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Vater

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24.04.2003
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Vater

Das Photo ist eine Verfälschung der Wirklichkeit.
Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass ich so ein Bild von Ihnen knipse? Erstmal wird gelächelt, und dann legen Sie den Arm um Ihren Sohn.
Vater hat sich auf das rechte Knie gestützt, und erwürgt mich fast mit seinem Griff. Das Lächeln gelingt ihm für einen Anfänger erstaunlich gut.
Das ist es, und ... für die Ewigkeit festgehalten!
Anschließend hat er mir einen zu festen Schlag auf den Hinterkopf gegeben, um noch von Kameradschaft sprechen zu können.

Dieses Photo von dir und mir; es hat nicht das Geringste mit der Realität zu tun, und doch meint jeder, der es sieht, wir seien ein glückliches Gespann gewesen.


Jetzt, wo du resigniert im Rollstuhl sitzt, und ich dir das schleimige Zeug von der Nase wischen muss, möchte ich ein neues Bild aufnehmen. Stehe bitte dafür auf, Vater, damit wir uns auf gleicher Höhe befinden.
Und lege deinen Bleistiftarm um mich, den du keine Sekunde lang still halten konntest. Na, gelingt dir das falsche Lächeln immer noch so gut? Wohl eher nicht. Jetzt mach dich nicht so schwer, du dürrer Greis.
Der Selbstauslöser ist bereits aktiviert, könntest du bitte ein wenig von der Würde wieder einsammeln, die du nie behalten konntest?
Gleich blitzt es.
Los: Die Mundwinkel hoch, und rülpse nicht den Brei nach oben, den ich dir jahrelang in den Hals stopfen musste. Wie siehst du überhaupt aus? Weite, fleckige Stoffhose. Sperma kann es kaum sein, du kriegst doch seit Jahrzehnten keinen mehr hoch. Und dieses Hemd, trugst du dasselbe Hemd, wenn du mich geschlagen hast? Ein trauriges Relikt aus einer Zeit, in der wir bei einem Photographen gewesen sind, hm? Komm, ich schieb den Rollstuhl weg. Kannst du alleine stehen? Steh auf!
Er war doch sowieso nur für deine Bequemlichkeit gut, von der du immer gezehrt hast.
Und jetzt bitte recht freundlich. Da war der Blitz.
Ich freue mich auf das Bild. Ich werde es gegen das alte Photo austauschen, und es allen zeigen, die uns als großartiges Team in Erinnerung haben.
Und nun nehm wieder Platz, damit ich dich zurück zu deinem Grab schieben kann.

 

Hallo Cerberus,
leider hat mir auch dieser Text von dir nicht gefallen. Die "Pointe" zählt wohl zu den ältesten der Horror-Literatur und kommt daher nicht im Mindesten überraschend. Nun würde ich nicht behaupten, dass man das Ende gleich nach zwei Sätzen erahnen würde (diese Gabe besitzt bekanntlich nur Kläuschen StarScratcher), aber besonders originell kommt es nicht gerade daher.
Gut, das muss es auch nicht, wenn der Text stilistisch herausragend oder die Charakterzeichnung vortrefflich wäre. Doch auch in diesen Punkten ist die Story allenfalls Mittelmaß, was angesichts der Kürze auch nicht weiter verwunderlich sein dürfte.
Zeitverschwendung war die Story keine - drei Minuten hab ich doch immer Zeit! - aber außer einem Schulterzucken ruft sie keinerlei Regung bei mir hervor.

Ach ja:

Und nun nehm wieder Platz, damit ich dich zurück zu deinem Grab schieben kann.

Argh! Der erste Teilsatz ist ja grausiger als die ganze Geschichte zusammengenommen. Bitte unbedingt "nehm" durch "nimm" ersetzen!

 

Hi Cerberus,

ich schließ mich mal Rainer an. Ich meine sogar, dass der Text durch die Pointe deutlich verliert, denn solcher Schabernack wäre ja mit einem debilen Rentner um einiges gemeiner als mit einer Leiche (selbst wenn er den Vater umgebracht hat, worüber sich der Text ja nicht auslässt). Dabei finde ich die Grundidee mit dem Foto eigentlich nicht schlecht, aber die Ausarbeitung (mit sozialem Machtgefüge in der Familie, außerhalb usw.) dürfte gerne noch um ein Vielfaches länger sein.

Viele Grüße,
Seaman

 

Im Großen und Ganzen kann ich mich MisterSeaman nur anschließen, auch wenn ich noch bemerken möchte, dass ich den Stil recht gut fand, ungerührt ließ mich die Geschichte trotz ihrer Kürze nicht.
Aber es ist richtig, dass ein schlichtes Streichen des Letzten Satzes - der mich beim Lesen beinahe wütend machte - eine eklatante Verbesserung darstellen würde.


Gruß,
Abdul

 

Ich fand's eklig und deshalb gut. Stilistisch schön.

Nur:

Anschließend hat er mir einen zu festen Schlag auf den Hinterkopf gegeben, um noch von Kameradschaft sprechen zu können.

Das klingt beim ersten Lesen nach einem beeindruckend schönen Satz, aber beim zweiten Rübergehen muss ich sagen: Keine Ahnung, was das bedeuten soll :confused: !

Grüße,

JC

 

@Rainer

Argh! Der erste Teilsatz ist ja grausiger als die ganze Geschichte zusammengenommen.

Danke für deine Meinung.

@MisterSeaman

Ich gewöhne mir die Schnellschüsse ab.

@AbdulAlhazred

Aber es ist richtig, dass ein schlichtes Streichen des Letzten Satzes - der mich beim Lesen beinahe wütend machte - eine eklatante Verbesserung darstellen würde.

Wieso "wütend"?

@lea victoria

Naja, ist was für auf die Schnelle gewesen. Der Konflikt steht eher im Hintergrund, ich wollte was kurzes, pointenorientiertes machen.

@proof

Der Satz kommt mir mittlerweile auch merkwürdig vor :)

Ich danke euch allen fürs lesen und kommentieren.

Grüße

Cerberus

 

Wieso "wütend"?
Weil der Satz in seiner entfalteten Unoriginalität die ganze Geschichte abzuwerten vermag. Und weil man derartiges (welch Überraschung, die Ehefrau, das Kind, der Vater ist schon lange tot!) ständig vorgesetzt bekommt.

 

Und, obwohl du meine Kommentare zu deinen Geschichten eh nicht beantwortest :D , möchte ich doch hier mein Unverständnis kundtun.

Selbst, wenn man hier auf kg ja immer einen tieferen Sinn erwartet, so bleibt mir dieser fern. So!
Faszinierend an der ganzen Sache ist die Kürze. Ich könnt sowas nicht ...:schiel:

Gruß! Salem

 

Na gut, ich muss mir wohl eingestehen, dass dieser Text ein Griff ins Klo gewesen ist.
Wie gesagt: Ich muss endlich von diesen Schnellschüssen wegkommen.

 

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