Unverhofft kommt oft
Die Sterne funkelten klar am Nachthimmel und keine Wolke war da, um den Anblick auf sie zu verdecken. Der große, runde Mond leuchtete auf die Erde hinab und sein geheimnisvolles Licht erfasste jeden Baum, jeden Strauch und jeden Grashalm, der in diesem Wald zu finden war. Ein leichter Wind wehte durch die Äste und Zweige der hohen, laubbehangenen Bäume und ließ ein leises Säuseln entstehen, in dieser warmen Sommernacht. Es herrschte Stille im Wald, abgesehen von den Geräuschen die die nachtaktiven Tiere von sich gaben, auf der Suche nach ein wenig Futter oder um eben als solches zu enden.
Doch die Tiere waren nicht allein. Ein anderes Geräusch störte die sonst so friedliche Stille im Wald. Ein Geräusch das nicht hierher zu passen schien. Weder zu dieser Zeit, noch an solch einen erholsamen Ort. Schon vor Jahren hatte man einen Weg durch den Wald angelegt und von eben diesem steinigen Weg kamen die Geräusche. Schritte waren es, doch nicht die eines Wanderers oder eines Joggers. Es waren die Schritte zweier junger Burschen, die nur eines im Sinn hatten: Schneller zu laufen, als ihre Füße sie tragen konnten.
Ihr Schnaufen war nicht zu überhören und auch ihre Lungen fühlten sich langsam schmerzhaft an. Doch noch durften sie sich keine Pause gönnen. Noch nicht.
Langsam sahen sie das Ende des Waldes und auch die Landstraße, von der der Waldweg abbog. Bald hatten sie es geschafft. Dann brauchten sie nur noch einen vorbeifahrenden Wagen anzuhalten und weg wären sie von diesem Ort. Sie wussten, dass in der Nacht nicht mehr allzu viel Verkehr war, aber immer wenn dieser erschreckende Gedanke sich in ihnen sich auftat, versuchten sie ihn zu verdrängen.
Durch die Bäume am Waldesrand sah einer von ihnen die Lichter eines herannahenden Wagens. “Schneller Alex!” keuchte er und versuchte selbst schneller zu werden, doch er konnte es nicht.
Zehn Meter lagen zwischen dem Ende des Waldes und der Landstraße. Der Bursche, der den Wagen gesehen hatte, rannte weiter und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum. “Halten Sie an, bitte!” rief er so laut er konnte. “Wir brauchen Hilfe!” Doch der Wagen fuhr weiter. “Halten Sie doch an!” rief er mit brüchiger Stimme hinterher. “Lassen Sie uns doch nicht allein hier!”
Verzweiflung spiegelte sich in seinem Gesicht wider als er die Landstraße erreichte und obwohl nur noch die Rücklichter des Wagens zu sehen waren, die immer kleiner wurden, starrte er ihnen hinterher.
Langsam kam Alex neben ihm zum stehen und legte seine Hand auf dessen Schulter. “Lass gut sein, Dany.” sagte er, nach Luft japsend. “Sie haben dich nicht gehört.”
Mit dem Ärmel seines karierten Hemdes, das immer aus seiner Jeans hervor schaute, wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
“Aber…” stammelte Dany, “aber sie müssen uns doch gesehen haben.”
Alex schüttelte den Kopf. “Lass uns kurz verschnaufen, dann rennen wir weiter.” Erschöpft fiel er auf die Knie und versuchte wieder zu Atem zu kommen.
Plötzlich fuhr Dany erschrocken herum. Hatte er da etwas gehört? Aus der Ferne tauchten zwei Lichter auf. “Komm hoch!” sagte er hastig zu Alex und zog ihn am Arm. “Da hinten kommt ein weiteres Auto. Wir sind gerettet, verstehst du?”
Alex schaute hoch und sah die Lichter. Es stimmte, ein weiterer Wagen kam die Landstraße entlang.
“Jetzt komm endlich.” Der befehlende Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. Aber es wäre nicht nötig gewesen. Schon bevor er die Worte ausgesprochen hatte, stand Alex schon wieder auf seinen beiden Beinen. Gemeinsam rannten sie den Lichtern, mitten auf der Straße, entgegen. Sie mussten das Fahrzeug zum Stehen bringen, was es auch kosten möge. Immer wieder riefen sie “Halt!” oder “Anhalten!” und fuchtelten dabei erneut mit den Armen in der Luft herum.
Der Wagen, ein viertüriger Volvo 244 Baujahr`82, hielt einige Meter vor ihnen an. Sie konnten nicht erkennen wer am Steuer saß. Die Scheinwerfer blendeten sie und das Surren des Dieselmotors war zu hören. Es war ihnen aber auch egal. Nur weg von hier, nur weg.
An der Fahrerseite wurde das Fenster heruntergekurbelt. “Was ist denn mit euch los?” fragte eine Männerstimme. “Hattet ihr eine Panne?”
Dany, obwohl er bei weitem kräftiger gebaut war als Alex, war erneut erster. Es wunderte ihn nicht. Sagte man nicht, dass Angst einem besondere Kräfte verlieh? Bei Dany würde dies vermutlich stimmen, auch wenn diese Kraft nur in seinen Beinen zur Geltung kam.
“Könnten Sie uns bitte mitnehmen?” Er hielt sich an der Autotür fest, als wenn er dadurch verhindern wollte, dass der Wagen weiterfuhr.
“Bitte, nehmen Sie uns mit. Wir bezahlen auch dafür.” sagte Alex nicht weniger hektisch.
Der Fahrer, ein Mann um die Fünfzig herum mit Vollbart, überlegte kurz und musterte die zwei dabei.
“Bitte!” versuchte Dany in zu bedrängen.
“Also…” sagte der Fahrer nachdenklich und gab sich schließlich einen Ruck. “Also schön. Steigt hinten ein!”
Mit Schwung riss Dany die hintere Tür auf und stieg schnell ein, Alex drängelte nach. Kaum war er drinnen, zog er auch schon die Tür zu.
“Was ist denn passiert?” fragte der Fahrer und drehte sich zu den beiden um.
“Fahren Sie!” schoss es aus Dany hervor. “Fahren Sie um Gottes Willen endlich los. So schnell Sie können. Bitte!”
Der Fahrer drehte sich wieder verwundert um und der weinrot-metallic farbene Wagen setzte sich in Bewegung.
Verängstigt und völlig fertig schauten Dany und Alex aus dem Fenster zu dem Wald hinüber, der friedlich und einsam an ihnen vorbeizog. Erst als er begann kleiner zu werden begann, ließen sie ihre Blicke von ihm und lehnten sich, sichtlich erleichtert, in ihre beigen Sitze zurück. Keiner von ihnen sprach ein Wort.
Nach einigen Minuten Fahrt räusperte sich der Fahrer kurz. “Wo soll ich euch denn absetzen?” fragte er leise mit heller Stimme.
Dany sah, wie er sie im Rückspiegel beobachtete. “Beim nächsten Polizeirevier.” antwortete er knapp.
Wieder schwiegen alle während der Wagen durch die einsame Landschaft fuhr. Das monotone Geräusch des Motors wirkte einschläfernd.
“Hattet ihr eine Panne oder was ist passiert?” fragte der Fahrer und riss beide aus ihrem Dämmerzustand heraus.
“Wir…” begann Dany zu sagen, doch da packte Alex ihm am Arm.
“Bitte nicht. Erzähle es nicht.” flüsterte er.
“Wurdet ihr überfallen?” hakte der Fahrer nach und wartete auf eine Antwort.
“Hör mal,” flüsterte Dany zu Alex, “wir sind in Sicherheit. Uns kann nichts mehr passieren.”
Alex nickte leicht.
“Wurdet ihr nun überfallen oder hattet ihr nur ne Panne?” fragte der Fahrer erneut.
Dany räusperte sich. “Es war etwas Schlimmeres als das. Weitaus schlimmer.”
“Oh, dann mach mir bloß keine Angst.” Der Fahrer lächelte leicht. “Aber erzähl ruhig, wir haben noch etwas Zeit bis das nächste Revier auftaucht. Und so geht wenigstens die Zeit schneller vorbei.”
Dany schaute kurz zu seinen Kumpel, dann schaute er wieder nach vorn. Zu den schwarzen Haaren des Fahrers, die an der Schläfe schon leicht ergrauten.
“Nun?” hörte er ihn fragen und dann hörte er seiner Stimme zu, als wenn sie von weit weg kommen würde und jemand anderes für ihn spräche.
Er hörte sich sagen, wie sie mit dem Wagen von Alex Eltern auf der Landstraße unterwegs waren, dem blauen Citroën Xantia und es kam ihm vor, als wenn er das ganze noch ein mal erleben würde. Die Realität um ihn herum verschwand langsam und dafür sah er deutlicher wie er sich auf dem Beifahrersitz des Citroën befand.
Es hatte Alex ein wenig Überredungskunst gekostet, ihn sich von seinen Eltern zu borgen. Hätten sie gewusst, dass er ihn nur bräuchte um in die Disco zu fahren, dann hätte er ihn bestimmt nicht gekriegt. Seine Eltern sahen in dem zehn Jahre alten Wagen eben mehr, als nur ein Transportmittel. Nur die Tatsache, dass Alex schon seit knapp zwei Jahren unfallfrei seinen Führerschein hatte, änderte was daran. Und eben seine Lüge, dass er Anne, die in seine Berufsschulklasse ging, bei den Theorieübungen helfen wollte. Aber stattdessen waren sie zu viert auf dem Weg in die Disco.
“Ich hab ne Idee.” hatte Alex zu Dany geflüstert, als sie im Citroën saßen. “Wir nehmen die Abkürzung durch den Wald.”
“Und dann?”
“Dann täusche ich ne Panne vor.”
“Ich versteh nicht ganz.”
“Hör mal, ich bin scharf auf Anne und ihre Freundin hat ein Auge auf Dich geworfen.” Er grinste.
Dany konnte sich denken was er vorhatte. Er drehte sich zu den zwei Mädchen um, die auf der Rückbank saßen und ebenfalls leise mit einander tuschelten. Anne kannte er schon von der Berufsschule. Er war selber mal auf der gleichen, aber dann hatte er seine Maurerlehre geschmissen, da er mit seinem Meister nicht klar kam. Ständig hatte er etwas an ihm auszusetzen. Der wollte ihm sogar vorschreiben, wie er seine Haare zu tragen hatte und wann er zum Friseur gehen sollte. Es gab schließlich nur noch Krach und das ließ er sich nicht bieten und ging.
Juliane oder July, wie sie auch genannt wurde, kannte er noch nicht so lange. Anne hatte sie ihm vorgestellt, als sie alle zusammen mal ins Kino gegangen waren. Sie war genauso alt wie er, achtzehn. Nur ging sie noch zur Schule, während er sich eine neue Lehrstelle suchen musste, aber das hatte noch etwas Zeit. Mit ihrem einen Meter vierundsiebzig, war sie nur fünf Zentimeter kleiner als er. Und ihre Figur, einfach traumhaft schlank. Was ihm besonders an ihr gefiel war, dass sie auch mal ein wenig rebellisch sein konnte. Sie hatte heute wieder die gleiche Hose an, wie beim Kinobesuch. Eine blaue Jeans, in die sie eigenhändig Löcher geschnitten hatte. Sie hatte ihm erzählt, dass ihre Mutter fast an die Decke gegangen war, als sie das gesehen hatte. Aber sie fand es eben chic, oder tat sie es nur um ihre Mutter zu ärgern? Er wusste es nicht und es war ihm eigentlich auch egal.
Aber dieser Abend war ihm nicht egal. Jeder Abend mit ihr oder auch jeder Tag, an dem er an ihrer Seite sein konnte, war ihm nicht egal. Und wenn Alex Plan gelingen sollte, dann vielleicht…
“Was starrst du denn so?” fragte Anne ihn.
“Nichts, darf ich noch nicht mal zwei so hübsche Frauen anschauen?” Er grinste.
“Anschauen?” fragte sie ihn. “Oder dir eher dabei vorstellen wie wir ohne Klamotten aussehen?”
“Und wenn es so wäre?” fragte er zurück.
“Vielleicht erwartet er ja nur etwas.” sagte July zu Anne und richtete sich etwas auf. Dann fasste sie an das Ende ihres schwarzen T-Shirts und begann es langsam vor Danys Augen anzuheben.
“Na?” fragte sie ihn. “Gefällt Dir das?”
Danys Augen wurden größer.
“Hör bloß auf!”, sagte Anne zu ihr, “Der fängt sonst noch an zu sabbern.”
Doch July machte langsam weiter und ihr Bauchnabel war schon zu erkennen. Anne schaute zur Seite und schüttelte nur leicht den Kopf.
“Lass mich auch mal sehen.” sagte Alex und versuchte Danys Kopf zur Seite zu drücken, aber Dany wehrte seine Hand ab.
July hatte das T-Shirt bereits bis zu ihrem BH hochgezogen und hielt jetzt inne.
“Na los, zeig es mir.” forderte Dany sie erfreut auf. “Mach’s nicht so spannend.”
Schnell hob July das T-Shirt an und für ne Sekunde konnte man ihren BH sehen, dann ließ sie das T-Shirt wieder komplett fallen und lehnte sich zurück in ihren Sitz.
Ein lautes “Jahu!” kam über Danys Lippen und er ließ sich breit grinsend zurück in seinen Sitz fallen.
“Ihr habt doch echt einen an der Waffel.” sagte Anne kopfschüttelnd und grinsend.
Alex schaute kurz zu ihr. “Jetzt bist Du dran.”
“Das hättest Du wohl gerne. Ich weiß schon warum ich mich nach hinten gesetzt hatte.”
“Ach ja?”
Anne lehnte sich nach vorne und spielte sanft mit Alex Ohren. “Damit Du nicht noch über mich herfällst.” hauchte sie ihm zu und mit einem Kichern setzte sie sich wieder hin.
Alex und Dany wechselten einen kurzen Blick und der sagte mehr als tausend Worte. Sie kicherten.
In der Ferne tauchte ein Wald auf, der sich neben der Landstraße befand. Alex blinkte kurz und lenkte den Wagen auf einen steinigen Weg, der zu dem Wald führte.
“So sind wir aber letztens nicht gefahren.” sagte July und Anne nickte ihr zu.
“Ich kenne ne Abkürzung. Habe ich erst heute auf einer Karte gesehen.”
Der Citroën fuhr immer weiter in den Wald und auf einmal blieb er stehen.
Alex drehte erneut den Zündschlüssel herum, aber nichts tat sich. “Na großartig.” sagte er und versuchte dabei ernst zu bleiben, was ihn viel Mühe kostete.
“Was ist denn los?” fragte Dany.
“Scheint so, als wenn der Motor nicht mehr will.” Er tat so, als wenn er auf die Tankanzeige schauen würde. “Dabei war er voll getankt.”
“Heisst das etwa,” Annes Stimme klang leicht besorgt, “dass wir hier festsitzen?”
Ohne eine Antwort zu geben, zog Alex an dem Hebel für die Motorhaubenentriegelung und stieg dann aus.
“Was machen wir denn jetzt?” fragte July nachdenklich.
“Das ist bestimmt nichts Ernstes.”
“Woher willst Du das wissen, Dany?”
Er überlegte kurz. “Ist das nicht immer so? Aber wenn es dich beruhigt, dann schaue ich ebenfalls mal nach.”
Er schnallte sich ab und stieg ebenfalls aus. Gemeinsam schaute er mit Alex auf den Motor.
“Ich hab mal die Zündkerzen etwas gelockert, falls eine der Weiber auf die Idee kommt, es selbst mal zu testen.” sagte Alex und grinste.
“Cool, du denkst echt mit.”
“Kennst mich doch.” Alex nahm eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hemdtasche und zündete sich eine an.
“Also was ist nun?”
Beide schauten auf und Dany stieß mit dem Kopf gegen die Motorhaube.
“Keine Ahnung. Es sieht alles normal aus. Ich weiß nicht woran es liegt.” Alex versuchte weiterhin ernst zu bleiben.
“Echt, Anne.” Sagte Dany, sich dabei die kleine Beule massierend. “Ich weiß es auch nicht.”
“Männer!” Gab sie schlecht gelaunt von sich und stieg wieder ins Auto.
“Tja, Mädels.” Dany stand an der hinteren Tür und schaute mit dem Kopf ins Wageninnere. “Wir stecken hier fest. Alex und ich gehen mal auf die Suche nach Hilfe. Wenn ihr mitkommen wollt, dann…”
“Nein.” unterbrach ihn Anne und verschränkte die Arme vor der Brust. “Ich gehe nicht mit euch durch den Wald. Wer weiß was da so alles passiert.”
Dany schaute zu July.
“Ich ähm…” stammelte sie leicht verunsichert, “ich leiste Anne Gesellschaft.”
“Ok,” sagte Dany leicht enttäuscht, “eure Entscheidung. Wenn ihr lieber hier bleiben wollt, allein im tiefen Wald. Mit all den Tieren und so. Bitte. Kein Problem.”
Er wandte sich ab, aber nach ein paar Schritten blieb er nochmal stehen. “Aber wenn ihr gefressen werdet, dann gebt nicht uns die Schuld.” Dann ging er zu Alex.
“Und?” Fragte Alex. “Was haben sie gesagt?”
“Deine Anne hat Schiss, das haben sie gesagt.” Er vergrub seine Hände in seiner schlabbernden Jeans, die zu seinem dünnen Pullover passte, und schoss mit dem Fuß einen Kieselstein davon.
“Na komm, gehen wir erst mal ein paar Meter.” Er grinste. “Dann werden sie es sich schon anders überlegen.”
Dany nickte leicht betrübt.
Im Wagen war es still. keine der beiden sagte auch nur ein Wort. Der Wind wehte durch die Bäume und brachte die Äste leise zum knarren. July schreckte auf einmal auf, als eine Eule in der Ferne zu hören war.
“Sag mal,” flüsterte sie zu Anne, “war es auch kein Fehler?”
“Was?”
“Na hier zu bleiben.”
“Finde ich nicht. Oder hast Du etwa Angst?”
“N… nein und Du?”
“Auch keine.”
“Dann ist ja gut.”
Nicht weit von ihnen huschte etwas kleines über den Boden.
“Ich…” stammelte July, “werde aber dennoch mal nach den beiden schauen.”
Noch ehe Anne etwas erwidern konnte, flog die Wagentür auch schon auf und July rannte den beiden hinterher.
“Das kann doch nicht wahr sein.” flüsterte Anne verärgert zu sich selbst und stieg dann ebenfalls aus den Wagen.
“Wie hattest Du Dir das eigentlich vorgestellt mit der Panne? Das die zwei aus Angst uns um den Hals fallen und sich dann flachlegen lassen?”
Alex grinste bei den Gedanken. “Das wäre auch ne tolle Sache.” bemerkte er. “Lass die erst mal ein wenig zappeln. Der Rest ergibt sich dann schon von allein.”
“Dennoch finde ich das von Anne echt sch…”
“Psst.” unterbrach Alex ihn. “Da ist doch wer?”
Beide drehten sich um und sahen wie July ihnen hinterher rannte.
“Wartet doch!” rief sie, nur noch wenige Meter entfernt.
Beide kamen ihr etwas entgegen und ehe sich Dany versah, warf sich July ihm auch schon an den Hals.
“Soviel also dazu.” gab Alex von sich und kicherte etwas.
Dany schaute ihn leicht missmutig an. “Was ist denn los?” fragte er sie.
“Nichts, nichts weiter. Ich wollte euch nur nicht alleine gehen lassen.”
Alex nickte mit dem Kopf. “Natürlich nicht.” sagte er im gespielten Ernst.
“Und Anne ist noch beim Wagen?” fragte er.
“Nein, ist sie nicht mehr.” sagte Anne hinter ihnen.
“Schön, das du July nicht allein gelassen hast.”
“Musste ich ja wohl, wenn sie schon vor einem Eichhörnchen Reißaus nimmt, das neben unserem Wagen auf Futtersuche war, wer weiß was noch passiert wäre.”
“Stimmt ja gar nicht.” giftete July zurück und schaute dann Dany tief in seine blauen Augen. “Das war bestimmt eine Ratte oder noch was Ekligeres.”
Dany drückte ihren Kopf an seinen Hals und streichelte durch ihr schulterlanges, braunes Haar. “Jetzt bis du ja nicht mehr allein.” sagte er sanft zu ihr, während sie ihre Arme um seine Taille legte.
“Hey, Liebespärchen.” Mit diesen Worten holte Anne die zwei zurück aus ihren Gedanken. “Wir sitzen in einem Wald fest. Schon vergessen?” Sie hakte sich bei Alex ein und gemeinsam gingen die zwei weiter.
“Manchmal hat sie wirklich kein Taktgefühl.”
“Wer? Anne?” fragte July.
“Ja, manchmal ist das schon ätzend.”
Gemeinsam gingen die beiden weiter und holten die anderen zwei ein.
“Sag mal Alex, gibt es hier nicht auch Bären?”
July schaute Dany leicht eingeschüchtert an.
“Ja, die gibt es.” Alex grinste. Er wusste was Dany versuchen wollte und das gefiel ihm.
“Fressen die nicht auch Menschen?” Fragte Dany weiter.
“Und ob, aber am liebsten nur langhaarige.” Er schielte rüber zu Anne und konnte sehen, wie sie ihre schwarzen Haare über die Schulter nach vorne legte.
“Mit schwarzen Haaren nehme ich doch an, oder?”
Alex nickte grinsend.
“Ihr seid doch beide blöd.” Anne warf einen bösen Blick rüber zu den beiden.
“Der Bär vermutlich auch, wenn er dich frisst.” Er überlegte kurz. “Nur aus deiner Sicht gesprochen.” Er grinste.
“Arschloch.” Anne löste sich von Alex und drehte sich um. “Ich geh zurück zum Wagen.” Und mit diesen Worten machte sie sich auf dem Weg.
“Das hast Du ja was angerichtet.” sagte Alex zu Dany mit einem Augenzwinkern.
“Kannst ja versuchen, sie zu beruhigen. Wir gehen währenddessen langsam weiter.”
July drückte sich etwas enger an Dany.
“Warte mal.” sagte Alex zu Anne und lief hinter ihr her.
Dany und July gingen langsam weiter und ab und zu drehte er sich zu den anderen beiden um. Zuerst sah er, wie sie miteinander redeten. Dann wie sie sich in den Armen lagen. Und beim dritten Mal nachschauen, da waren nur noch er und July auf dem Weg.
Er grinste insgeheim. Er wusste, dass Alex sie herum gekriegt hatte. Er verlangsamte seinen Schritt. Als July dies bemerkte, schaute sie ihn an.
“Was ist los?” Schnell blickte sie hinter sich. “Wo sind denn die anderen zwei?”
“Warum beunruhigt dich das?”
“Naja, ich meine…” Sie fand keine passende Antwort.
“Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass ich dich hübsch finde, July?”
“Das sagst du doch nur so.”
“Nein, ehrlich. Ich meine es so.”
Sie blieben stehen und er schaute ihr tief in ihre grauen Augen. Zärtlich strich er eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
“Ich finde dich wirklich hübsch.” Vorsichtig streichelte er ihr über die Wange. “Ich empfand das schon bei unserer ersten Begegnung. Und ich glaube…”
Er hielt inne.
“Ja?” fragte July ihn. “Was glaubst du?”
“Ich…” Er suchte nach den richtigen, den passenden Worten. “Ich glaube, du hast mir den Verstand geraubt.”
July lächelte leicht. “Habe ich das?”
Ihre Frage war nur ein Flüstern , aber Dany kam es vor als wenn eine Nachtigal singen würde. Er legte seine Arme um ihre Taille und drückte sie sanft an sich heran.
“Ja, das hast du.” hauchte er ihr zu.
“Oh Dany, ich hatte gehofft, das du das mal zu mir sagst.”
Auch ihre Arme lagen um seinen Körper und krochen langsam seinen Rücken hinauf.
“Ich hatte es gehofft.”
“Psst.” Sagte er zu ihr und kam langsam mit seinem Gesicht näher zu ihr. “Sag jetzt nichts.” Seine Lippen trafen sanft auf ihre Wange. Ein wohliger Schauer ging ihr bei dieser Berührung durch den Körper.
“So gehofft.” flüsterte sie weiter und legte einen Arm um seinen Hals. Langsam tasteten sich seine Lippen vorwärts und fanden die ihren. Erst zögernd, dann doch mit mehr Hingabe drehte July ihr Gesicht mehr zu ihm hin und öffnete langsam ihre Lippen. Sie küssten sich leidenschaftlich.
Auf einem mal zog July ihren Kopf zurück. Hastig blickten ihre Pupillen zu ihrer rechten Seite hinüber. “Ich hab was gehört.”
“Den Schlag meines Herzens.” Gab Dany ihr zur Antwort und legte seine Hände unterhalb ihrer Ohren an den Kopf und wollte sie weiter küssen.
“Da war es schon wieder.” sagte sie und löste sich von ihm.
Leicht seufzend schaute Dany in die Richtung, in die July mit der Hand zeigte. “Da ist nichts. Und wenn doch, so ist es bestimmt nur ein Tier, das den falschen Augenblick gewählt hat um auf sich aufmerksam zu machen.”
July ging etwas näher an den Wegesrand und versuchte durch das Buschwerk zu spähen. “Und wenn uns jemand beobachtet oder uns auflauern will?”
“Wer sollte das denn schon sein?” Er drehte sich um die eigene Achse. “Hier ist doch niemand. Selbst Alex und Anne sind nicht hier.”
“Ich kann mir denken wo die sind.” July kicherte leicht verlegen.
“Na also.” sagte Dany beruhigend zu ihr. “Es wird schon niemand hier sein, Schatz. Glaub es mir ruhig.”
“Ich bin dennoch dafür, das wir jetzt weiter gehen.” Sie schaute noch mal durch das Gebüsch und sah dann etwas, das sich bewegte. Etwas langes, das von oben herab zu hängen schien.
Dany schaute ihr über die Schulter. “Siehst du? Da haben wohl Kinder mal eine Art Hütte oder Baumhaus gebaut und das Stück Stoff macht nun Deine beängstigenden Geräusche.”
“Aber für Stoff ist es zu unbeweglich. Ich meine…”
“Du meinst, das es zu steif ist?”
“Genau das.”
Dany schaute etwas genauer hin. Dieses Stück Stoff hing von einem Baum, der nur zwanzig Meter von ihnen entfernt stand, herunter und war nur einen knappen halben Meter über dem Erdboden. Um den Baum herum gab es eine schmale Grasfläche. Wenn das nicht der perfekte Platz wäre, um ein wenig ungestört zu sein, dann gab es vermutlich in dem Wald gar keinen. Ob July mit ihm dahin gehen würde? Vielleicht wollte sie das gerade. Hatte sie ihm nicht diesen Platz mehr indirekt gezeigt oder was genau wollte sie damit bezwecken?
“Lass uns doch mal nachschauen.” schlug Dany vor und war schon dabei ins Gebüsch zu klettern.
“Muss das sein?” Fragte sie ihn.
“Es wird schon nichts passieren.”
July drehte sich um und schaute den Waldweg in beide Richtungen entlang. Allein hier zu stehen behagte ihr gar nicht. Schnell schnappte sie nach Danys rechter Hand und bahnte sich mit ihm einen Weg durch das Gebüsch. Sie merkte, wie Dany versuchte, ihr die dornigen Zweige und Brennnesseln aus dem Weg zu drücken. Mit ihrer löchrigen Jeans hätte sie dagegen keine Chance gehabt und innerlich verfluchte sie es, dass sie diese Hose angezogen hatte und nicht eine andere. Aber schnell war der schwerste Teil des Weges geschafft. Blieb nur noch der Rückweg.
Dany ging langsam auf den Baum zu und malte sich schon in Gedanken aus, wie er sich gleich mit July auf der Wiese herumwälzen würde. Das Gelächter und Geschnaufe, das durch den Wald hallen würde. Und dann, nachher, wenn alles ein Ende gefunden hatte, gemeinsam noch nebeneinander zu liegen um zu kuscheln.
Dany erkannte langsam, dass dieses Stück Stoff kein Stoff sein konnte. Eher ein Brett. Ein Brett, bei dessen Mitte noch mal eine Schnur gebunden war. Ein Knarren war zu hören. Das selbe Knarren, wie July es vernommen hatte. Ein Knarren, das von dem Ast kam, an dem diese schwere Last hing. Ein Knarren, das durch das Seil zu stammen schien, an dem die schwere Last gebunden war. Ein Knarren, das durch die schwere Last selbst hervorgerufen wurde, wenn sie leicht hin- und herschaukelte.
Dany hockte sich hin und schaute sich dieses Brett, das kein Brett war, genauer an. Es fröstelte ihn ein wenig. Er packte den Gegenstand an und drehte ihn herum. Fliegen kamen ihm entgegen und er hatte Mühe, sie davonzujagen. Er schaute wieder hin und was er da sah, ließ sein Blut gefrieren.
Ein Auge schaute ihn an. Es schaute ihn nicht nur an, es durchbohrte ihn förmlich. Es durchbohrte sein eigenes Auge und setzte sich in seinem Gehirn fest. Er würde niemals dieses Auge vergessen können. Weit aufgerissen und mit Blut unterlaufen. Er schaute noch genauer hin. Das Blut kam nicht aus dem Auge hervor. Es kam aus dem weit aufgerissenen Mund darüber. Langsam verstand er, was er da sah. Es war der Körper einer toten Frau, kopfüber aufgehängt und die Kehle so dermaßen durchgeschnitten, dass der Kopf nur noch zur Hälfte am Hals hing. Bei genauerer Betrachtung, konnte man einen Teil der Wirbelsäule erkennen, wie sie zwischen den schleimigen Luft- und Speiseröhren entlang lief. Und überall Blut.
“Dany, was ist da?” hörte er July fragen.
Schnell drehte er sich zu ihr um und schoss aus der Hocke hoch. “Da ist…”
Er unterbrach sich selbst.
“Was ist denn los?” fragte sie ihn und verstand seinen blassen Gesichtsausdruck nicht und das sich immer weitere Öffnen seiner Augen und den offen stehenden Mund. Er wollte etwas zu ihr sagen, aber er brachte keinen Ton heraus. Sein Finger zeigte nur in die Richtung in die er starrte und das war irgendwie hinter ihr. Sie drehte sich um, sah noch etwas aufblitzen und dann umhüllte sie tiefschwarze Dunkelheit.
Dany rannte, als wenn der Leibhaftige hinter ihm her wäre, den Waldweg entlang. Er wusste nicht, wie er es geschafft hatte auf ihn zu gelangen. Wie er es geschafft hatte, den Weg vom Baum zurück zum steinigen Pfad zu finden. Und vor allem wusste er nicht, wie er dem Monster entkommen war. Das Monster, das vor seinen Augen der armen July mit einem Jagdmesser die Kehle durchgeschnitten hatte.
Das Monster, das vermutlich auch die andere Frau auf dem Gewissen hatte. Aber eines wusste er noch genau und das würde er nicht so schnell vergessen. Wie dieses Monster zu ihm rüber geschaut hatte, als die arme July zu Boden sackte, liegend in ihrem eigenem Blut. Einen verzweifelten Kampf kämpfend, der so schnell vorüber ging, wie er auch hoffnungslos war. Und wie dieses Monster zu ihm mit tiefer Stimme sagte: “Ihr habt zuviel gesehen!”
Er rannte weiter, immer weiter und rief dabei so laut er konnte nach Alex und Anne. Endlich kam er an der Stelle an, wo er sie zuletzt gesehen hatte. Hastig schaute er sich um. Hinter sich, vor sich, ins Gebüsch und wieder von vorn.
Ein Rascheln neben sich im Gebüsch ließ ihn zusammenzucken. Er starrte auf die Stelle und hörte sein eigenes Blut, das durch den Körper gepumpt wurde. Seine Atmung nahm zu und Angstschweiß bildete sich auf seiner Stirn. Das Rascheln kam näher. Danys Hände begannen zu zittern. Seine Knie zitterten und sein Magen drohte zu rebellieren.
“Was…” ertönte eine Stimme vor ihm aus dem Gebüsch, doch wurde sie durch einen Angstschrei von Dany unterbrochen.
Er machte einen hastigen Schritt zurück, stolperte und flog der Länge nach auf den steinigen Boden.
“Was soll das?” fragte Alex, der sich dabei sein Hemd zuknöpfte, ihn entgeistert. “Bist du behämmert oder was ist los?”
Es raschelte erneut und Anne kam aus dem Gebüsch, während sie sich noch kurz ihre schwarze Stoffhose zurecht rückte.
“Wenn du wieder so etwas vorhast,” sagte sie zu Alex, “dann sag mir vorher Bescheid. Dann ziehe ich mir eine grüne Hose an. Da sieht man die Grasflecken nicht so deutlich.”
Alex half Dany wieder auf die Beine. “Was ist denn also nun los und wo ist July?”
“July… Messer… Frau… Auge… Blut… Tod, der Tod kommt!” Stammelte er hysterisch aber Alex kapierte es nicht.
“Wer kommt?”
“Wir… wir müssen hier weg. Sofort!”
Alex schaute fragend zu Anne.
“Der ist doch bekloppt.” sagte sie und hörte das leise Rascheln hinter sich nicht.
“Aber Anne, wir sollten…”
“Wir sollten da weiter machen wo wir unterbrochen wurden.” unterbrach sie ihn. “Und nichts weiter.”
“Aber sie ihn dir doch an, der ist fertig mit den Nerven.” Sagte er sehr besorgt und schaute wieder zu Dany.
“Das ist mir doch egal. Er kann mich nicht ab und ich ihn nicht und jetzt versucht er uns mit seinem idiotischen Verhalten zu ärgern. Kapierst du das? Ich werde jedenfalls…” Sie hielt plötzlich inne.
Alex schaute zu ihr rüber und wollte nicht glauben was er da sah.
Eine dunkle Gestallt hielt Anne den Mund zu mit der anderen Hand führte er ein scharfes Jagdmesser, mit einem Griff aus Ebenholz, an ihre Kehle. Dann zog die Gestallt Anne auch schon zu sich ins Gebüsch.
Alex stand da wie vom Donner gerührt und starrte auf die Stelle, wo das gerade passiert war und konnte es dennoch immer nicht glauben.
“Alex, wir müssen hier weg!” drängte ihn Dany. “Wir müssen von hier verschwinden.”
“Aber Anne, ich muss…” Er hielt inne.
“Nichts kannst du. Ihr kann man nicht mehr helfen, aber uns können wir noch helfen. Also komm jetzt! Sofort!”
Er wollte los rennen, aber Alex starrte noch immer in die selbe Richtung.
“Was ist, Alex? Wartest du darauf, das er dich auch holen kommt?” Er packte ihn fest am Arm und rannte mit ihm Richtung Wagen, so schnell es ging.
Es dauerte eine Weile, aber dann erwachte bei Alex der selbe Überlebenswunsch wie bei Dany. Sie rannten und rannten und das Pochen in ihrem Kopf, hervorgerufen durch das schnellere Zirkulieren ihres Blutes, wurde immer lauter.
Der Wagen tauchte auf und beflügelt durch dieses rettende Ziel, sammelten sie noch ein mal all ihre Kraft und legten einen Endspurt ein.
Dany war noch nicht ganz drinnen, da drehte Alex schon den Zündschlüssel herum. Aber es passierte nichts. Er drehte ihn erneut um, aber wieder nichts.
“Verdammt!” brüllte Dany. “Was ist los?”
“Ich… ich weiß nicht… ich…” stammelte er.
“Wir müssen hier weg, Herrgott noch mal!”
Alex starrte auf den Schlüssel und drehte ihn erneut um. Wieder nichts. Schockiert schaute er Dany an.
“Die… Zünd…” stammelte er.
“Was? Jetzt mach endlich!” brüllte Dany weiter.
Alex schluckte. “Ich hab die Zündkerzen nicht wieder fest gemacht.” sagte er hastig.
Schnell sprang er aus den Wagen und lief zur Motorhaube.
Dany schaute nervös zu Alex und wieder den Waldweg hinauf und wieder zurück. Er hatte das Gefühl, als wenn sein Herz gleich einen Aussetzer machen würde. Endlich öffnete Alex die Motorhaube. Dany konnte durch einen kleinen Spalt sehen, wie er sich rüberbeugte, inne hielt und einen schnellen Schritt zurück tat. Dann lief er wieder zur Fahrerseite und schrie zu Dany: “Raus, wir müssen raus!”
Dany kapierte nichts. Erschrocken stieg er aus dem Wagen und schaute Alex fragend an.
“Der Kerl hat die Zündkerzen geklaut!” Dann rannte er auch schon los.
Dany stand da, unfähig einen klaren Gedanken zufassen. Langsam drehte er sich um und schaute den Weg entlang, von den sie gekommen waren und wo noch immer ihre Freundinnen liegen würden, einschließlich der unbekannten toten Frau. Angst überkam ihn. Schreckliche Angst.
“Alex?” Flüsterte er. “Alex?” wiederholte er ein wenig lauter und stolperte dabei rückwärts gegen den Wagen. “Alex!” brüllte er.
Ein Geräusch von der Seite ließ ihn die Füße in die Hände nehmen und er rannte so schnell er konnte. Während ein kleines Häschen aus dem Gebüsch gehoppelt kam und ihm nachschaute.
Alex und Danys Schnaufen war nicht zu überhören und auch ihre Lungen fühlten sich langsam schmerzhaft an. Doch noch durften sie sich keine Pause gönnen. Noch nicht.
Langsam sahen sie das Ende des Waldes und auch die Landstraße, von der der Waldweg abbog. Bald hatten sie es geschafft. Dann brauchten sie nur noch einen vorbeifahrenden Wagen anzuhalten und weg wären sie von diesem Ort. Sie wussten, dass in der Nacht nicht mehr allzu viel Verkehr war, aber immer wenn dieser erschreckende Gedanke sich in ihnen auftat, versuchten sie ihn zu verdrängen.
“Junge, Junge!” sagte der Fahrer des Volvos zu den beiden hinter sich. “Da habt ihr ja ne irre Geschichte erlebt.”
Dany sah erneut, wie der Fahrer sie im Rückspiegel beobachtete. “Und daher müssen wir unbedingt noch heute zu einem Revier.”
Der Fahrer lächelte leicht. “Und was werdet ihr denen erzählen? Das gleiche wie mir? Und was ist, wenn sie euch nicht glauben?”
Dany lehnte sich in den beigen Sitz zurück. “Das müssen die. Und wenn nicht, so müssen die der Sache zumindest nachgehen.” Er schaute rüber zu Alex, der friedlich eingeschlafen war. Er beneidete ihn. Er würde auch gerne, aber er konnte nicht, durfte nicht schlafen. Nicht ehe diese Sache fertig war oder sie zumindest einem Polizisten von der ganzen Sache erzählt hatten.
Noch immer fuhren sie auf der Landstraße in die einsame Nacht. Die Sterne waren ihre einzigen Wegbegleiter und mit ihnen das monotone Geräusch des Motors.
Danys Augen wurden langsam kleiner und ein Gähnen entfuhr aus seinem Mund. Was wäre schon dabei, wenn er nur ganz kurz die Augen schließen würde? Es wäre doch nichts dabei.
“Und was ist mit ihm?” Gedämpft hörte er die Frage des Fahrers.
“Mit wem?”
“Mit ihm, der euch verfolgt hatte. Was ist mit ihm?”
Dany versuchte ein weiteres Gähnen zu unterdrücken, doch er war zu erschöpft um das noch zu können.
“Weder ich noch Alex haben sein Gesicht gesehen. Nur das Messer.” Die Augen fielen ihm zu. “Und seine Stimme.” sagte er leise. “Ich würde sie unter hunderten wieder erkennen.” Dann schlief er ein.
Der Fahrer schaute in den Rückspiegel und schüttelte leicht grinsend den Kopf.
“Ist doch merkwürdig.” sagte er zu sich selbst. “Meine Frau war immer zu neugierig, wollte immer alles wissen,” er öffnete das Handschuhfach und nahm eine Packung Zigaretten hervor, “und ich musste es ihr abgewöhnen.” Er steckte sich eine Zigarette an und bließ belustigt den Rauch aus. “Und jetzt bin ich selbst neugierig geworden.” Sein Grinsen wurde breiter, als er die Zigarettenpackung zurück ins Handschuhfach legte und etwas anderes daraus hervor nahm und es auf den Sitz legte. Sein leises Lachen wurde tiefer, als er zum Beifahrersitz rüberschaute, auf dem ein blutverschmiertes Jagdmesser lag. Mit einem Griff aus Ebenholz.