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Unterwegs mit Paule
Eins – Oma Maltes Kühlschrank
Als sich die drei Kugeln in die Brust von Oma Malte bohrten, musste Paule herzhaft lachen.
Krachend wurde die Oma gegen die Duschkabine geschleudert und sackte in sich zusammen. Blutend siechte ihr letzter Lebensatem aus ihr heraus.
Paule erholte sich nur mühsam von seinem Lachanfall, sogar ein paar Tränchen musste er sich aus den Augenwinkeln wischen. Das war ja wieder ein Tag heute! Er schaute sich noch für ein paar Momente sein gelungenes Werk an, dann spürte er ein nagendes Hungergefühl. Er hatte heute keine Zeit für ein ausgiebiges Frühstück gehabt und musste seiner morgendlichen Eile nun Tribut zollen. Der Polizist ging in Oma Maltes Küche und öffnete ihren Kühlschrank.
Alte Leute! Da war ja nichts Brauchbares drin! Enttäuscht schlug er die Tür zu. Zum Glück hatte die alte Dame eine prall gefüllte Börse auf ihrer Kommode liegen. Paule nahm sich alle Geldscheine heraus und dann verließen wir die Wohnung.
Zum Glück war die nächste Bäckerei nur 100 Meter entfernt.
Zwei – Die Bäckereiblume
Rosi traten fast die Augen aus dem Kopf. Was für ein völlig Gestörter war denn da gerade durch die Tür der Backstube hereingewankt?
Sie hatte heute Morgen noch überlegt, ob sie sich nicht endlich mal krank melden sollte. Zum ersten Mal in den drei Jahren seit sie in ´Meisingers Back und Pack´ schuftete, verspürte sie den Drang alles hinzuschmeißen. Miese Bezahlung, die Sozialleistungen ein Witz und diese Arbeitszeiten! Doch ihr Pflichtbewusstsein hatte sie aus dem Bett getrieben, durchs Badezimmer und in den Bus gescheucht und sie bis hinter die Theke gebracht, wie jeden verdammten Morgen.
Und zum Dank starrte sie nun in die Mündung einer Schrotflinte. Hinter diesem großen schwarzen Loch sah sie die abstruse Karikatur eines Polizisten. Zwar hatte der Mann eine Uniform an, aber es war keine richtige. Sie konnte sogar noch das Preisschild am Nacken des Karnevalskostüms sehen.
Aber das Schlimmste war das Blut. Der falsche Polizist war von oben bis unten mit Blut besudelt. Auch das Gesicht und seine Hände waren voll mit dem roten Zeug.
Rosi beschloss, sich von dem Irren ihren Tag nicht noch kaputter machen zu lassen, als er eh schon war.
„Morgen Herr Wachtmeister, was ich kann ich für Sie tun?“, fragte Rosi ihn lakonisch.
Aufmerksam studierte der Polizist die Auslegeware.
„Haben Sie auch Mettbrötchen?“, fragte der Schrotflintenhalter schließlich mit einer erstaunlich hohen Stimme.
Mist, das letzte hab ich vor fünf Minuten verkauft, dachte Rosi. Wenn ich jetzt ´nein´ sage, schießt er mir dann direkt den Kopf weg?
„Es tut mir Leid, aber unser Mett ist leider alle. Aber wissen Sie was bei uns der Renner ist? Unsere Röggelchen mit Zwiebelleberkäse, schauen Sie mal hier“, erklärte Rosi dem Gegenteil von Freund und Helfer.
„Wenn das Ihr Renner ist, warum ist dann das Mett alle, nicht aber der Zwiebelleberkäse?“, fragte er interessiert nach.
Von der Warte hatte Rosi es noch nie betrachtet.
„Na ja, ist halt so ein Verkaufsspruch. Sind aber trotzdem echt lecker.“
Das Gesicht des Mannes hellte sich merklich auf.
„Dann bitte zwei von diesen Brötchen für uns beide. Zum mitnehmen!“
Rosi packte die Bestellung sorgfältig in eine Papiertüte und reichte sie über die Theke.
„Meinen Sie etwa sich und Ihre Flinte? Vier fünfzig macht das bitte.“
Fröhlich lächelnd reichte der Mann mit seiner freien Hand in seine Tasche und zog einen Fünfeuroschein heraus.
„Stimmt so“, erwiderte er mit einem Augenzwinkern und gab ihr das Geld.
Rosi nahm den Schein entgegen und versuchte vergeblich zurückzulächeln.
Dann drückte der falsche Polizist ab und blies ihr den Kopf von den Schultern.
Drei – Paule und Ich
Ich ging hinter Paule her, als er die Bäckerei verließ.
Er langte in die Tüte und gab mir eins von den Brötchen. Dankbar nickte ich ihm zu.
„Warum hast du die Verkäuferin erschossen?“, fragte ich ihn.
Lachend antwortete er: „Weil sie dich nicht gesehen hat, du Dummkopf. Hast du das denn immer noch nicht begriffen? Ich tu das alles nur für dich! Man, man, man, Brüderchen, sonst bist du doch auch nicht auf den Kopf gefallen.“
„Und Oma Malte?“
„Oma Malte!“, rief Paule gackernd, „Oma Malte wusste Bescheid. Sie war drauf und dran uns zu verraten. Sie hat schon mit ihrem Nachbarn drüber geredet.“
„Du meinst mit Opa Paske?“, fragte ich entsetzt.
„Genau mit dem. Jetzt iss mal schön dein Brötchen, und dann sagen wir Opa Paske freundlich hallo“.
Vier – Bingo
Opa Paske hatte zwei Weltkriege überlebt. Sagte er zumindest. In Wirklichkeit war es nur einer (und zwar der zweite, logischerweise), aber er neigte zur Dramatisierung. Ein Vorgang, den auch die Polizei zu ihrem Leidwesen kannte.
Anrufe von Opa Paske auf der Polizeiwache 3 waren mindestens einmal in der Woche fällig, in seinen guten Wochen auch zweimal.
Diese Woche war für Opa Paske sogar eine sehr gute Woche. Deshalb bereitete er sich gerade innerlich auf seinen dritten Anruf vor. Sie mussten diesmal einfach handeln, das konnte so nicht weitergehen! Er hatte diesen Verrückten heute Morgen blutüberströmt mit einer Schrotflinte in der Hand durch die Kleingartensiedlung schleichen sehen. Verkleidet als Polizist, obwohl noch nicht mal ein Kind auf sein Kostüm hereinfallen würde. Und er hatte irgendwas vor sich hingebrabbelt, so als würde eine imaginäre Person neben dem Irren entlang schlurfen.
Endlich wurde Opa Paske klar, was mit diesem Mann nicht stimmte, jetzt ergaben Oma Maltes Worte aus der letzten Woche auch einen Sinn!
Es war beim Bingo vergangene Woche, als ihre Worte seine Ohren verstopften und er nur ihretwegen das Superbingo zu spät erkannte. Er war mächtig sauer auf seine alte Freundin, aber er merkte auch wie sehr ihr alles zu schaffen machte. Selbst bei ihrem heiß und innig geliebten Toast Hawaii, den sie immer nach dem Bingoabend verspeiste, sprudelte es weiter aus ihr heraus.
Ihr Enkel, so sagte sie an diesem Abend, sei bei ihr zu Besuch, und sie wäre sehr beunruhigt wegen ihm. Ständig würde er in den albernsten Kostümen herumlaufen, dabei sei er doch schon 25! Und diese Selbstgespräche, die würden sie völlig fertig machen.
Ihr sei völlig klar, dass die Situation für ihren Enkel hochgradig belastend wäre, schließlich hatte der arme Junge seine gesamte Familie auf einen Schlag verloren, Vater, Mutter und seinen geliebten Bruder. Und es sei ja auch kein ganz alltäglicher Unfall gewesen, schließlich würde man nicht oft hören, dass ein als Polizist verkleideter Psychopath absichtlich ein Auto auf eine voll befahrene Kreuzung winkt…
Wenn Opa Paske ehrlich zu sich war, hatte er ihr kein Wort geglaubt. Er hatte schon lange auf den Tag gewartet, an dem einer von ihnen mit der Altersdemenz anfing. Dass es ausgerechnet seine Freundin war, hatte ihn betrübt.
Fluchend wünschte er sich, dass er sie ernst genommen hätte, wer weiß wie viele Leben der Bastard schon auf dem Gewissen hatte.
Doch so wie er Oma Malte nicht glauben wollte, erging es ihm nun mit der Polizei. Der Beamte am anderen Ende der Leitung hing nach einer halben Minute einfach auf. Fassungslos starrte Opa Paske auf den Hörer.
Dann schnappte er sich seinen guten, alten Vorderlader und stapfte zur Tür.
Fünf – Aufhören, wenn es am schönsten ist
Bevor Opa Paske die Tür öffnen konnte, flog diese bereits mit einem Krachen auf.
Paule und ich stolperten herein.
„Opa Paske, schön Sie zu sehen. Oma hat mir soviel von Ihnen erzählt“, begrüßte Paule freundlich den älteren Herrn.
„Hör mal, Paule, warum quatscht du denn jetzt noch mit ihm? Schick ihm doch einfach ´ne Ladung Blei rüber, wie ichs von dir gewohnt bin“, sagte ich genervt zu meinem Bruder.
Paule starrte mich an. „Hey, Bruderherz, das wäre doch unhöflich. Lass mich doch erst noch ein bisschen mit ihm plaudern bevor ich ihn zu unserer Oma in den Himmel puste.“
Blitzschnell erfasste Opa Paske die Situation, zielte mit dem Vorderlader genau auf mein Gesicht und drückte ab. Das letzte was ich sah, war das entsetzte Gesicht meines Bruders.