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Väter und Töchter

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Seniors
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21.12.2015
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Väter und Töchter

Mechthild lehnte im Türrahmen zum Arbeitszimmer ihres Vaters, die Hände in den Hosentaschen, einen Fuß gegen die Zarge gestemmt, und betrachtete Albrechts Rücken. Seit sie in Berlin Soziologie studierte, hatte sie die Wörter 'Vater' und 'Mutter' aus ihrem aktiven Wortschatz gestrichen. 'Alberich' nannte sie ihren Erzeuger, wenn von ihm die Rede war. Es war ihr egal, welche Vermutungen ihre Freunde mit diesem Namen verbanden.
Albrecht legte soeben den Hörer auf. Nun saß er steif und unbeweglich in seinem Schreibtischsessel. Nur seine Schultern zuckten. Er schwieg.
„Hallo, hast du was rausgekriegt? Was hat dein Kollege gesagt?“
Mechthild wippte ungeduldig mit dem Fuß. Überhaupt bestimmte Ungeduld ihre momentane Gemütslage. Es war nicht leicht, sich nach der temporeichen, aufregenden Metropole wieder auf das spießige Leben in der Provinz einzulassen. Dazu kam der geheime Groll, dass Albrecht ihr während der Semesterferien kein Geld überweisen wollte. Missmutig betrachtete sie den dunkel gebeizten, ausladenden Schreibtisch mit der akkurat verteilten Marmorgarnitur für Ablage, Stifte und Löschwippe. Albrechts Brief hatte sie aus weit fortgeschrittenen Reiseplänen gerissen, per Anhalter, mit Leuten aus ihrer WG, je weiter weg von zuhause, desto besser.
„Hier kannst du billiger leben. Und deine Mutter braucht dich auch, sie wird für eine Operation drei Wochen im Krankenhaus liegen.“
Um was für eine Operation es sich handelte, hatte er nicht geschrieben. Bei Mechthilds erstem Besuch in der Klinik lachte Hedi und deutete auf ihre bandagierten Beine.
„Typisch dein Vater, aus einer Krampfadernoperation macht er eine Beinamputation. Meinetwegen hättest du nicht nach Hause kommen müssen. Nächste Woche werde ich übrigens entlassen.“

Nächste Woche war übermorgen.
„Also, was ist nun mit Wally? Warum lässt sie sich nicht blicken? Habt ihr wieder Streit wegen Klaus?“
Klaus war Wallys Freund, fünfzehn Jahre älter, geschieden und in den Augen des Vaters kein passender Umgang für seine Tochter, die vor einem halben Jahr ihre erste Stelle als Lehrerin angetreten hatte. Auf dem Land, eine halbe Stunde mit dem Auto, wenn man eines hatte. Klaus, der Sparkassenfilialleiter, fuhr ein schnelles Coupé, ausreichend für zwei Personen und vielleicht noch einen Hund.
„Klaus, der verdammte Mistkerl … Wally ist im Schwangerschaftsurlaub. Ihr Chef wollte gar nicht glauben, dass wir davon nichts wüssten.“
„Schwanger also … wie süß. Ist das nicht ein Grund zur Freude? Und wo steckt sie jetzt?“
„Wenn ich ihn recht verstanden habe, ist sie in Herrsching am Ammersee. In einem Entbindungsheim für Schwangere, die ihr Kind zur Adoption freigeben. Eigentlich darf er das gar nicht verraten.“
Mechthild zuckte zusammen. Ausgerechnet Wally, die ihr noch schlaue Ratschläge für Berlin gegeben hatte. Sie schob den Gedanken weg, straffte sich und baute sich vor ihrem Vater auf.
„Meine Schwester doch nicht! Meine Schwester hat es doch nicht nötig, ihr Kind wegzugeben. Hallo, Opa, dein erstes Enkelkind! Du solltest dich wirklich freuen. Los, rühr dich! Wir fahren nach Herrsching.“
Albrecht Rücken wurde noch steifer. Er strich über die polierte Fläche des Schreibtischs, obwohl da nichts wegzuwischen war. Mechthild hasste diese Wischbewegung.
„Wie soll das denn gehen mit dem alten VW? Außerdem kann ich doch jetzt Hedi nicht alleinlassen. Du musst mir versprechen, ihr nichts davon zu erzählen. Versprichst du's?“
So ist er eben, Alberich, der große Verdränger, der Mitläufer, der Oberfeigling, dachte Mechthild, die Galle stieg ihr brennend in die Speiseröhre hoch, aber nicht mit mir. Ich finde einen Weg nach Herrsching. Ich frag Luise. Sie ballte die Fäuste. Mit Luise kann man reden.

„Aber natürlich, meine Liebe, Herrsching hast du gesagt? Interessant. Das wird sich Ferdinand nicht nehmen lassen. Weißt du, bevor er nach ...“
Sie brach ab, weil eben dieser Ferdinand ins Zimmer trat, wo Luise und Mechthild bei Kaffee und Apfelkuchen über den Notfall berieten.
Luise war für Mechthild eine mütterliche Freundin, eine Zuflucht und eine großzügige Gastgeberin. Sie stammte aus dem gleichen Arbeiterviertel wie Albrecht und Hedi. Im Gleichschritt hatten die Nachbarskinder eine hastig geschlossene Kriegshochzeit, eine Bombardierung und die Not der Nachkriegszeit überlebt. Während Albrecht nach sowjetischer Gefangenschaft in seinen gelernten Beruf als Lehrer zurückkommen durfte, musste Ferdinand als Offizier der Waffen-SS erst einmal für ein paar Jahre untertauchen, natürlich in Südamerika. Luise, eine feingeistige Buchhändlerin mit einer Schwäche für die Oper wie Hedi, hatte sich, so fand Mechthild, eine höchst romantische Geschichte von großer Liebe, Verlust und Wiederfinden zurechtgezimmert, die schließlich mit der Geburt einer Tochter ihre Krönung fand.
„Für mei Madel tu ich alles!“, hatte der vernarrte Vater verkündet, noch bevor das Mädchen die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium bestand, „die kriagt den Doktor, den kauf ich ihr in St. Gallen, host mi?“, und sein breites, bayerisches Gesicht, das Mechthild unangenehm an FJS erinnerte, wurde durch das Grinsen noch breiter.
Sie schwankte ständig zwischen Abscheu und geheimer Bewunderung wegen der Tatkraft, mit der Ferdinand sein Steinsägewerk geschaffen hatte. Alles hatte damit begonnen, dass er mit einem Musterbuch über die Dörfer zog und den Bauern Grabsteine aufschwatzte.
Nur selten erzählte er von seiner Zeit in Kolumbien. Wenn Mechthild wagte, danach zu fragen, runzelte er die Stirn, überlegte eine Weile und skandierte: „Bogotá …, Bogotá ...“ Es klang wie Gewehrschüsse, meistens stand er auf und verzog sich in sein Büro. Luise verdrehte dann die Augen und tippte sich gegen die Schläfe: „Weißt du, die zwanzig Prozent von seinem Kopfschuss machen ihm manchmal zu schaffen.“

Luise behielt recht. In weniger als einer Stunde war der Reiseplan fertig. Ungefähr vier Stunden würden sie mit dem Mercedes brauchen. Bereits am nächsten Morgen sollte es losgehen.
„Wir holen dich ab, sag, es ist eine Geschäftsfahrt ins Alpenvorland. Dein Vater muss nichts wissen“, Ferdinand legte die Spielregeln fest, „der soll bei seiner Frau bleiben. Lasst mich nur machen. So ein granatenmäßiger Blödsinn von der Wally ...“

Der Kies unter den Rädern knirschte, als Ferdinand mit Schwung auf den Parkplatz einbog. Alle drei stiegen aus, dehnten und streckten sich nach der langen Fahrt. Böiger Wind fuhr durch die uralten Bäume des weitläufigen Parks. Das Aprilwetter hatte wieder einmal umgeschlagen. Mechthild zog ihre Strickjacke enger um die Schultern. Sie fröstelte. Das weiße Haus, die Villa Bornstedt, lag direkt am Ufer des Sees. Entlang der Hausfront standen zwei Reihen Kinderwagen, alle akkurat ausgerichtet, am Lenker ein Fähnchen mit der Aufschrift 'Wartaweil'. Aus den weit geöffneten Fenstern drangen Babygeschrei und beschwichtigende Stimmen.
„Hier sind wir richtig, ich kenn das Anwesen. Hätt' nicht gedacht, dass ich noch einmal in meinem Leben hierherkäme. Wie ist's, wollt ihr zwei nicht einen Spaziergang am See entlang machen? Hier habt ihr eine wunderbare Sicht auf die Alpen.“
„Meinst du nicht, es wäre ganz nützlich, wenn du in Begleitung von Frauen in einem Entbindungsheim auftauchen würdest?“
Luise wollte offensichtlich ihren Mann im Auge behalten. Es war schließlich eine heikle Mission. Da war Diplomatie gefragt.
„A geh', alles, was ich brauch, hab ich hier.“ Er klopfte auf die linke Jackettseite in Höhe seines Herzens und grinste.
„Du meinst wohl, mit deinem Charme kannst du sie bezirzen? Das sind Nonnen, mein lieber Mann, Nonnen!“
„Ja mei, Luiserl, genau, mit meinem Charme und mit meinem Diridari, das passt scho. Dann kommt halt.“
In Südamerika vielleicht, aber nicht in Deutschland, hätte Mechthild gerne gesagt, aber dies war wohl kein passender Augenblick für eine Grundsatzdiskussion.
Die Lobby war in fröhlichen Pastellfarben gehalten. An einer Wand hing ein hölzernes Kruzifix, darunter eine große Vase mit Forsythienzweigen, dekoriert mit bunt bemalten Ostereiern. Drei runde Tischchen und schlichte Holzstühle gaben dem Raum einen überraschend heimeligen Anstrich.
Am Empfangstresen blätterte eine weißgekleidete Schwester in einer Broschüre, auf deren Deckblatt bunte Fotos von fröhlich lachenden Kindern abgebildet waren. Ein Katalog? Mechthild hätte gerne einen genaueren Blick darauf geworfen.
Ferdinand streckte die Rechte aus und rückte vor die Theke.
„Ferdinand Linner, gell', da schaun S', dass wir schon da sind. Und jetzt holen Sie uns das Madel.“
„Ich verstehe nicht ganz, Ferdinand … wer? Waren Sie angemeldet?“
„Aber natürlich, Fräulein, vorgestern schon, das müssen S' doch irgendwo notiert haben.“
Die Schwester zog ein dickes Buch vom Telefon herüber, schlug mehrere Seiten rückwärts und vorwärts um, schüttelte den Kopf.
„Da steht nichts. Ohne Anmeldung können Sie keine unserer Klientinnen sehen.“
„Ja Kruzitürken, das können S' doch nicht machen! Jetzt sind wir durch halb Süddeutschland gefahren. Wissen S' was? Am besten holen Sie die Frau Oberin oder jemanden, der hier was zu sagen hat. Nix für ungut.“
Die Schwester hob die Augenbrauen, zuckte mit den Schultern und wählte eine Nummer.
Mechthild hätte nicht gedacht, dass dieses Manöver klappen könnte. Aber eine paar Minuten später tauchte eine elegante, grauhaarige Dame auf, die sich als Leiterin der Institution zu erkennen gab.
„Lassen Sie den beiden Damen einen Kaffee bringen“, befahl sie und winkte Ferdinand in ihr Büro.
„Der Ferdi ist halt ein Schlitzohr“, sagte Luise halb entrüstet, halb belustigt, „aber glaub mir, anders hätte er die Jahre in Bogotá nicht überstehen können.“
Der Kaffee war heiß und stark, eine Wohltat nach der langen Fahrt, man merkte, dass das Haus auf Gäste eingestellt war. Mechthild wusste eigentlich gar nichts über die Einrichtung, eben nur, dass sie in ihrer Entbindungsstation Adoptionen vermittelte. Daneben gab es auch ein Kinderheim, las sie nun in der Broschüre, die mit dem Kaffee serviert wurde. Adoptionswillige Paare konnten in Gästezimmern auf die Geburt warten und ihre Entscheidung nochmals überdenken, bevor sie glücklich mit einem Neugeborenen von dannen zogen.
Nach einer knappen Stunde kamen Ferdinand und die Leiterin aus dem Büro heraus. Die grauhaarige Dame, hochrot bis unter die Haarwurzeln, nickte nur kurz herüber und verschwand im Treppenhaus nach unten. Ferdinand fletschte die Zähne. Neben dem Triumph über die erfolgreiche Verhandlung schwang Entrüstung in seiner Stimme mit, statt bairisch sprach er jetzt Schriftdeutsch.
„Sie holt die Wally aus der Küche. Die arbeiten hier ohne Vertrag mit den Hausschwangeren. Wenn ihr mich fragt, ist es eine Riesensauerei. Die müssen für Kost und Logis arbeiten und putzen. Nach der Geburt kriegen sie das Kind gar nicht zu sehen. Es gibt anscheinend eine riesige Nachfrage, vor allem aus den USA. Wahrscheinlich ein gutes Geschäft.“
„Und da lassen sie die Wally einfach gehen?“
„Ja, Luiserl, für fünfhundert Bucks. Ich hab der Madam ein wenig von früher erzählt, aus der Zeit hier vor 1945, da wollt' sie mich schnell loswerden. 'Um Gottes Willen', hat's g'sagt, bloß nix aufrühren, das können wir nicht brauchen. Dann nehmen's halt Ihre Nichte wieder mit'. Mir war's recht.“
Mechthild saß beklommen auf dem Stuhl, die Hände zwischen die Knie geklemmt. Wie würde ihre Schwester reagieren? Sie hatte keine Ahnung, nur ein zwiespältiges Gefühl. Es war schlimm, dass der eigene Vater nicht Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um die Tochter vor so einem tragischen Fehler zu bewahren. Am Geld konnte es nicht liegen. Wally hatte ein sicheres Einkommen. Und da war ja auch noch der Sparkassenfilialleiter. Sie verstand Wally nicht. Zu den Eltern hatte sie wohl kein Vertrauen, aber doch hoffentlich zu ihrer Schwester?
Eine junge Frau in einem blauen, fleckigen Arbeitskittel über einem gewaltigen Bauch schleppte sich mühsam die Treppe herauf. Ihre blonden Haare waren zu einem fettigen Pferdeschwanz zusammengebunden. Die riesigen blauen Augen lagen in tiefen Höhlen. Als sie die Besucher erkannte, machte sie auf dem Absatz kehrt.
Mechthild sprang auf. „Wally, um Gottes Willen, bleib!“ Der Anblick hatte sie wie ein Schlag in die Magengrube getroffen. Ihre attraktive Schwester, die sie so oft beneidet hatte, in diesem jämmerlichen, unwürdigen Zustand!
Luise übernahm nun das Kommando. In kürzester Zeit arrangierte sie, dass Wallys Habseligkeiten zusammengesucht und im Auto verstaut wurden, während Ferdinand im Bayrischen Hof zwei teure Zimmer orderte und einen Tisch fürs Abendessen bestellte.

„Mein liebes Kind, es ist alles gut, lass uns nur machen. Und du musst jetzt nichts erklären. Das hat Zeit."
Luise ließ das Badewasser einlaufen, goss reichlich Schaumbad dazu und legte aus ihrem eigenen Koffer eine elegante, weitgeschnittene Bluse aufs Bett.
Wally ließ alles über sich ergehen, sagte nur ja und nein oder gar nichts, alles fast wie in Trance. Mit Mechthild wechselte sie nur unsichere Blicke.
Beim Abendessen ließ sie nach wenigen Bissen die Gabel sinken, rührte abwesend im Obstsalat, den Blick in eine unbestimmte Ferne gerichtet. Immerhin hatte sie mit den frisch gewaschenen Haaren und der großzügig ausgeschnittenen Bluse schon ein wenig Glamour zurückgewonnen. Fragen stellte niemand, nicht mal Ferdinand, der sich ausgiebig seiner Schweinshaxe und einer Flasche Neusiedler Seewein widmete. Immer wieder erzählte er lautstark, wie er die grauhaarige Dame herumgekriegt hatte. Mit viel „Geaschdl, Diridari und Host mi“, trug er sehr zur Unterhaltung der anderen Gäste bei. Es gelang Luise nicht, ihn zu bremsen. Mechthild wäre am liebsten im Boden versunken. Im Hotelzimmer gab es außer einem „gute Nacht, schlaf gut“ keine Kommunikation zwischen den Schwestern. Wally knipste sofort ihre Nachttischleuchte aus und drehte sich auf die Seite. Lange Zeit grübelte Mechthild darüber nach, wie sie das Schweigen brechen könnte. Und wie es nun weitergehen sollte.

Wally blieb nur für zwei Tage bei den Eltern. Der Familienrat, in dem Hedi das Sagen übernommen hatte, bestimmte, dass die Schwangere die letzten drei Wochen bis zum Geburtstermin bei ihrer Patentante in einem anderen Stadtteil verbringen sollte. Dort gab es keine neugierigen Nachbarn und außerdem lag ein Krankenhaus mit Kreißsaal ganz in der Nähe. Hedi hatte Mechthild anvertraut, dass sie sich wahnsinnig auf das Enkelkind freute, Klaus hin oder her. Sie widmete sich hauptsächlich den praktischen Problemen, die nun schnell zu lösen waren.
„Wally ist schließlich nicht die Erste in der Familie, die ein uneheliches Kind kriegt. Mein Gott, die Zeiten ändern sich eben", sagte sie zu Mechthild, „das hast du gut gemacht mit Luise. Auf die konnte ich mich schon immer verlassen, schon während des Krieges.“
„Aber Alberich ist sauer, dabei will er Klaus doch gar nicht als Schwiegersohn.“
„Muss er ja auch nicht, am besten wäre, wir würden den ganz außen vor lassen.“
„So wie ich ihn verstanden habe, möchte er Klaus wegen Unterhaltszahlungen ansprechen, obwohl Wally das abgelehnt hat. Also, da ist irgendwas komisch zwischen den beiden.“
„Zwischen welchen beiden, meinst du jetzt Wally und Klaus oder Wally und Vater?“
„Eigentlich meine ich beide, Klaus und Albrecht. So ein Kuddelmuddel. Wally muss das entscheiden, sie ist zweiundzwanzig. Aber verstehen kann ich sie nicht.“
Einige Tage später klärte sich die Sachlage. Albrecht kam von der Mission Unterhaltszahlung als geschlagener Mann zurück, tief verletzt in seinem Stolz als Vater und angesehener Bürger.
Klaus hatte eiskalt erklärt, er sei nicht der Kindsvater, egal was Wally behauptet habe. Er werde dies, wenn nötig, auch durch ein erbbiologisches Gutachten bestätigten lassen. Und gegen üble Nachrede wisse er sich auch zu wehren. Von da an verkroch Albrecht sich im Arbeitszimmer, ging nicht ans Telefon und lehnte jedes weitere Gespräch in dieser Angelegenheit ab.
„Hätt' er nur auf mich gehört, ich hab's ihm gleich gesagt, diesen Metzgersgang hätt' er sich sparen können“, sagte Hedi, nicht sonderlich betrübt. Sie und Luise waren in deren Haus eifrig damit beschäftigt, eine Erstausstattung für das Baby zusammenzustellen.
„Hör mal, Mechthild, wenn du Wally besuchen gehst, nimm doch diese Liste mit, sie soll ankreuzen, was sie unbedingt davon haben will und was sie sonst braucht. Luise hat noch ein wunderbares Korbbettchen im Keller.“

Mechthild war es inzwischen gelungen, Wally aus der Reserve zu locken. Sie hatte einfach ein paar direkte Fragen gestellt.
„Wer ist denn nun der Vater, wenn es Klaus auf keinen Fall sein kann?“
Wally strich träumerisch über den Babybauch und schaute aus dem Fenster.
„Ich hab es zuerst selbst nicht genau gewusst. Nach diesem blöden Streit wegen seiner Ehemaligen war ich so wütend, dass ich ihm zeigen wollte, ich brauch ihn nicht. Was er kann, kann ich auch.“
„Eine Retourkutsche. So was Altmodisches aber auch. Und wer war denn nun der Glückliche?“
„Da sind die Eltern schuld. Sie wollten mich ja unbedingt mit dem tollen Ami aus dem Goethe-Institut verkuppeln. Ich mochte ihn gar nicht, aber Mama schwärmte so von ihm. Johnny ist so höflich, Johnny ist so smart, Johnny kann so toll singen. Sie kannte ihn vom Extrachor her, auch seine Eltern. Es ist nach der Premierenfeier zu "Show Boat" passiert. Ich hatte zwei Karten, aber Klaus hat mich versetzt.“
„Aber warum hast du Alberich in dem Glauben gelassen, Klaus wär' der Vater?“
„Verstehst du denn nicht? Ich wollte das Kind auf keinen Fall, ich wollte es abgeben. Und ich dachte, Vater würde diese Entscheidung eher akzeptieren, wenn er glaubte, es sei von Klaus. Und außerdem … das Kind wäre ja nach Amerika vermittelt worden, als halber Amerikaner … Das war in Herrsching so abgemacht.“ Wally konnte ganz schön unschuldig blicken.
Mechthild schüttelte den Kopf. „Ziemlich schräg, Schwesterherz, ein Glück, dass du mich hast. Ich werde jedenfalls gern Tante.“
„Ich geb zu, ziemlich unüberlegt. Aber wenn du in die Situtation gekommen wärst ... Okay, ich hatte jetzt Zeit zum Nachdenken. Schon in Herrsching habe ich manchmal nach einer Möglichkeit gesucht, wie ich alles rückgängig machen könnte.“
„Aber du hättest doch mit Hedi reden können.“
„Ach Mechthild, du weißt nicht alles, diese Auseinandersetzungen, ständig lag sie mir in den Ohren wegen Johnny, ich konnte einfach nicht zugeben, dass ich mich einmal auf ihn eingelassen hatte.“

Drei Abende später saßen Mechthild und ihr Vater im ersten Rang des Stadttheaters. Hedi leistete in der Klinik ihrer Tochter Beistand bei der Geburt, die sich unerwartet in die Länge zog.
„Ihr könnt nichts tun, es kann die ganze Nacht dauern. Warum sollten wir die Karten verfallen lassen?“
Es gab 'Salome' von Richard Strauss, eine Premiere, die schon im Vorfeld für Furore gesorgt hatte. Hedi hätte eigentlich mit dem Extrachor auftreten müssen. Mechthild begleitete ihren Vater mit gemischten Gefühlen. Soweit sie wusste, hatte er nicht die geringste Ahnung, welche Rolle eine Premiere im Leben seiner älteren Tochter gespielt hatte.
Das Orchester setzte zu chromatischen Läufen an. Dissonanzen peitschten durch das Opernhaus. Das Publikum erstarrte, betäubt duckte es sich in die Sitze. Salome hatte den Kopf des Jochaanan am Schopf ergriffen und küsste ihn wild. Die Musik schraubte sich zu einem dramatischen Höhepunkt empor.
„Hättest du mich angesehen, Jochanaan, du hättest mich geliebt“, sang Salome, blutüberströmt, in wilder Extase, „und das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes.“ Hier stürzte die Musik ab in einer rasenden Kadenz.
Das Publikum schwieg ergriffen. Mechthild warf einen Blick auf ihren Vater. Er öffnete den Mund und stieß einen Schluchzer heraus.
Einen, dann noch einen. Schließlich folgte eine ganze Kaskade, die seinen Körper durch und durch schüttelte. Auf dem Sitz neben ihm zischte jemand: „Unerhört! So reißen Sie sich doch zusammen!“
In der zweiten Reihe fingen die Leute an zu flüstern, einige kicherten. Mechthild ergriff Albrecht am Arm und zog ihn an den entrüsteten Besuchern vorbei Richtung Ausgang. Hochrot flüsterte sie alle drei Sekunden „Verzeihung, bitte verzeihen Sie, darf ich bitte vorbei?“, während Albrecht weiterhin stakkatoartig schluchzte. Im leeren Foyer führte sie ihn zu einem Stuhl und besorgte ein Glas Wasser.
„Was um Gottes Willen ist denn los mit dir?“
Als das Schluchzen allmählich abklang, konnte Albrecht antworten.
„Ach, als Salome gesungen hat, 'Sie sagen, dass die Liebe bitter schmecke', da ... da hab ich an Wally denken müssen, wie sie jetzt kämpft mit den Schmerzen, mit den Wehen … Wenn ich nur wüsste ...“
„Komm, lass uns nach Hause fahren. Da kannst du anrufen. In der Klinik oder bei Luise. Die weiß bestimmt mehr.“
Luise wusste mehr. Es war ein Mädchen und es war alles gut gegangen.

 

Hallo Wieselmaus,

also dann, auf ein Neues (und danke Bea Milana für das Kompliment:)) Mal sehen, ob ich es wieder hinkriege.

Du hast eine charmante Art zu schreiben, mit so einem leisen lakonische Humor, wobei sich in der Geschichte, die du erzählst immer wieder mächtige Abgründe auftun und ich der Leichtigkeit der Erzählweise fast misstraue, so als wäre die Erzählerin unzuverlässig. Möglicherweise liegt es auch daran, dass du mehrfach eine Thematik anlegst, die auf einen massiven Konflikt hinauslaufen müsste, was dann aber im Sande verläuft, oder auch gar nicht mehr erwähnt wird.

Albrecht Rücken wurde noch steifer. Er strich über die polierte Fläche des Schreibtischs, obwohl da nichts wegzuwischen war. Mechthild hasste diese Wischbewegung, die immer auftauchte, wenn es Probleme gab.
So ist er eben, Alberich, der große Verdränger, der Mitläufer, der Oberfeigling, dachte Mechthild, die Galle stieg ihr brennend in die Speiseröhre hoch,

Das sind Stellen, die eine gute Intensität haben. Wie sie die Nachricht aufnimmt, ist ja zunächst etwas lapidar, aber hier kriegt das Ganze mehr Tiefe.

Den Ferdinand fand ich am Interessantesten als Charakter, diese Mischung aus Skrupellosigkeit, Prahlerei und Hilfsbereitschaft und dunkler Vergangenheit. Seine Rolle in dem Ganzen ist ja höchst zwiespältig.


Luise, eine feingeistige Buchhändlerin mit einer Schwäche für die Oper wie Hedi, hatte sich, so fand Mechthild, eine höchst romantische Geschichte von großer Liebe, Verlust und Wiederfinden zurechtgezimmert, die schließlich mit der Geburt einer Tochter ihre Krönung fand.

In Luise finde ich tatsächlich meine Oma wieder. Dieses Zurechtzimmern war nach dem Krieg für viele wohl nötig um weitermachen zu können, für manche auch einfach bequem.

und sein breites, bayerisches Gesicht, das Mechthild unangenehm an FJS erinnerte, wurde durch das Grinsen noch breiter.
Sie schwankte ständig zwischen Abscheu und geheimer Bewunderung wegen der Tatkraft, mit der Ferdinand sein Steinsägewerk geschaffen hatte. Alles begann damit, dass er mit einem Musterbuch über die Dörfer zog und den Bauern Grabsteine aufschwatzte.
Nur selten erzählte er von seiner Zeit in Kolumbien.

Gut gemacht, dass Mechthild ihn im Grunde benutzt um ihre Schwester zu retten und sich damit auch kaufen lässt. Und er ist schlau genug, die Gelegenheit wahrzunehmen. Abgesehen davon, dass er auch gerne den Helden spielt und die Schwestern wahrscheinlich auch wirklich mag. Echt ein runder Charakter.


„Aber natürlich, meine Liebe, Herrsching hast du gesagt? Interessant. Das wird sich Ferdinand nicht nehmen lassen. Weißt du, bevor er nach ...“
Sie brach ab, weil eben dieser Ferdinand ins Zimmer trat, wo Luise und Mechthild bei Kaffee und Apfelkuchen über den Notfall berieten.

Diese abbrechende Unterhaltung, wie oft in dieser Geschichte irgendjemand jemandem anderen etwas nicht erzählen soll, einschließlich der Reaktion der Oberin auf die Drohung etwas aus der Vergangenheit des Heims auszuplaudern. Die Haupthematik dieser Geschichte scheinen mir die unterschiedlichen Varianten des Verschweigen zu sein.

Sie verstand Wally nicht. Zu den Eltern hatte sie wohl kein Vertrauen, aber doch hoffentlich zu ihrer Schwester?

Wally ließ alles über sich ergehen, sagte nur ja und nein oder gar nichts, alles fast wie in Trance. Mit Mechthild wechselte sie nur unsichere Blicke.

Wally knipste sofort ihre Nachttischleuchte aus und drehte sich auf die Seite. Lange Zeit grübelte Mechthild darüber nach, wie sie das Schweigen brechen könnte. Und wie es nun weitergehen sollte.

Hier machst du einen Riesenanlauf zu einem fetten Schwesternthema.

Mechthild war es inzwischen gelungen, Wally aus der Reserve zu locken. Sie hatte einfach ein paar direkte Fragen gestellt.

Und hier erfolgt ein kleiner Hüpfer. Das fand ich unbefriedigend.

„Aber Alberich ist sauer, dabei will er Klaus doch gar nicht als Schwiegersohn.“
„Muss er ja auch nicht, am besten wäre, wir würden den ganz außen vor lassen.“

Am Ende ist es genau umgekehrt. Die Thematik zwischen Wally und ihrem Vater empfinde ich nicht genug vorbereitet, so dass mich das Ende nicht so sehr berührt. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit das erste Zusammentreffen zwischen Wally und ihrem Vater zu zeigen. So geht es um ihn bis dahin nur noch in Dialogen zwischen anderen oder im "Tell-Modus". Dass ihn hinterher seine Gefühle so überschwemmen, finde ich wiederum sehr passend für seinen Charakter. Hier wird der Deckel mal kurz und unfreiwillig gelupft. Am Ende wird aber auch dieses Gefühl und der Vater eher verniedlicht. Was wiederum auch eine Art ist, die mir merkwürdig bekannt vorkommt aus der Generation meiner Eltern.

Im Grunde würde schon die Szene in dem Heim einschließlich der Unterhaltung mit der Oberin genug Stoff für eine Kurzgeschichte bieten. Tatsächlich glaube ich, wenn du mehr Dichte erreichen willst musst du dich bei diesen vielen Themen doch entscheiden zwischen mehreren Kurzgeschichten oder einem Roman.

Ich würde Beides gerne lesen.

Einen schönen Sonntag und liebe Grüße von Chutney:)

 

Hallo Chutney

Die Hauptthematik dieser Geschichte scheinen mir die unterschiedlichen Varianten des Verschweigens zu sein

Da hast du mir doch tatsächlich einen Kronleuchter eingeschaltet. Es is twirklich so, wenn man die Stellen sucht, wo es um Verweigerung oder auch Ausweichen vor Kommunikation geht, muss man den Eindruck gewinnen, es gilt die Volksweisheit "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold".
Und ich gehe noch weiter. Es scheint dies eine Grundthematik auch in anderen Texten von mir zu sein.
Dem werde ich etwas genauer nachgehen. DANKE für diese Erkenntnis.

Die zweite Problematik meiner Texte, die du ansprichst, ist mir altvertraut.

... wenn du mehr Dichte erreichen willst, musst du dich bei diesen vielen Themen doch entscheiden zwischen mehreren Kurzgeschichten oder einem Roman.

Ja, auch da hast du recht, wobei ich das Wort "Dichte" auch durch "Tiefe" ersetzen könnte, das würde auch stimmen.

Deinen Vorschlag, Wally mit dem Vater nach der Rückkehr zusammentreffen zu lassen, werde ich aufgreifen. Es muss mir nur gelingen, Mechthild als Ohren-oder Augenzeugin unterzubringen, denn schließlich ist alles aus ihrer Perspektive erzählt. Sie ist in jeder Szene dabei.

Gerade was Wally betrifft, habe ich sie etwas im Ungefähren gelassen. So sind ihre "Erklärungen" Mechthild gegenüber ziemlich unbefriedigend, das ist beabsichtigt. Wallys auschlussreichster Satz ist: "Ach Mechthild, du weißt nicht alles, diese Auseinandersetzungen ..." Auch hier wieder das Thema verschweigen, verschleiern.

Du hast viel Lobendes gesagt. Das hat mich sehr gefreut. Und ebenso, dass du dir die Mühe gemacht hast, einen schon verlorengegangenen Kommentar zu rekonstruieren. Glaube mir, ich weiß das zu schätzen. Da hat man treffende Formulierungen, subtile Gedankengängen gefunden und dann ist alles weg.
Mir ging es ähnlich und beim zweiten Anlauf hatte ich anfangs das Gefühl, Wichtiges verloren zu haben.
Andererseits konnte ich einiges auch noch präzisieren.

Vielen Dank und trotz Regenwetters wünsche ich dir einen sonnigen 1. Mai.

wieselmaus

 

Liebe wieselmaus,

deine Geschichte hat mir ganz gut gefallen, allerdings fand ich die letzte, die ich gelesen habe ("Himmel und Hölle") stimmungsvoller. Das müsste ich hier gar nicht schreiben, denn die Geschichten haben ja gar nichts miteinander zu tun. Aber der der Gedanke an die andere Geschichte hat meinen Lese-Eindruck geprägt, und dann habe ich mich gefragt, woran das liegt. Eine klare Antwort habe ich zwar nicht, aber es kann damit zu tun haben, dass in dieser Geschichte hier mehr Handlung ist, die sich dann nach und nach so abspult. Du gibst den Figuren, scheint mir, hier weniger Raum, und da geht es mir dann wohl irgendwie zu schnell.

Schön finde ich jedenfalls den Vater, der erst so distanziert tut und dann überwältigt ist.

Und gleich den Einstieg finde ich von er Bildqualität her so gelungen, wie ihn auch andere schon gefunden haben.
Im Inhalt bin ich allerdings etwas in die Irre geführt worden:

Seit sie in Berlin Soziologie studierte, hatte sie die Wörter 'Vater' und 'Mutter' aus ihrem aktiven Wortschatz gestrichen. 'Alberich' nannte sie ihren Erzeuger, wenn von ihm die Rede war.
"Aus dem Wortschatz gestrichen", "Erzeuger" statt Vater: Da hätte ich im Anschluss das totale Zerwürfnis erwartet.

Insgesamt fand ich vor allem die Vielzahl der Figuren, deren Beziehungen zu einander man verstehen musste, immer wieder etwas mühsam.
Hier geht es mir das erste Mal zu schnell mit den Figuren:

„Also, was ist nun mit Wally? Warum lässt sie sich nicht blicken? Habt ihr wieder Streit wegen Klaus?“ Klaus war Wallys Freund, fünfzehn Jahre älter, geschieden und in den Augen des Vaters kein passender Umgang für seine Tochter
Klaus wird vorgestellt, Wally aber nur indirekt. Klar, man kommt drauf, aber mich hat das stolpern lassen. Gerade war von der Mutter die Rede, da musste ich erst mal sortieren.
(Übrigens frage ich mich gerade auch, ob es die Episode mit der Mutter im Krankenhaus wirklich braucht. Wahrscheinlich spielt das später noch ein Rolle, aber ich weiß es im Moment nicht mehr)

Klaus, der Sparkassenfilialleiter, fuhr ein schnelles Coupé, ausreichend für zwei Personen und vielleicht noch einen Hund.
Also nicht für Kinder. Hübsch gemacht.
Allerdings wäre mir das eventuell schneller klar geworden, wenn Klaus danach erst mal auf der Seite bleiben würde, also:
„Klaus, der verdammte Mistkerl …
weg und gleich weiter mit
Wally ist im Schwangerschaftsurlaub.
Sonst musste zumindest ich mich an der Stelle unnötig Fragen, warum Klaus ein Mistkerl sei, wo doch Wally im Schwangerschafturlaub ist.

Die Entscheidung fällt ziemlich schnell:

„Meine Schwester doch nicht! Meine Schwester hat es doch nicht nötig, ihr Kind wegzugeben. Hallo, Opa, das müssen wir verhindern. Los, rühr dich! Wir fahren nach Herrsching.“
Das ist ja nicht unrealistisch, aber irgendwie habe ich da das Gefühl: Wenn schon schnell, dann richtig. Der Umweg "Mein Schwester doch nicht! usw." kommt mir nicht so passend vor.

„Wie soll das denn gehen mit dem alten VW? Außerdem kann ich doch jetzt Hedi nicht alleinlassen.
Warum soll es nicht gehen mit dem alten VW? Fährt der nicht mehr? Aus meiner Sicht wäre das ein Streichkandidat, auch weil ich denke, eine Ausrede reicht doch eigentlich.

Es ist ja immer wieder die Frage, ob man erzählen darf oder nur zeigen soll, und hier wäre jetzt mal eine Stelle, an der du etwas erzählst, was man wohl auch zeigen könnte:

So ist er eben, Alberich, der große Verdränger, der Mitläufer, der Oberfeigling, dachte Mechthild,
Aber ich finde das gar nicht unpassend.
Jetzt kommt aber gleich wieder eine Person, Luise. Da finde ich es dann wieder nicht so schick, dass erst nur der Name fällt, und später bekommt man nachgeliefert, wer sie ist. Da habe ich gedacht: Warum nicht alles das gleich hier kompakt erzählen? Im inneren Monolog geht das nicht, weil Mechthild sich nicht vorsagt, wer Luise ist. Aber da könntest du ja umschalten, z.B. nach "Oberfeigling", oder mit der erlebten Rede herumprobieren oder so.

„Aber natürlich, meine Liebe, Herrsching hast du gesagt? Interessant. Das wird sich Ferdinand nicht nehmen lassen. Weißt du, bevor er nach ...“
Sie brach ab,
Hier wird man zwischen Luise und der Erklärung kurz hängengelassen. Das kann ein Spannungsmoment sein, aber an der Stelle - vor allem auch angesichts der insgesamt recht vielen Namen - finde ich das nicht so. Ich könnte mir gut vorstellen, die erste Nennung von Luise wegzulassen: "Ich finde einen Weg nach Herrsching", dann gleich mir würtlicher Rede Luise weiter und "Luise brach ab" statt "sie brach ab". Kommt mir letztlich glatter vor.

weil eben dieser Ferdinand ins Zimmer trat, wo Luise und Mechthild bei Kaffee und Apfelkuchen über den Notfall berieten.
Luise war für Mechthild eine mütterliche Freundin, (...)
Hier könnte ich mir ja gut eine Umstellung vorstellen. Luise und Ferdinand stehen hier ja fast gleichzeitig angeknabbert und noch unverdaut im Raum. Schöner fänd ich, wenn erst in aller Ruhe Luise vorgestellt wird und dann erst Ferdinand dazu kommt. Ich konnte mir das sogar so dreist vorstellen, dass du nach "bevor er nach..." erst mal ganz gemütlich von Luise erzählst, dann den Faden wieder aufnimmst: "Sie musste abbrechen, denn Ferdinand trat ins Zimmer." Ganz ohne Anpassung geht das natürlich nicht, aber ich fänd's reizvoll, das auszuprobieren.

Hier war mir dann die Tochter etwas zu viel der Ablenkung:

„Für mei Madel tu ich alles!“, verkündete der vernarrte Vater, noch bevor das Mädchen die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium bestand, „die kriagt den Doktor, den kauf ich ihr in St. Gallen, host mi?“
Es gabt zwar um Väter und Töchter, aber hier hat mich das aufgehalten. Kann das nicht später kommen?

Luise behielt recht.
Ich hab ein bisschen suchen müssen, womit sie recht behielt. Zuletzt hat sie vom Kopfschuss gesprochen. Aber es bezieht sich darauf, dass es sich Ferdinand nicht nehmen lassen wird, zu helfen. Den Rückbezug find ich nicht ganz so glücklich, auch weil die nötige Info in dem abgebrochenen Satz steckt, den ich an der Stelle eh schon wieder abgehakt hatte.

„Hier sind wir richtig, ich kenn das Anwesen.
Woher kennt er das? Ach ja, ich weiß: Von vor '45! Schöne Sache, könnte aber für mich gerne ein kleines bisschen deutlich dargestellt werden, das hab ich zuerst nicht geschnallt.

In Südamerika vielleicht, aber nicht in Deutschland, hätte Mechthild gerne gesagt, aber dies war wohl kein passender Augenblick für eine Grundsatzdiskussion.
Diese Ablenkung könnte aus meiner Sicht auch gerne weg.

Jetzt kommt eine Stelle, in der mir die Erklärungen vor allem der Gedanken von Mechthild letztlich zu breit ausgewalzt erschienen sind. Da könnte aus meiner Sicht einiges Weg, nicht um der Reduktion willen, sondern weil es halt irgendwo ins Leere laufende Gedanken sind.

A propos Reduktion, da gehe ich doch glatt noch mal einen Schritt zurück:

Mechthild zog ihre Strickjacke enger um die Schultern. Sie fröstelte.
Das ist so eine ganz klassische Doppelung, erst zeigen, dann noch mal sagen. Der zweite Satz kann natürlich ohne weiteres weg, aber mich stört er überhaupt nicht. Es klingt altmodisch, aber das passt hier gut (davon abgesehen, dass Moden dazu da sind, dass man ihnen nicht folgt :) ).

„Wally ist schließlich nicht die Erste in der Familie, die ein uneheliches Kind kriegt. Mein Gott, die Zeiten ändern sich eben", sagte sie zu Mechthild, „das hast du gut gemacht mit Luise. Auf die konnte ich mich schon immer verlassen, schon während des Krieges.“
„Aber Alberich ist sauer, dabei will er Klaus doch gar nicht als Schwiegersohn.“
„Muss er ja auch nicht, am besten wäre, wir würden den ganz außen vor lassen.“
„So wie ich ihn verstanden habe, möchte er Klaus wegen Unterhaltszahlungen ansprechen, obwohl Wally das abgelehnt hat. Also, da ist irgendwas komisch zwischen den beiden.“
„Zwischen welchen beiden, meinst du jetzt Wally und Klaus oder Wally und Vater?“
„Eigentlich meine ich beide, Klaus und Albrecht. So ein Kuddelmuddel. Wally muss das entscheiden, sie ist zweiundzwanzig. Aber verstehen kann ich sie nicht.“
Aus diesem Dialog ragen eigentlich einige Fäden, die jeweils ein Gespräch für sich wert wären. Für meinen Geschmack huscht du da ein bisschen schnell drüber. Es könnte eine Überlegung wert sein, als Erzählerin von dem Gespräch zu berichten, statt es wörtlich wiederzugeben.

„Ach, als Salome gesungen hat, 'Sie sagen, dass die Liebe bitter schmecke', da ... da hab ich an Wally denken müssen, wie sie jetzt kämpft mit den Schmerzen, mit den Wehen … Wenn ich nur wüsste ...“
Das ist mir auch irgendwie zu viel. Das hat man sich als Leser schon selbst gedacht, ob es nun die Wehen sind oder das schlechte Gewissen oder die Gesamtsituation - das muss ich gar nicht so genau wissen. Wenn du das weniger konkret sagst, dann setze ich einfach das ein, was mich selbst am meisten berühren würde - und das wirkt dann darauf zurück, wie ich mit Albrecht mitfühle.

Luise wusste mehr. Es war ein Mädchen und es war alles gut gegangen.
Schöner knapper Schluss. (Ginge sogar noch knapper, indem du "alles war gut gegangen" weglässt)

Soweit mal. Ich habe mich halbwegs willkürlich an so ein paar Einzelheiten aufgehalten. Insgesamt könnte ich mir vorstellen, dass es eine gute Wirkung haben könnte, Gedanken und Gespräche (zum Teil deutlich) zu verschlanken und dafür die schönen Zeichnungen der jeweiligen Umgebung satter zu präsentieren - wenn du verstehst, was ich meine?!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo erdbeerschorsch


Es hat ein wenig gedauert mit meiner Antwort, musste erst ein wenig Abstand bekommen zu meinem Text.
Aber jetzt.

Erstmal Danke, dass du "Himmel und Hölle" positiv erwähnt hast. Es ist derzeit meine Lieblingsgeschichte. Aber das kann sich ja noch ändern :lol:

Du gibtst den Figuren, scheint mir, hier weniger Raum, und da geht es mir dann wohl irgendwie zu schnell.

Da hast du gleich die neuralgische Stelle getroffen. Mein Personal ist für Kurzgeschichten einfach zu üppig. Und wenn die Story noch unter KG firmieren soll, bleibt mir für die eine oder andere Figur nur die Skizze oder ich müsste doch einen Roman schreiben. Es ist halt so, dass ich meine Charaktere ungern meuchle, wenn sie einmal das Schreibtischlicht erblickt haben. Ich versuche, alle für die Handlung wichtig zu gestalten, das zumindest hat bisher niemand kritisiert.

Eigentlich sehe ich mich als Erzählerin, die die epische Breite liebt. Aber Romane, wie manche es vorschlagen, werde ich nicht schreiben, dafür gibt es gewichtige Gründe. Ich bin so sehr zufrieden mit dem Forum hier, da brauche ich keine andere Plattform.

Dazu kommt, dass jeder Kommentator eine andere Figur als zu sparsam charakterisiert findet. Vielleicht gelingt es mir, nach einer längeren Distanz das Verhältnis der Charaktere ausgewogener zu gestalten.

Luise und Ferdinand.

Da hast du recht, die wären eine eigene Geschichte wert. Ich will dir hier verraten, diese Personen sind aus dem richtigen Leben fast eins zu eins übernommen, einschließlich der Namen. Ich habe keine treffenderen gefunden. Keine Angst, wenn du auf mein Alter siehst, muss man nicht befürchten, dass ich mir eine Klage einhandle. Von den genannte Personen sind siebenundachtzig Prozent verstorben. Und deren Nachfahren verirren sich bestimmt nicht ins Forum.

Ferdinand und Luise sprechen gern in Andeutungen, Luise setzt dabei die Augenbrauen bedeutsam ein, Ferdinand spricht wegen seiner Kopfverletzung sprunghaft, besonders wenn das schwierige Kapitel 'Vergangenheit' auftaucht. Da wird schnell abgebrochen, ausgewichen. Chutney hat vollkommen richtig erkannt, dass eigentlich "gestörte Kommunikation" das Hauptthema ist. Ein wenig wollte ich dies auch durch manchmal abrupten Übergänge unterstreichen.

Die Schlussszene möchte ich nicht verändern. Ich glaube, sie lässt immer noch viel Spielraum für eigene Interpretationen, die ich natürlich fördern möchte.
Interessant finde ich, welch unterschiedliche Sympathiewerte die beiden Väter bekommen. Da spielt wohl bei den meisten die eigene Vaterbeziehung eine Rolle.

Lieber Erdbeerschorsch, sehr herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Väter und Töchter, aber auch Väter und Söhne sind wohl ein unerschöpfliches Thema.

Besten Gruß
wieselmaus

 

Eins vorneweg, liebe wieselmaus: man könnte einiges gegen den Text einwenden, gerade weil er aus der Zeit herausfällt, sprachlich meine ich, Adjektive zuhauf, an manchen Stellen Informationen wiederholt werden, aber he: das macht den Zauber aus, wenn ich einen Text lese, der eine längst vergangene, aber in unseren historischen Gedächtnisknochen steckende Zeit schildert, in der es Menschen gab, Charaktere, die es nicht mehr gibt, verschwunden in den Zeitläuften. Genau das zeichnet den Text aus: die Charakterführung, wie du es schaffst, ihnen Kontur zu geben, dem Gentleman, der ein SS-Mann war, den Frauen, Mädchen, die sich gegenseitig unterstützen, dem Kerl, der die Vaterschaft abstreitet. Jeder einzelne haarscharf getroffen und keiner ein Klischee. Absolut berechtigt, die Empfehlung, und herzlichen Glückwunsch, deine Texte entwickeln sich und du hast mittlerweile einen unverwechselbaren Stil erreicht.

Textstellen:

Auf dem Land, eine halbe Stunde mit dem Auto, wenn man eines hatte. Klaus, der Sparkassenfilialleiter, fuhr ein schnelles Coupé, ausreichend für zwei Personen und vielleicht noch einen Hund.
damit zeigst du ihn und sie gleich mit, sehr gut.

Albrecht Rücken wurde noch steifer. Er strich über die polierte Fläche des Schreibtischs, obwohl da nichts wegzuwischen war. Mechthild hasste diese Wischbewegung, die immer auftauchte, wenn es Probleme gab.
auch das ist gut, wobei ich mich frage, ob man den letzten Satz nicht weglassen könnte.

musste Ferdinand als Offizier der Waffen-SS erst einmal für ein paar Jahre untertauchen, natürlich in Südamerika.
hast du das genügend recherchiert? ging das: ein paar Jahre untertauschen und dann zurück nach Deutschland?

, das Mechthild unangenehm an FJS erinnerte,
das unangenehm könnte weg.

„Du meinst wohl, mit deinem Charme kannst du sie bezirzen? Das sind Nonnen, mein lieber Mann, Nonnen!“
„Ja mei, Luiserl, genau, mit meinem Charme und mit meinem Diridari, das passt scho. Dann kommt halt.“
:D

gab es außer einem „gute Nacht, schlaf gut“ keine Kommunikation
Kommunikation passt nicht ganz in das bisherige Sprachgeflecht.

Luise hat noch ein wunderbares Korbbettchen im Keller.“
ja, super, heutzutage würden wir ja erst gar nichts im Keller aufbewahren.

. „Ziemlich schräg, Schwesterherz, ein Glück, dass du mich hast. Ich werde jedenfalls gern Tante.“
schräg? hat man das damals gesagt?`

während Albrecht weiterhin stakkatoartig schluchzte. Im leeren Foyer führte sie ihn zu einem Stuhl und besorgte ein Glas Wasser.
starke Szene, wie er über sich und sein Versagen schluchzt und dennoch aufgefangen wird.

Einen guten Start in die Woche und liebe Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Grüß Dich, Wieselmaus,

Gleich nach dem ersten Absatz (wie in der ganzen Geschichte) ist mir klar, dass diese Autorstimme mit der Perspektive von Mechthild durchtränkt ist. Das machst Du aber nicht ganz anständig und zwängst Dich fortwährend in die Erklärungsnot. Du schreibst: "Mechthild lehnte im Türrahmen zum Arbeitszimmer ihres Vaters" und erklärt im nächsten Satz, dass Sie ihn nicht mehr Vater nennt. Dann schreib einfach "Mechthild lehnte im Türrahmen zum Arbeitszimmer vom Albrecht". Die anschließende Erklärung wäre dann richtig am Platz.

Dann schreibst Du, dass die Tochter den Namen Albrecht abgeändert hat. Ab dieser Stelle müsstest Du diese Änderung beibehalten, wenn Du aus Tochters Perspektive berichtest.

Dann diese Bemerkung vom Soziologiestudium? Kommt es vom Studium allgemein oder von der Soziologie. Willst Du damit eine gewisse Gesetzmäßigkeit aufzeigen, die die zukunftige Väter zu wissen brauchen?

Also, in der Story muss Du die Autorstimme von der Tochters Perspektive befreien oder diese Stimme konsequent arbeiten lassen.

Abschließend wie immer von mir zum Titel. Es gibt den berühmten Prä-Text von Ivan Turgeniev "Väter und Söhne". Dieser Roman hat jahrzehntelang die europäische Gesellschaft im 19.Jh geprägt. Die titelarische Ähnlichkeit deines Textes zu dem vom Turgeniev, war das absichtlich so? Wenn ja, dann habe ich das nicht verstanden. Wenn nicht, dann habe ich keine Wechselwirkung zwischen dem Titel und dem Text wahrnehmen können. Höchstens "Vater und Töchter"

Viele Grüße
Herr Schuster

 

Hallo wieselmaus,

eine schöne Geschichte hast du da geschrieben, mit Witz, Charme, aber eben auch subtilem Tiefgang.
Was mir besonders positiv aufgefallen ist, ist das Konzept, die Sichtweise der Verwandten darzustellen, wenn es um eine Adoption geht. Wally selbst kommt in der gesamten Geschichte ja gar nicht richtig zu Wort und genau das finde ich das Geniale daran:

Du zeigst eine Schwester, die samt Tante und Onkel in ein Entbindungsheim einfällt, um die Adoption zu verhindern. Dies tun sie jedoch ohne vorherige Absprache mit der werdenden Mutter, die ja am meisten betroffen ist. Niemand kümmert sich also um die Hintergründe oder die Gefühle, die Wally zu der Entscheidung gebracht haben, sondern sie handeln vollkommen überstürzt und im Grunde egoistisch.

„Mein liebes Kind, es ist alles gut, lass uns nur machen. Und du musst jetzt nichts erklären. Das hat Zeit."
Wally ließ alles über sich ergehen, sagte nur ja und nein oder gar nichts, alles fast wie in Trance. Mit Mechthild wechselte sie nur unsichere Blicke.
Diese Stellen versinnbildlichen ihr Handeln und haben in mir echtes Mitleid für Wally geweckt. Und gerade das ist meiner Meinung nach das Geniale hierbei.
Wally muss nicht jammern. Der Erzähler muss den Leser nicht explizit dazu aufrufen, mit ihr mitzufühlen, weil ihr gerade ihr Leben aus der Hand genommen wird und sie nur noch fremdbestimmt ist. Das passiert einfach so, ganz von alleine.

Du merkst: ich habe nichts zu meckern. Nicht vom Inhalt her und auch nicht stilistisch.
Ich finde, es ist eine rundum gelungene Geschichte, die ich sehr gern gelesen habe!

Liebe Grüße,

Jana

 

Hallo Isegrims


Ich muss mich entschuldigen, weil ich dich solange auf die Antwort warten ließ. Dabei hast du mir ein richtig dickes Lob geschickt, wenn du als Quintessenz schreibst:

... deine Texte entwickeln sich und du hast mittlerweise einen unverwechselhaften Stil erreicht

Deine Feststellung

Adjektive zuhauf ... Informationen wiederholt ... Charaktere , die es nicht mehr gibt

hat mich etwas verblüfft und mich zur Überprüfung veranlasst. Ja, da ist was dran. Dennoch habe ich mich entschlossen, den Text etwas ruhen zu lassen, da er doch als Antiquität gut zu lesen ist. Hier gibt es einige im Forum, die experimentell eingestellt sind, und das finde ich gut. Aber für mich ist wichtig, dass ich (vorhandene) Anlagen so gut wie möglich ausbaue und verfeinere, soweit es mein Altersstarrsinn noch zulässt:D

Was die Recherche zum historischen Hintergrund angeht, da bin ich ziemlich pingelig. In dem von dir angefragten Fall ist die Ferdinand-Geschichte mehrfach abgesichert, besonders, da es sich um eine reale Person handelt. Vor 1968, also bevor die Kindergeneration ihre unbequemen Fragen stellte, war so ein unauffälliges Wiederauftauchen durchaus möglich. Es wurde aber immer ein verschleierndes Gewebe darum aufgebaut. Z.B. erinnere ich mich, dass die Waffen-SS als, weil der Wehrmacht zugehörig, immer freigesprochen wurde von Kriegsverbrechen. Stell dir den Ferdinand vor als ganz jungen Offizier, der wegen einer früh erlittenen (Kriegs-)verletzung gar nicht mehr an die Ostfront kam. Nix Genaues weiß man nicht oder wollte man nicht wissen. Aber du kannst dir denken, dass ich die gegenwärtige Diskussion über den "Bürger in Uniform" aufmerksam verfolge.

Ausdrücke wie

Kommunikation

ziemlich schräg

waren geläufig. Als Soziologiestudentin ist Mechthild natürlich dem Soziologenjargon hörig. Sie glaubt ja zu diesem Zeitpunkt an die reinigende Wirkung dieser wissenschaftlichen Disziplin, wo gerade Aufbruchsstimmung herrschte. Dass sie Berlin als Studienort gewählt hat, kommt nicht von ungefähr. Eine sehr, sehr spannende Zeit, gleichermaßen vergangen und aktuell.

Danke für deinen Kommentar

und liebe Grüße
wieselmaus

 

Hallo Herr Schuster

Danke für dein Interesse an meiner Geschichte. Ich nehme an, der Titel hat dich zum Lesen ermuntert und deshalb fang ich gleich damit an.

... die titelarische Ähnlichkeit deines Textes zu dem von Turgeniev, war das absichtlich so? Wenn ja, dann habe ich das nicht verstanden. Wenn nicht, dann habe ich keine Wechselwirkung zwischen dem Titel und dem Text wahrnehmen können. Höchstens "Vater und Töchter"

Natürlich kenne ich den berühmten Titel von Turgeniev. Aber ich bin weit entfernt davon, ihn zu "stehlen".
Das Verhältnis zwischen Vätern zu ihren Töchtern ist anders strukturiert als das zwischen Vätern und Söhnen, zumindest wenn man wichtigen Vertretern der Psychologie folgt.

Du siehst nur einen Vater. Nun, es sind zwei Väter und drei Töchter, von ihrem Auftreten in der Geschichte ganz unterschiedlich gewichtet.
Albrecht hat zwei Töchter, die Geschichte wird aus der Perspektive der jüngeren, Mechthild, erzählt. Ferdinand hat eine Tochter, die als Schulkind hier keinen Namen bekommt. Sie dient hier als Instrument zur Charakterisierung seines autoritären Verständnisses der Vaterrolle. Das ist allerdings eine andere Geschichte. Vielleicht erzähle ich sie irgendwann noch.

Ich denke daher, dass ich den Titel zutreffend gewählt habe. Immerhin hat er mir wahrscheinlich den einen oder anderen Leser verschafft, der sich mit russischer Literatur auskennt.;)

... ist mir klar, dass diese Autorstimme mit der Perspektive von Mechthild durchtränkt ist.

Jawohl, so ist es. Mechthild hat den Ausdruck Vater aus ihrem aktiven Wortschatz gelöscht. Das bedeutet, Mechthild benutzt diesen Begriff nicht mehr. Gleichwohl bleibt er natürlich in ihrem passiven Wortschatz erhalten. Wenn sie ihn irgendwo liest oder hört, weiß sie selbstverständlich noch, was er bedeutet.
Zu Beginn bekommt der Leser diese kleine Hilfe, um das reichlich vorhandene Personal richtig zuordnen zu können. Recht hast du zweifellos damit, dass Mechthild konsequent bleiben und entweder "mein Erzeuger" oder "Alberich" sagen muss. Ich meine, diese Konsequenz habe ich durchgehalten.

Kommt es vom Studium allgemein oder von der Soziologie(?) Willst du damit eine gewisse Gesetzmäßigkeit aufzeigen, die die zukünftige(n) Väter zu wissen brauchen?

Ich weiß nicht genau, was du damit meinst. Soziologie als Gesellschaftswissenschaft kam nach dem zweiten Weltkrieg in Westdeutschland schwer in Mode, weil sie in der Tat Gesetzmäßigkeiten in Geschichte und Politik aufzuzeigen vermochte. Aber das ist auch eine andere Geschichte ...;)

Ich danke dir sehr für deinen Blick auf den Text, der einen Ausschnitt aus der Zeit um 1960 herum zeigen soll.

Freundliche Grüße
wieselmus

 
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Hallo Jana Retlow,


Ein so tolles Lob ohne Wenn und Aber bekommt man selten. Da kann ich mich nur herzlich bedanken. Es gibt aber etwas, was mich besonders freut:

Wally selbst kommt in der gesamten Geschichte ja gar nicht richtig zu Wort und genau das finde ich das Geniale daran

Da hast du meine Absicht total richtig erkannt. Wally ist das Objekt einer konzertierten Übergriffigkeit ihrer Familie und deren Freunde. Zwar in bester Absicht, aber aus höchst unterschiedlichen Motiven heraus. Der größte Gegensatz liegt für mich bei Mechthild und Ferdinand, denn hier geht es mir nicht nur ums Private, sondern eben um eine Gemengelage in der deutschen Gesellschaft der sechziger Jahre. Und für mich ganz persönlich um die Frage, wie weit haben sich Werte verändert.
Diese Frage ist weiß Gott keine belanglose, wenn wir sehen, dass uns gegenwärtig das Thema "Integration" auf allen möglichen Feldern umtreibt.

Wally als "Opfer" wollte ich nicht ins Zentrum rücken. Die traurige Geschichte der unehelichen Mütter und Kinder ist tausendfach erzählt worden, in Hochliteratur (Goethe, Brecht), national wie international. Auch hier im Forum, ich verweise auf barnhelm, "Schande".

Wally hat ja durchaus selbstbestimmt entschieden, gewissermaßen emanzipiert, was auch falsche Entscheidungen implizieren kann. Aus der Sicht des Kindes war die Übergriffigkeit ein Glück, vor allem die junge Mutter hat (sehr viel später) dies so akzeptiert.

Unter dem Strich bleibt aber ein sehr interessantes moralisches Dilemma: Zwangsbeglückung gegen freiwillig gewähltes Unglück ...
Ich selber habe dazu eine feste Meinung, aber das Urteil darüber wollte ich doch gerne jedem einzelnen Leser überlassen.

Nochmals Danke für deine Ausführungen, die die Diskussion über den Text stark bereichern.

Liebe Grüße
wieselmaus

 
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Liebe Wieselmaus,

ich bin derzeit nur ab und an lesend hier unterwegs, weil ich zum Kommentieren oder gar Selbstschreiben momentan einfach nicht komme. Deine Geschichte habe ich schon vor einiger Zeit mit Genuss gelesen, die verdiente Empfehlung wohlwollend registriert und mir deinen Text heute noch einmal zur Brust genommen. Was eine gute Entscheidung war, denn sie gefällt mir immer noch sehr gut.

Ich weiß nicht, wie wild du auf konstruktive Kritik aus bist, falls du dir das erhoffst, wirst du von mir heute nicht viel bekommen, weil ich einfach nichts zu meckern habe. Die Geschichte ist einfach total rund, sowohl inhaltlich als auch vom Stilistischen her. Wieselmaus, was ich wirklich an deiner Schreiberei schätze und bewundere, ist, wie unaufgeregt du Alltägliches in Worte kleiden kannst – und zwar so, dass ich als Leser bis zum Ende dran bleibe. Nicht weil ich muss, sondern weil ich will. Weil Alltägliches total interessant erzählt wird.

Das mag jetzt wie Kritik klingen: Eigentlich passiert gar nicht soooo viel in der Geschichte, klar es gibt einen Konflikt, über den es sich zu erzählen lohnt, aber wenn ich als Autor an diese Thematik rangegangen wäre, weiß ich, dass ich erzählerisch viel mehr Krabumm gewählt hätte. Wenn ich die Geschichte als Autor lese, sehe ich dutzende von Ausfahrten, die du dramaturgisch hättest nehmen können. Wäre mir passiert. Bestimmt. Weil ich dem Grundkonflikt allein nicht getraut hätte. Du tust aber genau das. Ohne Schlenker und Umwege das Wesentliche erzählen. Und genau deswegen ist das Geschriebene nicht als Kritik sondern als Lob zu verstehen. Du bleibst total klar bei deiner Linie, inhaltlich, sowie sprachlich.

Was noch hinzukommt, die Figuren sind schlüssig – und mit all ihren Fehlern sehr menschlich beschrieben. Ich hatte die alle beim Lesen sofort vor Augen. Gerade der Nazi-Onkel (ich bezeichne den jetzt einfach mal so ;)) ist ein tolles Beispiel dafür: Ich will den eigentlich überhaupt gar nicht mögen, wegen seiner Vergangenheit, weil er ein Hochstapler und Großmaul ist – und trotzdem ist er hier nicht als Knallcharge sondern als Mensch gezeichnet. Und das ist wirklich gut gemacht.

Wieselmaus, ich breche die Lobhudelei hier mal ab – aus zeitlichen Gründen, nicht weil es nicht mehr zu loben gebe. Ich habe die Geschichte total gern gelesen.

LG svg

 

Lieber svg,

stimmt, ich hab dich schon vermisst, weil mir deine Geschichten so gut in Erinnerung sind. Für die Kür der besten Geschichte 2016 wünsche ich dir viel Glück und einen ähnlichen Erfolg wie bei der Challenge.

Ich bin ganz geplättet über dein vorbehaltloses Lob. Aus deiner "Lobhudelei" greif ich mal heraus, was mich weiterhin bschäftigen wird:

... was ich wirklich an deiner Schreiberei schätze und bewundere, ist, wie unaufgeregt du Alltägliches in Worte kleiden kannst - und zwar so, dass ich als Leser bis zum Ende dran bleibe.

Das Wort "unaufgeregt" begleitet mich, seit ich im Forum aufgetaucht bin. Meistens ist es positiv gemeint und als Beschreibung meines Schreibstils. Manchmal habe ich den Eindruck, als würden inhaltliche Erwartungen dadurch enttäuscht. Es passiert ja nichts. Großartige Ereignisse, Sensationen habe ich allerdings nicht zu vermelden. Aber genaues Hinschauen, den einen oder anderen Deckel kurz lüften, das kann ich schon versprechen.
Persönlich kann ich mich schon noch ziemlich aufregen, aber da suche ich mir andere Kanäle.

Die Lust am Formulieren hatte ich schon immer, auch an den von dir ebenfalls gemochten Ausflügen nach "Ironien" (danke, Friedrichard) und Satirien. Ich war lange Mitglied eines Schulkabaretts. Mit dem Alter bin ich milder geworden, eben "unaufgeregter". Das Alltägliche ist halt das Leben, was anderes kann ich nicht.

Ferdinand ist übrigens meine Lieblingsfigur hier, ich finde, sie ist ein Prototyp für die Nachkriegszeit mit dem Beginn des Wirtschaftswunders. Meine Latein-und Geschichtslehrerin hat mich in der Quarta dadurch begeistert, dass sie ihren Unterricht über das antike Ägypten plötzlich abbrach und auf die Suezkrise (1956) zu sprechen kam. Ihre Augen leuchteten, sie klappte das Geschichtsbuch zu und rief: "Kinder, wir leben in interessanten Zeiten!"
Das hat mich fürs Leben geprägt.

Nochmals Danke und herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,
Auch von mir: ja, alles angekommen. Sorry, bin zur Zeit nicht so häufig hier (wie ich gern wäre).


Ich hoffe, dass du meine Erklärungen nicht als Besserwisserei empfindest.
Aber ich bitte dich... Alles andere, als dass du deinen Text "verteidigst", würde mich wundern. Ich hatte, wie gesagt, etwas Schwierigkeiten, die Geschichte zu durchdringen. Deine Erklärungen haben mir jetzt aber dabei geholfen.

Ich verstehe deine Einwände als ehrliches Interesse.
Das darfst du, und es ist so.

PS: Sagt dir das Kürzel "FJS" etwas?:D
Meinst du den verstorbenen großen Vorsitzenden der Partei eines südlichen deutschen Bundeslandes?

Beste Grüße,
Fraser

 
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Liebe wieselmaus

bevor ich selbst mal wieder poste oder Neues anfange, wollte ich unbedingt noch ein paar für mich wichtige Kommentare loswerden. Deine Geschichte gehört unbedingt dazu. Viel wirds nicht werden, was ich zu sagen habe, denn die anderen haben schon alles wegerzählt, sowohl die Kritik als auch das Lob. Von letzterem hätte ich eine Menge gehabt und hab ich auch immer noch. :D

Weißt du, an wen mich der dicke Ferdinand erinnert? An den Onkel in Borcherts Schischyphusch. Den hast du so richtig plastisch und farbenfroh beschrieben. Der ist stark (im Sinne von deutlich) gezeichnet, fast ist er überzeichnet, aber eben nur fast. Und genau das Quäntchen weniger als zuviel ist es, das ihn so plastisch macht. Das ist schon hohe Kunst.

Der Grundkonflikt der Geschichte gefiel mir auch. Die starken Frauen, die zwar gar nicht so emanzipiert waren und sicherlich in diversen Fragen recht zurückhaltend, aber im Prakischen langen die einfach zu. Es gab eine Menge solcher Frauen, mussten sie ja auch sein im und nach dem Krieg, da hat man nicht gefragt, ob sie sich in der Lage fühlen, sondern das musste gehen. Und Kerle waren da oft gar keine da. Und so sind die auch hier Hedi und Luise. Kein Wunder, wenn manch ein Vater dagegen ein bisschen abstinkt. Du kennst doch bestimmt den Film "Das Wunder von Bern". Da wird ja auch ein Mann-Frau-Konflikt angerissen, auch da steht der Vater in einem Rollenkonflikt zu seinen Kindern und versucht mühsam, seine Rolle auszufüllen. Dort mit überzogener Härte. Und auch hier ist der Vater überhaupt nicht mehr drin in seiner Rolle. Er will zwar seine Frau Hedi schützen und gebietet Dinge, die alle anderen zwar irgendwo brav machen, aber gleichzeitig irgendwie auch unnötig und komisch finden, wie zum Beispiel, dass die Mechthild zuhause bleiben soil wegen Hedis Krankenhausaufenthalt. Er kürzt ihr sogar das Geld in den Semesterferein und zwingt sie dadurch und durch das Gerede, die Mutter würde sie brauchen, zum Nachhausekommen. Also der ist keine wirkliche Autorität mehr, der Vater, da merkt man Widersprüchlichkeiten, Ambivalenz und das Nichtzusammenpassen zwischen Vaterrolle, wie er sie wohl sehen will und wie er von anderen wahrgenommen wird. Er ist ein Alberich.
Und dass er so voller Gefühl steckt und das am Schluss alles aus ihm herausplatzt, ich mochte das schon sehr sehr gerne.

Eine kleine Nickligkeit ist mir aufgefallen oder waren es zwei? Guck mal, ob dir das einleuchtet, sonst hat keiner was dazu geschrieben, aber ich wollte es dir wenigstens sagen.


Klaus, der Sparkassenfilialleiter, fuhr ein schnelles Coupé, ausreichend für zwei Personen und vielleicht noch einen Hund.
Geil, da weiß man gleich wo die Prioritäten liegen bei dem Säftel.

„Klaus, der verdammte Mistkerl … Wally ist im Schwangerschaftsurlaub. Ihr Chef wollte gar nicht glauben, dass wir davon nichts wüssten.“
Auch herb, dass die das vom Arbeitgeber erfahren.

Mechthild zuckte zusammen, straffte sich und baute sich vor ihrem Vater auf.
„Meine Schwester doch nicht! Meine Schwester hat es doch nicht nötig, ihr Kind wegzugeben. Hallo, Opa, das müssen wir verhindern. Los, rühr dich! Wir fahren nach Herrsching.“
Mit dieser wörtlichen Rede hatte ich Probleme. Nicht mit dem Opa, das fand ich süß und sehr sehr passend, dass Mechthild ihn da gleich in seiner neuen Rolle angräbt, um ihn zum Handeln zu bewegen. Aber: Ich denk mir immer, würde man da wirklich so reden? "Meine Schwester doch nicht! Meine Schwester hat es doch nicht nötig, ... " Das wirkt schon sehr gestellt. Reagiert man nicht erst mal fassungslos? Ruft, schreit vielleicht: Was? Oder: Das gibts doch nicht oder: Was soll das denn. Keine Ahnung, eine normale im Sinne von fassungslosere und verarbeitendere Reaktion jedenfalls. Die hier ist fertig. Du hast das Verarbeiten in dieses Schulterhochziehen hineinverlegt. In dem Schulterstraffen soll stecken, wie Wally ihr Erstaunen überwindet, einen Entschluss fasst etc , aber mir kommt das einfach wahnsinnig knapp und dadurch nicht so richtig glaubwürdig vor.
Also die wörtliche Rede da muss ja eine Menge leisten in dem Falle hier, sie muss die Fassungslosigkeit über diese eigentümliche Adoptionsidee ausdrücken, das Erstaunen über die Passivität des Vaters und sie muss zeigen, dass Mechthild ihrem Vater Dampf macht. Aber so man das so hinkriegt? Nur mit diesem "hat doch nicht nötig". Ich hab mich gefragt, ob die nicht vielleicht noch mal extra sagt: Willst du kein Opa werden?
Das war die eine Nickligkeit, die ich loswerden wollte.

Mechthild hasste diese Wischbewegung, die immer auftauchte, wenn es Probleme gab.
Muss nicht, aber kann man weglassen, ist eine redundante Erklärung. Denn weiß ich doch schon durch die Situation und Ms Hassen, dass der das immer macht, wenn es Stress gibt, der alte Wischer der.

Luise, eine feingeistige Buchhändlerin mit einer Schwäche für die Oper wie Hedi, hatte sich, so fand Mechthild, eine höchst romantische Geschichte von großer Liebe, Verlust und Wiederfinden zurechtgezimmert, die schließlich mit der Geburt einer Tochter ihre Krönung fand.
„Für mei Madel tu ich alles!“, verkündete der vernarrte Vater, noch bevor das Mädchen die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium bestand, „die kriagt den Doktor, den kauf ich ihr in St. Gallen, host mi?“, und sein breites, bayerisches Gesicht, das Mechthild unangenehm an FJS erinnerte, wurde durch das Grinsen noch breiter.
Das ist die zweite. Ich weiß zwar mittlerweile genau, dass der Dicke da von seiner eigenen Tochter spricht, aber trotzdem, ich flieg jedes Mal ein bisschen aus der Kurve und denke mal kurz, er spricht über Wally oder Mechthild. Vielleicht liegt das an dem Absatz, den du machst, dadurch denkt man, die Szene wechselt. Ich würde einen Absatz einbauen und - auch wenn man das PQP sonst vermeidet, ich würde da mal kurz PQP wählen:
„Für mei Madel tu ich alles!“, hatte der vernarrte Vater verkündet, noch bevor das Mädchen die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium bestand, „die kriagt den Doktor, und wenn ich ihr den in St. Gallen kaufen muss, host mi?“, und sein breites, bayerisches Gesicht, das Mechthild unangenehm an FJS erinnerte, wurde durch das Grinsen noch breiter.
Die zweite Abänderun habe ich gemacht, weil ein liebender Vater amSicht doch erst mal denkt, die Kleine könnt den Doktortitel schon selbst machen, so klug wie das eigene Kind doch immer ist. Und nur, wenns nicht hinhaut, dann ist ja auch noch der Vater mit seiner Knete da.

Sie schwankte ständig zwischen Abscheu und geheimer Bewunderung wegen der Tatkraft, mit der Ferdinand sein Steinsägewerk geschaffen hatte. Alles begann damit, dass er mit einem Musterbuch über die Dörfer zog und den Bauern Grabsteine aufschwatzte.
Auch hier (wenn auch nicht so notwendig) PQP: Alles hatte hatt damit begonnen, dass er ...
Frag mich bloß nicht nach einem Grund. Ich weiß es nicht, da sricht nur ein gefühl, das aber ziemlich stark.


„Hier sind wir richtig, ich kenn das Anwesen. Hätt' nicht gedacht, dass ich noch einmal in meinem Leben hierherkäme.
Ach du gute Güte. Möcht man lieber nicht wissen, was da vorher war. Genialer Einfall.

„Ja mei, Luiserl, genau, mit meinem Charme und mit meinem Diridari, das passt scho. Dann kommt halt.“
Geil

Adoptionswillige Paare konnten in Gästezimmern auf die Geburt warten und ihre Entscheidung nochmals überdenken, bevor sie glücklich mit einem Neugeborenen von dannen zogen.
Nachtigall ich hör dir trapsen. Paare mit genügend Diridari in der Tasche nehm ich an.


„Sie holt die Wally aus der Küche. Die arbeiten hier ohne Vertrag mit den Hausschwangeren. Wenn ihr mich fragt, ist es eine Riesensauerei. Die müssen für Kost und Logis arbeiten und putzen. Nach der Geburt kriegen sie das Kind gar nicht zu sehen. Es gibt anscheinend eine riesige Nachfrage, vor allem aus den USA. Wahrscheinlich ein gutes Geschäft.“
Wusst ichs doch. Diese Monsternonnen.
Gut gemacht, Onkel, auch wenn du wie FJS aussiehst und bestimmt eine sehr sehr graue Weste hast.


Mechthild sprang auf. „Wally, um Gottes Willen, bleib!“ Der Anblick hatte sie wie ein Schlag in die Magengrube getroffen. Ihre attraktive Schwester, die sie so oft beneidet hatte, in diesem jämmerlichen, unwürdigen Zustand!
Aha, deshalb dieses "nötig hat" in der wörtlichen Rede viel weiter oben. Das schwang da schon für mich mit. So ein gewisser hmm Neid? Übertreiben gesagt. Ich hab doch gemerkt, dass da was mitschwingt. Aber ich bleib dabei. Ich mein bei dem, was ich oben geschrieben habe. Oben wirkt der leichte "Neid" oder die Anspielung an das Geschwisterverhältnis vielleicht ein bisschen zusammenhanglos.

Mit viel „Geaschdl, Diridari und Host mi“, trug er sehr zur Unterhaltung der anderen Gäste bei.
Hehe


So mehr gibts nicht, sondern nur noch, das ich die letzte Szene sehr bewegend fand. Mir hat die Darstellung der Musik außerordentlich gut gefallen. Ich steh halt auf sowas. Und ich persönlich kann es auch gut nachvollziehen, dass man bei bestimmter Musik völlig die Contenance verliert. Musik berührt halt auch sehr.

Wieselmaus, ich hätte dich saugerne kennen gelernt auf unserem Treffen, deine braunen Wiselmausaugen, von denen die anderen geschwärmt haben. Jetzt muss ich halt mit deinen Geschichten vorlieb nehmen. Und glaub mir, das ist natürlich nur ein Ersatz, aber nicht der allerschlechteste. :D
So, bevor ich mich jetrzt endgültig um Kopf und Kragen geredet habe, hör ich mal lieber uff und trink Kaffee.
Bis demnächst. Und vielleicht sehen wir uns beim nächsten Mal.

Viele Grüße von Novak

 

Liebe Novak,

lieber Himmel, so ein toller Kommentar, damit hatte ich gar nicht mehr gerechnet. Und weißt du was? Es sind genau die Stellen, die mir beim Lesen Unbehagen verschafft haben.

Es ist so, wie du vermutest: Die Schwestern verbindet eine innige Konkurrenz, die ältere schön, die jüngere schlau, jedenfalls in der gegenseitigen Wahrnehmung. Trotzdem hält man zusammen. Jemand hat in seinem Kom gemeint, das könnte eine eigene Geschichte wert sein:D Also, diese Ambivalenz wollte ich drinhaben. Hab schon mal geändert. Mir gefällt es jetzt besser.

Die Sache mit dem PQP sehe ich genau so wie du. Da hatte ich immer brav die alte Schulgramatik drauf, aber Friedel sieht das gar nicht gern. Also habe ich mich bemüht, auch gegen mein Bauchgefühl. Manchmal hat es aber doch eine wichtige, verdeutlichende Funktion, so wie in den von dir zitierten Passagen. So ist es eindeutiger für den Leser.

Ja, der Ferdinand. Der Herrenmensch mit der humanen Seite. Borcherts Geschichte "Schischyphusch" war in meiner Schulzeit Klassenlektüre, ja, da gibt es (unbeabsichtigte) Ähnlichkeiten.
Falls dich mehr Hintergrund zu meiner Geschichte interessiert, dann kannst du einfach mal "Wartaweil" eingeben. Es ist ein Ortsteil von Herrsching, aber nicht nur ...

Schade, dass du das Gathering absagen musstest. Es ist doch toll, wenn man die Bilder im Kopf mit den realen Personen vergleichen kann. Die eine oder andere Überraschung war für mich schon dabei. Wenn's nach mir geht, bin ich nächstes Mal wieder dabei. Ob es nun Frankfurt wird?

Ganz herzliche Grüße und nochmals ein dickes Danke!

wieselmaus mit den braunen Augen

 

Hallo Bas,

ein tolles Gefühl, so über den grünen Klee gelobt zu werden. Und ich bin froh, dass du die Geschichte noch gelesen hast und du dies nicht bereust.

Ja, die vielen Personen zu Beginn. Ich versuche durch ihre Namen gleich mal Akzente zu setzen, damit der Leser sie leichter unterscheiden und sich merken kann. Manchmal drängen sich mir Namen einfach auf oder ich nehme sie gleich aus dem realen Leben, aber nur, wenn ich keine Prozesse fürchten muss:D. So habe ich konkrete Bilder vor Augen und die Entwicklung der Charaktere fällt mir leichter.

Für das Lob feinsinnige, durchdachte des Schreibens möchte ich mich besonders bedanken. Vielleicht bin ich tatsächlich angekommen im modernen Erzählstil. Obwohl ich - du weißt das - nach wie vor die großen Erzähler des neunzehnten Jahrhunderts liebe, Fontane, Gottfried Keller, Storm ...

Wie schön, dass du auch Geschichten mit versöhnlichem Ende magst. Da sind wir eher in der Minderzahl. Und ich will auch gar nicht bestreiten, dass der Blick auf die lauten Katastrophen spannender ist als die auf das stille Glück. Ich gehöre eben zu den Menschen, die ihr Glas eher für halb voll statt halb leer halten.
Ich hab gelesen, das sei genetisch bedingt.;)

Liebe Grüße
wieselmaus

 

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