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Vater und Sohn

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21.09.2001
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Vater und Sohn

Harry stieg aus seinem silbernen BMW, schloss die Tür ab und ging forschen Schrittes den mit Feldsteinen gepflasterten Weg zu seinem Elternhaus. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.
Harry sah um die Hausecke.
„Tach, Vater.“
„Dach, mien Jung.“
„Wußte ich doch, dass ich dich hier im Garten finde.“
„Jo, bi denn Weller.“
Harrys Vater lehnte den Spaten an den Maschendrahtzaun, nahm sich
Seinen speckigen Elbsegler vom Kopf, wischte sich mit der rechten Hand den Schweiß von der Stirn und setzte die Mütze wieder auf.
„Datt freit mi, datt du kummst.“
„War grad in der Nähe und da wollt´ ich mal reingucken.“
„Denn kumm man her. Bin sowieso all ferdig mit den Umgroben.“
Wilhelm schlurfte in seinen Gummistiefeln zur Gartenbank und machte eine einladende Handbewegung.
„Sett di dol. So schick in Schale hüt?“ Wilhelm musterte seinen Sohn von oben bis unten.
„Ja, komm grad` von Kundenbesuchen.“
Es herrschte eine gespannte Stille.
„Is watt besünners, Harry?“
„Nein, nein. Ich bin froh, dass ich es heut´ mal geschafft habe, dich zu besuchen, Vater. Weißt du, die Arbeit. Wie oft wollte ich schon kommen, aber nun hab ich es zum Glück mal geschafft.“
„Datt freit mi.“
„Rita wär´gern mitgekommen, aber nun passte es heute so gut mit meinem Terminplan. Soll dich schön grüßen. Sie ist auch gerade ziemlich erkältet.“
„Oh, dat deit mi ober leid. De is ja oft krank.“
Die Blicke trafen sich, sein Sohn wandte sich ab.
Wilhelm stopfte sich seine Pfeife und zog dann schmatzend an dem Endstück. Er sog den ersten Zug tief ein und atmete den Qualm genüsslich aus.
„Was machst du denn so den ganzen Tag, Vater? Muss doch langweilig sein.“
„Och nee, dat geit. Siehst jo, de Gorden, de hält mi in Trab.“
„Ja, aber wozu eigentlich? Das Gemüse könntest du dir auch kaufen. Ist so billig heutzutage.
„Lot man, mi macht de Orbeit Spoß.“
Sein Blick wanderte den Fluss entlang, hielt an dem Entenpärchen inne,
welches gerade das Ufer an der gegenüberliegenden Seite hinaufwatschelte.
„Wie geht´s denn deinem Bein? Wir haben uns große Sorgen gemacht, Vater.“
„Allns best“, nuschelte Wilhelm undeutlich und ließ die Laute links und rechts an seiner Pfeife vorbeirauschen.
„Du Vater, Benni hat ja Konfirmation in drei Wochen. Wollt dich nochmal dran erinnern. Du kommst doch?“
„Klor, ick kumm.“
„Rita läßt fragen, ob du was zum Anziehen hast. Sonst würde sie mit dir nochmal zum Einkaufen fahren.“
„Nee, deit nich nödig. Ick heff watt tun Antrecken. Ick loup ans ja uck nich nackt.“
„Nein, so ist das ja auch gar nicht gemeint. Übrigens, mit ´nem Geschenk... Weißt du, die jungen Leute heute...“
„Ick heff schon een Geschenk.“
„Hast du es schon gekauft? Soll dir von Rita ausrichten, dass er sich sonst Geld wünscht. Du weißt ja, die Jugendlichen haben so große Wünsche heute.“
„Nee, nee ick heff schon een Geschenk.“
Stille.
Ohne seinen Kopf zu bewegen, sah Harry zur Uhr. Er wandte nur seine Augen nach links unten an sein Handgelenk.
„Wedder no Hus?“
„Nee, nee, Vater. Hab noch Zeit. – Sei froh, dass dein Fahrradsturz so glimpflich verlaufen ist. Es wäre ja nicht auszudenken, wenn...“
„Nee, allns weller klor. Mi geit dat got.“
„Du hast einen Schutzengel gehabt, Vater. Soll dich noch von Rita fragen...“
„Rita, Rita, Rita... Schull se man süms komen wenn se wat frogen wull.“
„Du weißt doch, sie ist krank. Sonst...“
„Verstoh schon. Watt will se weten?“
„Och, nichts bestimmtes. Nur macht sie sich ja solche Sorgen um dich.“
„Sorgen? Dat wunnert me jo, datt se dann nich mol komen deit.“
„Ach, der Haushalt, die Kinder, aber sobald sie wieder gesund ist, Vater...“
„Is schon good.“
Schweigen
„Ja, an deinem Haus alles in Ordnung, Vater? Am Dach müsste auch mal was gemacht werden.“
„Jo“
„Wenn das erst kaputt ist und es erst reinregnet.“
„Is nich kaputt.“
„Noch nicht.“
„Nee, noch nich.“
„Immer kannst du hier ja auch nicht wohnen?“
„Nee, wenn ick dood bün, nich meer.“
„Wer spricht denn vom Tod, Vater. Bis dahin...“
„Bis dahin wohn ick hier.“
„Ja Vater, das wäre dir ja zu wünschen, aber man weiß ja nie. Und mit deinem Haus, weißt du, wenn da nicht was dran gemacht wird, dann... . Rita sagt auch, dass..“
„Watt denn? Wilhelm rückte sich seinen Elbsegler zurecht.
„Watt hett de denn to seggen öber min Hus?“
„Sie macht sich eben Gedanken. Vielleicht wärst du woanders besser aufgehoben. Falls dir mal was passieren sollte. Denk an deinen Nachbarn. Ein Schlaganfall und schon musste er ins Heim.“
„Jo, ober solang hat er in sin Hus wohnt. Un dat mok ick uk.“
„Vater, nun hör doch mal zu!“ Harrys Ton verschärfte sich.
„Bruks ja nich gleich zu schriegen.“
„Mit dir ist ja einfach nicht zu reden!“
„Wüso? Wie schnackt doch die ganze Tied. Segg doch watt du wullst. Jümmer um den heeten Brei herum.“
„Vater, was du gleich denkst!“
Harry hob seinen linken Arm, sah auf die Uhr.
„Oh, nun wird es aber Zeit! Schon gleich sechs!“
Harry erhob sich, stand einen Moment neben seinem Vater.
Wilhelm streckte ihm die Hand entgegen.
„Ja denn Tschüß bis in dree Weeken.“
Harry gab ihm die Hand.
„Tschüß Vater.“
Harry ging mit ungutem Gefühl zurück zu seinem Wagen und fuhr zu seiner Familie.

 

Hallo Heidi,

ich kann zwar weder platt sprechen noch schreiben, aber mit lesen und verstehen habe ich glücklicherweise keine Probleme. Deshalb ist deine Geschichte auch gut bei mir angekommen.
Mit gut meine ich jetzt Sprache, Stil, Rechtschreibung und die hohe Kunst, eine "message" indirekt rüberzubringen.
Deine message ist bei mir angekommen und hat mich wie immer bei diesem Thema wütend und traurig gemacht.
Ich will dieses Thema jetzt hier auch nicht ausdiskutieren, das würde viel zu weit führen.
Du hast hier eine schöne, einfach geschriebene, aber inhaltsschwere Geschichte abgeliefert, die mich zum (unfreiwilligen) Nachdenken angeregt hat. Sehr schön, weiter so...


Gruß.....Ingrid (Fischkopp) :D

 

Hallo Ingrid,
danke, dass Du Dir meine Geschichte zu Gemüte geführt hast. Freut mich, dass die message rübergekommen ist. Es ist meine Einstiegsgeschichte hier auf diese site und ich bin froh, dass die erste Kritik so ausgefallen ist. Mal sehen, wie´s weitergeht.
Grüße Heidi die rosa Strandkrabbe :rolleyes:

 

Hallo Heidi!
Ich bin froh, dass meine Anregung, mehr in Dialekt zu veröffentlichen angekommen isat.
Mir gefällt die Geschichte sehr sehr gut und ich habe ausnahmsweise mal nichts zu kritisieren.
Das Thema das du ansprichst finde ich sehr gewagt und muss sagen, dass es kaum besser rüber gebracht werden kann!
Wenn das deine erste Geschichte ist, freue ich mich schon auf die anderen. Wird bestimmt wieder so ein Lesespass!
Gruss franz

 

Hallo Franz,
das haut mich ja um. Wieder ein Kommentar, an dem ich mir Hände und Füße wärmen kann.
Mal sehen, wie´s weitergeht. Bin Schreibanfängerin und hab noch nicht so viel Geschriebenes auf Lager, aber ich arbeite dran.
Grüße Heidi ;) :p ;)

 

Hallo!

Ist ja ganz witzig geschrieben und es ist sicher nicht leicht, einen solchen Dialekt noch verständlich rüberzubringen (Kompliment!), aber diese inhaltliche schwere ist mri wohl entgangen...
wo soll die tiefere "message" stecken?? tut mir leid, für mich ist das einfach nur ein gespräch zwischen vater udn sohn, etwas völlig alltägliches, ohne symbolik, einfach nur erzählt...

na ja, wollte nur mal meinen senf dazugeben. Bitteschön!

Gruß,
kc

 

Hallo credosupernova,
danke für Deinen Senf.
Also, die message, die bei Dir hätte ankommen sollen war folgende:
Sohn und vor allem seine Frau wollen Opa ins Heim stecken und sich das Haus unter´n Nagel reißen. Aber Opa hustet ihnen was und ist stur wie ein alter Opa manchmal nur sein kann.
Verstanden?
Liebe Grüße Heidi :o ;) :o

 

Mahlzeit!

Sodele, in dere G'schichd sen so ae paar Dingger verschdeggd, an denne ma scho merggt, wo d'r Has laaft. Dezende Hiweis, schbärlich, awwer ned zum iwwersehn. I finds g'lunge, die G'schichd. Dalend isch do scho vorhande.

Ade
Heiggo

 

Moin, Heiko,
tsü, ick heff talent? Dat geit mi ja rünner wie nix. Un du hes uk markt, worüm sick dat dreiht? Nu, dann is ja allns klor.
Denn man tschüss
Heidi :o

 

Hajo, heb ae des gschnallt ... bin jo ned uff de Nudelsubb doher gschwomme. Un en schwäbische Grasdaggel bin i au ned. Bin en badische Gelbffiessler.

Ade

Heiggo

 

Hach, ihr und eure Dialekte! Bin zwar gebürtiger Sachse (Leipzig rulez), aber zum Glück war meine Mutter Deutschlehrerin... :D

- - - - -

Hm, als ich den ersten Satz angefangen habe zu lesen, dachte ich schon: Uff, Derek kehrt zurück. Aber Gott sei dank war dem nicht der Fall, sondern ich habe tatsächlich eine ordentlich und vernünftige Geschichte lesen können.

Nur das Problem ist, für mich jedenfalls, daß der tiefere Sinn (Kinder sind scharf auf´s Haus und wollen Vater deshalb ins Altenheim schicken) nicht gut rüberkommt. Dafür sind die Andeutungen mit Rita zu normal. So entsteht wirklich nur der Gesamteindruck: Vater und Sohn unterhalten sich. Das soll ja im Alltag vorkommen.

Aber ganz ordentlich ist deine Geschichte trotzdem.

Sodele!

Poncher - Aus Bochum grüßend!

 

Ja das sie sich das Haus selbst unter den Nagel reissen wollen kann ich hier auch nicht herausfiltern. Aber das seine Frau Rita sich Wilhelm wohl des öfteren abwendet und Harry was auf dem Herzen hat kann man gut verstehen.

Und man kann nicht mit den Aussagen der beiden durcheinander kommen, da ja nur Opa Platt spricht.

Lustig wäre auch so eine Kombination:
"Dach, mien Jung."
"Ja, an deinem Haus alles in Ordnung, Vater? Am Dach müsste auch mal was gemacht werden."
:D

Einer muss noch einmal so eine Dialekt-Missverständniss Geschichte schreiben. Aber diese hier lässt sich wirklich gut lesen, ein toller Einstieg Heidi!

 

Hallo Poncher und Benjamin,
danke für Eure Nachricht. Es kommt vielleicht deutlicher heraus, dass die Kinder meinen, ihr Vater wäre im Altenheim besser aufgehoben. Als zweites wäre dann das Haus an der Reihe. Es sollte so zwischen den Zeilen herauskommen.
Grüße aus dem Norden
Heidi :p

 

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