren zu dürfen.
"Aber er ist doch ein Junge so wie du?"
Alexander seufzte. "Das schon ..."
"Kannst du ihn beschreiben? Wie sieht er aus? Wie ist er gekleidet?"
Zum ersten Mal im Verlauf des Gespräches flackerte in Alexanders Augen deutlich Argwohn auf. Er machte keinen Hehl daraus, Tony nicht beschreiben zu wollen. "Er ist ein Junge. Er ist mein bester Freund. Er ist wie ich. Er ist … ich bin … wir sind …ich …"
Petersen machte sofort einen Rückzieher und begab sich wieder auf rhetorische Schleichwege. "Was macht ihr denn so, wenn ihr zusammen seid?"
Alexanders schmale Lippen ließen wieder ein Lächeln zu. "Wir spielen zusammen. Wir quatschen über alles Mögliche. Tony erzählt mir viele Sachen. Er weiß unheimlich viel. Hat immer so lustige Ideen. Mit ihm wird's nie langweilig. Und er beschützt mich!"
"Er beschützt dich? Vor wem oder was? Fürchtest du dich vor jemandem oder etwas?"
''Fürchten nicht so richtig. Aber Erwachsene nerven."
"Warum?"
"Die wollen immer Recht haben. Und alles wissen sie besser. Es ist immer nur das richtig, was sie sagen. Uns Kindern hören sie gar nicht richtig zu. Wir müssen das tun, was sie wollen. Tony sagt, die Erwachsenen wollen unsere Freundschaft kaputtmachen."
"Hat Tony Eltern?"
"Weiß nicht. Er redet nie darüber."
"Dann warst du auch noch nie bei ihm zu Hause?"
"Nö."
"Wie findest du deine Eltern? Was denkst du über sie?"
"Sie sind ... Eltern."
"Haben sie Tony schon einmal gesehen, sich mit ihm unterhalten?"
Der Junge zupfte eifrig an seiner Hose herum, als wäre sie mit Fusseln übersät. "Nö. Glaub nicht."
"Könnte ich ihn mögen?" fragte Dr. Petersen sanft, während er sich Notizen machte. "Ich würde schon mal gern mit Tony reden. Ich denke, wir würden uns ganz gut verstehen."
Alexander beugte sich vor und musterte den Psychologen misstrauisch. "Und was schreiben Sie da alles auf?"
"Ich mache mir nur ein paar Stichworte über unser Gespräch. Das mache ich, damit ich bei unserem nächsten Treffen noch genau weiß, worüber wir heute gesprochen haben."
"Ich werde sowieso nicht wiederkommen", sagte der Junge entschieden.
Petersen war verblüfft über die Bestimmtheit in seiner Stimme.
"Weil Tony das nicht will?"
"Weil ICH das nicht will."
"Hast du außer Tony noch andere Freunde?"
"Nein."
"Könntest du dir vorstellen, dass er eines Tages fortgeht?"
Alexander verdrehte die Augen, als hätte Petersen etwas ganz besonders Dummes gefragt. "Warum sollte er das denn machen?"
"Er könnte zum Beispiel fortziehen. In eine andere Stadt."
"Niemals! Wir sind Freunde."

Das Gespräch stellte die bisherigen Erfahrungen des Arztes mit Kindern dieser Altersstufe völlig auf den Kopf. Darüber hinaus weckten die Erinnerungen an seinen verstorbenen Sohn, die Alexander hervorrief, bei dem Therapeuten ungewöhnlich schmerzhafte Empfindungen. Derart emotional aufgeladen war es wenig ratsam, ein solch wichtiges Gespräch zu führen.

So unerwartet, wie der Junge mit seinem plötzlichen Besuch die spontane Sitzung provoziert hatte, so rasch sorgte er auch für ihr Ende. Er brach das Gespräch mit der Begründung ab, dass er jetzt wieder gehen müsse. In Dr. Petersen verstärkte sich das Gefühl, die ganze Zeit über mit einem zwölfjährigen Mann geredet zu haben. Die beiden erhoben sich fast gleichzeitig. Spontan bot der Arzt dem Jungen zum Abschied die Hand. Der quittierte die freundliche Geste mit einem verständnislosen Blick, als wäre es ihm unmöglich, die dargebotene Hand zu ergreifen.
"Wir sollten uns ruhig mal wieder treffen", sagte der Therapeut.
Der kleine Besucher legte den Kopf schief. "Vielleicht", murmelte er nur und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzusehen.

Zurück blieb ein grübelnder Arzt, den erst das Klingeln des Telefons wieder in die Wirklichkeit zurückholte. Petersen hatte gerade ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, sämtliche Nachmittagstermine abzusagen, um nach Hause zu fahren. Er fühlte sich leer und ausgebrannt, sehnte sich nach den drei B's, einem heißen Bad, Beethoven und einer Flasche Brandy. Abwesend griff er zum Telefonhörer. Am anderen Ende der Leitung meldete sich aufgeregt und hysterisch Alexanders Mutter. Ihre Stimme überschlug sich fast, während sie dem konsternierten Psychologen mitteilte, dass sie den für ihren Sohn vereinbarten Termin leider absagen müsse. Der Junge sei krank geworden und habe hohes Fieber bekommen. Es gehe ihm beunruhigend schlecht und sie sei voller Sorge um ihn.
"Er ist jetzt bei Ihnen?" fragte Petersen erregt. "Jetzt? In diesem Augenblick?"
"Aber natürlich", antwortete die Mutter schrill. "Wo sollte er denn sonst sein?"
"Und ... er hat das Haus ... heute noch gar nicht ... verlassen?"
"Sie fragen wirklich seltsame Dinge, Herr Doktor. Seit heute Morgen liegt mein Junge schwer krank im Bett. Das weiß ich genau. Schließlich schaue ich alle zehn Minuten nach ihm."
Der Arzt wollte etwas erwidern, war aber nicht in der Lage, nach der Explosion in seiner Gedankenwelt auch nur einen brauchbaren Satz zustande zu bringen. Stattdessen stammelte er Worte ohne jeden Zusammenhang in die Sprechmuschel.
Frau Brehms hektische Stimme kreischte unerträglich laut in sein Ohr. Was sie sagte, wurde immer unverständlicher. Sie schilderte Dinge, die Alexander von sich gab. Fieberfantasien. Wirres Zeug. Ihr Junge hätte behauptet, Tony sei an seiner Stelle zu Dr. Petersen in die Praxis gegangen, weil er etwas sehr Wichtiges zu erledigen habe. Dann würde Alexander zu allem Überfluss plötzlich von einem andern Jungen sprechen. Markus. Es sei ebenfalls ein guter Freund Tonys.
"Können Sie verstehen, Herr Doktor, dass ich mit meinen Nerven langsam am Ende bin?", jammerte Frau Brehm. "Ständig gibt der Junge diese verrückten Sachen von sich. Jetzt bildet er sich auch noch diesen zweiten Burschen ein, der Markus heißt. Es geht ihm sehr schlecht. Was soll ich nur tun? Ob er nun endgültig den Verstand verloren hat ...?"
Dr. Petersen legte den Hörer einfach auf, fast so, als wäre er in seiner Hand kochend heiß geworden. Unterbrach den unerträglichen Redefluss der hysterischen Frau.

Klick!

Es war wieder still in der Praxis. Sogar die Geräusche der Großstadt schienen auf einmal verstummt zu sein. Kontrolliert und mit großer Vorsicht bewegte sich der Therapeut durch sein Büro, betrat angespannt das Wartezimmer. Es überraschte ihn nicht, den Jungen, der sich bei ihm als Alexander ausgegeben hatte, auf einem der Stühle sitzend vorzufinden. Bei Petersens Auftauchen hob er den Kopf. Seine dunklen Augen blitzten den Arzt über den Rand einer Illustrierten hinweg belustigt an. Das waren nicht die Augen eines Kindes. Das waren Augen, die alles wussten.
"Du bist also Tony", flüsterte Petersen.
Der Junge nickte.
"Was weißt du von Markus?"
Tony stand auf und hielt dem Arzt seine kleine, blasse Hand entgegen.
"Wenn Sie wollen, bringe ich Sie zu ihm."

 

Hallo Rick,

freut mich, Dich mal wieder in Seltsam zu lesen, da war ja noch was offen ;-)

Die Geschichte erinnert mich - und das ist sicherlich beabsichtigt - an Roald Dahl, sie ist routiniert erzählt, nur in Details zu optimieren - wenn überhaupt nötig, da sie auch so sauber lesbar ist - und im Ende nicht völlig unerwartet. Dafür hast Du für meinen Geschmack Markus zu oft thematisiert, zu "dick'" eingeführt und beschrieben, doch da sie für mich auch nicht wirklich eine Rick'sche Pointengeschichte ist, finde ich das nicht schlimm. zumal der letzte Satz sitzt, gut sitzt.

Insgesamt ein interessantes Werk, das einen schönen Bogen in das Seltsame spannt, ohne die Bodenhaftung zu verlieren, es ist die Sorte seltsamer Geschichte, die mehr Geschichte und inhaltlich seltsam ist, dazu ausladend dargeboten und damit unterhaltsam.

Für mich nicht Deine stärkste, intensivste Geschichte, da sehr konkret erzählt, sehr dicht an den Prots und der Situation, fast schon naturalistisch, doch fluppig zu lesen, hat mich heute Morgen unterhalten und beim zweiten lesen eben wieder, das ist nicht nur für Seltsam oberhalb des Schnitts.

Grüße,
C. Seltsem

Ein paar Einwürfe :

Der Arzt war überrascht, im Wartezimmer einen Jungen anzutreffen.
Entschieden befreite er sich vom Druck der Vergangenheit und trat beherzt ins Wartezimmer.
Für mich war er schon im Absatz davor im Wartezimmer, jedenfalls zeigst du mir nicht, daß er nur in der Tür steht. Würde ich also konkreter und ohne Redundanzen umformulieren.
In diesem Zusammenhang wäre es ein gefährlicher, vermutlich sogar ein nicht wieder gutzumachender Vertrauensmissbrauch, fand Petersen, wenn er darauf drängen würde, die Eltern des Jungen sofort zu verständigen.
ist es nicht eigentlich ein Vertrauensbruch ?!
"Ich mache mir nur ein paar Stichworte über unser Gespräch. Das mache ich, damit ich bei unserem nächsten Treffen noch genau weiß, worüber wir heute besprochen haben."
auch trotz wörtlicher Rede sollte es entweder "was wir heute besprochen haben" oder "worüber wir heute gesprochen haben" sein
Der Arzt wollte etwas erwidern, war aber nicht in der Lage, nach der Explosion in seiner Gedankenwelt auch nur einen brauchbaren Satz zustande zu bringen. Stattdessen stammelte er Worte ohne jeden Zusammenhang in die Sprechmuschel.
Frau Brehms hektische Stimme kreischte unerträglich laut in sein Ohr. Was sie sagte, wurde immer unverständlicher.
Da ist nicht so richtig das Bild klar, wer spricht, wie ist der Ablauf ?
D.h., klar ist mir schon was Du ausdrücken, beschreiben willst, doch es kommt nicht so rüber, da Du zwei Gespräche/Gesprächsteile beschreibst, die gleichzeitig geschehen.
Sogar die Geräusche des Großstadtlärmes schienen auf einmal verstummt zu sein.
ich würde den Lärm rausnehmen, oder die Geräusche. Geräusche der Großstadt/der Großstadtlärm

 

Hallo C. Seltsem,

danke, dass du dich dieser Geschichte angenommen hast. Deine Anmerkungen sind mir willkommen und bieten sehr hilfreiche Anregungen. Die von dir angesprochenen Ungereimtheiten werde ich so schnell wie möglich beseitigen.

Ich bin mir bei dieser Geschichte noch nicht ganz sicher, ob sie nicht auch noch hier und da kürzen sollte, sie ist schon recht ausführlich, besonders im Einstieg. Auf jeden Fall werde ich die Hinweise auf Markus etwas abspecken.

Diesen etwas älteren Text habe ich einer sanften Neubearbeitung unterzogen. Eigentlich war das Seltsame lange Zeit meine literarische Lieblingsumgebung und dein Hinweis auf Roald Dahl trifft zu. Dass dich die KG an ihn erinnert schmeichelt mir. Der Stil ist eigentlich der, den ich mir über viele Jahre beigebracht habe. So nüchtern und sachlich wie möglich.

Okay, zuletzt und speziell hier im Forum bin ich davon häufiger mal wieder abgewichen und habe andere Möglichkeiten ausgelotet. Manchmal aber denke ich, dass man stilistisch immer dann besonders herum experimentiert, wenn man zu seinem Plot kein wirkliches Vertrauen hat. Eine gute Geschichte sollte grundsätzlich (Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel) so einfach wie möglich erzählt werden.

Ich habe mich über deinen Kommentar gefreut und die Mühe, die du dir mit dem Text gemacht hast - sie war, wie du dir denken kannst - nicht vergebens.

Es war auch sicher nicht das letzte Mal, dass ich die Rubrik "Seltsam" bediene, bei all den vielen seltsamen Gedanken, die mir noch so im Kopf herumschwirren. Insofern: Auf baldige Wiederlesen!

Grüße von Rick

 

Hallo Rick,

zunächst muss ich dich auf eine Ungenauigkeit in der Bezeichung hinweisen. Ist Georg Krämer Therapeut, wird er keine Sprechstundenhilfe haben, ist er hingegen Psychiater oder Neurologe, sollte er auch so benannt werden. Therapeuten wie du sie in der Geschichte beschreibst brauchen keine Sprechstundenhilfen. Rechnen wir mal eine dreiviertel Stunde pro Patient, kommen wir auf täglich acht bis zehn (was ich schon für viel halte), dafür braucht man keine Verwaltungsunterstützung.
Die Geschichte finde ich in ihrer stillen Seltsamkeit gelungen. Man baut Beziehungen zu den Personen auf und man rätselt ein bisschen, es wird etwas mystisch und auch etwas spirituell.
Die Sachlichkeit, in der sie erzählt wird, finde ich angemessen, einige Nebenschauplätze stören war nicht, sind aber auch nicht notwendig. Die Abgespanntheit des Therapeuten hast du gut erfasst, die geplante Mittagspause ist letztlich nur für die Überraschng, dass der Junge schon da sitzt wichtig. Mich hat sie allerdings etwas abgelenkt, da ich mich die ganze Zeit gefragt habe, warum er nicht einfach mit dem Jungen zusammen zum Chinesen geht (Vielleicht, weil ich auch gerade Hunger habe) Wenn der Therapeut einfach nur einen Kaffee trinken wollte, um sich von dem Patient zuvor zu erholen, würde das in der Geschichte glaube ich ausreichen.
Auch für die Erinnerung brauchst du die ganze Chinarestaurantsache nicht. Letztlich ist egal, wie die Frau und der Sohn umgekommen sind, dass es bei einem Verkehrsunfall war, wissen wir ja schon.
Gelungen finde ich den Wechsel aus Annäherung und Rückzug im Gespräch der Beiden.

Einige Dinge fielen mir noch an der Konstellation mit dem "erfundenen" Freund auf.
Die findet in Geschichten immer so statt, dass dieser mit am Tisch sitzt (z.B. bei "Mein Freund Harvey"). Das erleichtert dem Autor natürlich das Spiel mit den Realitätsebenen. Ich persönlich habe das anders erlebt. Meiner hatte ein Aussehen, Hobbies, einen Charakter, über den ich mich ärgern und freuen konnte, er war für mich real, aber nicht in der Form unsichtbar, dass nur ich ihn sehen konnte. Ich habe von ihm erzählt, es gab aber keinen leeren Platz am Tisch, an dem meine Familie oder ich sofort hätten bemerken können, dass er eine Fantasie ist. Ich habe mich mit ihm verabredet und an ihn geglaubt und dabei automaitsch mögliche Situationen ausgeschlossen, nach denen andere mich in meinem Glauben an ihn erschüttern konnten. Und niemand, nicht einmal mein Zwillingsbruder, der zu dieser Zeit das Gefühl hatte, ich wäre reif für die Psychiatrie, hat mich jemals damit konfrontiert, dass es diesen Freund eventuell nicht geben könnte.
Hat zwar nicht viel mit deiner Geschichte zu tun, aber die Erinnerung kam mir beim Lesen.
Details sind mir nur zwei kleine aufgefallen:

Der Anruf, der alles veränderte
Tempus: verändert hatte
Petersen verzichtete nicht nur das geplante Essen
auf das geplante Essen

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,

deine Anregungen und Hinweise kommen mir sehr recht, ich sehe mich darin bestärkt, noch etwas intensiver an der Geschichte zu arbeiten - besonders was die Anfangssequenz betrifft.

Den Therapeuten muss ich wohl eliminieren und beim guten alten Psychater bleiben - da habe ich etwas unsauber recherchiert.

Ich habe schon eine Idee, wie ich den gesamten Einstieg etwas straffen kann, da können einige Passagen, die unnötig sind (auch die ganze Essensarie und das Schicksal des Prots) durchaus auf das Wesentliche beschränkt werden, ohne dass es der Handlung irgendwie abträglich wäre. Ich verstehe deine Hinweise sehr gut, sie gehen tatsächlich genau in die Richtung, in der ich mir selbst schon so meine Gedanken gemacht habe.

Ich bin mir sicher, dass die KG dann besser funzt.

Witzig, dass du auch mal einen imaginären Kumpel hattest. Ich hatte nie einen unsichtbaren Freund, fand dieses spezielle Thema aber schon immer faszinierend.

Ich danke dir für deine ausführliche Beurteilung und die Tipps!

Grüße von Rick

 

Hallo Rick,

eine mitreißende Geschichte, in der wohl jeder, den sie anspricht, etwas eigenes über sich selbst herauslesen kann.

Wohl wahr, du lässt den Leser dieses Mal alleine. Du bleibst stilistisch reduziert und überlässt uns das Weiterspinnen Deiner Gedanken und so bleibt sie offen für Gefühle und Empfindungen - und spricht wohl den, bei dem kein Glöckchen anklingt, auch aus diesem Grund nicht so an wie Deine emotionaleren Geschichten.

Ich musste beim Lesen über etwas ganz anderes nachdenken, da ich ja gerade Oliver Sacks Geschichten über einige seiner neurologischen Fälle lese.

Mir stellte sich die Frage: Was ist normal? Wie schnell urteilt man über andere und über seine eigenen Kinder, weil sie nicht der Norm entsprechen? Statt Phantasie, Visionen und innere Welten als besonderen Teil dieser Menschen zu nehmen, kommen sie in die Schublade und werden therapiert. Sie verlieren ihre eigene Welt, die nur ihnen gehört und die sie hüten wie einen Schatz, sie verlieren vielleicht ihre Kreativität, aber am Ende sind sie angepasst und normal. Ich muss gerade an meinen kleinen Sohn denken und hoffe, ich schaffe es, ihm seine Welt nicht zu nehmen.

Liebe Grüße
melisane

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Rick,

wie auch Melisane hat mich deine Geschichte sehr berührt.
Ich las sie gleich nach deinem Posting und seitdem geistert sie in meinem Kopf umher.
Sie erinnert mich an die Zeit, als mein Sohn Alexander (!) noch klein war und seinen imaginären Freund 'Lumpsi' hatte. Alles, was er erlebte, erlebte er mit Lumpsi und er sprach auch immer mit ihm. Wenn wir gemeinsam auf dem Fahhrad fuhren, dann erzählte er unentwegt von seinem Freund.
Das war eine eigenartige Situation für mich, weil die Erlebnisse so ECHT waren, für Alexander so echt. Ich bin immer darauf eingegangen und tat so, als gebe es Lumpsi, nur, dass er sich eben nicht zeigen wollte.
Und nun deine Geschichte, ja, sie hat mich berührt.

Liebe Grüße,
jurewa

 

Hallo Rick!

Die Geschichte ist spannend, läßt sich flüssig lesen und das Ende ist mysteriös, das hat mir gefallen.
Daß sich Kinder einen Spielgefährten oder Beschützer einbilden, ist ja noch nicht so seltsam, wie auch der Thread bisher zeigt (ich hatte mir immer nur einen großen Bruder gewünscht, der nicht kam), aber daß Alexander am Ende an zwei Orten zugleich ist und den Sohn des Therapeuten kennt, ist sehr mysteriös/seltsam. (Hoffe, ich hab das richtig verstanden. ;))
Und ich war bis zum Ende gespannt, was da wohl noch kommt. Erst hatte ich ja gar nicht auf die Rubrik geschaut und eher erwartet, daß hier irgend etwas aufgedeckt wird, nach zwei Dritteln hab ich dann mal nach oben gescrollt und nachgesehen. :D

Was mir nicht so gefällt bzw. was ich nicht stimmig finde, ist der Therapeut. Zwar stört mich nicht, daß er Doktor ist, bei uns zumindest gibt es sowohl Therapeuten mit Doktortitel als auch welche ohne, aber auch die Sache mit der Sprechstundenhilfe; da Therapeuten für gewöhnlich stündliche Termine haben, die sie noch in der Lage sind, selbst im Kalender zu vermerken (sind ja auch, abgesehen von Erstgesprächen, großteils gleichbleibend), und auch die Bezeichnung des Therapieraums als »Büro«. Und warum vertraut ein Therapeut einem Innenarchitekten, wenn es um die psychologische Wirkung der Einrichtung geht, wo er doch selbst viel mehr Profi in solchen Dingen sein sollte?

Was ihn aber wirklich nicht als Therapeuten auszeichnet, ist diese Stelle:

"Soll ich sie schnell mal anrufen, damit sie sich keine Sorgen um dich machen müssen?"
[…]
Sicher würde sich bald eine günstige Gelegenheit ergeben, die Eltern zu benachrichtigen. Dass der Junge aber auf eigene Faust gekommen war, bewies nicht nur eine für dieses Alter erstaunliche Selbständigkeit, sondern ließ vermuten, dass Alexander wenigstens die erste Runde nach seinen Regeln spielen wollte. Es musste ihm irgendwie gelungen sein, etwas über die Pläne seiner Eltern herauszubekommen. Wie er erfahren haben mochte, dass seine Mutter bei Dr. Petersen einen Termin für ihn abgemacht hatte, war nur eines von vielen ungelösten Rätseln. Das musste zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden.
Vielmehr sollte er froh sein, mit Alexander alleine sprechen zu können, da er als Therapeut ja weiß, daß Eltern bei sowas eher behinderlich sind. Abgesehen vom Erstgespräch kann eine Therapie auch nur mit ihm alleine gemacht werden, die Eltern braucht er dafür nicht.
Und warum sollten die Eltern es ihm nicht gesagt haben, wieso bereitet das dem Therapeuten solche Kopfzerbrechen? Auch ein Kind stellt man normalerweise nicht überfallsartig einem Therapeuten vor. Mit zwölf sind Kinder eigentlich auch schon recht selbständig, wenn er also von dem Termin gewußt hat, finde ich das nicht so erstaunlich. Angenommen, er will nicht vor seinen Eltern über sich reden, schafft ein Zwölfjähriger den Gedanken »ich fahre einfach schon früher hin«, ohne dafür besonders selbständig oder intelligent zu sein. Ich würde Alexander also entweder ein paar Jahre jünger machen oder die Gedanken des Therapeuten ändern, sonst ist er bestimmt kein Therapeut mit so viel Erfahrung.

Tut mir leid, daß ich schon wieder so viel aussetzen muß. Ich glaube, ich habe bei Deinen Geschichten einen besonderen Glücksgriff. ;)
Am besten, Du nennst mir mal eine Geschichte, bei der Du ganz sicher bist, daß ich nichts finde. :)

Was ich noch herausgefischt habe:

»Deshalb war Dr. Petersen nicht darauf vorbereitet,«
– besser keine Abkürzungen in Geschichten

»Die Erinnerungen an Markus waren für den Psychologen«
– fände Einzahl besser: Die Erinnerung an Markus war

»begleitete Alexander in die Schule, verwickelte den Jungen bis spät in die Nacht in Gespräche«
– um das zweite »in die« zu vermeiden, könntest Du auch »bis spät nachts« schreiben

»Wie er erfahren haben mochte, dass seine Mutter«
– erfahren hat

»Petersen hatte noch hinterher geschaut,«
– zusammen: hinterhergeschaut

»"Ich würde gern wissen, wie du den Weg in meine Praxis gefunden hast."
"Das war leicht", entgegnete Alexander.«
– warum »entgegnete«?

»"Aber er ist doch ein Junge so wie du?"«
– würde das »so« streichen


Liebe Grüße,
Susi :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo melisane,

ich freut mich, dass dir dir KG gefiel und dich zu den geschilderten Gedanken anregte. Stilistisch habe ich mich wirklich sehr zurückgehalten, das stimmt, habe einfach nur den Plot im Vordergrund gesehen.

Danke für deinen Kommentar.

Hallo Jurewa,

Zitat: wie auch Melisane hat mich deine Geschichte sehr berührt.

Danke!

Ich finde es sehr schön, wenn einer meiner Texte diese Wirkung zeigt, wie du sie beschrieben hast: dass man sogar Parallelen zum eigenen Leben entdeckt.

Offensichtlich sind imaginäre Spielkameraden nicht so selten/ungewöhnlich wie ich zunächst dachte. Lumpsi - wie niedlich.

Ich freue mich sehr über deine positive Meinung zu der KG.

Hallo Häferl,

Zitat: Die Geschichte ist spannend, läßt sich flüssig lesen und das Ende ist mysteriös, das hat mir gefallen.

Vielen Dank!

Zitat: aber daß Alexander am Ende an zwei Orten zugleich ist und den Sohn des Therapeuten kennt, ist sehr mysteriös/seltsam. (Hoffe, ich hab das richtig verstanden.

Tja, ehrlich gesagt war das eigentlich nicht so gemeint. Eigentlich dachte ich, es wäre recht eindeutig, wer da beim Doktor aufgetaucht ist. Und das wiederum ließe ja mehrere Interpretationen offen. Alexander ist jedenfalls daheim, bei seiner Mutter geblieben.

Deine Ausführungen zum Punkt "Therapeuten" decken sich weitgehend mit sims Anmerkungen, ich muss da auch unbedingt noch die nötigen Änderungen machen. Der Begriff "Therapeut" muss gänzlich raus aus dem Text. Doktor, Arzt, Psychiater - diese Schiene.

Die Szene, die dir ebenfalls unlogisch vorkam - dass der Arzt sich wundert, weil ein zwölfjähriger Junge, der eigentlich einen Termin mit seinen Eltern hatte, allein kommt, und viel zu früh - finde ich ehrlich gesagt gar nicht mal so unlogisch. Warum sollte er nicht mit dem Gedanken spielen, ob es richtig ist, die Situation gleich zu einem Einzelgespräch auszunutzen, oder nicht doch besser und korrekter wäre, erst einmal die Eltern zu verständigen?

Man gewinnt bei seinen Geschichten ja immer wieder recht erstaunliche Erkenntnisse darüber, wie Textpassagen, die man selbst für stimmig, unmissverständlich und logisch hält, in der Wahrnehmung anderer ganz anders bewertet und verstanden werden - es sind ja oft die Knackpunkte, ob eine Geschichte ankommt oder nicht, ob sie gefällt oder durchfällt, ob sie Wirkung erzielt oder verfehlt.

Wie dem auch sei, ich hätte es auf alle Fälle komisch gefunden, wenn so ein Zwölfjähriger einfach so in meine Praxis spazierte, viel früher als angekündigt und ohne die Eltern, die ihn eigentlich begleiten wollten. Und ich hätte dann so reagiert wie mein Prot.

Zitat: Tut mir leid, daß ich schon wieder so viel aussetzen muß.

Nein, das ist in Ordnung so, es geht ja um deine Meinung und nix anderes.

Zitat: Am besten, Du nennst mir mal eine Geschichte, bei der Du ganz sicher bist, daß ich nichts finde.

Nein, ich werde nie sagen, welches meiner "Kinder" ich am liebsten mag und es empfehlen. Ich liebe sie alle, jedes auf seine Art. Seufz.

Deine sonstigen Anregungen und Änderungen werde ich wohl alle so übernehmen, sie klingen mir recht schlüssig und bringen die Geschichte voran.

Vielen Dank für Deine Zeit und Mühe mit meinem Text.

Grüße von Rick

 

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