Vergessen
Steiler Abhang. Als ich hier gestern zum ersten Mal durchlief, kam er mir flacher vor. Wenn ich nur wüsste wo mein Zelt steht. Ein blaues Zelt, Marke Ajungilak. Bietet Platz für 2 Personen, gerade richtig für mich und Feli.
Ihr richtiger Name ist Felicitas. Jung, klein und schlank, schwarze Haare, und seit 3 Monaten meine Freundin. Sie wird wahrscheinlich schlafen im Zelt, das wir gestern Nachmittag auf diesen Hügel getragen und dort gemeinsam aufgebaut haben. Heiss war es, richtiges Sommerwetter.
Ich friere. Das Wetter hat über Nacht umgeschlagen. Dichte Nebelschwaden verhüllen mich, man sieht keine 10 Meter weit.
Der Aufstieg wird immer mühsamer. Matsch erschwert den Gang, ich rutsche mit jedem Schritt ein wenig zurück. „Happy Hour“ höre ich von weitem. Ein Bier-Stand? Ich folge den Worten, die durch den Nebel bis zu mir durchgedrungen sind. Eine Pause tut mir gut.
Der Bierverkäufer ist nicht wirklich freundlich. Verärgert gibt er mir zwei Bier und verlangt 5 Franken. Wahrscheinlich hat er die ganze Nacht durchgearbeitet und ist müde.
Ich zünde mir eine Zigarette an und laufe weiter. 3, 4 Schritte, dann rutsche ich aus, verschütte eines der noch vollen Biere. Alle Leute um mich herum scheinen mich auszulachen. Aber irgendwie nehme ich sie nicht wirklich wahr. Ich will sie nicht wahrnehmen. Ist mir doch egal was die sagen.
Mein Zelt hab ich immer noch nicht gefunden. Feli auch nicht. Feli ist ein wunderbares Mädchen. Feli ist zwei Jahre jünger als ich. Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen, Sandkastenliebe. So richtig ein Paar sind wir aber erst seit drei Monaten. War auch ein Open Air, ihr erstes überhaupt. Ich torkelte auf dem Gelände herum, sie auch. Irgendwo stolperten wir übereinander, tranken ein Bier zusammen. Später fanden wir uns in irgendeinem Zelt wieder, bis uns dessen Besitzer verjagte. Seitdem sind wir zusammen.
Ich bin auf dem Hügel angekommen. Weit und breit kein blaues Zelt zu sehen. Ein junger Mann, lange Haare und barfuss, gibt mir Papierchen. Er bietet mir ein Bier an, da sage ich nie nein.
Irgendwann finde ich mich wieder. Meine Hosen sind nass und dreckig, der Nebel hat sich in der Zwischenzeit etwas gelichtet, da und dort schimmert etwas Sonne durch. Mein Kopf dröhnt, muss ihn wohl irgendwo angeschlagen haben. Ich schaue etwas herum. Keine Ahnung wo ich bin. Ich erkenne 2 Bäume, rund herum stehen Zelte. Und überall Dreck. In der Ferne höre ich irgendwo Musik, kann die Band aber nicht identifizieren. Feli. Unser Zelt? Ich erkenne von weitem ein markantes, blaues Zelt. Markant desshalb, weil es so leuchtende gelbe Streifchen auf der Seite hat. Im Vorzelt wartet ein Bier auf mich. Von Feli keine Spur. Ich lege mich hin und rauche eine Zigarette.
Irgendwann werde ich geweckt, Guga steht am Eingang, redet wirres Zeug. Ich soll mitkommen. Guga ist mein bester Freund, seit Jahren schon.
Am Ausgang des Open Airs verstehe ich zum ersten Mal, wieso ich mitkommen sollte. Irgendetwas ist mit Feli los, gefunden irgendwo zwischen den Zelten. Vergessen. Ich hätte sie nicht alleine lassen dürfen, als ich gestern zum WC lief und nicht mehr zurückkam.
gruss