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Usurpator

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28.12.2004
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Usurpator

Grittes Handflächen lagen sanft und kühl auf seinen Augen. Sehnsüchtig sog er ihren süßen, warmen Atem ein. Er musste sich mühsam beherrschen, um nicht der Versuchung nachzugeben und sie an sich zu ziehen, um auf der Stelle ihre Lippen mit einem Kuss zu versiegeln.
„Bist du bereit, Herr?“, fragte sie sanft. Langsam nahm sie ihre zarten Hände von seinem Gesicht, ließ ihn zurückfallen in die Wirklichkeit, in die kalte und graue Vorhalle des Thronsaals. Er zog den schweren Mantel enger um die Schultern, als sein Geist sich der Endgültigkeit dessen, was er gleich würde tun müssen, erneut bewusst wurde. Ein letzter Blick in ihr ebenmäßiges, von blonden Locken eingerahmtes Antlitz, und er wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Ihre grauen Augen blitzten in stiller Zustimmung, als sie seine Gedanken in seinen Augen las.
Gunnar, erster Kriegsherr Cardonias und rechte Hand des Königs, nickte stumm. Die Finger seiner gepanzerten Hand schlossen sich um den Griff des Langschwerts an seiner Hüfte. Er tat einen Schritt auf die massive Doppeltür des Thronsaals zu, und wie auf einen unhörbaren Befehl hin öffneten zwei gerüstete Wächter den Zugang für ihn. Die Männer nickten ihm zu, ihre Gesichter verborgen hinter wie Vogelschnäbel gestalteten Helmvisieren. Hinter sich hörte Gunnar Grittes leichte Schritte auf dem Marmorboden. Trotz ihrer Reitstiefel und der Rüstung bewegte sie sich fast lautlos.
Der König speiste gerade, als Gunnar den Thronsaal betrat. Der alte Mann blickte scheinbar verärgert von den Tellern vor sich auf, bis er den Gebieter über seine Heere erkannte. Den Hühnerflügel, an dem er genagt hatte, zur Seite legend stand er auf und breitete die Arme aus. Seine weite Robe umwehte seinen vom Alter ausgezehrten Leib.
„Gunnar Schwarzfang!“, rief der König aus. „Ich hätte dich nicht erwartet.“ Seine Stimme wurde leiser und zögernder, als Gunnar seinen Schritt vor dem Thron nicht verlangsamte, auch am Fuß der Treppen nicht stehen blieb, um seinem Herrscher Ehre zu erweisen. „Nicht so früh. War dein... Feldzug erfolgreich? Aber...“
Der König hob anklagend den Arm, als er erkannte, was Gunnar getan hatte. „Was soll das, Gunnar?! Warum trägst du deinen Wappenrock nicht?“
Gunnars Linke schlug auf den Brustpanzer. „Dieser Stahl ist das einzige Wappen, dessen ich noch bedarf, mein König. Ich bin gekommen, eure Herrschaft zu beenden.“
Mit scharfem Kreischen fuhr das Schwert aus der Scheide und blitzte im fahlen Sonnenlicht, das durch die kleinen Fenster in den Thronsaal fiel. Keuchend wich König Bernard vor dem scharfen Stahl zurück. „Wachen! Ergreift ihn!“, rief er nach den Bewaffneten, die rechts und links des Throns in stummem und unbewegtem Spalier standen.
Gunnar zögerte einen Moment, unsicher, ob Gritte ihre Männer wirklich auf ihre Seite hatte bringen können, griff dann aber, als keiner der Krieger auch nur Anstalten machte, einzugreifen, nach des Königs pelzgesäumtem Kragen. Seine Faust krallte sich unbarmherzig in den roten Stoff der Herrscherrobe, und Bernhard wand sich wie ein gefangenes Tier in seinem Griff, ganz und gar unherrschaftlich und panisch kreischend. „Du bist einer meiner Ritter, Gunnar! Du kannst das nicht tun! Du darfst es nicht.“
„Es gibt keine Ritter mehr, Majestät.“, entgegnete Gunnar kalt und zog den zappelnden Herrscher vor sein Gesicht. „Eure Ritter haben auf den Schlachtfeldern ihr Blut für euch vergessen, sind verstümmelt und getötet werden, um euren Hochmut zu befriedigen. Es wird Zeit, dass eure Krieger sich holen, was ihnen zusteht.“
Bernards Augen weiteten sich, als er begriff, was Gunnars Worte bedeuteten. Er öffnete den Mund zu einer Antwort, doch über seine zitternden Lippen kam nur ein gurgelnder Schrei, als Gunnar den blitzenden Stahl in seinen Leib rammte. Die Finger des Königs krümmten sich auf der vergeblichen Suche nach Halt an Gunnars poliertem Harnisch. Ein letztes Zucken lief durch den Körper des Greises, dann hing er tot an Gunnars Arm.
Der Kriegsherr ließ den Leichnam fallen und wischte in einer Geste der stillen Verachtung das Blut mit einem Fetzen der Herrscherrobe von seiner Klinge. Unbeeindruckt stieg er über den verdrehten Körper und nahm auf dem gepolsterten Holzthron Platz.

 

Hey Avenger,

schönes Stimmungsgemälde, das du da geschrieben hast! Du hast die Szenerie in dem kurzen Text sehr gut eingefangen, Kompliment, ein gelungener Einstand.
Das Einzige, was ich an dem Text ein wenig vermisse, ist der Grund, warum Gritte "ihre Männer auf ihre Seite" bringt. Wenn es schon ihre Männer sind, warum muss sie sie dann erst überreden? Wer genau ist sie, dass sie über eigene Soldaten gebietet?
Bis auf die Kleinigkeit habe ich aber nichts zu meckern.

gruß
vita
:bounce:

 

Hi vita!

Sorry dafür, dass ich nicht gleich auf deinen Beitrag geantwortet habe. Ich wollte ehrlich gesagt noch abwarten, ob noch andere Kritiken kommen, und auf diese und auf deinen Beitrag dann zusammenfassend antworten, wie ich das aus anderen Foren gewohnt bin. Da wird's einem ja manchmal als Spam ausgelegt, wenn man ein Thema fast schon "chat-artig" diskutiert. Jedenfalls wollte ich nciht gegen die Netiquette hier verstoßen.

OK, kommen wir zu deiner Kritik, die mich sehr gefreut hat. Es ist schön, dass meine kleine Geschichte so positiv aufgenommen wird. Zu deinem Kritikpunkt: ritte hatte ich als Anführerin der Palastwache konzipiert, was im Text aber tatsächlich nicht deutlich wird. Das ist, wie ich selbstkritisch eingestehen muss, eins meiner Hauptprobleme: Manchmal geht es mir einfach durch, dem leser für ihn wichtige Dinge mitzuteilen, weil ich schon mitten in der Handlung stecke.

 

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