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Trunken
Es ist dunkel und der Himmel zeigt, was er hat. Die Sterne sind beschwipst und Karin zerquetscht ihre Zigarette im Kirschlorbeerkübel. Eigentlich raucht sie nicht. Sie findet den Geschmack der Zigaretten ekelig. Sie steckt sich noch eine an. Trotzig zieht sie tief am Filter, als ob sie beweisen muss, dass die Zigarette ein Gaumenschmaus ist. Karins Beine fühlen sich schwer an. Das Make up ist verschmiert, aber ihr ist es egal. Sie inhaliert den Rauch, wischt sich noch mehr Wimperntusche mit dem Handrücken über die Wangen, nach außen bis zu den Ohren. Am Haaransatz kleben weiße krümelige Reste. Wie viele sind es gewesen?
Die Glut der Zigarette hat den Filter erreicht und Karin nimmt trotzdem einen weiteren Zug, versengt sich ihre Lippen. Wie idiotisch! Heiße Schwaden aus Nikotin und Sangria wabern in ihrem Bauch. Wenn Karin die Augen schließt, dröhnt das Blut in den Ohren. Nichts mehr fühlen, nichts mehr sehen, nur noch angenehme Leere will sie in sich tragen. Geht zurück in das Haus, über den Flur auf die Gästetoilette und übergibt sich.
Die anderen Partygäste liegen währenddessen mehr oder weniger bekleidet auf dem mit Chips und Erdnüssen übersäten Boden und schnarchen weinselig ihren Rausch aus. Oder lümmeln auf dem verschmierten Sofa herum. Einige der Halbnackten umlagern die knallroten Eimer, aus denen Strohhalme heraus ragen. Einige der Frauen kichern, als einer der schlafenden Kerle einen Steifen bekommt. Eine dralle Brünette öffnet dem Ahnungslosen den Reißverschluss und befreit seinen Schwanz aus der engen Hose und sich vom String. Die anderen Frauen lachen grölend, als das Luder sich auf den Mann setzt, den Schwanz wie einen Dildo in sich hineinschiebt. Sie bumst ihn lautstark stöhnend. Durch den Krawall animiert, steht einer der Männer wankend von seinem Lager auf, lässt seine Hose fallen und besteigt eine schlafende Frau, deren blondes Haar wie ein Fächer ausgebreitet ist. Sie heißt Magda und ist Karins Reisebekanntschaft. Magda hat Karin mitgenommen.
Wie viele sind es gewesen?
Karin erinnert sich, dass sie den ersten Brandy gleich nach Ihrer Ankunft getrunken hat. Sie hat niemanden außer Magda gekannt. Vor ein paar Tagen kam sie angereist. Ein Geschenk zum vierzigsten Geburtstag, der Kurzurlaub für Mama in den Süden.
Die Männer sehen ganz passabel aus und die Frauen taxieren sie, als würden sie Karin pfundweise einschätzen. Karin findet sich durchschnittlich hübsch, doch Magda meint, die Männer würden bestimmt auf sie fliegen. Es dauert nicht lange und Karin ist von Tänzern umlagert, die sich aufreizend zum Beat bewegen, als seien sie in Musik gegossen. Es ist heiß und das Kleid plötzlich eng wie eine zweite Haut. Wenn Karin tanzt, ist es, als sei sie nackt. Die Männer sehen zu, wie Karin das Kleid lupft, als wolle sie der heißen Haut darunter die kühle Luft des Meeres zufächeln. Karin sieht die Männer gierig an den Strohhalmen saugen. Streckt den Busen vor und wippt mit dem Po. Die Männer sollen jede Wölbung an ihr sehen. Schließt die Augen und fühlt Hände, die ihre Handgelenke umschließen. Ein Körper schmiegt sich an den ihren. Lippen berühren ihren Hals, eine Zungenspitze gleitet, streichelt.
Karin öffnet die Augen. Der Mann ist klein und gedrungen, hat schwarze Augen, einen Dreitagebart, sehr weiße Zähne. Er duftet nach Oliven und Sangria. Er reibt sich an ihrem Kleid, an ihren Schenkeln, an ihrem Schoß.
Karin küsst diesen Mann, den sie nicht kennt. Sie lässt sich von ihm ficken und von einem anderen. Alle diese Männer sind auf eine tolle Weise hässlich und sinnlich zugleich. Sie ist vollkommen ausgelaugt und wund, zwischen den Beinen, auf den Lippen, an den Brustwarzen und doch nicht satt. Plötzlich entdeckt sie ihn. Sein Haar trägt er lang. Es ist schon weiß, aber trotzdem voll. Seine Kiefer mahlen aufeinander, sein Blick ist fest auf sie gerichtet. Wie lange hat er sie angestarrt? Er fließt mit der Musik auf sie zu.
Greift ihren Schopf, zieht Karin wie ein unartiges Kind hinter sich her, drängt sie in die Küche, küsst sie brutal, nimmt ihre Hand und legt sie auf sein Glied. Es ist groß und hart.
Als er in sie hineinstößt, schreit Karin wie erlöst auf. Die Schwere seines Körpers nimmt ihr die Luft. Sie gibt sich ihm hin, fordert mit spitzer Stimme, er solle sie zu Tode ficken.
Die kalten Fliesen im Rücken, sieht Karin das Mondlicht durch die Küchenfenster kriechen, keucht knisternd, ist wie ein Blitz, kurz vor der Entladung aus verhangenem Himmel.
Karin ist betrunken und sie weiß, wie man kotzt. Der Morgen graut. Karin nennt es die Blaue Stunde, wegen des besonderen Lichts. Es ist die wenige Zeit, die sich Karin gelegentlich nimmt, bevor ihre Familie in den Tag platzt. Es ist zu wenig Zeit, wenn man vierzig ist. Bald wird sie wieder nach Hause fliegen. Sie kotzt ins Klo und daneben. Sie wird nächstes Jahr wieder kommen. Nach ihrem Geburtstag.