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Und dann kommt der Regen...
Prolog
Er war wie ein Sommersturm. Plötzlich war er da, brachte mein ganzes Leben durcheinander und als ich mich gerade an ihn gewöhnte war er weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Nun blieben nur noch Erinnerungen zurück, die in einen Schuhkarton passten und in der hintersten Ecke des Kleiderschrankes versteckt wurden. Manchmal kramte ich sie wieder hervor, nur um zu sehen, dass es kein Traum gewesen war.
Dieser Sommer war der schönste und der traurigste in meinem Leben.
So dachte ich damals.
Es war nicht wirklich so, dass er weg war, ich hätte ihn jeden Tag im Nachbardorf besuchen können, doch für mich war er gestorben, vergraben in dem letzten Winkel meiner Erinnerungen.
Wahrscheinlich hat es den Anschein wir hätten uns im Streit getrennt, doch so war es nicht, es war viel mehr ein stummes Einverständnis zwischen uns beiden, es war damals die beste Lösung, aber auch die einfachste.
Eigentlich haben wir uns nicht mal getrennt, denn wir waren nie zusammen, es bestand nur ein unsichtbares Band zwischen uns, was er einfach zerschnitt.
Er brach mir das Herz.
Heute ist wieder ein Tag an dem ich den Schuhkarton rausnehme und mich in die Welt versetze wie sie war, als ich spürte meiner großen Liebe begegnet zu sein.
1
Alles fing mit einer Freundschaft an.
Er war mein bester Freund.
Ich seine beste Freundin.
Es hätte alles so wunderbar unkompliziert sein können, hätte ich mich nicht plötzlich in ihn verliebt.
Es waren Sommerferien und wir trafen uns oft in unserer Clique.
Ende der Ferien waren wir alle verabredet: Die ganze Clique.
Wir wollten ins Bistro gehen, danach vielleicht noch die Stadt unsicher machen.
Um acht stand er vor der Tür, ich war noch nicht ganz fertig, also wartete er in der Küche.
Ich bürstet gerade mein Haar, als er lächelnd im Türrahmen stand mit einem Blick unter dem ich zum ersten Mal in seiner Gegenwart Herzklopfen bekam.
Langsam kam er näher und blieb dicht vor mir stehen und strich mir behutsam die Haare zu Recht, dabei sagte er und ohne mich anzusehen:
„ Ich bin so froh dich zu haben. Du bist die Allerbeste.“
Scherzend sagte ich, weil ich sicher war zu erröten: “Danke, weiß ich doch.“
Er sah mich ernst an und blickte mir in die Augen, dabei konnte ich die intensive Farbe seiner braunen Augen sehen, mir wurde ganz schwindelig.
„Lass gehen, die anderen warten schon.“
Nachdem ich mein Fahrrad aus der Garage geholt hatte, fuhren wir durch die leeren Straßen, die Sonne schien und es roch nach Sommer.
Wir schwiegen. Nicht so ein Schweigen was einem bedrohlich vorkommt und man ständig das Gefühl hat etwas sagen zu müssen, egal was, sondern das Gefühl sich auch ohne viele Worte zu verstehen.
Dieses Schweigen empfand ich als ein Zeichen von Vertrauen und Ruhe.
Neben ihm fühlte ich mich sicher, als könnte nichts und niemand mir was anhaben.
Als wäre mein Platz an seiner Seite.
Die anderen saßen schon im Bistro als wir ankamen und schienen sich prächtig zu amüsieren. Wie gingen durch die Tür und wurden mit einem großen „Hallo“ begrüßt. Stefan setze sich neben Sandra, meiner besten Freundin, und ich quetschte mich zwischen Katrin und Alex.
„Wollt ihr einen Witz hören?“ fragte Alex, dabei wartete er gar nicht erst die Antwort ab, sondern fing an zu erzählen: „Also, hört gut zu.“ Die Anderen seufzten. „ Fliegt ein Luftballon durch die Wüste und trifft einen Kaktussssssss“
Ich begann zu lachen und steckte damit alle anderen an.
„Talea, der Witz war so was von unwitzig, aber du schaffst es immer wieder, Alex aus der Patsche zu helfen. Du lachst und die ganze Welt lacht mit dir“ sagte Sandra.
„Der Witz war gar nicht unwitzig, du hast in nur nicht verstanden.“ Alex streckte die Zunge Richtung Sandra aus und die konterte: „ Ich bin nicht die Einzige, die nicht über deine Witze lacht.“
Bevor die beiden weiterstreiten konnten, kam der Kellner und nahm unsere Bestellung auf.
Es wurde noch ein schöner Abend, mit viel Gelächter.
Komischerweise reagierte ich eifersüchtig wenn Sandra und Stefan miteinander redeten oder zusammen lachten. In mir zog sich etwas zusammen, die Luft blieb mir weg, obwohl ich wusste, dass die beiden nur Freunde waren.
In einem Moment als die beiden wieder beobachtete, kam Alex näher und flüsterte mir ins Ohr, dass es wohl bald ein neues Pärchen unter uns geben würde.
Ich sah in zweifelnd an und antwortete, dass Stefan mir das bestimmt erzählt hätte wenn er Interesse an Sandra gehabt hätte. Doch seltsamerweise glaubte ich meinen eigenen Worten nicht so recht.
2
Gegen zwölf fuhren wir alle wieder nach Hause, Stefan begleitet mich, also fuhren wir zusammen durch die schwarze Nacht und redeten über den Abend, der uns beiden gefallen hatte.
Vor meinem Haus blieben wir stehen und auf einmal herrscht eine Spannung zwischen uns, die ich nie vorher gespürt hatte. Jedes Mal wenn wir uns nur im Vorübergehen berührten bekam ich eine Gänsehaut und Herzklopfen. Mir wurde abwechselnd kalt und warm. Auf einmal wusste ich nichts mehr zusagen.
Da es noch relativ früh war setzen wir uns in unsere Hollywood-Schaukel, die im Garten stand.
Mit jeder Faser meines Körpers spürte ich ihn neben mir. Etwas zwischen uns hatte sich geändert, nur hatte ich Angst ich wäre die Einzige die das wahrnahm.
Das müsste Liebe sein dachte ich als ich meine Augen schloss und die Nähe genoss.
Irgendwann flüsterte er aufgeregt: „Talea! Hast du die Sternschnuppe gesehen? Sie flog direkt über uns!“
„Nein, ich hab sie nicht gesehen .Noch nie habe ich eine Sternschnuppe gesehen, dabei würde ich das doch so gerne. Was hast du dir gewünscht?“ Enttäuscht über das verpasste Erlebnis und doch gleichzeitig neugierig auf seine Antwort schaute ich ihn direkt an.
Er sah weg und flüsterte seine Antwort in die Nacht: „Wenn ich eine Sternschnuppe sehe wünsche ich mir nie was, weil ich dann das Gefühl habe jemanden einen Wünsch wegzunehmen, der die Sternschnuppe zur gleichen Zeit sieht.“
In diesem Moment wusste ich das ich ihn liebte!
3
Die nächsten Tage ging ich Stefan so gut es ging aus dem Weg. Ich rief ihn nicht an, ging nicht ans Telefon und beantwortete keine SMS. Ich wollte mir im Klaren über meine Gefühle sein, wenn ich ihn das nächste Mal sah.
Irgendwann konnte ich aber nicht länger von der Bildfläche verschwinden und musste mich mit der Clique treffen.
Wir waren alle um 20 Uhr verabredet, um19 Uhr stand Stefan vor der Tür.
Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen, ich hatte das Gefühl zu fallen, meine Knie unter mir gaben nach.
„ Ähm, hallo.“
„ Hallo. Sag mal warum meldest du dich nicht mehr bei mir? Ich dachte wir wären Freunde.“
Freunde wenn ich das Wort nur hörte, warum begriff er nicht, dass sich unser Verhältnis geändert hatte?
„ Ja das sind wir doch auch, aber ich wollte einfach alleine sein die letzten Tage. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung.“ Während ich das sagte, konnte ich ihm nicht in die Augen sehen, das was ich sagte war so verlogen. Seit wann belog ich meinen besten Freund?
Noch nie war ich richtig verliebt gewesen, obwohl ich schon 17 Jahre alt war und jetzt spürte ich dese Gefühl so intensiv, dass es mich zu zerreißen schien.
Da wir noch genügend Zeit hatten, setzen wir uns in mein Zimmer hörten Musik und redeten.
Kurz nach sieben klingelte mein Handy: eine SMS von Katrin.
Sie hatte Kopfschmerzen und konnte nicht kommen.
Kurz darauf meldete sich auch noch Alex ab, weil er auf seine kleinen Geschwister aufpassen musste.
Also blieben nur noch Sandra, Stefan und ich.
„Talea, kann ich mit dir reden? Also ich hab es noch keinem gesagt. Du musst es dann für dich behalten.“
„Ja klar. Was ist los?“
„Es ist so: Immer wenn Sandra in der Nähe ist, fühl ich mich so anders, so elektrisiert.“
In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Mir blieb die Luft weg. Und ich wollte einfach nur noch weg und weinen bis ich einschlief, doch ich musste eine Rolle spielen, die Rolle der aufmunternden und verständnisvollen besten Freundin.
Mein Herz krampfte sich zusammen und ich wollte ihn anschreien er solle verschwinden und sich nie wieder blicken lassen. Am liebsten hätte ich ihm gesagt wie doll ich ihn liebte, um mich dann in seine Arme zu werfen.
Stattdessen sagte ich nur: „Weißt du was. Geh doch einfach alleine zum Treffen und sag mir wäre was dazwischen gekommen. Dann könnt ihr mal alleine sein.“
Stefan kam auf mich zu und umarmte mich und bedankte sich überschwänglich. Dabei versuchte ich die ganze Zeit zu lächeln, obwohl ich den Tränen nah war.
Vorsichtig drückte ich ihn von mir weg und sagte er solle sich auf den Weg machen um nicht zu spät zu kommen.
Als ich die Tür hinter ihm zumachte brach ich richtig zusammen, glitt die Tür runter und stutzte meinen Kopf auf meinen Knien ab. Alle Gefühle die sich aufgestaut hatten brachen aus mir aus. Ich weinte wie ich noch nie geweint hatte. In dem Moment war ich froh allein zuhause zu sein um mich meiner Trauer hingeben zu können. Eine Leere erfüllte mich. Die ganzen nächsten Stunden lief ich apathisch durchs Haus und malte mir aus was die beiden wohl machten. Meine beste Freundin und mein bester Freund. Beide auf einen Schlag verloren. Sie zusammen als Paar könnte ich nicht ertragen. So lange könnte ich mich nicht zusammenreißen und so tun als ob nichts wäre. Das würde mich kaputtmachen innen drin.
Nach vielen Stunden schlief ich auf dem Wohnzimmersofa ein, mit dem Gedanken an ihn.
4
Die nächsten Tage und Wochen verkroch ich mich zu Hause.
Von Alex hatte ich gehört, dass Stefan und Sandra, noch an dem gleichen Abend als ich ihn zu ihr schickte zusammengekommen waren.
Die beiden sah ich nur noch sehr selten und wenn ich die beiden sah, versuchte ich das Gespräch kurz zu halten. Es tat noch zu sehr weh, die Wunden waren noch nicht geheilt und die beiden zu sehen war als würde jemand regelrecht darin bohren.
Die Schule fing wieder an und ich war froh über die Ablenkung.
Mechanisch erledigte ich alle meine Aufgaben, danach lag ich versunken in Gedanken auf meinem Bett und schaute zu wie aus Tag Nacht wurde.
Irgendwann, im Herbst, Wochen waren vergangen, lud mich Sandra, zu ihrem Geburtstag ein.
Eigentlich hatte ich nicht wirklich Lust, aber immerhin hatten wir uns früher sehr gut verstanden und mich ständig zu Hause verkriechen wollte ich auch nicht mehr.
5
Es war ein Oktobertag und es regnete als ich auf dem Weg zu Sandra war.
Meine Hand in der ich den Regenschirm hielt zitterte, weil ich so nervös war alle zu sehen. Ich wusste sie würden mich fragen, warum ich mich so lange nicht gemeldet hatte. Aber da musste ich jetzt durch.
Sandra begrüßte mich stürmisch in der Tür und drückte mich ganz fest an sich, sie sagte sie hätte mich schon vermisst und dass es schön wäre mich endlich wieder zusehen. Ich versuchte leicht zu lächeln und drückte ihr mein Geschenk in die Hand.
Die Party war schon in vollem Gange. Durstig wie ich war schnappte ich mir ein Glas und mischte mir einen Charly. Mit einem Zug kippte ich es runter und wischte mir dann über den Mund.
Stefan konnte ich nirgends entdecken. Auf dem Weg zum Sofa nickte ich ein paar bekannten Gesichtern zu, doch ich schätze mein Blick verriet, dass mir nicht nach sprechen zu Mute war.
Voller Hast zündete ich eine Zigarette an und rauchte sie viel zu schnell auf, meine Augen tränten wegen dem Rauch. Die Musik war gut und die Stimmung auch. Nur wo waren Stefan und Sandra? Warum war die Gastgeberin nicht hier bei ihren Gästen. Ich trank noch mal einen Charly, unterhielt mich mit Alex und Katrin und tanzte dank dem Alkohol ausgelassen.
Schon seit einer Stunde war ich hier und weit und breit kein Stefan.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer keimte in mir: Vielleicht hatten sie sich getrennt und Sandra heulte sich gerade die Augen aus. Ein wenig benebelt torkelte ich durchs Haus auf der Suche nach den Beiden. Nichts. Wie vom Erdboden verschluckt. Der Alkohol begann zu wirken.
Irgendwann hatte ich überall nachgesehen, außer auf der oberen Etage.
Also ging ich die Treppe hoch und blieb dann vor Sandras Schlafzimmer unschlüssig stehen.
Dann klopfte ich an, bekam aber keine Antwort, also ging ich rein und blieb geschockt stehen.
Stefan und Sandra auf ihrem Bett in eindeutiger Position.
„ Oh, Entschuldigung, es hatte niemand geantwortet…ich wusste nicht, dass…“, stotterte ich und Tränen stiegen in meine Augen. Dann lief ich einfach weg, stolperte dabei über die letzte Stufe und fiel auf die Knie.
Ich hörte noch wie Stefan hinter mir rief ich sollte doch warten, aber da hatte ich schon meine Jacke geschnappt und lief raus.
Raus in den strömenden Regen, der meine Tränen versteckte.
6
Ich lief und lief und lief ohne wirklich zu wissen wohin. Wenige Zeit später hörte ich schnelle Schritte hinter mir. Und auch ich beschleunigte mein Schritttempo. Den Regen spürte ich kaum noch. Eigentlich kam ich mir sogar richtig tot vor. Die Schritte kamen immer näher.
„ Talea bist du das? Bleib stehen! Du kannst doch nicht durch den Regen laufen, du erkältest dich!“ Es war Stefan! Ich blieb stehen drehte mich aber nicht um, auf den Boden schauend sagte ich mit einer bitteren Stimme: „Kann dir doch egal sein. Du hast mich doch längst vergessen.“
Ich spürte wie er immer naher kam und sein Atem dann meine Wange streifte. Er umarmte mich von hinten und ich begann hemmungslos zu weinen. Er drehte mich zu sich und fragte: „Talea, was ist eigentlich los mit dir? Ist es weil ich jetzt weniger Zeit hab, oder hast du ein schulisches Problem? Sprich doch mit mir. Du bewegst dich immer weiter weg von mir.“
„Oh nein, das stimmt nicht, du verstehst einfach nichts. DU bewegst dich von MIR weg.“
Dann stieß ich ihn von mir weg und lief weiter. Er mir hinterher.
„ Was verstehe ich nicht? Wie sollte ich auch, wenn du nicht mit mir sprichst.“ Ich nahm die Ratlosigkeit wahr in seiner Stimme. Dann drehte ich mich zu ihm um und tat etwas was ich lieber nicht hätte machen sollen. Ich küsste ihn, dabei liefen mir die Tränen übers Gesicht. Als ich die Augen öffnete sah ich, dass er mich verwundert ansah, seine Augen waren riesengroß und sein Mund stand offen. Dann nahm ich ihm den Regenschirm aus der Hand, den er mir hatte geben wollen und ging mit ruhigen Schritten nach Hause. Ich wusste, dass er mir nicht hinterher gehen würde. Und das war in Ordnung. Er würde zu Sandra gehen. Weil er sie liebte. So wie ich ihn liebte.
Der Regen Klopfte gegen meinen Schirm und in dem Moment wusste ich nichts würde wieder so sein, wie es im Sommer gewesen war. Ich hatte mich vom Sommer verabschiedet.
Nun war Herbst.