Unser Vater
Unser Vater ist nun gestorben, er ist tot, hat sich selbst das Leben genommen.
Was bedeutet das für uns, seine Söhne?
Es bedeutet uns nicht viel, denn wir haben ihm auch nicht viel bedeutet.
Doch wieso haben wir ihm nicht viel bedeutet?
Jeder hat seine Schwächen und Macken, dass ist doch ganz normal, doch unserem Vater war das nicht egal. Ihn haben unsere Macken gestört, er hat sich mit den Fehlern seiner Söhne nicht abfinden können. An jedem hat er etwas ausgesetzt! Wieso konnte er uns einfach nicht so lieben und akzeptieren wie wir sind? Er konnte es einfach nicht. Es war für ihn wahrscheinlich einfach eine Art Niederlage, dass seine Söhne nicht perfekt sind. Doch was können wir dafür?
Wir können nichts dafür, dass er uns nicht so geliebt hat, wie es eigentlich ein Vater hätte tun sollen. Wir sind ein Produkt der Gene unserer Eltern, also könnte man sagen, dass er auch eine Mitschuld an unseren Schwächen hat. Doch nicht nur die Gene sind schuld daran, sondern auch die Erziehung. Vielleicht hätte er uns anders erziehen sollen. Vielleicht wären wir dann nicht so geworden, wie wir jetzt sind.
Wir haben uns nie richtig geliebt gefühlt, unser Vater war nie richtig für uns da, weil er sich nicht mit uns befassen wollte, denn dann hätte er sich mit unseren Schwächen, Problemen und Macken auseinander setzen müssen, doch das wollte er nicht.
Er war nie wirklich ein Vater zu uns. Er war eher nur unser Erzeuger, unser „biologischer Vater“, nicht mehr und auch nicht weniger.
Oft haben ihn Sachen an uns gestört, die eigentlich überhaupt nicht schlimm sind.
Manchmal kam es uns sogar vor, als ob er die Unvollkommenheiten an uns sogar gesucht hätte.
Doch warum hat er es getan? Wir wissen es nicht!
Nun, wo er nicht mehr unter uns weilt, kann er nichts mehr an uns aussetzen.
Er hat uns sein Leben lang kritisiert, verachtet, uns abgewiesen. Er hat sich für uns geschämt.
Doch jetzt hat dies alle ein Ende. Vielleicht ist es für uns so auch besser, vielleicht ist es besser keinen Vater zu haben, als einen Vater zu haben, der dir immer deine Schwachpunkte, Macken und Probleme vor die Augen führt, und dich deswegen verachtet, vernachlässigt und nicht liebt.
Es wäre etwas anderes gewesen, hätte er uns unsere wunden Punkte vor die Augen geführt, damit wir über uns selber hätten nachdenken können, und dann auch vielleicht hätten etwas ändern können.
Doch er hat uns unsere Achillesfersen vorgehalten, als ob wir schuld daran wären, dass wir jetzt so sind, wie wir sind.
Jetzt können wir sowieso nichts mehr ändern!
Ich kann aber von mir selbst behaupten, dass sich unser Vater nicht wie ein Vater zu uns benommen hat, und deswegen sage ich: Ich habe nie einen Vater gehabt!!!