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Unleben

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27.01.2004
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Unleben

Langsam ziehst du die Vorhänge beiseite und zartes Licht scheint durch den Spalt. Du flüsterst sanft in mein Ohr: „Die Geburt des Morgens steht bevor, Liebling.“
Die Verbände lösen sich, fallen zu Boden – niemand ist hier im Raum. Auf den Fluren herrscht dieselbe Stille, die immer schon da gewesen ist. So ruhig die Zimmer, in denen die Ärzte ihre blutigen Hände waschen. Sie waschen. Und waschen. Die Geräte reinigen. Das Skalpell …
Wie die Nachwehen eines Bebens fühle ich noch immer deinen unsichtbaren Kuss. Das Morphium auf deinen Lippen. Deine künstliche Stimme vibriert in meinen Knochen, scheuert im Blutkreislauf, wie Sand im Getriebe. Verfault bereits das Blut in meinen Venen?
Ein trüber, unwirklicher Engel oder der Geist eines Geistes bleibt zurück. Bleibt bei mir. Dein Gesicht und deine Gestalt, aber doch nicht wahr. Ich warte auf deine Rückkehr.
Ich warte.
Werfe mich in die Schmerzen, lasse sie kommen, ertrage sie. Für mich ist es die einzige Möglichkeit, mich wieder lebendig zu fühlen. Ich schließe die Augen.
Heute Nacht werde ich warten. Auf dich.
Ich werde sie rufen; werde sie rufen und der Gang wird nicht länger in Stille getaucht sein, wenn sie kommen. Und das Skalpell …
… wird dir eine Karte mit dem Weg zu mir zeichnen.


Die Sonne hat meine Flügel verbrannt. Funkelnd, voller Grazie und traumhafter Schönheit. Ich selbst bin im Feuer gestanden, aber ich habe gewusst, dass mir nichts geschehen kann. Die Show muss weitergehen. Ich muss weiterwandern. Seit dem Tag im Krankenhaus bin ich der Klatsch und die Glorie. Der Unbrauchbare und der Verwendete.
Ich bin die Zurückweisung.
Gibt es einen Grund dafür?
Mein Herz ist verbraucht, zerstört. Trotzdem pumpt es weiter. Es versorgt einen Organismus, der lebt, obwohl …
Als du dich damals umgedreht hast, bist du von innen verbrannt. Hast du der Sonne geglaubt? Du bist gestorben. Die Sterne haben bei deinem Begräbnis gefunkelt.
Noch heute warte ich darauf, dass mich deine vertrauten Arme umfassen. Du hast mir meine Flügel genommen, denn du warst das sengende Licht. Ich hoffe, dass dich der Tod so sehr liebt, wie ich es getan habe, als du mich gebraucht hast. Aber in dieser Nacht werde ich kommen.


Ich habe bereits einmal gebrannt und würde es wieder tun, wenn du die Wärme brauchst und allein bist. Dort wo du bist.
Oft haben wir unter Brücken, zitternd in löchrigen Decken geschlafen. In Kellern, wo unsere Geheimnisse begraben sind. Noch heute?
Ruinen, nichts als Staub und Steine.
Machst du dir Sorgen, was aus mir geworden ist? Läufst du etwa vor dem Tag weg, an dem du mich ins Krankenhaus gebracht hast? Der Tod wäre nur eine Entschuldigung, um dich zu vergessen und selbst das ist mir verwehrt. Lass den Kelch an dir vorrübergehen und öffne die Augen.
Sie haben die Zeugen verbrannt. Niemand weiß davon.
Läufst du weg?
Nimm die Zigarette, die noch nicht zur Asche zurückgekehrt ist und verjag deine Gedanken von Reue und Trauer. Mach dir um mich keine Sorgen.
Verzeihen und vergessen. Wieder erleben und bedauern. Ein Teufelskreis.
Der Morgen wird weitergehen, ohne dich. Nur mit mir. Ich werde marschieren. Über die Ebenen der ewigen Dämmerung. Die Sonne hat ihre Kraft längst verloren, mit der sie mich einst gebrandmarkt hat.
Ich atme für mich allein. Ich bin einsam. Nur Staub und Finsternis. Vages Licht.
Brennen, trotz Kälte. Lebend brennen, nur für dich. Ohne Hoffnung.


Die Tauben und Blinden haben den Frieden gefunden, schon lange, und ich werde ihn nie erreichen. Ewige Verdammnis. Leben als Un-leben. Ihre Art von Geschenk.


Ich gehe auf dem Sternengürtel des Orion. Ich gehe in die eine und in die andere Richtung. Sterne verglühen und Planeten sterben. Und werden neu geboren. Ich bewundere sie um diese Gabe, wenn man dies als Gabe nennen kann, und ich wandere weiter, immer weiter, bis ich eine neue Sonne finde, die mir das Licht zurückgibt.

 

Hi one,

du wirst es ahnen: Aber verstanden habe ich deine Geschichte nicht. Die Stimmung ist die zweier Liebendenden, die bald voneinander getrennt werden - obwohl mir einfach nicht klar wird, ob nun der Erzähler oder der "Engel" derjenige ist, der stirbt.
Im ersten Absatz (der übrigens mE noch etwas holprig ist, siehe unten dazu mehr) ist es so, als wäre der Prot es, der stirbt. Später, der letzte Satz (eine neue Sonne?), spricht eher dafür, dass sie es ist, die ihn verlassen hat.
Andererseits: Vielleicht will er auch das Licht für sich selbst zurückzuholen, um es ihr wieder geben zu können? ("Ich habe bereits einmal gebrannt und würde es wieder tun, wenn du die Wärme brauchst und allein bist.")

Du siehst: Nicht wirklich verstanden.

Schön geschrieben ist das Ganze aber. Etwas "karg", unschnörkelig, aber das durchaus gut zu lesen. Stilistisch gefällts mir also, auch wenn du das weißt. ;)


Liebe Grüße
Tamira

Krimskrams:

So ruhig die Zimmer, in denen die Ärzte ihre blutigen Hände waschen. Sie waschen. Und waschen. Die Geräte reinigen. Das Skalpell …
Mach mal nach Das Skalpell nochmal: ... Das Skalpell ... sie waschen.
Fänd ich cool

Wie die Nachwehen eines Bebens fühle ich noch immer deinen unsichtbaren Kuss.
Nachwehen? Find ich ziemlich unpassend. Erstens sind es Schmerzen, zweitens heißt es ja eigentlich Nachbeben, auch wenn dann die Doppelung von Beben im Satz wäre.
Formulier das mal um.

Verfault bereits das Blut in meinen Venen?
Verfault ist doof, mach da mal Gerinnt draus.

 

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