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- 02.03.2004
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Und jetzt?
Das darf doch nicht wahr sein.
„Hi, Ben.“, schaffe ich gerade noch zu sagen.
Jahre hab ich ihn nicht gesehen.
Ich habe jetzt Mann und Kind, die ich beide abgöttisch liebe.
Und jetzt steht er vor mir und ich will nichts anderes tun, als ihn zu küssen, zu streicheln, zu umarmen, wissen wie es ihm geht, ihn sich wohlfühlen lassen, ihn wissen lassen, daß ich zu ihm gehören möchte, daß ich sein bin.
Ich muß verrückt sein.
Habe ich irgendwelche Drogen genommen, von denen ich nichts weiß?
„Hi, Süsse! Wie geht’s dir? Wow, du siehst echt gut aus!“
Meine Knie arbeiten gegen mich. „Danke.“
Weiß er eigentlich, daß man ihm nicht in die Augen sehen kann, weil man sonst in diesem merkwürdig warmen Blau versinkt?
Er spielt heute vor uns. Seine Band wird unser ‚Support-Act‘ sein. Schon irgendwie witzig, als ich ihn kennengelernt habe, war ich ganz hin und weg, daß er Musiker ist, heute bin ich die ‚Main-Atraction‘ und er ‚nur‘ die Vorgruppe.
„Komm mal her, ich habe dich schon so lange nicht mehr gesehen. Luna, weißt du eigentlich, daß du nach wie vor meine Traumfrau bist?“
Er umarmt mich, hält mich fest. Der Ton sagt mir er plaudert. Aber im Unterton und seinem Blick schwingt was ganz anderes mit.
Ist daß jetzt gut oder schlecht, daß er das tatsächlich glaubt? Ich habe einen wundervollen Mann, will ich ihm sagen. Und daß ich diesen wundervollen Mann liebe, will ich ihm auch sagen. Und daß wir eine unglaublich hübsche, süsse, und kluge Tochter haben, das will ich ihm auch sagen. Das werde ich ihm jetzt sagen.
„Schade daß du erst so spät draufgekommen bist.“ Das war nicht das, was ich sagen wollte. Das war das was rauskam. Grml...Luna...jetzt reiß dich aber am Riemen.
Seine blauen Augen hören auf mich zu quälen, er blickt zu Boden.
„Ja, das stimmt, das ist schade. Ich könnte mich dafür heute noch schlagen. Nur hat das nicht allzuviel Sinn fürchte ich, es würde nichts ändern,“ wieder die blauen Augen „oder?“
Ist das? Meint er..?
Er fragt das jetzt im Ernst!
Nein, natürlich hat das keinen Sinn, das ‚Wir‘ das mal war wird nie wieder sein!
„Zeit ist eines der Wunder der Natur.“ Äh... Luna, wolltest du nicht was anderes loswerden???
Mein Bauch beschließt, sich meinen Knien anzuschließen und schlägt Purzelbäume.
Verdammt nochmal, es ist Jahre her, uninteressant, illusorisch und dämlich. Komm zur Vernunft, Mädl!
Ich sehe ihn an, kann nicht neben ihm stehen bleiben, entschuldige mich und verschwinde für ein paar Minuten.
Chaos. In mir. Um mich herum. Die Vorstellung von seinen unglaublich weichen Lippen geküsst zu werden. Das Gefühl seine weiche zarte so garnicht typisch männliche Haut, unter der die Härte und Kraft eines Mannes sehr wohl zu spüren sind, auf der meinen zu spüren.
Ich hab in ein paar Stunden einen Gig und mach mir Sorgen um irgendeinen Typen. Das bin doch nicht ich!!
Eh nicht. Der Haken ist: das ist nicht IRGENDEIN Typ.
Ich hole tief Luft. Ja, aber mein Mann ist auch nicht irgendein Typ. Christian, mein Mann ist DER Typ. Mein Typ. Meine Liebe, mein jetziges Leben.
Bauch, Knie und Herzschlag beruhigen sich und ich sehe wieder klar. Freundschaft ja, herumalbern ja, mehr ist nicht.
Zu ähnlichen Schlüssen dürfte Ben auch gekommen sein. Als ich mich ihm wieder nähere begrüßt er mich grinsend: „Na, was ist, wir haben noch eine Stunde Zeit, gehen wir mal eben spazieren?“
„Eine Stunde? Das ist zu kurz.“ Ja, genau, scherzen ist gut.
„Na gut, zwei Stunden?“
Irgendwie mag mich mein Körper heute nicht so ganz, denk ich. „Wie wär’s für immer?“ äh.... so war das jetzt aber nicht gemeint mit dem Herumalbern...
Er hat sich gerade zum Stimmen über seine Gitarre gebeugt und sieht zu mir auf. Sieht, daß ich das ernst meine.
Scheiße, das tu ich tatsächlich.
Was mache ich da? Panik steigt auf.
Er sieht mich noch immer an. Sagt nichts. Luna sag was, tu was, das ist nicht dein Ernst!
Es kommt nichts. Ich bringe nichts über die Lippen. Er fixiert mich noch immer.
Er antwortet ganz leise: „ Gehen wir?“
Scheiße. Und jetzt?