Unterschenkelfraktur
„Guten morgen. Mein Name ist Dr. Brandt, ich bin ihr behandelnder Arzt. Was ist ihnen zugestoßen?“
„Ich glaub, ich hab mir mein Bein gebrochen.“
„Studieren sie Medizin?“
„Nein“
„Na dann überlassen sie mir die Diagnose.“
Dr. Brandt und der Patient sahen auf das rechte Bein. Ein Teil des rechten Unterschenkels war geschwollen und ragte rechts über die Liege hinaus.
„Nun, das sieht mir doch verdammt nach einer Unterschenkelfraktur aus. Dann wollen wir das Bein mal schienen und anschließend röntgen.“
„Können sie mir etwas gegen die Schmerzen geben? Ich halte das nicht mehr aus.“
„Äh Schwester, können sie der Memme ein wenig von unserem Spezialmittel verabreichen? Damit schweben sie dann gleich im siebten Himmel. Und dann werden wir ihre Hosen ausziehen.“
„Hosen? Aber ich hab doch bloß eine an?“
„Unterhose nicht vergessen!“
„Wozu denn meinen Schlüpfer?“
„Na um drunter zu gucken. Sonst hätten wir ja überhaupt nichts zu lachen. Immerhin bekommen sie bei uns die besten Betäubungsmittel und erstklassige Behandlung. Als Gegenleistung verlangen wir einen klitzekleinen Blick. Aber keine Sorge, ich bin Arzt, ich sehe so was täglich.“
„Oh Gott, Hauptsache es tut nicht weh.“
„Wieso, wir gucken doch bloß.“
Nach der Schienung und dem Durchleuchten war die Sache klar: Operation.
„Also Herr Schultze, ihr Schienbein sowie das Wadenbein sind sauber gebrochen.
Wie konnte das nur geschehen?“
„Naja, ich war Schlittschuh laufen und bin irgendwie umgeknickt und…“
„Das war bloß eine rhetorische Frage. So ausführlich wollte ich’s nun auch nicht wissen. Außerdem drängelt die Zeit, ich muss heut noch arbeiten.“
„Arbeiten? Ist das nicht ihr Hauptberuf?“
„Doch doch, keine Angst. Ich sehe das als reines Vergnügen. Ich muss heut noch zum Golfen, das ist vielleicht mal schwer. Na jedenfalls werden wir sie jetzt operieren. Ich werde ihnen einen schönen langen Nagel und vier Schrauben in das Schienbein treiben.“
„Wird’s wehtun?“
„Wieso eigentlich nicht, das können wir sicher einrichten.“
Die OP verlief reibungslos. Ist ja auch kein Wunder, bei solch einem fantastischen Arzt…
„Aua“
„Ist das alles? Dabei hab ich mir solche Mühe gegeben, um es so schmerzhaft wie möglich zu machen.“
„Es tut ja auch weh. Aber ist es normal, dass man das Bein nicht bewegen kann? Und warum hängt da ein Schlauch aus meinem Knie?“
„Also das mit dem Schlauch kann ich ihnen erklären. Damit wird nämlich Wundflüssigkeit aus dem Knie in diesen Katheter befördert. Aber warum sie ihr Bein nicht bewegen können – puh - keine Ahnung. Ist mir ein totales Rätsel. Da fragen sie echt den falschen.“
„Sie scherzen.“
„Ich bin humorlos. Scherze sind mir fremd.“
„Das merkt man…“
„Nicht böse sein. Man kann ja nicht alles wissen, nicht wahr.“
„Und was soll ich jetzt tun?“
„Weiß nicht. Ich gehe jedenfalls nachher Golf spielen. Danach gehe ich mit meiner Frau zu Abend essen. Morgen komme ich wieder ins Klinikum und operiere Menschen, denn ich bin Chirurg müssen sie wissen. Das ist mein Job.“
„Das glaubt man ja wohl nicht.“
„Was sie glauben oder nicht, ist vollkommen zweitrangig und mir übrigens völlig egal. Wir sehen uns morgen wieder, dann können sie auch die ersten Schritte mit den Gehhilfen unternehmen und alleine aufs Klo. Denn mal unter uns; die Schwestern wollen jeden Tag wissen ob sie Stuhlgang hatten. Also mir wäre das echt unangenehm.“
„Das ist doch normal. Warum sollte mir das peinlich sein?“
„Stimmt. Immerhin haben wir ja bei ihnen unten drunter geguckt. Oh schon so spät. Ich muss jetzt echt los.“
„Es ist aber erst um zehn.“
„Äh, ich hatte Nachtschicht oder so. Mann, jetzt aber hurtig.“
Und weg war er.
„Schwester Gabi, wer liegt auf Zimmer zweidreisechs?
„Herr Schultze, 23, Unterschenkelfraktur. Er wartet seit heute Morgen auf seine OP. Sie haben ihn nachher um zwölf Dr. Brandt.“
„Ach so ein Mist. Immer zur Mittagszeit. Naja, Hauptsache der Bursche wird schnell wieder gesund.“