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Unterwegs in der Stadt

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07.04.2005
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Unterwegs in der Stadt

Ich klopfe mit meiner Hand im Rhythmus zu quiekenden Ska-Klängen die aus den Boxen scheppern auf dem Lenkrad herum. Es ist warm und durch das offene Verdeck und die heruntergefahrenen Fenster fegt ein angenehmer Sommerwind, als ich durch die Stadt fahre. Das heißt: schleiche. Denn seit dem Ringpark hat sich ein orientierungsloser und bodenlos hässlicher Kleinwagen vor mich gesetzt, dessen Insasse wohl nicht von hier zu sein scheint; das Nummernschild DO-OF 11 bestätigt meinen Ersteindruck. Von bemerkenswerter Unfähigkeit beseelt, ein Fahrzeug zu lenken, schiebt der Fahrer seinen Untersatz über den Asphalt, und weiß offensichtlich obwohl er vor mir fährt genau wo ich hinmöchte, da er mich nun schon seit einer halben Ewigkeit mit seinen Manövern quält.
Ich nutze die Gelegenheit um die CD auszuwechseln, als der Fahrer sein Auto wiederholt an einer grünen Ampel abwürgt, damit die komplette Schlange hinter ihm in den Genuss einer zweiten Rotphase kommen kann. Nun dröhnt nicht mehr fröhlicher Ska aus meinen Lautsprechern, sondern dubiose (aber ausreichend aggressive) Metalmucke meines Bruders. Endlich grünt es wieder, und das Versagervehikel setzt sich rußspotzend in Bewegung; die nun mit Schwermetallen angereicherte Sommerbrise zieht durch mein Wageninneres und meine Nase. Ich halte die Luft an und trete erbost aufs Gaspedal, überhole den Luftverpester, werfe ihm im Vorbeifahren einen bösen Blick zu und erkenne, dass das Fahrzeug von einem weiblichen Wesen gelenkt wird - solariumgegerbte Haut, aufgebrezelt und mit schätzungsweise zweihundert Gramm Schminke bestrichen. Eine lächerliche Pitschkappe rundet die optische Umweltbelästigung ab. Ich bremse leicht und halte neben ihr die Geschwindigkeit. Die untalentierte Person hat ebenfalls ihre Fenster offen und es klappert Drum'n Bass ohne Bass aus ihrer Fahrerkabine. In der einen Hand das Lenkrad, in der anderen ihre Handquatsche, in die sie aufgeregt hineinplärrt.
Eine weitere Ampel stoppt unser beider Fahrt; und bei der Grünphase darf ich aus nächster Nähe Zeuge vom absolut talentfreien Anfahrversuch dieser bemitleidenswerten Verkehrsteilnehmerin werden: Hektisch trampelt sie in ihrem Fußraum herum, das Auto kracht, macht einen Satz nach vorne, Miss Standspur 2005 verliert ihr Handy, kreischt, dreht hysterisch am Zündschlüssel herum und bringt ihr Gefährt zur erneuten Aufgabe, als das Getriebe schreiend kundtut, dass die Kupplung vergessen wurde.
Hinter mir hupt es nun auch schon, was mich aber nicht davon abhalten kann, das Spektakel bis zum Ende mitzuverfolgen. Mit Gottes Segen setzt sich ihre Kiste nun endlich in Bewegung und lässt die Hintermänner in einer schwarzen Wolke verschwinden. Ich beschließe der Chaoskarosse zu folgen da mich inkompetente Mitmenschen generell sehr zu erheitern vermögen.
Nach etlichen angerempelten Bordsteinen und einer bei kirschgelb überfahrenen Ampel biegt das Verkehrsflittchen endlich auf einen Parkplatz einer Aldifiliale ein. Als ob die vorherigen selbstverschuldeten Demütigungen nicht schon für die nächsten Monate ausgereicht hätten, schickt sich Madame nun zum Rückwärtseinparken an. Ich sehe schon was kommt! Ein ewiges Vor- und Zurückgekrieche mit exakt gleich eingeschlagenem Lenkrad, dann vermutlich wieder ein eternales Gekurbel, da sie keinen blassen Schimmer hat wie lang bzw. wie kurz der beschissene Wagen ist den sie ihr Eigen schimpft.
Ihre Bremsleuchten, respektive eine davon, leuchten und es kracht markerschütternd, als der Rückwärtsgang nach langer Suche erfolgreich aufgespürt wurde. Doch nicht mit mir - ich gebe gefühlvoll Gas und bugsiere mein Fahrzeug mit provokanter Ästhetik vorwärts in die von ihr auserkorene Lücke. Hinter mir entsteht eine kleine Pause, dann winselt das Getriebe erneut um Gnade und die hässliche Box setzt sich in Bewegung, um einen anderen Parkplatz zu entweihen.
Genüsslich stelle ich meinen Sitz zurück, lege mir ein paar Witze über Kleinwagen zurecht ("Ooch, ist der süß. Kriegt er noch die Brust, oder darf er schon bleifrei?"), drehe die Musik leiser und beobachte im Seitenspiegel, wie sich die Tussi aus ihrer Dreckschleuder schält. Und tatsächlich, diese Evolutionsbremse hat den Nerv, auf mich zuzuhalten. Ihr energischer Gang verlor kurz an Coolness, als sie einen ihrer stelzenartigen Absätze in einem Kanaldeckel abbrach; aber nichtsdestotrotz stakste sie weiterhin zornschnaubend in meine Richtung. Als sie mich erreicht, drehe ich die Musik wieder lauter und grinse wortlos zur Fahrerseite heraus. Obwohl ich mich aufrichtig über eine Diskussion übers korrekte Führen eines Fahrzeuges gefreut hätte, bekomme ich nur ein "Arschloch" zu hören. Das Monster macht auf dem verbliebenen Absatz kehrt und strebt gen Aldi.
Ich ziehe kurz in Erwägung, ihr zu folgen, verwerfe den Gedanken jedoch, greife ins Handschuhfach und hole meine Ska-CD hervor, parke aus und fahre zufrieden mit der Welt gen Heimat, mit der Hand auf dem Lenkrad den Takt der Musik klopfend...

 

Moin to ergon,

Erstmal willkommen auf KG.de

Deine Geschichte hat mir ziemlich gut gefallen.
Zwar vom Plot her nichts neues (Frau am Steuer halt), aber sehr gut umgesetzt. Ein paar echt witzige Formulierungen, schön fieser Humor - insgesamt also unterhaltsam.
Nicht so toll fand ich, daß die Frau so arg klischeehaft dargestellt ist und das Bild der Autotussi derart brachial erfäüllt, daß die Figur für mich persönlich schon wieder fad wurde. Vielleicht hättest du an irgendeiner Stelle mit dem Klischee brechen können.
aber nichtsdestotrotz hat mir die Sache insgesamt gut gefallen.

Kleinigkeiten (alles nur Vorschläge):

Doch nicht mit mir - ich gebe gefühlvoll Gas und bugsiere mein Fahrzeug mit provokanter Ästhetik vorwärts in die von ihr auserkorene Lücke
Der erste Nebensatz ist toll, der zweite meiner MEinung nach überflüssig.
und weiß offensichtlich obwohl er vor mir fährt genau wo ich hinmöchte,
Das "obwohl er vor mir fährt" find ich ebenfalls unnötig. Zieht den Satz nur in die Länge.
die nun mit Schwermetallen angereicherte Sommerbrise zieht durch mein Wageninneres und meine Nase.
Durch deine Nase?
Vorschlag: "Durch das Wageninnere und in meine Nase"
Ich beschließe der Chaoskarosse zu folgen da mich inkompetente Mitmenschen generell sehr zu erheitern vermögen.
Woher der plötzliche Stimmungsumschwung? Eben noch war dein Erzähler vom Verhalten der Frau extremstens genervt.
endlich auf einen Parkplatz einer Aldifiliale ein.
auf den Parklatz einer Filiale. Die durchschnittliche Aldifiliale hat nur einen ;)
Doch nicht mit mir - ich gebe gefühlvoll Gas und bugsiere mein Fahrzeug mit provokanter Ästhetik vorwärts in die von ihr auserkorene Lücke.
Sehr gut. Echt.

 

Grüß dich.

Erstmal danke für die Kritik.
Was die Klischeetussi angeht, magst du recht haben; ich habe nicht darüber nachgedacht, dass man einen Charakter u.U. interessanter machen könnte, indem man ihn etwas weniger "stereotypisiert" ; )

Deinen ersten Punkt unter "Kleinigkeiten" habe ich nicht ganz gerallt... welchen Nebensatz meinst du? Zu meiner Verwirrung hat auch noch beigetragen, dass die gleiche Textzeile ganz am Ende deines Beitrages ein weiteres Mal zitiert wurde, nur diesmal mit gegenlautendem Kommentar : )

Und: Du hast exakt die zwei Stellen aufgeführt, die mir selbst beim Formulieren gestunken haben:

und weiß offensichtlich obwohl er vor mir fährt genau wo ich hinmöchte,
und
zieht durch mein Wageninneres und meine Nase.

Ich war bei beiden Fällen nicht fähig, mir etwas anderes einfallen zu lassen, obwohls ja echt nicht schwer gewesen wäre...

Die zwei Sachen mit "dem" Parkplatz und dem spontanen Stimmungswechsel des Erzählers sind mir nicht aufgefallen, aber du hast natürlich recht!

 

Deinen ersten Punkt unter "Kleinigkeiten" habe ich nicht ganz gerallt... welchen Nebensatz meinst du? Zu meiner Verwirrung hat auch noch beigetragen, dass die gleiche Textzeile ganz am Ende deines Beitrages ein weiteres Mal zitiert wurde, nur diesmal mit gegenlautendem Kommentar : )
Na hossa... da ist mir wohl was beim Copy&Paste durcheinandergeraten, sorry.
Ich meinte mit meiner ersten Anmerkung diese Stelle hier:
Von bemerkenswerter Unfähigkeit beseelt, ein Fahrzeug zu lenken, schiebt der Fahrer seinen Untersatz über den Asphalt,
Das "ein Fahrzeug zu lenken" ist meiner Meinung nach überflüssig.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo to ergon und Herzlich Willkommen auf KG.de!

Ich hab keine Lust, (eigentlich nur kosmetische) Dinge anzumerken und verweise daher voll und ganz auf gnoebel.

Für deinen Einstand eine super Geschichte. Ich habe mich aufs Äußerste amüsiert und freue mich schon auf weitere Geschichten von dir.

Gruß

 

Danke für die Blumen ; ) ...und nennt mich nur ergon.

Aber Zeitfehler? Wie dies?

 

@ergon

Hoppala. Ich hatte da echt noch ein t gesehen.
Jetzt muss ich sogar meine Korrekturposts korrigieren...

 

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