Unterwegs in der Stadt
Ich klopfe mit meiner Hand im Rhythmus zu quiekenden Ska-Klängen die aus den Boxen scheppern auf dem Lenkrad herum. Es ist warm und durch das offene Verdeck und die heruntergefahrenen Fenster fegt ein angenehmer Sommerwind, als ich durch die Stadt fahre. Das heißt: schleiche. Denn seit dem Ringpark hat sich ein orientierungsloser und bodenlos hässlicher Kleinwagen vor mich gesetzt, dessen Insasse wohl nicht von hier zu sein scheint; das Nummernschild DO-OF 11 bestätigt meinen Ersteindruck. Von bemerkenswerter Unfähigkeit beseelt, ein Fahrzeug zu lenken, schiebt der Fahrer seinen Untersatz über den Asphalt, und weiß offensichtlich obwohl er vor mir fährt genau wo ich hinmöchte, da er mich nun schon seit einer halben Ewigkeit mit seinen Manövern quält.
Ich nutze die Gelegenheit um die CD auszuwechseln, als der Fahrer sein Auto wiederholt an einer grünen Ampel abwürgt, damit die komplette Schlange hinter ihm in den Genuss einer zweiten Rotphase kommen kann. Nun dröhnt nicht mehr fröhlicher Ska aus meinen Lautsprechern, sondern dubiose (aber ausreichend aggressive) Metalmucke meines Bruders. Endlich grünt es wieder, und das Versagervehikel setzt sich rußspotzend in Bewegung; die nun mit Schwermetallen angereicherte Sommerbrise zieht durch mein Wageninneres und meine Nase. Ich halte die Luft an und trete erbost aufs Gaspedal, überhole den Luftverpester, werfe ihm im Vorbeifahren einen bösen Blick zu und erkenne, dass das Fahrzeug von einem weiblichen Wesen gelenkt wird - solariumgegerbte Haut, aufgebrezelt und mit schätzungsweise zweihundert Gramm Schminke bestrichen. Eine lächerliche Pitschkappe rundet die optische Umweltbelästigung ab. Ich bremse leicht und halte neben ihr die Geschwindigkeit. Die untalentierte Person hat ebenfalls ihre Fenster offen und es klappert Drum'n Bass ohne Bass aus ihrer Fahrerkabine. In der einen Hand das Lenkrad, in der anderen ihre Handquatsche, in die sie aufgeregt hineinplärrt.
Eine weitere Ampel stoppt unser beider Fahrt; und bei der Grünphase darf ich aus nächster Nähe Zeuge vom absolut talentfreien Anfahrversuch dieser bemitleidenswerten Verkehrsteilnehmerin werden: Hektisch trampelt sie in ihrem Fußraum herum, das Auto kracht, macht einen Satz nach vorne, Miss Standspur 2005 verliert ihr Handy, kreischt, dreht hysterisch am Zündschlüssel herum und bringt ihr Gefährt zur erneuten Aufgabe, als das Getriebe schreiend kundtut, dass die Kupplung vergessen wurde.
Hinter mir hupt es nun auch schon, was mich aber nicht davon abhalten kann, das Spektakel bis zum Ende mitzuverfolgen. Mit Gottes Segen setzt sich ihre Kiste nun endlich in Bewegung und lässt die Hintermänner in einer schwarzen Wolke verschwinden. Ich beschließe der Chaoskarosse zu folgen da mich inkompetente Mitmenschen generell sehr zu erheitern vermögen.
Nach etlichen angerempelten Bordsteinen und einer bei kirschgelb überfahrenen Ampel biegt das Verkehrsflittchen endlich auf einen Parkplatz einer Aldifiliale ein. Als ob die vorherigen selbstverschuldeten Demütigungen nicht schon für die nächsten Monate ausgereicht hätten, schickt sich Madame nun zum Rückwärtseinparken an. Ich sehe schon was kommt! Ein ewiges Vor- und Zurückgekrieche mit exakt gleich eingeschlagenem Lenkrad, dann vermutlich wieder ein eternales Gekurbel, da sie keinen blassen Schimmer hat wie lang bzw. wie kurz der beschissene Wagen ist den sie ihr Eigen schimpft.
Ihre Bremsleuchten, respektive eine davon, leuchten und es kracht markerschütternd, als der Rückwärtsgang nach langer Suche erfolgreich aufgespürt wurde. Doch nicht mit mir - ich gebe gefühlvoll Gas und bugsiere mein Fahrzeug mit provokanter Ästhetik vorwärts in die von ihr auserkorene Lücke. Hinter mir entsteht eine kleine Pause, dann winselt das Getriebe erneut um Gnade und die hässliche Box setzt sich in Bewegung, um einen anderen Parkplatz zu entweihen.
Genüsslich stelle ich meinen Sitz zurück, lege mir ein paar Witze über Kleinwagen zurecht ("Ooch, ist der süß. Kriegt er noch die Brust, oder darf er schon bleifrei?"), drehe die Musik leiser und beobachte im Seitenspiegel, wie sich die Tussi aus ihrer Dreckschleuder schält. Und tatsächlich, diese Evolutionsbremse hat den Nerv, auf mich zuzuhalten. Ihr energischer Gang verlor kurz an Coolness, als sie einen ihrer stelzenartigen Absätze in einem Kanaldeckel abbrach; aber nichtsdestotrotz stakste sie weiterhin zornschnaubend in meine Richtung. Als sie mich erreicht, drehe ich die Musik wieder lauter und grinse wortlos zur Fahrerseite heraus. Obwohl ich mich aufrichtig über eine Diskussion übers korrekte Führen eines Fahrzeuges gefreut hätte, bekomme ich nur ein "Arschloch" zu hören. Das Monster macht auf dem verbliebenen Absatz kehrt und strebt gen Aldi.
Ich ziehe kurz in Erwägung, ihr zu folgen, verwerfe den Gedanken jedoch, greife ins Handschuhfach und hole meine Ska-CD hervor, parke aus und fahre zufrieden mit der Welt gen Heimat, mit der Hand auf dem Lenkrad den Takt der Musik klopfend...