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Unbekannter Freund

Ma2

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12.02.2007
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Unbekannter Freund

Es war schon spät. Ich saß allein in meinem Arbeitszimmer und nur die kleine rot-weiß karierte Tischleuchte spendete mir das nötige Licht, das ich zum Zeichnen brauchte. Ich liebte es zu zeichnen. Am liebsten kleine Daumenkinos, mit denen ich als kleiner Junge immer so gern gespielt hab. Etwas, worüber man lachen kann. Meine Frau hielt nie viel davon. Sie sagte immer, davon könne man nicht leben. Sie hatte ja Recht, aber es bereitete mir irgendwie Freude.
Mein Vater hat mir schon früh erklärt, dass es im Leben nicht immer um Spaß geht. „Junge, du musst etwas Anständiges lernen, etwas Handfestes!“, waren seine Worte. So trat ich vor knapp siebzehn Jahren meine Elektrikerlehre an. Heute bin ich in einem kleinen Betrieb bei uns im Ort beschäftigt. Nicht gerade die Erfüllung, aber am Anfang des Monats ist das Geld auf dem Konto.
Ich drehte mich in meinem ledernen Chefsessel, den ich mir vor knapp drei Jahren unter lautem Protestgeschrei meiner Frau gekauft hatte, um und schaute aus dem Fenster. Plötzlich sah ich jemanden, einen Mann. Sein Blick war ausdruckslos und er schien jegliche Lebensfreude verloren zu haben. Verschüchtert winkte ich ihm zu. Ebenso verschüchtert winkte er zurück. Ich musste schmunzeln. Unbewusst fing ich an verrückte Grimassen zu schneiden und er stand mir in nichts nach. Einige Minuten lang saßen wir uns gegenüber und freuten uns wie kleine Jungs über die Verrücktheit unserer Gesichter. Dann stand ich auf. Er erhob sich zeitgleich. Ich stellte mich breitbeinig hin, meine Arme hingen lang nach unten. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und spreizte Zeigefinger und Daumen ab. Ich fühlte mich wie John Wayne in einem dieser alten amerikanischen Western. Ich wollte gerade die Revolver im Zeigefinger kreisen lassen, als der Raum plötzlich hell erleuchtet war. Der Mann war verschwunden.
Ich drehte mich um und sah meine Frau in ihrem verwaschenen Schlafanzug im Türrahmen stehen. „Was zur Hölle treibst du hier mitten in der Nacht?“, fragte sie mich auf diese herablassende Art und Weise, in der sie ständig mit mir spricht.
Ekel stieg in mir auf. Eine Art Hassgefühl. Hass auf alles, Hass auf sie, Hass auf meine Eltern, Hass auf mich und auf die Art und Weise, wie ich mein Leben führe.
„ Ich sehe aus dem Fenster und warte auf Inspiration!“, antwortete ich ihr.
Mit ihrem hämischen Grinsen und der klassischen Verachtung in ihrer Stimme antwortete sie: „Dann mach doch beim nächsten Mal die Jalousien hoch, du Trottel. Vielleicht kannst du sie dann sehen!? Und jetzt komm ins Bett, du musst morgen früh arbeiten.“
Erstaunt drehte ich mich um und sah die verschlossenen Jalousien. Danach folgte ich ihr ins Bett. Meinen unbekannten Freund sah ich nie wieder.

 

Hey Ma2,

Etwas worüber man lachen kann.
Etwas,

Sie sagt immer,
Sagte
Wenn du’s im Präsens belassen willst, musst du auch das „hielt“ im Vorsatz ändern.
Auch später gehst du dann ins Präsens (hat ja Recht, bereitet mir Freude), dabei bist du in genau dem gleichen Fall im ersten Absatz (Ich liebte das Zeichnen) im Imperfekt geblieben. Das Rumgehüpfe geht so nicht.

„Junge, du musst etwas anständiges lernen, etwas handfestes!“,
etwas Anständiges, etwas Handfestes.

So trat ich vor knapp 17 Jahren
Siebzehn (Zahlen am besten immer ausschreiben, es sei denn, man kann die ausgeschriebene Zahl nicht mehr auf einen Blick erfassen)

Die Erfüllung ist das nicht, aber am Anfang des Monats ist das Geld auf dem Konto.
Das doppelte „ist“ wirkt unlebendig und müffelt nach Schulaufsatz.
Vorschlag: Nicht gerade die Erfüllung, aber wenigstens ist am …

Ich drehte mich in meinem ledernen Chefsessel, den ich mir vor knapp drei Jahren unter lautem Protestgeschrei meiner Frau gekauft hatte um
Zwischen „hatte“ und „um“ fehlt ein Komma. Dann enthüllt sich die Konstruktion auch in ihrer umständlichen Schrecklichkeit.

Er sah traurig aus. Sein Blick war ausdruckslos und er schien jegliche Lebensfreude verloren zu haben.
Wozu brauchst du den ersten Satz, wenn du den zweiten hast? Traust du dem Leser nicht zu, aus dem Verlust jeglicher Lebensfreude auf „Traurigkeit“ zu schließen?

die wir imstande waren zu machen.
Uh, das ist wirklich hässlich. Wenn du das „machen“ schon nehmen willst, dann doch bitte möglichst schlicht (die wir machen konnten). Das kindliche „machen“ mit dem Bürokratenwort „Imstande“ zu koppeln, grenzt ja an Sprachvergewaltigung.

Ich ballte meine Hände zu Fäusten, spreizte Zeigefinger und Daumen ab und simulierte somit zwei Revolver. Ich fühlte mich wie John Wayne in einem dieser alten amerikanischen Western
Wenn du die ersten zwei Drittel des ersten Satzes und den zweiten Satz für sich nimmst, wird schnell klar, dass „und simulierte somit zwei Revolver“ völlig überflüssig ist. Das kann sich jeder denken.

fragte sie mich auf diese herablassende Art und Weise in der sie ständig mit mir spricht.
Schreib doch den Text komplett im Präsens. Darüber hinaus: Komma nach „Weise“.

Hass auf alles, Hass auf sie, Hass auf meine Eltern, Hass auf mich und auf die Art und Weise wie ich mein Leben führe.
Wieder Komma nach „Weise“. Außerdem eine komische Dopplung des ohnehin schon gedoppelten Wortpaars „Art und Weise“. Vorschlag: Nimm bei der Frau die Art und beim Leben die Weise.

Ich mag die Geschichte. Du hast einen sympathischen Erzählton, noch ein wenig ungeschliffen (meiner Meinung nach), aber mit einer schönen Grundstimme.
Der Pantoffelheld, der gerne John Wayne wäre, sich aber nicht mal gegen das Schlafzimmermonster durchsetzen kann, und der dann für wenige Augenblicke seinem „Spiegelbild“ gegenübertritt, um mit ihm ein bisschen rumzualbern - das macht schon Spaß, ihm dabei zuzusehen. Da vermisst einer die Freiheit und die Kindheit. Da wäre einer gerne ohne Verantwortung und zugleich sein eigener Herr, ein Mann, und nicht mehr Sohn, Ehemann oder Elektriker.
Schön gemacht.
(Ich hätte mir fast noch gewünscht, dass er mit seiner imaginären Pistole am Ende seiner Frau in den Rücken schießt –als kleine Trotzreaktion auf ihr „Trottel“. Dann könnte sie sich umdrehen und fragen: „Ist was?“ und er dann „Nein“. Und danach: Meinen unsichtbaren Freund sah ich nie wieder. Aber es ist deine Geschichte).

Gruß
Quinn

 

Hallo MA2,

Auf die Fehler/ unglücklichen Formulierungen gehe ich nicht mehr ein, das hat mein Vorgänger schon gemacht.

Dann bleibt mir noch zu sagen: Deine Geschichte gefällt mir. Stelleneweise noch ein wenig holprig, aber nichtsdestotroz im großen und ganzen flüssig zu lesen. Du hast es geschafft, das Bild eines Mannes zu zeichnen, der in seinem mittelmäßigen Leben gefangen ist, aber das Träumen nicht verlernt hat. Schön.

Zitat von Quinn:
(Ich hätte mir fast noch gewünscht, dass er mit seiner imaginären Pistole am Ende seiner Frau in den Rücken schießt –als kleine Trotzreaktion auf ihr „Trottel“. Dann könnte sie sich umdrehen und fragen: „Ist was?“ und er dann „Nein“. Und danach: Meinen unsichtbaren Freund sah ich nie wieder. Aber es ist deine Geschichte).
Ouh ja, das wäre meiner bescheidenen Meinung nach das i-Tüpfelchen der Geschichte.

lg, marinastraum.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Quinn und marinastraum!

Vielen Dank für eure Anmerkungen.

Freut mich, dass Euch die Geschichte im Großen und Ganzen gefallen hat. Ich denke, dass die größten "Sprachvergewaltigungen", wie Quinn sie so liebevoll bezeichnete, jetzt ausgeräumt sind. Es dürfte also nun nicht mehr ganz so schmerzhaft sein, die Geschichte zu lesen:-)
Über das alternative Ende denke ich mal nach, ist aber unwahrscheinlich, dass ich es ändern werde.
Nichts desto Trotz, vielen Dank noch mal für Eure Bemühungen!

MfG
Ma2

 

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