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- 03.08.2005
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Traum
Es scheint ein viel versprechender Abend zu werden. Das Haar ist gefönt, die Haut duftet angenehm frisch und männlich. Die Kleidung ist multikompatibel zusammengestellt.
Es ist Samstagabend und draußen pulsiert das Leben.
Gemeinsam wollen wir erfahren, ob die partyhungrige Meute uns fassen kann, fressen kann.
Die Erwartungen sind erstaunlich neutral. Ein reiner Schutzmechanismus. Der Fernseher wirft wechselndes Licht ins Zimmer, der Ton ist abgeschaltet. Die eigene Musik gefällt dann doch mehr. Ein Sechser wird gemütlich einverleibt. Wir plaudern ein wenig und warten auf den inneren Startschuss. Noch ist es so schön gemütlich. Es fällt schwer, sich der latent wachsenden Benebelung, die den Raum erfüllt zu entkommen. Also dann, es wird Zeit. Das Taxi braucht zehn Minuten. Der Fahrer ist nicht sehr gesprächig, was uns aber nicht weiter stört. Die Musik soll aus den 60ern stammen. Das ist ja schon ein bisschen her und ich überlege kurz, ob man in vierzig Jahren auch zu unserer Musik tanzen wird. Die Antwort gebe ich mir selber. Der Eintritt ist bezahlbar. Es ist voll. Die Mitternachtsstunde ist noch nicht erreicht. Wir fragen uns aus welchen Löchern all diese schönen Menschen gekrochen kommen. Auf dem Weg zur Arbeit begegnet man denen nie. Sobald es Wochenende wird, so scheint es, müssen alle durchschnittlich aussehenden Menschen früh ins Bett. Schön sind wir nicht, aber unser Charisma wird das schon wieder ausgleichen, so machen wir uns selber Mut. Wir müssen lachen. Komisch. Unser Weg führt zur Bar. Erstmal ein kühles Blondes. Wir sind erschlagen, von soviel Ausgelassenheit. Ich denke, das ist so eine Sache, in die wir im Laufe des Abends rein wachsen werden. Noch haben wir Welpenschutz. Erst mal abwarten und schauen was die anderen so machen. Bitte noch ein Bier. Die Musik ist in Ordnung, halt Klassiker. Man kann mitsingen und das Schöne ist, es hört ja keiner. Hier ist jeder ein Star, wenn die Lippenbewegungen nur ein wenig dem Liedertext ähneln. Lässig stehen wir da und fühlen uns dazugehörig. Ein schönes, warmes Gefühl. Auf der Welt sterben Menschen, aber das ist morgen erst wieder wichtig, vielleicht. Die Bewegung und der ansteigende Alkoholpegel in unserem Blutsystem lässt uns locker werden. Erst tippen wir mit den Füßen, dann swingt dazu der Oberkörper und schließlich finden wir uns auf dem Paket wieder. Hier ist es heiß, die Luft ist voll von Hormonen und angenehmen Gerüchen. Körperkontakt ist unumgänglich. Wir schließen die Augen für einen Moment und lassen die Eindrücke auf uns wirken. Wir fühlen uns glücklich. In diesem Moment kann uns wenig aus der Bahn werfen.
Draußen geht die Sonne auf, wir wagen einen letzten Tanz. Viel zu früh verebbt der letzte Ton vom Plattenteller.
Innerlich noch unruhig, stolpern wir in den neuen Morgen. Andere feiern noch woanders weiter. Wir streichen die Segel und verabschieden uns von diesem wunderschönen Traum.