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Trafalgar
Nicht der perfekte Tag, etwas grau und windig. Vielleicht gab es Regen. Es ging nach Westen durch die Berge, durch mit Windrädern bepflanzte Täler, vorbei an weißen Dörfern, grauen Felswänden, grünen Abhängen, dem riesigen Stier oben auf dem Berg.
Sie machten halt in einem Dorf, dessen Name wie Bologna klang. Vielleicht hieß es auch so. Sie parkten zwischen zwei angejahrten Wohnblöcken. Neben ihnen ein Kleinlaster aus Dresden. Sanitärinstallationen Dietmar Busch.
Am Strand sammelte Heim weiß-braune Muschelhälften. Jorge schoss Fotos. Er forderte Heim auf, sich geradezu an die Brandung zu stellen. Zwei Möwen stritten sich.
In ihrer Nähe spielten Kinder mit dem Sand. Weiter hinten ging jemand mit seinem Hund, obwohl die Schilder sagten, dass das verboten sei. Am Holzgeländer zum Parkplatz lehnte ein Pärchen. Er rauchte, sie redete. Zu seinen Füßen fand Heim eine finnische Milchpackung.
„Ist doch geil hier“, sagte Jorge.
Eine Gruppe junger Frauen kam auf dem Steg vom Parkplatz zum Strand hinunter. Jorge hielt mit der Kamera drauf: „Mama. Die sehen ja richtig gut aus.“
Heim schaute kurz. „Es geht“, sagte er. Jorge kontrollierte die Bilder im Kameradisplay: „Sehen britisch aus.“
Vorigen Abend hatte sich Jorge zu Sandra auf die Couch gesetzt, ihr seine Fotos gezeigt und sie dabei angefasst. Als sie gegangen war, hatte er gesagt: „Da geht was.“
Heim hatte nichts getan.
In Tarifa aßen sie Steak und in Trafalgar gingen sie zum Leuchtturm hoch, zur „großen Schmach“, wie Jorge sagte.
Sie stiegen über das Geländer und setzten sich auf die Felsen. Unter ihnen das wäre schon der Atlantik, sagte Jorge. Das Wasser toste und schäumte in immer neuen Wellen gegen die Wand und das Steinfeld davor.
Ein kleines Metallschild direkt an einem Stein kurz vorm Abgrund sagte, hier wäre jemand gestorben, der vielleicht noch nicht hätte sterben sollen. Wahrscheinlich ein Junge aus dem Ort, der mit seinen Freunden auf den Felsen gesessen, wie sie einen geraucht und sich dann zu viel bewegt hatte.
Oder ein dicker Touristensohn, dessen Eltern ihm noch eingebläut hatten, dass er gefälligst in ihrer Nähe zu bleiben habe und es verdammt nochmal langsam reiche mit ihm, dem dicken Oliver. Und dann war er unter dem Geländer durchgeschlüpft, der dicke Oliver, hatte unten auf das tosende Wasser gestarrt. Er hatte kleine Steine gesucht und sie in den Atlantik geworfen, sofern Jorge recht hatte und das nicht mehr das Mittelmeer war.
So ist es dann passiert. Die Steine sollten weiter, immer weiter fliegen. Beim letzten Wurf war der dicke Oliver mitgeflogen.
„Wer weiß, was aus dem geworden wäre“, sagte Heim. „Pornostar vielleicht.“ Dann lachte er und Jorge lachte auch.
„Hoffentlich ein Brite“, sagte Jorge.
„Hoffentlich ein Spanier“, dachte Heim.