Urlaubsbegegnung der etwas anderen Art...
Langsamen Schrittes lief ich durch den sonnendurchfluteten Wald. Es war so schön, mal wieder allein wandern zu gehen, nur begleitet von einem Rucksack, in dem ich das nötige Essen und Trinken immer bei mich trug.
Also wandte ich mein Gesicht der Sonne zu und begann, alle Eindrücke der Natur in mir aufzunehmen- den Gesang der Vögel, den Duft der Bäume und das Plätschern des nahen Flusses. So konnte ich alle Sorgen, die ich hatte, einfach vergessen.
Irgendwann gelangte ich an eine Stelle in der Nähe des Wassers, die so schön war, dass ich dort blieb, um diese himmlische Ruhe zu genießen....
Doch in meinem Unterbewusstsein hatte ich das Gefühl, dass sich jemand oder etwas mir zu nähern schien. Da Gefühle aber täuschen können, ließ ich dies für eine Weile außer Acht, um voll und ganz zu mir zu finden.
So legte ich mich auf den Rücken, schaute in den beinahe wolkenlosen Himmel und schaltete vollkommen von der Realität ab- bis mich ein Rascheln im Gebüsch ins Hier und Jetzt zurückriss.
Konzentriert wandte ich meinen Blick in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
Die Zweige teilten sich, und vor mir stand das stattlichste männliche Wesen, das mir je in meinem Leben vor Augen kam. Seine Haut war von einem tiefen Braun, und sein muskelbepackter Körper glänzte von dem Wasser, dem er vor kurzem entstiegen war.
Schon vom ersten Blick an war ich fasziniert von ihm, auch wenn sein Körperbau nicht unbedingt den Idealmaßen entsprach: die Augen viel zu klein, die Nase viel zu dick, die Ohren breit und abstehend und zu allem Überfluss noch eine große Hautfalte an der Unterseite seines Halses.
Aber das alles störte mich nicht, denn bekanntlich liegt wahre Schönheit im Auge des Betrachters.
Ich versuchte, ein kleines Gespräch mit dem Fremden zu beginnen, fragte ihn wie er hieße und ob er oft an diese Stelle käme. Doch seine einzige Antwort war nur ein tiefes, leises Grunzen.
Ganz der Naturbursche, dachte ich, bloß kein Wort zuviel verlieren. Vielleicht war er aber auch einfach nur schlecht gelaunt, wie viele Männer, wenn sie beim Bad gestört werden...
Auf jeden Fall schien ich nicht die Einzige zu sein, die von seiner Erscheinung in den Bann gezogen wurde. Als ich mich umdrehte, sah ich hinter mir eine Menge von Menschen, die den Fremden mit Videokameras und Teleobjektiven beobachteten. Dies lag mit Sicherheit an der Tatsache, dass er nur das trug, was die Natur ihm schenkte- das allerdings in einer durchaus ansehnlichen Größe.
Ich schaute noch eine Weile in seine klaren, glänzenden Augen, bis er sich schließlich wieder verzog und für eine Weile im Wasser abtauchte- sehr verständlich, bei der Masse von Gaffern.
Bevor er sich verabschiedete, machte ich allerdings noch ein Erinnerungsfoto, natürlich in einem Moment, den er nicht bemerkte. Konnte ja nie schaden!
Am nächsten Tag ging ich wieder zu dem Ort, wo er gewesen war. Nichts schien mehr an seine Anwesenheit zu erinnern, bis auf einen kleinen Gruß, der aus seinem tiefsten Innern zu kommen schien. Hatte er etwa an mich gedacht?
Eins ist klar: Im nächsten Sommer sehen wir uns wieder...