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Unexpected-Unerwartet
Nein. Nein. Nein.
„Alice komm’ jetzt.“
Nein. Nein. Ich kann nicht mehr.
„Alice, jetzt versau’ uns das Ding nicht! Der gibt uns tausend Dollar!“
Ich will nicht mehr.
„Alice!“
„Nein, Dana, nein. Ich kann nicht und ich will nicht. Mir tut alles weh. Seit heute Morgen ununterbrochen. Ich bin fertig!“, schreie ich sie an.
„Das kannst du doch jetzt nicht bringen!“
„Doch. Ich kann. Mach’s gut!“, ich nehme meinen zerschlissenen Seesack und taumle davon. Weg von der Straße. Ich muss dringend in ein Motel. Duschen und Schlafen. Schlafen, oh yeah, schlafen. Wenn es bloß nicht so beschissen regnen würde.
Wie gut. Endlich ein warmes trockenes Bett. Ich sitze, eingewickelt in alle Decken, die ich finden konnte, im „Sunshine Inn“ und trinke langsam an meiner Flasche Scotch. Nein, ich will mich nicht betäuben. Ich will vergessen. Ich will den Dreck des Alltags mundtot machen. Nicht mehr dran denken müssen.
Ich habe es mir nicht ausgesucht, Prostituierte zu sein. Aber ganz unschuldig daran bin ich auch nicht. Mit zwölf bin ich von Zuhause abgehauen, bin mit Charly, einen fünfzehn Jahre älteren Mann, durchgebrannt. Nur, weil ich dachte, er liebt mich. Ha. So naiv kann man sein, denn eine Woche später fand ich mich im Wald auf dem Boden schlafend wieder. Charly hatte sich aus dem Staub gemacht und meine Eltern haben mir die Tür nicht mehr geöffnet. Stattdessen hat mir mein Vater meine Reisetasche aus dem Fenster zugeworfen. Wahrscheinlich hatte ich eine Gehirnerschütterung, aber das hat mich damals wohl nicht sonderlich interessiert. Ich hatte noch zwanzig Dollar in der Tasche und habe mir davon eine Flasche Rum gekauft, mich dann in den Wald gesetzt und von da an jeden Abend halb tot gesoffen.
Eines Tages habe ich dann in einer Bar Dana kennen gelernt. Ich war abgebrannt und suchte nach Arbeit. Deshalb war ich in der Kneipe; um zu fragen, ob die eine Kellnerin brauchten. Aber da war nichts zu machen. Ich hatte ja noch nicht einmal saubere Klamotten an. Da hat mich Dana von der Seite angequatscht und mir angeboten, mit Ihr zu arbeiten. Seitdem stehen wir jeden Tag am Highway 79. Wenn’s sein muss auch jede Nacht. Na ja, so ist es eben. Das ist mein Leben, ich, Alice Drodon, bin eine Nutte.
„Mensch, Alice, das war echt scheiße gestern.“
Rauchend stehe ich am nächsten Morgen mit Dana am Truckstop 79.
„Dana, wenn ich nicht mehr kann, kann ich nicht mehr. Der hätte uns sicher keine tausend Dollar gegeben.“
„Verflucht, ist ja auch egal. Nun ist es vorbei. Neuer Tag, neues Glück!“
„Ich lach mich tot.“
Eine Stunde später sitze ich wieder in einem Motel. Allerdings mit „Kundschaft“, einem zirka 50-Jährigen glatzköpfigen, übergewichtigen Mann. Das gehört dazu, das ist mein Job. Wie üblich verhandle ich mit ihm den Preis, dann ziehe ich mich aus, lege mich aufs Bett und schließe die Augen. Im nächsten Moment spüre ich nur noch einen pochenden Schmerz im Kopf. Ich öffne die Augen und sehe den Fetten mit einem Baseballschläger in der Hand.
„Scheiße, was soll das!?“, ächze ich.
„Ihr verfluchten Nutten. Nur geldgeile Biester, nichts weiter, zu nichts zu gebrauchen!“, wieder schlägt er zu und ich falle vom Bett.
„Was hab’ ich Ihnen den getan?“, weine ich, vor Schmerz kaum atmen könnend.
„Was geht dich das an?“, er holt zum Tritt aus, doch ich rolle mich schwerfällig zur Seite und er fällt ebenfalls zu Boden und ist eine kurze Minute lang benommen.
Das ist meine Chance, ich stemme mich am Bett hoch und angle nach meiner Tasche. Nervös wühle ich. Der Fettsack erhebt sich ächzend. Scheiße, wo ist das erfluchte Ding. Da. Ich humple ihm entgegen.
„So, jetzt ist Schluss, du blödes Weib!“, wieder holt er zum Schlag aus, doch ich bin schneller und ramme ihm mein Taschenmesser tief in die unförmige Brust. Stöhnend geht er zu Boden und lässt dabei den Baseballschläger fallen. Ich schnappe ihn mir und haue ihm noch einmal gehörig auf den glänzenden Schädel. Er zuckt noch kurz, dann ist der Spuk vorbei.
Schreiend lasse ich mich zu Boden fallen. So eine Scheiße.
Nachdem ich eine viertel Stunde vor mich hin geweint habe, gehe ich zu seiner Leiche und ziehe mir aus seiner Hose den Geldbeutel. Viel Geld ist nicht zu holen. Ich räume jedes Fach leer, da fällt mir sein Personalausweis in die Hände. Sein Name war Andrew Drodon.
Verdammte Scheiße.