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Vampir

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03.10.2001
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Vampir

Naßkalter Wind weht durch mein Haar. Mein Kopf besteht nur noch aus einem wüsten Haarknäul, daß mich nicht mal mehr meine eigene Hand vor den Augen erkennen läßt. Was soll’s? Wenn es bloß nicht so kalt wäre! Müde ziehe ich die beiden Enden meines knöchellangen Mantels näher an mich. Fröstelnd stehe ich hier und warte auf den Start. Wie lange mag ich schon alleine hier stehen? Wie lang ist es her, daß wir Abschied nahmen?
Noch immer glitzern vereinzelte Tränen in meinen Augen, als wollten sie mich an dich erinnern.
Zwei Monate sind eine lange Zeit. Einundsechzig einsame Nächte erwarten mich, um mich zu quälen. Träume, die mir vorgaukeln, du wärst bei mir, verbinden sich zu einem Reigen der Erinnerung.
Wann ich dich das erste Mal traf? Ich glaube, ich habe es vergessen. Es spielt auch keine Rolle. Wichtig ist nur, daß ich dich getroffen habe. Keine Nacht habe ich so genossen wie die unseren, keinen Traum so wild geträumt wie den deinen. Deine Worte streichelten meine Seele, die wie Phönix aus der Asche wieder auferstand. Eine Blume, der man zu lange das lebensnotwendige Elixier versagte, erhob schwerfällig ihre Blätter, um sie mißtrauisch und sehnsüchtig gen Himmel zu strecken.
Die Stunden verrannen wie im Fluge, wenn wir gemeinsam unsere Nächte teilten. Verborgene Wünsche wurden reaktiviert, um zu leben. Gedanken verschmolzen zu Gefühlen. Der Sehnsucht wuchsen Flügel.
Doch auf jede Nacht folgte der Tag, der mich brutal zurück auf den Rücken der Realität fallen ließ. Dann erwachte der Alltag mit schweren Lidern, die lieber geschlossen bleiben wollten, um nicht zu sehen, was zu sehen ist. Mühsam quälte ich mich durch den Tag. Mit Entsetzen erkannte ich, was von meinem früheren Leben übrig war. Nichts! Gähnende Leere erfüllte mich und mein Herz. Was mir blieb, waren die Nächte, in denen wir zusammen sein konnten; in denen wir bis in die frühen Morgenstunden redeten. Jedes Mal fiel der Abschied um so schwerer.
6.30 Uhr. Der große Vogel erhebt sich mit der Leichtigkeit einer Feder. Schnell hat er den wolkenbehangenen Himmel erreicht. Er hat dich mitgenommen und mit dir die schönen Nächte. Ich friere, während ich dir nach winke. Zwei Monate sind eine lange Zeit. Noch eine letzte Zigarette. Es ist Zeit, zu gehen. Ich drehe mich um, der Regen verwischt meine Tränen und mein schwarzer Mantel weht im Wind. Ich gehe und

Vampir27 verläßt den Chat.

© Pandora (K.B.), 2001

 

Tolle Geschichte!
Als erstes hab ich gedacht "Was macht den das in Alltag?", das hat sich aber dann noch geändert. Undzwar wegen dem Schluss.

 

Hmja, dass es sich bei dieser "Beziehung" um eine Chat-Bekanntschaft handelt ist ein schöner Schluss für diese kleine, etwas unspektakuläre Geschichte.
Was ich nicht kapiere ist der große Vogel am Ende. Ein Flugzeug, welches den Chatpartner hinfortträgt? Dorthin, wo er keinen PC hat?
Oder steht der Vogel für etwas anderes?
Zwei Monate... fliegt er in den Urlaub?
Hm Hm Hm.
Braucht die Autorin natürlich nicht explizit zu beantworten, wenn sie nicht will. :cool:

[Beitrag editiert von: Ben Jockisch am 18.11.2001 um 14:23]

 

Ja, er fliegt in den Urlaub für 2 Monate.
Die Geschichte soll ja auch überhaupt nicht "spektakulär" sein. Sie ist eben nur eine kleine Anekdote der Lebens und ein Beispiel dafür, wie nah Realität und Fiktion zusammen liegen, oder auch nicht.

liebe Grüße, Katja

 

Jetzt hab ich mal gedacht. Guck mal was Pandora so schreibt.

Und mir gefällts :D

Ich kenne das Gefühl wenn ich in Urlaub fahre und meinen Compi nicht mitnehmen kann und damit auch nicht all die netten Chat leutz...*muahhh* :heul:

*wink*

jaddi

 

Hallo Pandora!

Ich mag die Stimmung, die Du da zauberst, nasskalter Wind und einsame Nächte, die Erinnerung, sehr gut beschrieben ich hab da ein Bild im Kopf... und der Schluss ist nett, v. a. wegen dem Bezug zum Titel, der mich etwas verwirrt hat am Anfang. Nix zu meckern.

schöne Grüße, Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

danke Anne und Jadzia :)

 

bitte bitte (ab jetzt kosten nette Komments 5€ :D ) ich les mich halt langsam durch Deine Stories :)

 

Hallo Pandora,

mir gefällt die vielfältige Funktion des Namens "Vampir" in deiner Story sehr gut. Zum einen ist es der Chatname der Protagonistin. Den hat sie sich gut ausgesucht, da sie offensichtlich am heimischen PC die Nacht zum Tage macht. Zum anderen ruft der Titel beim Rezipienten Assozationen hervor, die ihn vermuten lassen, hier ginge es um eine Vampire-Love-Story. Die Auflösung mit dem Chatroom bringt einen Schlagartig auf den Teppich zurück. Man liest die Geschichte automatisch noch einmal von vorne, um zu sehen, ob man die Signale, die vorher gegeben worden sind, auch andereitig interpretieren kann.

Findet sowas aufregend:
Silencer :bounce:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Silencer,

danke für deine Kritiken. Eigentlich war "Vampir27" nicht der Chatname der Protagonistin sondern der des Chatpartners. Hab die Story nochmal gelesen und mir ist aufgefallen, dass es beides bedeuten kann. War mir vorher gar nicht aufgefallen (außer dass "Vampir27" nicht wirklich weiblich klingt ;) )

Gruß, Pandora

 

Hallo Pandora,

eine Geschichte mit unspektakulärem Inhalt zu schreiben, die trotzdem interessant ist, ist ja auch eine Kunst.
Ich bin auch über den „Vogel“ gestolpert, vielleicht ist `Metallvogel` eine Hilfe für den Leser.
Jetzt frage ich mich nur noch, was diese Art von Vampir aus den Mitmenschen heraussaugt? Zuwendung?

Tschüß... Woltochinon

 

Hi Paule, hi Woltochinon,

danke für eure Kritik.
Naja, das mit dem Vogel würde ich schon so lassen. Ein bißchen Fantasie kann man von Leser ja wohl erwarten, oder? ;)

Was der Vampir aussaugt, weiß ich auch nicht. Is halt nur ein Chatname, keine Metapher bzw. kein Bild für irgendwas.

Freut mich jedenfalls, daß euch meine unspektakuläre Geschichte gefallen hat :)

so long, Pan

 

Hi Bo,

ich habe diese Erfahrung auch gemacht. Ich denke, der Grund dafür, daß solche "Cyberspace"-Beziehungen intensiver sind, ist der, daß diese ganze Optik- und Ich-muß-den-anderen-jetzt-irgendwie-beeindrucken-Sache da eben keine Rolle spielt. Man kann sein wie man ist, man kommt mit Leuten ins Gespräch, die man im RL nie angesprochen hätte. Ich denke, das ist der Knackpunkt.

Freu mich, daß dich meine Geschichte zum Nachdenken angeregt hat :)

liebe Grüße, Pan

 

Hallo Pandora!

Mußte jetzt doch auch mal deinen "Vampir" lesen, wenn Bo schon im BdT darauf Bezug nimmt, und es ist wirklich eine schöne und intensive Geschichte :).
Hat sich gelohnt.

Lieber Gruß!
Annette

 

Hallo Zannallee,

freut mich, daß sie dir gefallen hat :) .
Was ist BdT?

 

Klick mal auf Bo's Profil, dann findest du es. Ich will ja nicht, dass es am Ende heißt, ich mache Werbung :)!

Lieber Gruß!
Annette

 

Hallo Pan.
Anscheinend schreibst du wirklich :D
Grade druckte sich ein Gast die Story aus, und ich dachte mir, da sie so schön kurz ist...
Gelungene Wortwahl, Titel passt net ganz, zum Schluss noch einige Dinge, die mir beim lesen durch den Kopf gingen.
...para

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Mein Kopf besteht nur noch aus einem wüsten Haarknäul, daß mich nicht mal mehr meine eigene Hand vor den Augen erkennen läßt. Was soll’s? Wenn es bloß nicht so kalt wäre
Autobiographisch? :D

Wie lange mag ich schon alleine hier stehen? Wie lang ist es her, daß wir Abschied nahmen?
Kann absicht sein: "Wie lange", "Wie lang".
Warum nicht zweimal "wie lange"? Wär glatter.

Wann ich dich das erste Mal traf? Ich glaube, das habe ich vergessen. Es spielt auch keine Rolle. Wichtig ist nur, daß ich dich getroffen habe.

Dreimal "das/s"

Keine Nacht habe ich so genossen wie die unseren,


Hier bin ich mir unsicher. Keine Nacht ( Singular )... wie die unseren ( Plural ). Bin ich jetzt bescheuert oder geht das?
Geht doch, oder?

keinen Traum so wild geträumt, wie den deinen
Komma überflüssig.

"Phoenix... schwerfällig" Passt net ganz.

Der große Vogel erhebt sich mit der Leichtigkeit einer Feder. Schnell hat er den wolkenbehangenen Himmel erreicht. Er hat dich mitgenommen und mit dir die schönen Nächte.
Sind gute Sätze drin, echt. Aber starten Passagierjets wirklich sooo leicht? *nörgel*

Ich gehe und

Vampir27 verläßt den Chat.


Das kommt sehr plötzlich.

© Pandora (K.B.), 2002
Die Story ist doch 01 gepostet worden...?

 

hehe Para, das ist die Rache was?
Manche Kritikpunkte klingen für mich arg aus den Fingern gesaugt ;)

Geändert habe ich: die "das/s" Sache (hab eins rausgenommen), das eine Komma, das zu viel war und nat. den Copyrightverweis *hüstel*.

Das mit den Nächten geht. Warum soll des net gehn?

Was den Vogel betrifft: schonmal in der Ferne ein startendes Flugzeug beobachtet? Sieht sehr "leicht" aus.

Das Ende: klar kommt das plötzlich. Das ist doch der Knackpunkt, Mann ;)

Nunja, ich nehms mit Humor :D

liebe Grüße, Pandora

 

Manche Kritikpunkte klingen für mich arg aus den Fingern gesaugt
Das stimmt schon irgendwie. Kam mir auch so vor , aber ich konnte nichts dagegen machen. Vielleicht war ich müde.
Außerdem waren ein paar ja wohl ganz hilfreich! Ha!
Grüße,
...para

 

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