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Verwehtes Leben

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24.02.2008
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Verwehtes Leben

Verwehtes Leben

Der Weg zur Hütte war anstrengend für die alte Frau.
Anstrengend in doppelter Hinsicht.
Zunächst einmal war der Weg steil, steinig und manchmal ausgesetzt, sodass sie oft anhalten musste, um nicht zu stürzen. Sie war schon über achtzig Jahre alt und es war deshalb sehr ungewöhnlich, sie in dieser Bergwelt anzutreffen.
Zum anderen war der Weg anstrengend, weil es für sie ein Weg in die Vergangenheit
war.

Die zwei Wanderstöcke, das gute Schuhwerk und die wetterfeste Kleidung ließen vermuten, dass sie mit dem Wandern in höheren Bergregionen vertraut war.
Sie trug zudem noch einen kleinen Rucksack, in dem wohl die nötigsten Utensilien für eine Übernachtung waren. Insgesamt machte sie mit ihrem sonnengebräunten Gesicht einen für das Alter rüstigen Eindruck.
Es war bereits später Nachmittag, als sie die Berghütte bei strahlendem Sonnenschein erreichte, etwas außer Atem, aber sonst in guter Verfassung.
Der Hüttenhund empfing sie am Gatter, und sie ging die letzten Schritte vom Klang der Kuhglocken begleitet zum Eingang der Hütte. Um diese Tageszeit saßen dort nur noch wenige Wanderer und Tagesausflügler auf den Holzbänken, tranken ihr Weißbier und genossen die herrliche Sicht auf den Wilden Kaiser.
Hinter der Hütte erhob sich die Röselerspitze mit ihren mächtigen Felszacken, der Hausberg der Hütte.
Der Hüttenwirt schien die alte Frau durchs Fenster beobachtet zu haben, denn er eilte ihr entgegen, um ihr bei den letzten Treppenstufen zu helfen.
„Es kommt selten vor, dass jemand in Ihrem Alter die drei Stunden Aufstieg auf sich nimmt“, sagte er freundlich. „Herzlich willkommen. Wir haben Sie schon erwartet. Ihr Zimmer ist natürlich vorbereitet. Übrigens unser einziges Zimmer. Sonst haben wir nur Lagerplätze und Mehrbettzimmer.“
„Danke für die nette Begrüßung“, antwortete die alte Dame und setzte ihren Rucksack ab.
Der Wirt nahm ihn und trug ihn zur Hütte.
"Kommen Sie, machen Sie sich erst einmal frisch. Danach gibt es zünftige Speckknödel, extra für Sie von meiner Frau zubereitet.“

Der Abend war mild.
Die alte Dame saß zusammen mit dem Hüttenehepaar an der geschützten Seite der Hütte und genoss die Knödel. Zwei ältere Einheimische tranken am Nebentisch ihr Bier. Ansonsten waren nur noch ein paar Übernachtungsgäste da, junge Leute, die am nächsten Tag zu irgendeiner Bergtour aufbrechen wollten.
„Sie haben Glück“, sagte der Wirt, „in der letzten Woche hat es nur geregnet. Da hätte sich der Aufstieg nicht gelohnt. Verzeihen Sie, was treibt Sie denn in Ihrem Alter so hoch hinauf?“
Die Frau setzte ihren Bierkrug ab und schluckte den letzten Bissen hinunter.
Dann machte sie eine längere Pause, als müsse sie nachdenken.
„Nun“, antwortete sie schließlich nachdenklich, „hoffentlich verstehen Sie mich. Ich musste einmal in meinem Leben diesen Weg gehen. Den Weg, den auch mein Sohn vor über vierzig Jahren gegangen war.“
Wieder entstand eine Pause.
„Entschuldigen Sie, ich verstehe nicht …“
„Ich dachte es mir. Mein Sohn war achtzehn Jahre, als er zu dieser Hütte kam. Sie waren damals natürlich noch nicht hier. Aber wenn Sie ihn gesehen hätten, er war ein stattlicher junger Mann, mit braunem Haar und dunklen Augen.“
Sie öffnete das silberne Medaillon, das sie zu ihrer weißen Trachtenbluse trug.
„Das ist er. Er war mein einziges Kind, und er verlor an diesem Berg, an diesem verfluchten Berg dort sein Leben.

Die Musik war sehr laut und von der Art, die er nicht mochte.
Eigentlich wollte er gar nicht auf die Kirmes gehen, tat es dann aber doch, weil er wegen der Lautstärke auf dem benachbarten Zeltplatz sowieso nicht einschlafen konnte.
Er hatte an seinem letzten Ferientag eine Bergtour auf die Röselerspitze geplant. Es sollte der Höhepunkt seiner Ferienzeit werden. Das Wetter versprach gut zu werden und er freute sich auf die Tour.
An Schlaf war aber unter diesen Umständen nicht zu denken!
Als er das Festzelt betrat, schlug ihm der verrauchte Atem bayrischer Bierseeligkeit entgegen.
Kein freier Platz weit und breit. Die Luft war geschwängert vom Bratenduft fettiger Haxen und Hähnchen, gemischt mit dem Stimmengewirr halbtrunkener Menschen. Die Stimmung strebte ihrem Höhepunkt entgegen, als die Musikkapelle wieder einsetzte.
Da sah er sie und sie ihn.
Sie stand inmitten einer Gruppe von jungen Männern und Mädchen, gleich neben dem Eingang an der Biertheke, und hielt seinem Blick stand.
Lange.
Sehr lange.
Zu lange, um nicht bemerkt zu werden.
Ein paar Mädchen drehten sich kichernd weg, als sie wie unter Hypnose auf ihn zuging.

Die alte Dame blickte von ihrem Teller hoch auf die Röselerspitze, die im letzten Abendlicht rötlich erstrahlte.
„Jetzt im Alter, glaube ich, bin ich stark genug mir anzuschauen, wo er abgestürzt ist.“
Ihre Hand zitterte, als sie die Gabel auf den Holztisch legte.
„Mein Mann ist vor drei Jahren gestorben und ich selbst blicke auf mein Leben zurück. An dem Tag, als das Unglück geschah, am 19. August, war unser Leben eigentlich auch zu Ende. Deshalb ist es wichtig für mich, diesen Ort einmal zu sehen, verstehen Sie? Um Ruhe zu finden, vielleicht.“
„Der 19. August ist morgen“, sagte die Wirtin.
„Ich weiß. Meine Reise ist genau geplant. Ich werde morgen früh aufsteigen, um mir den Ort seines Todes anzusehen. Dort muss eine Gedenktafel angebracht sein.“
„Das stimmt“, antwortete der Hüttenwirt.
„Ich habe sie von der Bergwacht dort anbringen lassen. Damals konnte ich diesen Ort noch nicht selbst besuchen. Verstehen sie jetzt?“
Der Wirt zeigte auf den Weg, der zur Röselerspitze führte.
„Ich glaube, jetzt kann ich Sie verstehen. Sie brauchen morgen nur auf diesem Weg aufzusteigen und der Beschilderung „Röselerspitze“ zu folgen. Unterhalb der Wand teilt sich der Weg. Rechts kommen Sie nach vielleicht 300 Metern an die Stelle, an der das Schild auf der Felswand angebracht ist. Links führt ein Steig auf den Gipfel. Es ist ein leichter Weg.“
Sie schwiegen.
Die Wolken am Abendhimmel kündeten eine Verschlechterung des Wetters an.

Am nächsten Morgen war der Himmel bedeckt und grau. Frisch wehte der Wind über die Bergspitzen, es war merklich kühler geworden.
Die alte Frau hatte sich Zeit gelassen und so war es schon später Vormittag, als sie von der Hütte Richtung Röselerspitze aufbrach.
„Seien Sie vorsichtig“, rief der Wirt ihr nach und wartete, bis sie hinter einer Hügelkuppe verschwunden war.
Der Weg war nicht sehr steil und recht gut zu begehen. Sie kam gut voran.
Gegen Mittag erreichte sie die Weggabelung, von der der Wirt gesprochen hatte. Nun waren es nur noch wenige Schritte bis zu der Absturzstelle.
Die alte Dame ging langsamer, immer den suchenden Blick auf die Felswand gerichtet, die steil in den grauen Himmel aufragte.
Dann hatte sie die Gedenktafel gefunden.
Man sah ihr die vergangenen Jahre kaum an. Das Metall war zwar etwas verwittert, doch die Gravur war noch gut lesbar. Unter dem Namen stand: abgestürzt am 19.8.1966.
Sie hielt sich mit einer Hand an den Felsen fest und ihr Blick folgte der Falllinie nach oben. Nach etwa 50 Metern hörte der Fels auf.
Warum war er nicht den einfachen Weg zum Gipfel gegangen? Warum musste er durch diese Wand klettern?
Sie hatte den Grund nie herausgefunden.
Ihr ganzes Leben war von diesen Fragen geprägt worden.
Er war immer so besonnen und vorsichtig gewesen.

Es war die Musik der Rolling Stones, die blechern aus dem Transistorradio tönte.
Sie saßen auf der Steintreppe vor der alten Barockkirche und sangen mit, so gut es ging.
Satisfaction.
Er warf seine langen, braunen Haare zur Seite, als sich der junge Mann, den er auch schon im Zelt kennen gelernt hatte, vor ihn stellte, breitbeinig, in speckigen Lederhosen, die Hände in die Hüften gestützt. Der stoßweise Atem verriet, dass er erheblich zuviel getrunken hatte.
„Du lässt die Hände von ihr, hast du verstanden? Sonst mache ich Hackfleisch aus dir, du langhaariger, gebildeter Affe.“
Die Sekunden wollten nicht vergehen. Sie dehnten die angespannte Atmosphäre ins Unerträgliche.
Ein paar Betrunkene torkelten grölend um die Ecke der Kirchhofmauer.
Das Mädchen sprang auf und packte den Mann an den Trägern seiner Lederhose.
„Verschwinde, sage ich dir! Wir hören hier nur Musik. Ich gehöre dir nicht! Niemals! Hast du verstanden? Morgen ist sein letzter Ferientag, da macht er noch eine Bergtour auf die Röselerspitze. Also lass ihn in Ruhe!“
„Aha, und du gehst wohl mit, du kleines Miststück? Ich bin dir wohl nicht gut genug?“

Erst jetzt bemerkte sie den Mann, der unvermittelt hinter ihr stand.
„Oh, Sie haben mich aber erschreckt!“, rief die alte Dame aufgeregt. „Ich habe Sie gar nicht kommen hören.“
Der Mann war ebenfalls schon in einem fortgeschrittenen Alter, hager von Gestalt, mit einem eingefallenen, wettergegerbten Gesicht und lichtem, grauem Haar.
„Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken“, sagte er freundlich in bayrischem Dialekt und blickte auf die Gedenktafel.
„Ich wusste, dass Sie heute hierher kommen würden“, fuhr er nachdenklich fort.
Die alte Frau schaute ihn erstaunt an.
„Aber ich kenne Sie doch gar nicht. Wie konnten Sie denn wissen, dass ich heute hier sein würde?“, fragte sie.
Der Mann schwieg eine Weile und antwortete schließlich zögernd:
„Nun, ich wusste es von einem Freund, der gestern Abend unfreiwillig Zeuge Ihres Gesprächs mit dem Hüttenwirt war. Ich wohne auf einem alten Hof unterhalb der Hütte und auf dem Rückweg erzählte er mir von Ihrem Vorhaben. Es war Zufall, reiner Zufall, und für mich ein großes Glück.“
„Entschuldigen Sie, ich verstehe Sie leider nicht“, sagte die alte Dame unwirsch und wollte sich wegdrehen um nicht weiter gestört zu werden.
„Wer sind Sie überhaupt?“
„Ich bin für den Tod Ihres Sohnes verantwortlich.“

Eine Zeitlang geschah nichts.
Die Zeit schlich dahin.
Der Satz war so unverständlich und schockierend für die alte Dame, dass sie sich auf einen Felsklotz setzen und um Fassung ringen musste.
„Ich bin froh, dass es heraus ist. Mein ganzes Leben habe ich diese Schuld mit mir herumgetragen und sie hat mein Leben zerstört. Jetzt, wo diese schleichende Krankheit mein Leben langsam auffrisst, ist es ein Glück für mich Ihnen meine Schuld einzugestehen. Verstehen Sie? Deshalb bin ich heute hierher gekommen. Ich erwarte nicht, dass Sie mir verzeihen. Aber ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, mein Gewissen zu erleichtern.“

Es fing leicht an zu nieseln. Dunkle Wolken waren aufgezogen. Die Schönheit der Natur hatte sich versteckt.
Quälend langsam stand die alte Frau auf. In Minuten schien sie um Jahre gealtert zu sein.

„Wie ist es geschehen?“, fragte sie erschüttert.
„Ich muss es wissen! Eine Mutter ahnt die Wahrheit immer. Und ich wusste, dass er niemals die Wand allein hochgeklettert wäre.“
Der Mann machte eine Handbewegung und zeigte auf den Steig, der zum Gipfel der Röselerspitze führte.
„Kommen Sie, wir gehen an die Stelle, wo es passiert ist. Ich war unzählige Male an diesem Ort. Es hat mir nicht geholfen.“
Er schritt zügig voran, musste dann aber warten, als er bemerkte, dass die Frau ihm nicht folgen konnte.
Der Weg wurde schmaler und der Nieselregen machte die Steine glitschig.

„Ich lernte Ihren Sohn am Abend vor seinem Tod kennen. Wir waren zusammen auf der Sommerkirmes des Dorfes, auf dem sich vor allem junge Leute trafen um zu tanzen und um sich zu vergnügen. Natürlich wurde auch getrunken.
Ihr Sohn zeltete auf dem Campingplatz am Rande des Ortes, es waren wohl Sommerferien und er hatte gerade sein Abitur gemacht und wollte anschließend studieren, wie er uns erzählte.
Er war mir sofort unsympathisch, denn er tanzte und scherzte ausgelassen mit meiner Freundin Karin, die später auch meine Frau wurde. Es war nicht zu verkennen, dass er ihr gefiel.
Sie starb vor 10 Jahre. Unsere Ehe blieb kinderlos.
Ich war damals sehr eifersüchtig und als junger Mensch sehr aufbrausend und aggressiv, deshalb gerieten wir auch am späten Abend aneinander. Ich erfuhr, dass er vorhatte, am nächsten Tag eine letzte Bergtour zur Röselerspitze zu machen und vermutete, er wollte sich dort irgendwo mit Karin treffen.“

Es regnete jetzt immer stärker, und man musste sich beim Gehen stark konzentrieren um nicht auszurutschen.
Der Mann blieb stehen, denn die alte Frau war am Ende ihrer Kraft. Ihr Kopf war gerötet, ihr Atem ging stoßweise, die ganze Situation schien sie zu überfordern.

„Wir sind gleich da“, fuhr der Mann fort.
„Ich beobachtete Ihren Sohn, als er an unserem Hof vorbeikam und folgte ihm ungesehen. Auf diesem Steig hier stellte ich ihn zur Rede. Ich glaubte ihm kein Wort, als er abstritt sich mit Karin zu treffen. Der Streit wurde immer heftiger, bis ich handgreiflich wurde.
An diesem Schild hier passierte es.“

Der erste Schlag traf ihn völlig überraschend an der Schläfe.
Er torkelte nach hinten und fiel auf den felsigen Boden.
Noch nie in seinem Leben hatte er sich geschlagen, aber jetzt musste er sich wehren, er wusste es.
Mühsam versuchte er sich aufzurichten, aber ein zweiter Schlag traf ihn in der Magengegend. Er war hoffnungslos unterlegen.
„Wo habt ihr euch verabredet? Wo? Rede, Mann!“
Er musste etwas tun!
Niemals durfte sein Widersacher von dem Zettel erfahren, den Karin ihm gestern beim Abschied zugesteckt hatte:
16 Uhr auf der Hütte unter der Röselerspitze.
Verschwommen bemerkte er, dass er nur wenige Schritte vom Rand der Felswand entfernt war.
Tritt ihn! Tritt ihn!
Mit seiner ganzen Kraft trat er seinem Gegenüber gegen das Schienbein.
Das schmerzte zwar, hatte aber nur zur Folge, dass dieser noch wütender wurde als vorher.
Taumelnd stand er da und erwartete den nächsten Angriff.

Die alte Dame hatte die Stelle mit letzter Kraft erreicht und hielt sich mit der Hand an dem Hinweisschild zur Röselerspitze fest.
„Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle."
Der Mann zögerte.
„Nach einem letzten Schlag von mir stürzte er über die Felskante.“

Eine Ewigkeit schien zu vergehen.
Der Regen prasselte inzwischen unbarmherzig nieder.
„Hat … hat man Sie nicht beobachtet?“, fragte die alte Frau stockend.
„Nein, als man ihn später fand, war für die Polizei und die Bergwacht klar, dass er beim Klettern abgestürzt sein musste. Ich geriet nie in Verdacht. Doch es nützte mir nichts. Mein Leben war zerstört.“
Er schwieg wieder.
„Ich glaube, jetzt verstehen Sie, warum es ein Glück war, Sie zu treffen.“
Ein paar Dohlen flogen kreischend über die Felswand.
Die Frau senkte den Kopf und schloss die Augen.
Nun zeigte sich, dass sie die Situation nicht richtig eingeschätzt hatte, denn mit dem, was jetzt geschah, hatte sie nicht gerechnet.
Als sie die Augen wieder öffnete, war der Mann verschwunden.
Sie hörte nur den dumpfen Aufschlag seines Körpers unten an der Gedenktafel und die nachfolgende Steinlawine, die langsam schwächer wurde.

 

Tja xeranda,

als Freund der Berge kann ich es mir dich nicht entgehen lassen, ein paar Details anzumerken zu Deinem Opus ... Eine Röselerspitze mit Blick auf den Wilden Kaiser und einer Hütte dazu gibt es im richtigen Leben nicht. Auch keine 80 jährigen, Hochdeutsch sprechenden Bergsteigerinnen, die zufällig dem Mörder ihres Sohnes begegnet, der zufällig Jahre nach der Tat noch zufällig am Tatort rumhängt. Auch Hochdeutsch sprechende Hüttenwirte sind selten, so dass Dein kleiner Kunstgriff, die Geschichte sprachlich zu verlegen, arg aufgesetzt wirkt.

Das ist dann in Summe etwas zu viel des Guten, vor allem zusammen mit der Schlussdramatik im prasselnden Regen.

Die handwerkliche Umsetzung dieses Themas jedoch lässt hoffen. Für die Zukunft.

Lieben Gruß,

AE

 

Hallo AlterEgo,
vielen Dank für deine Bewertung. Auch ich muss mich an dieser Stelle als Freund der Berge outen und weiß natürlich, dass es keine Röselerspitze gibt. Auch die Berghütte ist rein fiktiv. So zu schreiben ist m. E. aber legitim, denn der Inhalt steht ja im Vordergrund, die Bergwelt ist nur Kulisse.
Zum Zufall ist zu sagen: ja, der Zufall spielt eine Rolle in der Geschichte. Es wird ja auch ausdrücklich gesagt, dass dieser Zufall ein Glück für den Mann ist. Und ist dieser Zufall wirklich so groß, wenn man davon ausgeht, dass es durchaus üblich war und ist, sein ganzes dörfliches Leben auf einem Hof zu verbringen?

Liebe Grüße
xeranda

 

Hallo xeranda!

Ich zähle die Dinge auf, die mir aufgefallen sind:

"der Weg steil, steinig und manchmal ausgesetzt," => Ausgesetzt? Das Wort kenne ich nur aus anderen Zusammenhängen. Was bedeutet das hier?

"über 80 Jahre alt" => Zahlen solltest du ausschreiben, solange es nicht unübersichtlich wird.

"Treppenstufen zu helfen.
„Es kommt selten vor," => Insgesamt solltest du mal sehen, ob alle Zeilenumbrüche wirklich notwendig sind (dieser hier ist es nicht); dein Text sieht reichlich zerfasert aus. (Einfach ein gutes Buch aus dem Regal nehmen und nachsehen, wie es die Profis machen.)

"in tadellosem Hochdeutsch."
"sprechen ja fließend Hochdeutsch." => Ist das mit dem Hochdeutsch dermaßen wichtig, dass du es mehrfach erwähnen musst? (Das schreit dem Leser praktisch entgegen: "Der kann Hochdeutsch! Habt ihr das verstanden? Na, besser, ich sag es gleich noch mal!")

"dem Hüttenehepaar an der geschützten Seite der Hütte" => "Hüttenehepaar" klingt für mich gewöhnungsbedürftig. Um die WW zu vermeiden könntest du sie "Gastwirte" oder so nennen.

"tranken ihr Weißbier"
"tranken am Nebentisch ihr Bier"
"Die Frau setzte ihren Bierkrug ab" => Auch das klingt durch die Wiederholung aufdringlich. Als ob das das einzige ist, was man dort tun könnte.

"Sie öffnete das altertümliche Amulett" => Ein Amulett kenne ich bloß als Schutz gegen einen Zauber, ein reines Schmuckstück würde ich anders nennen, z.B. Medaillon. Und altertümlich klingt nach Mittelalter.

Übrigens, ist der ganze Dialog mit dem Wirt in der Form nötig? Das zieht sich und liest sich stellenweise so, als wäre es nur dazu da, um die notwendigen Informationen an die Leser zu bringen.

"tut mir Leid, ich wollte Sie nicht erschrecken.", sagte er" => leid. Nach der Reform der Reform wieder klein. Und der Punkt am Ende der wörtlichen Rede muss weg.

"sagte er freundlich in bayrischem Dialekt" => Wenn er das wirklich im Dialekt sagt, solltest du das auch im Dialekt schreiben. Das ist ja kein Chinesisch, das versteht der Leser schon.

"Ich lernte Ihren Sohn am Abend vor seinem Tod kennen." => Entschuldige, aber ich finde den Text in dieser Form arg langweilig. Er besteht nur aus Nacherzählungen der verschiedenen Leute über das, was damals passiert ist. Diese Sichtweise spricht den Leser, also mich, wenig an. Warum gehst du nicht live ins Jahr 1966? (Oder verpackst wenigstens die einzelnen Szenen als Live-Rückblicke? [Wie im Fernsehen, bei Cold Case oder so.] Dann wäre dieses tumbe Runtererzählen raus.)
Naja, im Grunde also: Mehr show, weniger tell.

Grüße
Chris

 

Hallo Chris Stone,
danke für deine kritischen Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge. Einige habe ich bereits umgesetzt (Medaillon, 80 Jahre), den Tipp- und Rechtschreibfehler habe ich verbessert.
Du hast recht, die Rede des Mannes müsste ich eigentlich in bayrischem Dialekt aufschreiben. Ich werde mich mal schlau machen, wie das aussehen könnte.
Auch die Szene mit dem Hüttenwirt könnte gekürzt werden. Ich werde diesen Teil noch einmal überarbeiten.
Noch zur Information, "ausgesetzt" bedeutet in der Bergsteigersprache, dass man trittsicher und schwindelfrei sein muss, weil der Weg z. B. gefährlich schmal ist.
Grüße
xeranda

 

Anmerkungen

Hallo xeranda!

Als Bergfex greife ich jetzt einmal diese alte Geschichte auf und nütze sie für ein paar Anmerkungen.

Ein bisschen was wurde eh schon gesagt (Vor allem im Beitrag von Chris Stone), noch ein, zwei Ergänzungen:

1.) Habe ich die Spannung vermisst. Warum läßt du nicht etwas Unvorhergesehenes geschehen, baust eine überraschende Wendung ein (Und sei es, dass der Sohn noch am Leben ist)?

2.) Warum nützt du das Setting nicht besser? Ich weiß, leichter gesagt als getan, aber gerade so eine Berghütte eignet sich doch fantastisch für eine Gruselstory. In der Gegenwart.

3.) Den Wetterumschwung hättest du wesentlich dramatischer ausfallen lassen können (Siehe dazu meine eigene Geschichte: "Wetterumschwung";-))
Blitz und Donner, Nebel und Sturm, all das wäre möglich, ja sogar wahrscheinlich gewesen. Zumindest die letzten beiden Parameter kommen bei nahezu jedem Wettersturz im Gebirge vor, außer es handelt sich um eine Warmfront. Dann müsste die Luft vorher aber kalt gewesen sein.

Was ich komplett vermisst habe, sind Nebel und Temperaturabfall. Die können doch nicht spurlos an einer 80 jährigen vorüber gehen.

Abgesehen davon wirkt die gesamte Handlung wie schon gesagt wurde extrem konstruiert und speist sich aus einer Kette von Zufällen.

Ich finde, Du hast das Talent zum Schreiben, weil du recht gut formulierst. Ich denke, es geht bei dir vor allem darum, einen spannenderen Plot zu finden bzw. am Spannungsaufbau zu arbeiten. Das Setting wäre ja an sich sehr gut.

loom

 

Hallo Loom,
vielen Dank für deine kritischen Anmerkungen. Leider konnte ich mich wegen einer schweren Erkrankung mehrere Monate nicht um meine Geschichten kümmern. Du hast recht, am Spannungsaufbau müsste ich noch etwas arbeiten, genauso ist dein Hinweis richtig, der Wetterumschwung, der ja parallel zur Handlung laufen soll, muss dramatischer ausfallen.
Zum "Zufall" in der Geschichte habe ich ja schon Stellung genommen. Eigentlich handelt es sich ja nur um einen Zufall, nämlich dass das Gespräch vor der Hütte von einem Freund des Täters mitangehört und weitererzählt wird. Ich meine auch jetzt noch, dass ich damit den Zufall nicht "überstrapaziert" habe.
Meine größten Probleme habe ich aber mit dem bayrischen Dialekt. Da ich des Bayrischen als Norddeutscher nicht mächtig bin, fällt es mir schwer, hier ein Lösung zu finden.
Vielen Dank nochmals für Anregungen.
Lieben Gruß, xeranda

 

Du hast recht, die Rede des Mannes müsste ich eigentlich in bayrischem Dialekt aufschreiben. Ich werde mich mal schlau machen, wie das aussehen könnte.
Mir persönlich würde es schon reichen, wenn du die Erwähnungen wg. Hochdeutsch rausnimmst. Zum übrigen kann ich meinen Vorrednern nur beipflichten: Die Geschichte wirkt teilweise künstlich, aufgesetzt und runtererzählt. In Anbetracht deiner Kategoriewahl wiegt das noch schwerer.

-- floritiv.

 

Hallo floritiv,
danke für deine Rückmeldung. Ich habe die Stelle mit dem "Hochdeutsch"
geändert.
Gruß xeranda

 

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