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Vergilbte Schönheit

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01.01.2005
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Vergilbte Schönheit

Prolog

Ich stehe allein im Wald. Das Laub, das den Boden bedeckt, ist kalt und feucht und die verfärbten Blätter kitzeln meine nackten Füße. Der Herbstwind streift durch das Geäst und schüttelt die Krone. Wie alte Könige, aus uralter Zeit ragen die Eichen, Fichten, Kiefern und Buchen in den wolkenbedeckten Himmel. Vögel fliehen vor dem nahenden Winter gen Süden in die wärmeren Gebiete, doch ich bleibe hier. Ich kann nicht vor meinen Problemen davonfliegen wie Schwäne, kann sie auch nicht von mir abschütteln wie die Bäume das Laub.

Wie schön wäre es doch, wenn ich noch in Ingmari wäre, dem Land, wo das Leben erst beginnt. Dort war ich frei und rein wie ein Schwan, der einige Zentimeter über dem See gleitet und seine Füße darin badet, wo jeden Monat die Bäume in voller Blüte stehen, die Geschöpfe frei von Gewalt sind. Ingmari, das Land in dem ich einst lebte. In einem Haus auf einem Hügel mit wunderbarem Ausblick auf das Meer und hinter der Hütte befand sich ein endlos tiefer Wald. Gerüche von Zedern und Kiefern wurden dort mit dem Wind bis zu mir getragen und von mir aus weiter auf die endlosen Fernen des Meeres. Möwen schrieen schon früh am Morgen und glitten sanft in der Luft, schwangen nur selten mit ihren schneeweißen Flügeln. Waldtiere lauschten auf Geräusche, die sie erschreckten und wenn ich auf dem Vorsprung der Klippe stand, die nur einige Meter von meinem Haus entfernt war und der Wind die Wellen gegen die Felsen branden ließ und ich sah wie der weiße Gischt die Steine benetzte, dann dachte ich immer wie schön es auch wäre ein Fisch zu sein. Im tiefen, türkisblauen Meer zu schwimmen, die bunten Korallenriffe zu bestaunen und sich von der Strömung treiben zu lassen. Ja, das war Ingmari, mit seiner Schönheit und seinem Zauber, die Geschöpfe dort zu halten und nie hätte ich gedacht, dass ich dieses Paradies je verlassen müsste, dass die Menschen so grausam sein könnten dies zu zerstören. Uns Íveen aus dem Land zu vertreiben und auf der Erde Schutz zu suchen.
Eigentlich war ich nie böser Natur gewesen, doch als ich mit ansehen musste, wie dieses unreine Volk, welches sich Mensch nennt, die Schönheit des Landes raubte, blieb mir und meinem Volk nichts anderes übrig als diese Rasse zu vertreiben und dem Ganzen ein Ende zu setzen. Aber wir wollten keinen Krieg. Wir waren ein Volk, das sich nur in einer friedlichen Welt aufhält.

Und so kam es, wie es kommen musste. Riesige Streitwagen durchwälzten das Land, gruben tiefe Furchen in die Erde, zermalmten die Blumen, die unsere Großväter so schön säten und verscheuchten die Tiere, die das Gleichgewicht des Waldes aufrecht erhielten. Fuhren manche tot oder jagten sie ihres Fells wegen. Gerbten ihre Haut und zogen es über ihre Füße. Nannten so etwas Schuh, und vergaßen das Gefühl, wie es ist, wenn man barfuss über den Waldboden lief. Sie vergaßen das angenehme Kitzeln der Blätter, das Wasser, das am Strand die Füße umspülte und den feinen Sand, der auf die Haut rieselte.
Die Menschen bedeckten ihre Köpfe mit Helmen und verloren dadurch die Sicht aufs Wesentliche. Sie werden nie mehr den Sonnenuntergang sehen, wie wir ihn sehen, wenn die Sonne am Horizont in dem blauen Wasser versinkt und den Himmel blutrot färbt.
Blutrot färbten die Menschen jedoch den Boden, bei dem Krieg, den sie letztendlich mit uns anfingen. Sie waren uns weit überlegen, denn wir hatten nur unsere Pfeile und Bögen, doch sie hatten Pulver, das nachtschwarz war und bei der Berührung mit Feuer in die Luft ging.

Vor mir standen zwei Männer, mit bärtigen, vernarbten Gesichter, in denen der Sieg schon geschrieben stand. Diese Motivation hatte ich bisher noch bei keinen anderen feststellen können. Mit festem Griff umklammerte ich den Schaft des Bogens. Er wurde aus jungem Eschenholz gefertigt und die Pfeile, die in meinem Köcher steckten, warteten schon darauf sich durch die Wucht meines Bogens in das Ziel rammen zu dürfen. Ich wollte ihnen diese Freude nicht nehmen und zog den ersten geschickt aus dem Lederköcher, legte ihn auf die Pfeilauflage und wartete einige Sekunden die Reaktion meiner Widersacher ab. Doch sie regten sich nicht, waren auch nicht sonderlich von meinem Bogen angetan, denn sie hatten riesige Schilder, die sie vor meinen Pfeilen schützen konnten und trugen schwere Kettenhemden. Ich konnte nur eine Lücke in der Rüstung ausmachen: Der Hals.
Der wunde Punkt jeden Feindes und jeden Ívees. Ich hielt die Sehne fest mit meinen Finger umklammert, zog etwas daran und richtete die Spitze auf mein Ziel. Es war der Mann zu meiner Rechten, der das Schild schützend vor seine lebenswichtigen Organe hielt. Ich spannte etwas und ankerte meine Hand unter meinem Kiefer, hielt diese Position der völligen Körperspannung einige Sekunden und ließ dann meine Hand, die die Sehne hielt, nach hinten fallen. Der Pfeil raste auf meinen Kontrahenten zu, der den Hals unbeachtet ließ und durchbohrte ihn ohne große Mühe. Bevor der Mensch umkippte, drang ein sonderbares Röcheln aus seiner Kehle. Das waren die letzten Laute, die er ausstieß, dann starb er. Mitleid fühlte ich keines und obwohl wir viele Tausend Menschen umbrachten, verloren wir den Krieg.

Die Menschen überrannten unsere Dörfer, töteten unsere Frauen und Kinder und verbrannten die Leichen in den Häusern. Tagelang hing eine dicke Rauchwolke über dem einst so friedlichen Land. Warum sie so urplötzlich einen Krieg anfingen wusste niemand, doch wir glaubten, dass Ingmari unschätzbare Rohstoffe und Schätze hatte. Schätze die so kostbar waren, dass sogar der edelste Mensch gierig wurde und alles dafür gab, an solche Reichtümer zu gelangen. Nur waren wir, die Íveen, noch da. Eine Hürde, die überwindbar war und so blieb uns nichts anderes übrig, als das schöne Land zu verlassen.

Ich wollte schon auf das Schiff steigen, das uns an einen anderen Strand tragen sollte. Mit dem Gedanken, dass meine Frau tot sei, kehrte ich schließlich Ingmari den Rücken, als ich einen Schrei hörte. Nicht weit von mir entfernt und als ich mich umdrehte, erblickte ich meine Gattin. Ihre Kleidung war zerrissen und ihre Haut zeigte Wunden von tagelanger Flucht durch den Wald. Sie wollte mit uns fahren und ich reichte ihr die Hand, dass sie leichter das Boot in die Freiheit erreichen konnte, doch ein Mensch kam aus dem Gebüsch gesprungen. Er wollte auch die letzten von uns töten und als erstes packte er meine Frau, zog sie zu sich und stieß ihr einen Dolch zwischen die Rippen. Wie gelähmt stand ich an der Reling und schaute diesem Szenario ohne Eingreifen zu. Erst als ich einen Pfeil surren hörte, gewann ich wieder etwas die Fassung.

Hätte ich meine Frau gerettet, könnte ich jetzt problemlos leben. Würde nie mit dem Gedanken leben müssen, meine Sorgen von mir zu schütteln wie ein Baum das Laub, müsste auch nicht fliehen wie ein Schwan vor dem Winter. Könnte unbschwert mit meiner Frau hier leben, noch mal von vorne anfangen und die Vergangenheit ruhen lassen, doch der Tag wird kommen, an denen wir unser Ingmari zurückfordern. Es wird mehr Blut fließen, doch nicht das unseres, sondern das der Menschen, die so unverschämt waren, dem Land die Schönheit zu rauben – eine vergilbte Schönheit. Die Sonne wird nie mehr so scheinen wie bei uns.
Und bis der Tag kommt, muss ich mich mit meinen Gedanken begnügen, in Träumen zu schwelgen in denen ich wieder an der Küste stehe und die Möwen schreien höre und der Duft von Zeder und Kiefer vom Wind bis zu mir getragen wird und von mir aus weiter über die endlosen Weiten des Meeres.

Ich stehe allein im Wald. Das Laub, das den Boden bedeckt, ist kalt und feucht und die verfärbten Blätter kitzeln meine nackten Füße. Ich schaue auf und sehe, wie eine Frau mit dem Rücken zu mir steht. Langes, wallendes Haar, das bis zu ihrer Schulter reicht und Hände so zart wie der Duft von Zedern. Die Frau dreht sich um und ich sehe ihr Gesicht. Erst erkenne ich sie nicht wieder, doch es ist meine Ehefrau. Ich trete näher und will sie berühren, aber als meine Hand ihre berühren, greife ich durch sie hindurch – es ist nur ein Trugbild meiner Sinne. Eine Fata Morgana, wie sie in den Wüsten auftritt. Die vergilbten Blätter peitschen mir, durch den Wind getragen, ins Gesicht. Die Laubbäume werden kahl und spiegeln meine Seele – einsam und verlassen. Die Blätter verlassen die Bäume und meine Frau verlässt mich. Warum konnte ich sie nicht halten wie eine Tanne ihre Nadeln? Dann wäre ich jetzt nicht so einsam, könnte mit ihr das nasse Laub unter den Füßen kitzeln spüren und wir könnten gemeinsam den Vögeln zusehen, wie sie im Frühling wieder herkommen, wie die Bäume blühen und ich wäre froh, dass wenigsten eine Person mich nicht verlassen hat. Sie wäre keine vergilbte Schönheit, sie wäre hier bei mir.



Lichtlose Seelen

Ich spüre den ersten Regentropfen auf meiner Wange. Erst denke ich, es ist eine Träne, hervorgerufen durch das Trugbild meiner Sinne, doch als der zweite Tropfen auf meinem Haar landet, verbanne ich die traurigen Gedanken an meine Geliebte. Das Blätterdach kann das Wasser nicht zurückhalten, das von den schweren, schwarzen Wolken fällt und das Erdreich bewässert.

Ich laufe durch den Wald. Die Luft ist kalt und der Regen, der meine Kleidung und mein Haar durchnässt, ist angenehm mild, fast so, als würde er meine Haut streicheln wollen. Das Laub raschelt bei jedem Schritt, Äste brechen, doch das Geräusch der Tropfen, die auf die letzten, vergilbten Blätter platschen, übertönt alles. Das Rauschen klingt wie einer der endlosen Wasserfälle in Ingmari. Wie oft war ich an diesem Ort, um der Schönheit wegen, um nachzudenken. Das Wasser war rein, frei von Schmutz, jetzt wird niemand mehr darin baden können, denn die Menschen verschmutzten es, die Tiere werden nicht mehr daraus trinken können, werden letztendlich, wenn sie nicht von den Menschen getötet worden sind, fliehen. Fliehen in eine fremde Welt, fliehen vor den Menschen, deren leere Hüllen auf Ingmari umherwandeln wie Untode. Es sind emotionslose Hüllen ihrer Selbst und werden nie wieder das Gefühl der Liebe spüren, werden nie wieder Geborgenheit fühlen, werden fallen in ein schwarzes Loch aus Nichts.

Der Wald ist riesig, Gerüche, Geräusche und Farben, alles zusammengepackt in ein Paradies, welches nicht annähernd an die Schönheit Ingmaris heranreicht. Ich sehe mich um. Ein Reh steht einige Meter von mir entfernt. Es sieht mich, rennt aber nicht weg, ist nicht scheu wie die anderen Tiere im Wald. Ich bleibe stehen und schaue es an. Ein schöneres Wesen habe ich noch nie gesehen, in einem sanften Nussbraun, weiße Streifen durchziehen das feine Fell. Die Augen sind wachsam und die Ohren lauschen auf erschreckende Geräusche. Langsam nähere ich mich dem Wesen. Es rührt sich noch immer nicht. Es bleibt stehen, unberührt vom herabprasselnden Regen, unberührt durch die Geräusche, die das nasse Laub und die morschen Stöcke bei jedem Schritt verursachen. Das wunderschöne Tier beugt seinen Kopf und seine Schnauze berührt das Laub. Unterwürfig ruht es, darauf wartend, dass ich meinen Bogen nehme und ihm einen Pfeil in seinen schönen Leib ramme, doch solche Absichten habe ich nicht. Nicht bei Tieren, deren Natur friedlicher ist, als der Wald, in dem sie sich aufhalten.
Nur noch einige Meter bin ich von dem Reh entfernt, ich spüre die knisternde Luft, die sich wie ein Gewitter zwischen uns befindet. Es richtet seinen Kopf auf, ich sehe seine klaren Augen, nachtschwarz und doch bezaubernd. Ich spüre schon fast den warmen Atem auf meiner Haut, fühle das Fell seiner Schnauze. Es ist weich und zart, das Wasser scheint an dem Haar abzuperlen. Das Wesen ruht, ich kann schon fast sein mächtiges Herz schlagen spüren.
Wie in einem Bann stehe ich gefesselt da und will, dass es nie endet, dass ich diese Prächtigkeit nie aus den Augen verliere, doch das Reh scheint etwas zu hören. Jetzt vernehme ich es auch. Laut und deutlich, wie das Entzünden des nachtschwarzen Pulvers, das die Menschen in Ingmari gegen uns verwendeten. Ich drehe mich um, damit ich den Ursprung des Knalls herausfinden kann, doch ich sehe niemanden, nur die Bäume und nur den Regen. Etwas erleichtert wende mich wieder dem Geschöpf zu, doch das Reh ist erschrocken davongerannt.
Enttäuscht laufe ich weiter, bis ich auf einen Weg komme. Spitze, kleine Steinchen bedecken die Erde. Als ich den Pfad betrete, spüre ich, wie sich die kleinen Steinchen unangenehm in meine Fußsohle bohren. Schmerz regiert meinen Körper. Schnell verlasse ich den Pfad und laufe wieder über das Laub am Rande des Weges.
Nach einigen Schritten gelange ich an einen Ort, der mich sehr verwundert. Bearbeitete Baumstämme liegen auf Eisenstücken. Immer wenn der Wind auffrischt, wippt der Stamm auf die gegenüberliegende Seite. Ein Seil verbindet zwei Holzstämme, die etwa zwanzig Fuß voneinander entfernt stehen. Ein Gewicht hängt in der Mitte herunter. Ein wahrlich komischer Ort und ich frage mich, wozu dieser dient. Mein Pfad mündet in einen gepflasterten Weg, auf dem ich ungehindert laufen kann. Ich blicke den Hang hinab. Der Fußweg läuft aus dem Wald und ich sehe viel Gras und hinter ein paar Tannen am Rande hinter der Wiese befinden sich Häuser. Es sind keine Holzhäuser, wie ich sie aus Ingmari kenne. Diese Gebäude bestehen aus festem Stein und das Dach nicht aus Stroh, sondern aus Ziegeln, wie sie die reichen Burgherren verwenden. Langsam laufe ich den Hang hinab. Links von mir stehen Apfelbäume, dessen Früchte in herrlichen, saftigen Farben auf den Boden fallen oder hoch oben in der fast kahlen Krone hängen. Begierig blicke ich das Obst an, trete auf das nasse, hohe Feld und überquere es zügig, bis ich vor dem braunen Stamm des Baumes stehe. In Ingmari wuchsen diese Bäume nur selten und ihre Früchte waren wertvoll, aber hier scheint es der perfekte Ort für diese Pflanzen zu sein. Ich schaue den runden, prächtigen Apfel an, der weit oben an einem Ast hängt und sich im Wind wiegt.

‚Wo bin ich hier?’, frage ich mich. ‚Was ist passiert seit wir von Ingmari fortgegangen sind?’
Ich versuche mich zu erinnern, habe aber nur das Bild vor Augen, wie meine Frau von dem Menschen erstochen wird. Ohne sie wird es in Ingmari immer dunkel sein. Sie hat den Morgen zum Morgen gemacht und ihr Gesang ließ die Blumen blühen. Ihr Lächeln ließ die Sonne aufgehen und ihre Anwesenheit sorgte für Glück und Geborgenheit. Ist das jetzt alles vorbei? Werde ich nie mehr wieder das warme Gefühl im Herzen spüren? Wird meine Seele ewig weinen? Die Antwort werde ich nie herausfinden, wenn ich hier stehen bleibe und der Frucht zusehe. Mein Körper zittert, der Regen ist so kalt, nicht mehr warm oder sind es die schweren Erinnerungen an meine Frau?
Ich laufe den Abhang hinunter. Das Regenwasser rinnt mir übers Gesicht, strömt über meine Haare. Ich blicke auf und sehe viele Laubbäume, die kahl gegen den Wind kämpfen. Nach vielen Schritten gelange ich an eine Kreuzung. Wohin soll ich gehen? Nach links? Nach rechts? Viele Entscheidungen im Leben fallen einem so schwer. Ich entscheide mich für den linken Weg, laufe an einer Dornenhecke vorbei, an einer alten Holzhütte, die schon seit Jahren verlassen zu sein scheint. Die Scheiben sind schmutzig, trotzdem sollte es als Schutz dienen. Langsam gehe ich zur Tür, will sie öffnen, doch sie bewegt sich nicht. Mit gesengtem Kopf laufe ich weiter und breche an einem Baum zusammen. Mir ist so kalt, meine Glieder steif, mein Herz und meine Seele leer.

Ich erwache dort, wo ich eingeschlafen bin. Im Schatten einer hohen Tanne liege ich im Matsch des gestrigen Regens. Ich schaue mich um und stelle fest, dass der Regen nachgelassen hat und die Sonne fröhlich vom blauen Himmel lacht. Ich stehe auf und durch das herrliche Wetter beflügelt springe ich einmal in die Luft und juble laut. Ich kann es mir nicht erklären, doch ich fühle mich gut. Diese Welt ist so frei von Gewalt, so frei von Sorgen. Das ist nicht die Insel Erde, wo wir hätten stranden sollen – es ist eine neue Welt. Ich atme tief durch. Die frische, kalte Morgenluft ist wie Balsam. Wieder sehe ich die Häuser im Tal. Die Siedlung erstreckt sich bis an den Horizont und einzelne Bäume schmücken manche Wege, doch was ist das? Schnell gehe ich den Weg weiter, um mir das Gebilde näher anzusehen und gelange auf einen sehr breiten Pflasterweg. Vor mir steht ein Eisenwagen mit schwarzen Rädern. Ich beuge mich weiter über ihn. Ich sehe mich in der Farbe, die er trägt und weiche erschrocken zurück. Ich kenne solche Sachen nicht. Wo bin ich hier? Plötzlich fährt ein solches Gebilde an mir vorbei. Es verursacht stinkenden Qualm, der in meiner Nase und meiner Lunge brennt, sehe den Weg auf dem ich stehe, blicke hoch. Menschen laufen mir entgegen, aber nicht die Art aus Ingmari. Sie tragen keine Helme, die ihnen die Sicht aufs Wesentliche nehmen, tragen aber Schuhe, jedoch nicht aus Leder. Ein Stoff, der mir völlig fremd ist. Ich weiche zurück, als einer der Menschen nahe an mir vorbei geht. Er schaut mich an. Seine Blicke durchdringen meine Kleidung – ich fühle mich nackt und verloren. Ich warte darauf, dass er sein Schwert zieht, doch er läuft an mir vorbei. Eine Aura umgibt diesen Menschen, er ist nicht gut, aber auch nicht böse. Für mich sind sie lichtlose Seelen, die nicht wissen, was sie hier machen, nicht wissen, für was sie bestimmt sind. Zwei Kinder kommen auf mich zu. Ihre Sprache ist mir fremd.
Aus einem der Häuser dringt Musik. Sie hört sich traurig an, fast so, als würde der Sänger über den Tod seiner Geliebten singen. Ich will mitsingen, meinem Herzen freien Lauf lassen, doch die Menschen hier schüchtern mich ein. Ihre Blicke, ihre Aura, alles scheint lichtlos zu sein.
Ich gehe weiter. Der Boden ist nass und kalt. Ich laufe an einem Haus vorbei, in dem viereckige Kästen stehen, in denen Farben umherspringen. Menschen, viele Menschen in einer Arena oder ähnlichem. Ich höre wie sie jubeln und Beifall klatschen und sehe eine junge Frau. Ihre Haare sind braun und ihr Gesicht, nicht das, was es zu sein scheint. In ihrer Hand hält sie einen schwarzen, kleinen Stab, in den sie hineinsingt. Die Stimme ist klar und weich, wie der Duft von Kiefer und Zeder. Sie erinnert mich an etwas längst vergessenes.
Meine Hände berühren das Glas, meine Nasenspitze ist einige Zentimeter davon entfernt.
„Ikairi“, hauche ich, mein Atem beschlägt die Scheibe.

 

Hallo Stoni!

Habe zwar erst die ersten beiden Kapitel gelesen, wollte aber jetzt schon mal sagen, was mir aufgefallen ist: Atmosphärisch ist das alles sehr dicht und liest sich auch sehr schön, mit den Baumkronen, dem schönen Meer etc.
Was mir ein wenig kurz kommt sind die Gefühle Deines Protags. irgendwie beschreibt er alles, scheint aber gar nicht so recht mit dem Herzen dabei zu sein. Seine Frau ist weg und wahrscheinlich tot - aber na und? Er scheint da nicht traurig zu sein. Und dann taucht sie doch noch auf - Freude? und dann muss er mitansehen, wie sie umgebracht wird. Wut, Trauer?
Ich finde das sehr objektiv von ihm beschrieben. - Ist das Absicht?

Liebe Grüße,
Jenni

 

Zum Teil ja, weil der Schock noch zu tief sitzt, um sich damit tiefer zu beschäftigen, es ging alles sehr flott. Der Krieg, der Tod seiner Frau und sofort der Aufbruch .

 

Hallo Stoni!

Aus irgendeinem Grund hat meine erste Antwort nicht geklappt. Also versuche ich es jetzt noch mal. :)
Bisher habe ich erst die ersten beiden Kapitel geschafft, der Rest folgt im Laufe des Wochenendes.
Die Grundstimmung hast Du sehr schön und anschaulich hinbekommen. Das einzige, was mir negativ aufgefallen ist, ist die Art wie Dein Protagonist den Mord an seiner Frau beschreibt. Im Gegensatz zur restlichen Stimmung finde ich, dass Du da sehr oberflächlich objektiv geblieben bist. (Oder ist das Absicht und ich hätte nur weiterlesen müssen ums zu merken?)
Ansonsten kannst Du auf jeden Fall schon mal stolz darauf sein, soviel geschrieben zu haben - durchhalten schaffen nur wenige bei so langen Geschichten. :thumbsup:

Liebe Grüße,
Jenni

 

Danke! Was das Oberflächliche angeht, das kommt noch etwas genauer. (Halt die Gefühle, die er spürt) Ich finde, dass man die Frau nicht unbedingt über drei Seiten hinaus umbringen muss *g

 

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