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Toskana

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18.06.2003
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Toskana

Es war einmal, vor nicht allzu langer Zeit, da lebte eine Frau, die war recht glücklich mit ihrem Leben. Sie hatte eine schöne Wohnung, einen netten Mann, Freunde, auf die sie sich verlassen konnte und einen Job, den sie liebte. Doch im Laufe ihres Lebens kam sie auf den Gedanken, dass ihr etwas fehlte, denn sie hatte schon viele Paare getroffen, die ihr gesagt hatten: „Zieh doch in die Toskana, da ist es so schön, man hat viel Spaß, hat ein erfüllteres Leben und ist glücklicher und zufriedener.“
So beschlossen die Frau und ihr Mann, dass sie in die Toskana ziehen würden. Die Vorbereitung dauerte fast genau neun Monate und es war eine recht schöne Zeit, auch wenn es gegen Ende etwas anstrengend wurde. Aber beide freuten sich auf ihr neues Leben.

Dann kam der Tag, an dem sie in die Toskana versetzt wurden. Es war die anstrengendste und schmerzhafteste Erfahrung, die die Frau je gemacht hatte. Als sie die Augen öffnete, war sie überrascht, denn sie war vollkommen alleine. Weder ihr Mann, noch ihre Freunde hatten ihr folgen können. Zudem war sie nicht in der Toskana, sondern in Sibirien gelandet. Alles rund um sie herum war eintönig und grau. Ihr schönes Leben, ihr Job und ihre Freunde waren weit, weit weg. Zudem wurde ihr mitgeteilt, dass sie von nun an in Sibirien überleben müsse, ganz auf sich gestellt und ohne viel Hilfe. In den ersten vier Tagen bekam sie noch etwas Unterstützung, danach musste sie sehen, wie sie klar kam. Eine Weile stand sie hilflos herum, dann begann sie sich auf den Rückweg zu machen. Langsam wurde ihr klar, dass sie rund 18 bis 20 Jahre unterwegs sein würde, bevor sie wieder in ihr altes Leben zurückkam und dass sie dann durch die Erlebnisse nicht mehr die selbe Person sein würde. Schritt für Schritt ging sie durch die eintönige Landschaft und wunderte sich, dass sie freiwillig hierher gekommen war. Manchmal sah sie auf die Uhr und stellte fest, dass dankbarer Weise wieder fünf Minuten der 20 Jahre vergangen waren. Sie war darüber sehr froh.

Irritierend fand sie allerdings, dass jeder sie fragte: „Und, ist es nicht schön in der Toskana?“
„Ja“, sagte sie dann, „natürlich ist es schön hier.“
„Genieß es“, sagten sie dann zu ihr, „ so schön wird es nie wieder.“
Und sie sah sich in der endlosen, tristen Umgebung um, sah zurück auf die geschafften vier Monate und war sehr froh, dass sie bereits hinter ihr lagen.
Manchmal entdeckte sie tatsächlich eine schöne Blume am Wegesrand und war froh, diese nicht verpasst zu haben. Mit der Zeit wurden die Blumen häufiger, aber sie wusste, dass noch viele schlimme Tage vor ihr lagen. Manchmal erzählte man ihr von ihrer zukünftigen Etappe und sie hatte etwas Angst davor.
Am meisten irritierte sie die Tatsache, dass sie niemand erklären konnte, dass sie statt in der Toskana in Sibirien gelandet war. Immer wenn sie es versuchte, sah man sie verwirrt an und sagte: “Aber schau doch die schönen Blumen! Ist es nicht wundervoll hier?!“ Also gab sie es auf und wenn man sie fragte, sagte sie nur: „Es ist wunderschön in der Toskana!“

Auch traf sie andere Frauen, manche, die es wirklich in die Toskana geschafft hatten und die sie dafür hasste. Andere waren in Sibirien, wie sie und sie fühlte sich ihnen verbunden. Und es gab sogar welche, die hatten es wirklich schlecht getroffen.
Aber selbst wenn sie gewollt hätte, sie konnte nicht zurückkommen. Wenn man erstmal weggezogen ist, muss man den ganzen Weg zu Fuß in die Toskana gehen.

 

Hallo Teffa,

ein Märchen zur postnatalen Depression?
Jedenfalls det Tonfall erinnert an ein Märchen und auch die etwas unwahrscheinliche Art, nach Sibirien zu kommen. Mächen haben natürlich den Vorteil, dass sie nicht wahr sind. Aber was ist hier für dich nicht wahr? Die Versprechungne vor der Geburt oder Sibirien?

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Teffa,

ja, ja, was für den einen die Toskana, ist für den anderen Sibirien - die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Netter Gedanke, dass man das Ziel anderer für sich übernimmt und sich dann wundert, warum man nicht zufrieden damit ist.

Dass Toskana und Sibirien symbolisch für die Vor- und Nachteile der Mutterschaft stehen, ist ziemlich offensichtlich - was keine Kritik ist. Neben dieser symbolischen, märchenhaften Ebene hätten mich auch die realen Details interessiert. Was sind für die einen die Blumen, für deine Prot aber nur die Eiseskälte? Aber das wäre eine andere Geschichte gewesen.

Liebe Grüße
Juschi

 

hello Teffa,

märchenhaft erzählt, aber oft traust Du Dich nicht, eindeutig zu sein und schränkst ein:

'fast genau neun Monate' - warum nicht: neun Monate?
'eine recht schöne Zeit' - warum nicht: eine schöne Zeit?
'gegen Ende etwas anstrengend' - warum 'etwas'?
'noch etwas Unterstützung' - warum 'etwas'?
'sie hatte etwas Angst' - warum 'etwas'?

'20 Jahre vergangen waren. Sie war darüber sehr froh....vier Monate und war sehr froh...Blume am Wegesrand und war froh'

'So beschlossen die Frau und ihr Mann, dass sie in die Toskana ziehen würden' - Vorschlag:
So beschlossen die Frau und ihr Mann, in die Toskana zu ziehen.

Eine schöne Idee, dieses Bild mit der langjährigen Reise.

Viele Grüße vom gox

 

Hallo Teffa,

eine schöne, auch mutige Geschichte über den Schock, den eine Mutterschaft bedeuten kann. Wie viele fühlen zu Anfang so?
Du hast die Vergleiche konsequent durchgezogen, nichts dramatisiert, nichts beschönigt. Man kann nur hoffen, dass die Mutter nach einem oder mehreren Jahren doch noch in der Toscana landet, den meisten geht es zum Glück so.
Gefiel mir, die Geschichte.

Viele Grüße
Pischa

 

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