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Verbotene Liebe
„Elli, du bist dran !“
Mein letzter Wurf an diesem Abend. Wahrscheinlich werde ich ihn, wie alle vorangegangenen, auch versemmeln. Bowling scheint nicht so mein Ding zu sein.
Und meine Vermutung bewahrheitet sich. Ich ernte lautes Gelächter.
Bemüht ein Lächeln aufzusetzen drehe ich mich um :
„Wenigstens ist die Kugel dieses Mal nicht nach Hinten geflogen!“
Vereinzelt sind Kommentare zu vernehmen, aber sie interessieren mich nicht weiter.
Ich weiß genau, sie sind nicht böse gemeint.
Es ist ein schöner Mannschaftsabend. Befreit vom Spielfeldärger herrscht eine ausgelassene, angeheiterte Stimmung. Ich genieße es, den Abend mit meinen Mädels zu verbringen.
Es ist etwas Wunderbares ein Teil dieses Teams zu sein, denn ich weiß, meine Lieben würden mich niemals im Abseits stehen lassen.
Ich habe viel erreicht bis zum heutigen Tage.
Mein Ehrgeiz, mein Durchsetzungsvermögen und meine Leidenschaft, haben mich zu Dem gemacht, was ich bin.
Es stand nie zur Debatte, dass jemand außer mir, nach Carolyn, zum Captain ernannt werden könnte und es gab nie Zweifel daran, dass ich diejenige bin, die seit Gründung unseres niedlichen Teams, die meisten Fortschritte gezeigt hatte.
Ich bin ein starker, selbstbewusster Mensch, immer bereit Neues zu lernen, denn schließlich sind es die Erfahrungen, an denen wir wachsen.
Man sagt, dass jeder seine Schwächen hat.
Nicht zu fassen, wie naiv ich war um dieser Tatsache keinen Glauben zu schenken.
In meiner leeren Brust macht sich ein überwältigendes Gefühl von Stolz breit.
Das ist jedes Mal so, wenn ich daran denke, wie sehr es mich erfüllt Fußball zu spielen.
Oft habe ich einen Grund oder eine Erklärung für mein Engagement und meine Vernarrtheit gesucht, allerdings ohne fündig zu werden.
Genauso, wie ich in den vergangenen Wochen versucht habe herauszufinden, was mich betrübt, was mich schwach macht.
Mein Blick wandert zu Uli. Er ist an der Reihe. Gerne würde ich jetzt wissen, was er gerade denkt. Er nimmt die blaue Kugel, wie jedes Mal.
Anlauf , Wurf und ... Strike !
Das war abzusehen. Im Gegensatz zu mir ist er ein hervorragender Bowler.
Mit tröstendem Blick kommt er auf mich zu :
„Nimm’s nicht so schwer !“
Seine Hand hat er auf meine Schulter gelegt und zu mir heruntergebeugt sagt er flüsternd :
„Bald kann ich dir Privatnachhilfe geben.“
Ein Grinsen macht sich auf unseren Gesichtern breit. Ich weiß, dass wir das Gleiche denken.
Ohne es auszusprechen frage ich mich, wann dieses ‚Bald’ sein soll.
Das frage ich mich immer, wenn er solche Andeutungen macht.
Ich fühle die Blicke der Anderen geradezu auf meinem Körper. Trotz dem unangenehmen Gefühl in meiner Magengrube verbessert sich meine Laune nun schlagartig.
Wir machen uns auf den Weg zu den Autos. Uli, Ulrike und Daggi, unsere Betreuerinnen haben die Fahrdienste übernommen. Wie immer sitze ich vorne bei ihm im Auto.
Die anderen wissen das schon und kommen erst gar nicht auf die Idee mir diesen Platz streitig zu machen. Auf dem Weg zu dem Restaurant denke ich über das nach, was ich bereits hinter mir gelassen habe und was mich an diesem Abend noch erwartet.
Er will mich, ausgerechnet mich, noch mit zu Silkes Geburtstag nehmen.
Sie spielt in der Damenmannschaft und eigentlich habe ich nichts mit ihr zu tun.
Ich weiß genau, dass er mich danach mit zu sich nehmen wird.
Ich weiß genau, dass er alles perfekt geplant und durchdacht hat.
Natürlich darf es niemand wissen.
Meine Gedanken schweifen ab...
Auf einmal dringt seine raue Stimme in meinen Kopf:
„Sag mal, was hast du denn vor jetzt zu essen?“
„Keine Ahnung. Wenn wir später noch zu Silke fahren, wird es dort bestimmt auch noch etwas geben.“
„Dachte ich mir auch. Teilen wir uns `ne Pizza?“
„Geht klar.“
Ich freue mich wie ein Bär, dem ein Topf Honig vor die Füße fällt, lasse mir das allerdings nicht anmerken.
Wir teilen uns eine Pizza. Eigentlich nichts besonderes.
Aber das bedeutet wir werden beieinander sitzen.
Es bedeutet für mich, dass ich den ganzen restlichen Abend in seiner Nähe bin und seine Wärme fühlen kann. Diese Nähe die mich schwach macht. Diese Wärme die mich schmelzen lässt.
Wir sitzen am hinteren Ende des extra für uns zusammengestellten langen Tisches.
Ulrike passt es nicht das ich und nicht sie bei ihm sitzt.
Den ganzen Abend über merke ich, wie sie eifersüchtig zu uns herüberblickt.
Neben ihr sitzt Daggi. Die Mutter meiner besten Freundin.
Egal was Ulrike sagt, Daggi stimmt zu.
Ich hass Ulrike dafür, dass sie Uli liebt. Dass sie es darf und ich es nicht.
„Eigentlich müsste ich noch Tsatsiki bestellen, damit keine Tussi ankommt und mich knutschen will“
Ich bin irritiert :
„Wieso das denn ?“
„Damit du mich ganz allein für dich hast.“
Er setzt dieses ‚Ich-Bin-So-Ein-Toller-Kerl’- Gesicht auf und es gelingt ihm immer wieder mich in Verlegenheit zu bringen.
Ich schaue weg. Meine Wangen müssen unheimlich gerötet sein.
Versuchend, meine Gefühle in eine Kiste zu sperren und zu verdrängen schaue ich tief in mein Glas.
Nach dem Essen und unzählige Bilder, die man von uns gemacht hat, später, setzt er sich kurz bevor wir aufbrechen zu Ulrike und Daggi. Rein aus Solidarität.
Ich will nicht das er geht. Nicht zu den zwei Tanten.
Es wird laut. Anscheinend streiten sie. Mich überläuft ein Angstgefühl. Neugier macht sich in mir breit.
Zu gerne würde ich wissen über was sie reden.
Die Spielerinnen um sie herum tauschen erstaunte Blicke aus.
Ich kann es nicht mehr ertragen und beschließe, an ihnen vorbei, zur Toilette zu gehen.
„ ...ist minderjährig !“
Stille.
Mein Spiegelbild ist verschwommen. Meine wilden Locken wirken auf einmal sehr traurig.
Umsonst habe ich mich heute hübsch gemacht. Umsonst habe ich mir die Beine heute extra gründlich rasiert.
Ich werde nicht bei ihm übernachten. Ich könnte es niemals rechtfertigen.
Auf meinen Lippen macht sich ein salziger Geschmack breit. Ich muss gar nicht auf Toilette.
Mir wird zum aller ersten mal klar was hier passiert.
Was schon so viele Wochen passiert.
Ich presse meinen Rücken an die Wand und sinke zu Boden.
Es ist der Moment, von dem ich wusste, dass er kommen musste.
Der Moment den ich doch so erfolgreich verdrängt hatte.
Heute Abend sind meine Träume unter der Realität verpufft.
Sie sind gestorben.
Ich gebe ihm mein Herz und ich weiß, dass er es nicht annehmen kann.
Ich kann und will ihn nicht unglücklich sehen. Ich will nicht unglücklich sein.
Wie betrunken sitze ich auf dem Boden, unfähig mich zu bewegen.
Ich weiß nicht wie es weitergehen soll.
Er ist der Reiz, das Risiko, Vergangenheit und Zukunft.
„Wann ist ‚Bald’?“
„Bald.“
Er sitzt neben mir auf dem Boden.
„Willst du auf mich warten ?“
„Ich weiß nicht ob ich es kann.“
Ich kuschle mich an ihn und vergesse mich und meine Umwelt. So wie ich es bereits die ganzen Wochen getan habe.
Vergesse die Betrübtheit, vergesse was passiert ist.
Ich lebe für den Moment, für ihn.
Nächste Woche wird er 39.