Was ist neu

Vertrau mir

Seniors
Beitritt
06.08.2005
Beiträge
1.663
Zuletzt bearbeitet:

Vertrau mir

Ihre Blicke folgen jeder meiner Bewegungen. Sie sagt kein Wort, will keinen Streit riskieren. Ich hole mir aus dem Kühlschrank noch eine Flasche, lass mich dann wieder auf das Sofa fallen. Räuspern.
„Stefan, du weißt, dass wir morgen zur Hochzeit fahren wollen?“
„Natürlich!“ Ich schnipse den Kronkorken mit dem Feuerzeug ab. „Keine Sorge!“ Warum kann sie mir nicht vertrauen? Immer wieder behandelt sie mich wie ein Kind, dabei ertrage ich Bevormundung nicht. Ich spüle meinen Ärger mit dem Pils hinunter, genieße die Kühle in meiner Kehle.
Sie wirft mir noch einen Blick zu und schaut dann wieder auf ihr Stickzeug.

Besser so. Ich will doch wirklich mit! Ich weiß, dass es ihr wichtig ist, und ich liebe sie. Sie schaut kurz auf, und ich werfe ihr einen Luftkuss zu. Der sagt: „Verlass dich auf mich.“ Wie hübsch sie ist, mit ihren braunen Locken, den großen Augen und den sinnlichen Lippen. Und was sie mit denen anstellen kann! Sofort kriege ich einen Steifen.
„Sollen wir nach nebenan gehen?“ Sie zögert, ihr Blick erstarrt, erschafft eine Sichtbarriere für Gefühle. Sie scheint abzuwägen, lächelt, steht auf. „Ja, dann komm.“
„Ich trink mal eben die Flasche zu Ende.“ Sie sinkt zusammen, und Ärger grummelt tief in mir.
„Ach, komm jetzt“, flötet sie. Ich glaube, sie spielt nur wieder.
„Du machst mir was vor.“ Ein Grollen liegt in meiner Stimme.
„Nein“, stammelt sie, „ich dachte nur ...“ Sie sucht etwas, ein Wort, einen Halt.

„Beweis es mir“, will ich sie testen. „Zieh dich aus.“
„Hier?“
Ich nicke. Behutsam streift sie sich das Shirt über den Kopf, befreit sich aus der engen Jeans. Wie schüchtern sie ist! Nicht, als würden wir schon drei Jahre zusammen schlafen. Während sie sich von der Unterwäsche befreit, lasse ich auch meine Sachen fallen. Ich drücke sie aufs Sofa, hocke mich vor sie und zwänge meine Zunge zwischen ihre Beine. Ich weiß, so kommt sie in zwei Minuten.
„Nicht, bitte.“ Sie versucht mich abzuwehren.
„Was ist los?“, frage ich harmlos. „Du wolltest doch sofort.“
Sie gibt nach und stöhnt, lässt es über sich ergehen. Als ich in sie eindringe, schließt sie die Augen, wendet den Kopf vor meinen Küssen. Ich fühle mich einsam, will nicht nachdenken, mach einfach weiter. Als ich fertig bin, schlägt sie vor, schlafen zu gehen.
„Mach das.“ Ich greife zur Fernbedienung. „Ich checke noch, was in der Kiste ist.“
„Stefan, bitte ...“ Kläglich. „Komm doch mit!“
Ich küsse sie ganz leicht auf die Augen und sehe sie dann fest an. „Mach dir keine Sorgen, Liebes. Diesmal wird alles gut.“ Sie öffnet den Mund, zögert ...
„Gut, ich vertraue dir.“ Sie weiß, dass es nur darum geht.
„Schlaf gut, mein Schatz.“ Ich liebe sie wirklich.
„Bis gleich.“

Im Fernsehen läuft nur Schrott, und ich starte meinen Computer. Nach dem schalen Bier von eben gönne ich mir noch eine frische Flasche. Für Tetris scheine ich nicht mehr munter genug zu sein, irgendwie landen die Teile nie da, wo sie sollen. Ich starte Solitaire; zumindest geht es hier nicht nach Zeit. Noch eine Tüte Chips und die letzte Flasche aus dem Kühlschrank. Mist, wenn Dani sich nicht weigern würde, was zu kaufen, wäre das Leben einfacher. Als ich sie kennen lernte, war sie ein lebenslustiges Ding, das auch gern mal einen über den Durst getrunken hat. Jetzt trinkt sie gar nichts mehr; nimmt Alkohol einfach zu ernst.

Auch die dritte Patience geht nicht auf. Ein Schluck würde mir gut tun, und ich weiß auch schon, wo ich den finden könnte. Ich gehe hinüber zu Danis Fach, wo sie ihr Tagebuch und ihre Briefe aufbewahrt. Natürlich ist es abgeschlossen, aber ich ziehe den Schlüssel aus der Schmuckkassette. Treffer. Eine Flasche Gin. Eigentlich mag ich den ja nicht, aber wo sie kein Bier gekauft hat? Ich schütte mir ein Glas ein und fülle die Flasche mit Wasser nach; bestimmt will sie sie mit zur Hochzeit nehmen. Nach einer weiteren Patience teste ich den Inhalt und schenke mir noch mal ein Glas ein: Kein Problem, man schmeckt es nicht. Es fällt mir etwas schwer, mit dem Wasserkran den schmalen Flaschenhals zu treffen. Plötzlich spüre ich ihre Gegenwart.

Ich drehe mich ruckartig um und fauche: „Ich denke, du schläfst!“
„Und du wolltest ins Bett kommen.“ Ihre Stimme klingt weinerlich. „Stefan, bitte, nicht heute. Du willst doch mit zur Hochzeit. Du hast es mir versprochen!“
Ich will gerade „Keine Sorge!“ stammeln, da fällt ihr Blick auf die Flasche.
„Was machst du da?“ Ihre Stimme ist so schrill, dass sie in den Ohren schmerzt. „Du hasst Gin.“ Dann scheint sie das Ausmaß der Situation zu erfassen, japst wie nach Luft, schluckt. „Und das ist meiner, ganz persönlich.“
„Ich habe ihn nur mal gekostet.“ Was bin ich stolz, dass mir der Spruch eingefallen ist, doch Dani scheint nicht beeindruckt. „Bitte, hör auf.“
Ihre Stimme klingt dünn, aber etwas dringt zu mir durch. Was tu ich ihr bloß an? Sie hat sich so drauf verlassen. Beim letzten Familienfest schon habe ich sie enttäuscht, aber diesmal soll mir das nicht passieren.
„Es tut mir leid, Liebes.“ Ich reiche ihr die Flasche hinüber. „Das hast du nicht verdient. Nimm sie.“ Sie sieht mich an, erst prüfend, dann erleichtert.
„Ich geh schon mal nach oben, versteck sie irgendwo.“ Müde schleiche ich ins Schlafzimmer.

Grausame Nacht! Jede Stunde übergeben, einmal schaff ich es nicht rechtzeitig bis zur Toilette. Am nächsten Morgen fühle ich mich schrecklich. Mein Kopf pocht schmerzhaft, und ich ekle mich selbst vor dem Geschmack in meinem Mund.
„Hör mal, Dani“, setze ich an, „ich kann unmöglich heute mitfahren.“ Sie zuckt mit den Schultern.
„Ich kann ja nachkommen“, biete ich eine Lösung an. „Morgen ist doch die kirchliche Trauung.“
„Sagst du das nicht nur?“ Ihre Stimme klingt gleichgültig.
„Bitte, Schatz, glaub an mich. Ich will kommen, ich lass dich nicht im Stich.“
„Aber du weißt, dass ich heute schon fahren muss? Jessica zählt auf mich.“
„Ich komme mit dem Zug nach, ganz bestimmt.“

Zwei Stunden später steht sie vor meinem Bett und legt mir ein Ticket auf den Nachttisch. „Dein Zug fährt morgen um punkt zwölf, und um 13 Uhr 45 holen wir dich ab. Sieh zu, dass du ihn nicht verpasst.“
Statt einer Antwort knurrt mein Magen.
„Eingekauft habe ich auch noch. Der Kühlschrank ist voll.“
Wenn ich nur an Essen denke, wird mir übel, aber ich lächele tapfer. „Du bist ein Engel. Ich verspreche dir ...“
„Sieh einfach zu, dass du kommst.“ Sie blickt unverwandt auf den Fleck auf der Bettdecke. „Und wenn du den Bezug wechseln könntest ... Frische Bezüge sind im Wäschefach.“
„Mach ich alles, Liebes.“
Sie wirft mir noch eine Kusshand zu und geht aus dem Zimmer. Die Etagentür fällt ins Schloss. Ich muss mich aufrappeln, vielleicht baden, rasieren. Und vielleicht erstmal ein Glas Wasser trinken. In der Altglaskiste neben der Spüle sehe ich die leere Ginflasche. Wie konnte Dani sowas einfach wegkippen? Tief in mir rumort der Ärger.

Das Wasser schmeckt abscheulich, und eigentlich soll man ja mit dem anfangen, mit dem man aufgehört hat. In meiner Börse ist nur noch Kleingeld, aber ich packe meinen ganzen Rucksack voll und tausche die Pfandflaschen an der Bude unten gegen volle ein. Zu Hause zische ich mir zufrieden ein Pils, schließlich ist bis morgen ja noch so viel Zeit. Sofort geht es mir besser, und nach der zweiten Flasche wechsele ich das Bettzeug. Mit dem alten Bezug unter dem Arm gehe ich nach unten in die Waschküche und stopfe ihn in die Maschine. Da fällt mir ein, gleich in unserem Keller nach dem Rechten zu sehen. Konserven, Saftpackungen, ein Wasserkasten, schade. Ich schiele durch die Latten in den Nachbarkeller, entdecke dort die Rotweinflaschen direkt hinter der Abtrennung. Sofort fällt mir wieder Frau Bauer ein, die mir nichts mehr zu trinken gibt, seit ich sie frühmorgens mal rausgeklingelt habe. Diese alte Schnepfe! Ich schaffe es, den Draht zu kappen und eine Flasche, dann noch eine zwischen den Latten durchzuziehen. So, das hat sie nun davon.

Das erste Glas leuchtet schön in der Nachmittagssonne, so rot und sinnlich wie Danis Fingernägel. Ein Stich fährt mir durch die Brust, aber was soll’s? Bis morgen werde ich es schon schaffen. Das zweite schmeckt nicht mehr so gut, und dann scheint mir der Wein nicht zu bekommen. Schon wieder muss ich erbrechen. Mist, und dann dieser Fleck auf der Tischdecke! Dabei soll es doch schön sein für Dani. Allerdings hat sie mich hier ja alleingelassen. Soll sie sehen, was sie davon hat! Ich will meinen Ärger hinunterspülen, aber das Zimmer weicht in die Ferne.

Als ich dem Brechreiz nachgebe, der mich geweckt hat, ist es dunkel in der Wohnung. Ich schalte das Licht ein und erschrecke vor dem roten Fleck auf der Tischdecke, der sich blutig wie ein böses Omen ausgebreitet hat und jetzt an der Kante auf den Boden tropft. Mir fällt ein, dass ich die Waschmaschine mit dem Bettbezug ja gar nicht habe laufen lassen; da kann ich die Decke gleich mitwaschen. Ich schlurfe zur Treppe, aber plötzlich erhebt sich die Welt vor mir: Die Erde bebt und schwankt, Stufen poltern unter mir, mein Fuß verfängt sich im Geländer. Dann Totenstille, bis Frau Bauer ganz bleich vor mir steht.
„Warten Sie, ich hole Hilfe“, sagt sie und verschwindet in der Wohnung, und in einem fernen Nebel kriege ich noch mit, wie mich Fremde greifen und auf einer Liege festschnallen.

Beim Aufwachen scheint die Sonne warm durch fremde Vorhänge. Mein linker Fuß ist bandagiert, und auf dem Hinterkopf klebt ein Stück Mull. Eine bekannte Abfolge von Pieptönen schreckt mich auf, und ich ergreife das Handy neben mir.
„Stefan, wir warten seit einer Viertelstunde.“ In Gedanken sehe ich Dani am Gleis stehen, neben ihrem Cousin. Wieder zu spät, wieder vermasselt. Ich habe immer gewusst, dass sie zu gut für mich ist. Wie konnte ich nur meinen, ihr ebenbürtig zu sein? Wie konnte ich es je versuchen?
„Stefan, wo bist du?“ Ich sehe mich um und schöpfe Hoffnung.
„Ich glaub’, ich bin im Krankenhaus.“
„Was? Was ist passiert?“ Mehr Entsetzen als Fürsorge.
„Ich bin gefallen, auf der Treppe.“
„Gefallen?“ In dem Moment ahne ich, dass ich sie verloren habe.
„Okay, Stefan, du kommst also nicht. Den Rest klären wir zu Hause.“

 

Aloha Elisha,

„Du hasst Gin.“ Dann scheint sie das Ausmaß der Situation zu erfassen, japst wie nach Luft, schluckt. „Und das ist meiner, ganz persönlich.“
„Ich habe ihn nur mal gekostet“ Was bin ich stolz, dass mir der Spruch eingefallen ist, doch Dani scheint nicht beeindruckt.
Hehe.

Vielleicht sollte man noch einen Grund einbauen, warum sich der Typ da so betrinkt, sonst wirkt es, als wäre er extremer Alkoholiker und wenn dem so wäre, würde er einfach saufen, ohne nachzudenken. Und nachdenken tut er ja die ganze Zeit.
Seis drum. Ganz nett geschrieben, aber ich finde nicht, dass es als Geschichte taugt um zu zeigen, wie Alkohol eine Beziehung zerstören kann. Falls das überhaupt deine Intention war...

LG,
Eike

 

Ja, leider kann ich nicht ganz verstehen worauf die Geschichte ausgeht. Ausser vielleicht, dass der Typ ein totaler Volldepp ist, wenn er nichtmal im Stande ist nach so einem riesen Fehler die Finger vom Alk zu lassen. Dem Prot fehlt irgendwie die Motivation, wie Eike schon gesagt hat.
Aber sonst ist die Geschichte schön geschrieben nur etwas Ziellos.

LG

Angeldust

 

Hi Elisha

Der Typ ist alkoholiker, warum ist doch nicht relevant. Es ist ein guter, kurzer Einblick in das Leben mit einem Alke, denke ich. Nur weiß der Leser von vornherein, was passieren wird. Natürlich kommt er nicht zur Hochzeit. Das macht die Geschichte schlecht. Auch fehlen Hintergrundinformationen, wie er es z.B. überhaupt geschafft hat, mit Dani zusammenzukommen, war er schon Alki, oder ist er es mit ihr erst geworden, was macht er beruflich, usw.

liebenGruß

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo ihr,

Zitat von Aris
Der Typ ist alkoholiker, warum ist doch nicht relevant.
Genau.

@Segler

sonst wirkt es, als wäre er extremer Alkoholiker und wenn dem so wäre, würde er einfach saufen, ohne nachzudenken. Und nachdenken tut er ja die ganze Zeit.
Es gibt ja verschiedene Arten von Alkoholikern; dieser Mann ist Quartalssäufer, trinkt also nicht kontinuierlich, sondern zu bestimmten Gelegenheiten (wie ein Stress auslösendes Familienfest), und dann aber tagelang.

Du hast dich ja schon früher gewundert, wie viel und differenziert meine männlichen Prots denken; zum Glück kenne ich Männer, die so sind und das auch teilen. ;)


@Rev

Ja, leider kann ich nicht ganz verstehen worauf die Geschichte ausgeht. Ausser vielleicht, dass der Typ ein totaler Volldepp ist, wenn er nichtmal im Stande ist nach so einem riesen Fehler die Finger vom Alk zu lassen.
Er kann eben nicht. Wenn ich die Geschichte aus Danis Sicht oder der der Verwandten geschrieben hätte, wäre Stefan doch nur ein Arschloch. Mir ging es um sein Erleben, sein Bemühen.


@Aris

Es ist ein guter, kurzer Einblick in das Leben mit einem Alke, denke ich.
Danke.

Nur weiß der Leser von vornherein, was passieren wird. Natürlich kommt er nicht zur Hochzeit. Das macht die Geschichte schlecht.
Du weißt das, vllt überhaupt der Leser, aber Stefan als Erzähler weiß es nicht. Darin liegt die Spannung, finde ich.
Ihre Stimme klingt dünn, aber etwas dringt zu mir durch. Was tu ich ihr bloß an? Sie hat sich so drauf verlassen. Beim letzten Familienfest schon habe ich sie enttäuscht, aber diesmal soll mir das nicht passieren.
„Es tut mir leid, Liebes“. Ich reiche ihr die Flasche hinüber. „Das hast du nicht verdient. Nimm sie.“ Sie sieht mich an, erst prüfend, dann erleichtert.
„Ich geh schon mal nach oben, versteck sie irgendwo.“ Müde schleiche ich ins Schlafzimmer.

Ich muss mich aufrappeln, vielleicht baden, rasieren. Und vielleicht erstmal ein Glas Wasser trinken.
Das sind die tragischen Momente, in denen sich was ändern könnte.

Auch fehlen Hintergrundinformationen, wie er es z.B. überhaupt geschafft hat, mit Dani zusammenzukommen, war er schon Alki, oder ist er es mit ihr erst geworden, was macht er beruflich, usw.
Das finde ich für diese Geschichte irrelevant. Als Quartalssäufer (s.o.) kann er sonst ja ganz unauffällig leben.

@all
Danke für eure Kommentare. :)

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

Dein Text hat mich sehr berührt.
Das ständige Hin und Her des Prot zwischen ich will (und zwar jetzt, in diesem Moment) nur dieses Bierchen, nicht mehr, und ich trink nur noch dieses Schlückchen, Dani zuliebe und dann doch wieder sein: Schliesslich hat sie mich allein gelassen... Ausreden, Ausreden und zum Schluss hat doch wieder der Alkohol das letzte Wort. Schauerlich.

Für mich gibt es da keine Einwände. Alkoholismus, in welcher Form auch immer, ist eine Krankheit. Dafür braucht es schlichtweg keine Hintergrundserklärung. Du beschreibst den Trinker im Moment des Trinkens, nicht mehr und nicht weniger. (Punkt!)

Vielleicht könntest Du - nach einem gewissen Abstand zum Text - noch hier oder da einiges kürzen. Aber Du hast, aus meinem Verständnis heraus, einen guten Text geschrieben und einen ganz armen Kerl beschrieben.

Grüsse von Gisanne

 

Liebe Elisha!

Auch mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen! Traurig, wie sich Stefan so gar nicht im Griff hat (sondern der Alkohol ihn) und alles vermasselt, was er eigentlich ganz anders wollte.

Du schreibst, Stefan sei Quartalsäufer – das geht für mich aus dem Text nicht ganz hervor, da man nur die kurze Zeitspanne sieht, in der er trinkt. Vielleicht könntest Du das ein bisschen mehr herausarbeiten, indem Du etwa seine Nervosität vor der Feier mehr einbringst, und daß er sie mit dem Alkohol verdrängt. Das Spielen am Computer etwa finde ich gut passend, denn damit kann man auch recht gut verdrängen, aber daß er damit verdrängt, kommt mir ein bisschen zu wenig raus.

Insgesamt aber eine wirklich gute Geschichte, die ein Thema aufgreift, über das nicht so oft gesprochen wird. Gern gelesen! :)

Gisanne schrieb:
Alkoholismus, in welcher Form auch immer, ist eine Krankheit. Dafür braucht es schlichtweg keine Hintergrundserklärung.
Die Geschichte braucht nicht unbedingt einen Hintergrund - obwohl ich ihn nicht schlecht finden würde -, aber grundsätzlich kann man eine Sucht nur mit Behandlung der Ursachen wirklich heilen. Unkraut reißt man mit den Wurzeln aus, sonst wächst es immer wieder neu.

Nur ein paar Kleinigkeiten noch:

»Ich hole mir aus dem Kühlschrank noch eine Flasche, lass mich dann wieder auf das Sofa fallen.«
– »noch eine Flasche« würde ich gleich präzisieren, also entweder »noch ein Bier« oder »noch eine Flasche Bier«, dann hat man gleich das richtige Bild, denn es könnte ja auch Wein oder wasauchimmer sein.
– entweder würde ich »hole« auf »hol« ändern, oder »lass« auf »lasse«, würde sie jedenfalls beide gleich behandeln.

»die Kühle in meiner Kehle.«
– schön! :-)

»Ich weiß, dass es ihr wichtig ist, und ich liebe sie. Sie schaut kurz auf, und ich werfe ihr einen Luftkuss zu.«
– die Wiederholung von »und ich« finde ich nicht sehr schön

»„Sollen wir nach nebenan gehen?“ Sie zögert, ihr Blick erstarrt, erschafft eine Sichtbarriere für Gefühle. Sie scheint abzuwägen, lächelt, steht auf. „Ja, dann komm.“«
– Mir ist nicht immer so ganz klar, wer da spricht, jedenfalls würde ich das »Sollen« auf »Wollen« ändern. Und was eine Sichtbarriere für Gefühle ist, ist mir auch nicht ganz klar.

»„Ich trink mal eben die Flasche zu Ende.“«
– klingt irgendwie hölzern, würde »leer« oder »aus« statt »zu Ende« schreiben

»Behutsam streift sie sich das Shirt über den Kopf,«
– »Behutsam« finde ich überflüssig, würde »Sie streift …« schreiben

»Nicht, als wenn wir schon drei Jahre zusammen schlafen.«
– schöner fände ich: »Nicht, als würden wir …«

»Während sie sich von der Unterwäsche befreit, lass* ich auch meine Sachen fallen.«
– das * bei »lass« gehört da wohl nicht hin

»„Mach das“, ich greife zur Fernbedienung, „ich checke noch, was in der Kiste ist.“«
– „Mach das.“ Ich greife zur Fernbedienung. „Ich …

»Mist, wenn Dani sich nicht weigern würde, was zu kaufen, wäre das Leben einfacher.«
– Liest sich irgendwie komisch, würde das vielleicht andersrum schreiben: Mist, wenn ich nicht das ganze Bier selbst heimtragen müsste, wäre das Leben einfacher.

»das auch gern mal über einen über den Durst getrunken hat.«
– das erste »über« ist zuviel

»und schenke mir noch mal ein Glas ein: kein Problem, man schmeckt es nicht.«
– ganzer Satz nach dem Doppelpunkt, daher groß: Kein Problem, …

»Es fällt mir etwas schwer, mit dem Wasserkran den schmalen Flaschenhals zu treffen.«
– Wasserkran? Ich denke, Du meintest den Wasserhahn. ;-)

»japst wie nach Luft, schluckt.«
– ich hab das Gefühl, nach dem »wie« fehlt ein »wild«

»„Ich habe ihn nur mal gekostet“«
– Punkt fehlt

»doch Dani scheint nicht beeindruckt.«
– ich finde, da fehlt ein »zu sein«

»„Es tut mir leid, Liebes“.«
– Liebes.“

»ich ekle mich selbst vor dem Geschmack im Mund.«
– würde »in meinem Mund« schreiben

»„Ich komme mit dem Zug nach, ganz bestimmt“.«
– bestimmt.“

»Mit dem alten Bezug unter dem Arm gehe ich nach unten in die Waschküche und stopfe ihn in die Waschmaschine.«
– damit Du nicht zweimal »Wasch-« schreiben mußt, kannst Du auch nur »in die Maschine« schreiben, da es die Waschküche und ein schmutziger Überzug ist, weiß man ja, welche Maschine gemeint ist.

»Da fällt mir ein, gleich in unserem Keller nach dem rechten zu sehen.«
– nach dem Rechten zu sehen

»So, das hat sie nun davon.«
:thumbsup:

»Schon wieder muss ich brechen.«
– würde »erbrechen« schreiben

»aber plötzlich erhebt sich die Welt vor mir: die Erde bebt und schwankt,«
– ganzer Satz: Die Erde bebt

»und ich ergreife das Handy neben mir.«
– *hüstel* Ist im Krankenhaus nicht Handyverbot? Er müßte irgendwie hinaushumpeln … ;-)


Alles Liebe,
Susi :)

 

Hallo Elisha,

hat mich angesprochen deine Geschichte. Zugegeben ist sie sehr vorausschaubar und der Spannungsbogen beschreibt keine wirklich Kurve nach oben, aber da ist die ganze Zeit über diese melancholisch-bedrohliche Stimmung, die du gekonnt einfängst und der geschichte den nötigen Antrieb verleiht.
Ein Thema, das immer wieder verdient angesprochen zu werden. Man könnte jetzt natürlich noch feilen und ausbauen, aber so wie sie dasteht, ist sie in meinen Augen fertig. Eben nur ein Einblick in den Alltag eines Alkoholikers, kein Psychogramm, kein überschwengliches Finale. Das macht sie für mich realer.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Gisanne, weltenläufer und Häferl,

ich muss mich entschuldigen, besonders bei Häferl. 2007 habe ich eine Vollzeitweiterbildung gemacht und war kaum noch hier auf Kg.de.

Vielen Dank für eure Anmerkungen und besonders dir, Häferl, für deine ganzen Verbesserungsvorschläge. Ich habe sie jetzt, wo passend, eingefügt.

Nur eins: im Deutschen gibt es Wasserkran und Wasserhahn. Ich bin mit dem ersten Ausdruck großgeworden und habe mich gewundert, als ich auf den anderen traf, was ein Hahn damit zu tun haben könnte. ;)

Gruß, Elisha

 

Nur eins: im Deutschen gibt es Wasserkran und Wasserhahn. Ich bin mit dem ersten Ausdruck großgeworden und habe mich gewundert, als ich auf den anderen traf, was ein Hahn damit zu tun haben könnte
Gar nix,

liebe Elisha,

aber die Zusammensetzung gibt's zumindest schon im 19. Jh., wenn's im Deutschen Wörterbuch der Grimms heißt
"wasserhahn, m. 1) ein wasservogel: 'anas' ('wilder enterich'?) Diefenbach nov. gl. 23 (Landau 1466);
[...]

2) vorrichtung zur regelung des wasserablaufs: die (hölzernen) wasserhähne (an den wasserständern) für die halbbauern sind nur ⅓ zoll weit Keferstein landbaukunst2 128; nun schienen sich wasserhähne geöffnet zu haben: es rauschte D. v. Liliencron 4, 171. — "

Liliencron (1844 - 1909)

Wasserkran scheint aber tatsächlich älter zu sein

(vgl. Wörterbuchnetz.de)

Gruß

Friedel

 

Um nochmals kurz auf den Wasserkran/-hahn zurückzukommen: Der Duden verlautet „[w]egen der Ähnlichkeit mit der Gestalt eines Hahnes spricht man auch vom Wasser-, Zapf-, Gewehr-, Wetterhahn“ [Stichwort Hahn in Duden Bd. 7 (2007), S. 310, recht Spalte]. Der „Kran“ leitet sich danach vom Kranich ab [„Kran“, ebd. , S. 449]
Den Geldhahn hat der Duden wohl vergessen ...

Wie heißt es doch im Schlager „der Teufel hat den Schnaps erfunden“ und weil’s eigentliche Problem beim Alkohol die zugehörige Menge Wassers ist, wird nur vom Schnaps und nicht vom Bier gesungen (dabei ist in einer normalen Flasche Pils (= ½ l) bei durchschnittlich 5 Volumen-% Alkohol vier Pinneken (2 cl) Korn (ca. 32 %),

liebe Elisha,

denn

Ihre Blicke folgen jeder meiner Bewegungen. Sie sagt kein Wort, will keinen Streit riskieren. Ich hole mir aus dem Kühlschrank noch eine Flasche, lass mich dann wieder auf das Sofa fallen. Räuspern.
„Stefan, du weißt, dass wir morgen zur Hochzeit fahren wollen?“
„Natürlich!“ Ich schnipse den Kronkorken mit dem Feuerzeug ab. „Keine Sorge!“ Warum kann sie mir nicht vertrauen? Immer wieder behandelt sie mich wie ein Kind, dabei ertrage ich Bevormundung nicht. Ich spüle meinen Ärger mit dem Pils hinunter, genieße die Kühle in meiner Kehle.
Sie wirft mir noch einen Blick zu und schaut dann wieder auf ihr Stickzeug

Kein Freund des Begriffs der Authentität – einem Begriff aus der Kanzlei- und der Sprache der Juristen – aber das ist die „authentischste“ Einleitung kleinbürgerlichen Stilllebens, die ich hier je gelesen habe, mit einem nahezu dokumentarischen Charakter – und alles nur, wegen eines blöden Wasserhahns – Susi (Häferl) sei Dank!

Man sollte also jedem Zeichen Folgen, nicht als schicksalhafter Fügung, sondern – getz’ küdd’et ga’ von’em irreligiösen Mensch’ – weil Vertrauen nix anderes ist als – passend zum o. g. Teufel - „Gott“, der – natürlich! – im Alten Testament mit seiner Schöpfung Enttäuschungen erlebt und es doch immer wieder versucht … So handelt denn die Geschichte vom „Gott“-Vertrauen und dem Zweifel – an sich selber, der ertränkt werden muss.

Sofort kriege ich einen Steifen
keine Angst, nicht ich. Da wirstu nicht nur der Gender-Forschung/Fraktion Ärgernis bereiten (alles gesellschaftlich bestimmt!, also anerzogen – typischerweise wie beim Hahn, dem Erpel und den Bienen, wobei ich die Drohnen lieber habe als das, was die anerzogene Angst vorm Fremden alle Welt zu ganz anderen Drohnen greifen lässt …)

„Ich trink mal eben die Flasche zu Ende.“
potentieller
Anglizismus: "to finish the bottle“,
realistischer „ich trink ma’ eben aus …", oder so ...

… befreit sich aus der engen Jeans
Bei uns mag heute die Hose singulär sein, im angloamerikanischen Raum immer Plural, - siehe Plural-s: the trousers, the jeans (da kommt bei uns noch das alte Dual durch, wenn es um ein Paar Hosen(beine) geht)(Einzahl “jean“ steht ja auch für Baumwolle)
Ein Geheimnis für mich beim Verb das Sonderzeichen „*“:
… , lass* ich auch meine Sachen fallen

Es fällt mir etwas schwer, mit dem Wasserkran den schmalen Flaschenhals zu treffen
Allerdings, das gelänge auch nicht jedem Nüchternen …

Hier nun kommt die (trockene?) Weiblichkeit durch

„Du hasst Gin.“ Dann scheint sie das Ausmaß der Situation zu erfassen, japst wie nach Luft, schluckt.
Wenn der Icherzähler diesen Satz noch aufzeichnen kann …, was aber der Geschichte keinen Abbruch tut, wenn sie eben nicht in sprachliches Gestammel übergeht und eher mit Verfremdung durch wohlgesetzte Worte arbeitet.

…, schließlich ist bis morgen ja noch soviel Zeit.
Soviel nur als Konjunktion zusammen, hier besser auseinander.

Gruß & schönes Wochenende vom

Friedel

 

Hallo Friedel,

beim ersten Kommentar wusste ich nicht, ob ich antworten sollte. Schließlich war es ja gar nichts zur Geschichte, und vollspammen wollte ich auch nicht. Und während ich überlegte, hat sich doch ein zweiter Kommentar eingeschlichen, den ich gern beantworte.

Mit dem soviel - so viel hast du mir schon anderswo erklärt; mal sehen, ob ich das bei der nächsten Geschichte noch weiß. :Pfeif:

Die Jeans benutze ich im Deutschen in der Einzahl, und die Flasche zu Ende trinken sagen auch nicht-anglophile Familienmitglieder. Hab ich also so gelassen.

was aber der Geschichte keinen Abbruch tut, wenn sie eben nicht in sprachliches Gestammel übergeht und eher mit Verfremdung durch wohlgesetzte Worte arbeitet.
Ja, das war eine Entscheidung. Ich habe versucht, bei der Sicht des Erzählers zu bleiben, aber er kriegt natürlich doch viel mit von Körpersprache und so und kann auch noch viel ausdrücken. Kein Gestammel, dem Leser zuliebe.

Gruß & schönes Wochenende
von Elisha ;)

Nachtrag zum Handy (falls Häferl nochmals guckt): sind nur in bestimmten Abteilungen verboten

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom