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Viele Hauptfiguren - viele Perspektiven?

Seniors
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03.07.2006
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Viele Hauptfiguren - viele Perspektiven?

Hallo,

es erfordert, glaub ich, ziemlich viel handwerkliches Können oder einfach nur Talent, um den richtigen Ton zu treffen, der nicht nur zur Figur passt, sondern auch die Stimmung einer Geschichte wiedergibt.
Das geht bei Ich-Erzählern einfach, das ist meine Erfahrung, auch die personale Erzählerperspektive ist einigermaßen gut hinzukriegen, wenn man geübt ist.
Diese Perspektiven sind für mich deswegen relativ einfach hinzukriegen, weil ich die Grenze der Figuren kenne, sie befinden sich in imaginären Blasen, die sie eben nicht durchbrechen können und dadurch gar kein fremdes Wissen haben können, weil ihnen einfach eine andere Perspektive auf die Dinge fehlt, nämlich die Perspektive der anderen Figuren oder die auktoriale Perspektive.
Was passiert aber, wenn ich drei Hauptfiguren habe, wo jede einzelne Perspektive für die Geschichte wichtig ist. Habe ich dann drei personale Erzähler? Kann man das überhaupt handwerklich? (Beispiele aus der Literatur oder aus Kg wären super, ich würde gerne sowas lesen, um zu sehen, wie die das Problem gelöst haben) Es ist für den Leser bestimmt anstrengend zu lesen, wenn innerhalb einer Szene die Perspektive gewechselt wird, oder wenn jede Szene aus einer anderen Perspektive geschrieben ist. Oder unterschätze ich hier den Leser?
Die andere Möglichkeit wäre, die Geschichte dann von einem auktorialen Erzähler erzählen zu lassen, aber der ist dann doch so altbacken und man kommt nicht umhin, die Figuren zu werten. Das ist für mich ein Tabu. Ich will die Handlungen meiner Figuren und ihren Charakter nicht innerhalb diesr erzählten Welt schon werten lassen - ist ja schließlich die Aufgabe des Lesers.

Ich wollte wissen, ob ihr mit dem Problem konfrontiert wurdet, wenn ja, wie habt ihr es gelöst? Habt ihr literarische Beispiele für mich, oder habt ihr andere Ideen, wie man drei unterschiedliche Perspektiven unter einem Hut bringt.

Hilfe!

JoBlack

P.S. der Titel ist ... :dozey:, mir ist kein besserer eingefallen.

 
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Hallo Jo,

ich hab neulich auch mal ueber Erzaehlperspektive nachgedacht. Urspruenglich wollte ich meine Kopie von Kews Kurzgeschichte naemlich mit heterodiegetischem Erzaehler, so im personalen Erzaehlmodus erzaehlen (also Er/Sie-Perspektive), weil er es auch so hat. Das ist mir aber echt fremd. Ich hab ja eigentlich immer ich-Erzaehler, dazu meist noch im Praesens, so dass die Erzaehlung immer extrem fokal sind, also sehr unmittelbar.
Das liegt bei mir dran, dass ich dolle (Selbst-)Relexionen nicht so mag und vor allen daran, dass ich das als sehr praktische Erzaehlperspektive empfinde, um Figuren ueber ihre eigene Sprache indirekt zu charakterisieren. Klar kann man das auch mit einer Erzaehlung in der dritten Person hinkriegen, wenn man eben sehr personal erzaehlt, da kann man die Erzaehlstimme der Wahrnehmung der Figur anpassen. Aber es ist fuer mein Empfinden trotzdem vermittelter.
Der Nachteil ist, dass die Nebenfiguren oft ein bisschen aus dem Fokus geraten, bzw. nur extrem durch die Wahrnehmung des Erzaehler-Protagonisten dargestellt werden koennen.

Ich habe in letzter Zeit allerdings ein paar Romane von Zadie Smith gelesen (White Teeth, On Beauty), die meine Vorlieben ins Wanken gebracht haben. Das sind naemlich auch Romane mit mehreren Perspektivtraegern. Also einzelne Episoden sind in der dritten Person relativ personal erzaehlt. Dazu kommt aber eine Erzaehlstimme, die ich als sehr gelungene Modernisierung des auktorialen Erzaehlers empfunden habe. Also sie hat naemlich sehr schoene explizite Charakterisierungen. Nachdem ich das gelesen hatte, wollte ich das auch ueben.
Also die koennte ich Dir schon empfehlen. Es geht zufaellig auch viel um Immigranten-Identitaeten :P

Grundsaetzlich sehe ich ueberhaupt kein Problem darin, aus mehreren Perspektiven zu erzaehlen. Man muss bei der Ich-Perspektive nur auch den Sprachduktus deutlich aendern (wenn man den Wechsel ueber die Sprache so deutlich markieren koennte, dass es keiner Unterstuetzung durch Ueberschriften oder recte/kursiv bedarf, waere das extrem elegant). Bei nem heterodiegetischen, personalen Erzaehler waere das nicht so zwingend. Aber die Unterschiede der Charaktere im Erleben muessten halt deutlich rauskommen. Weiste ja selbst.
Multiperspektivisch kann man ja auch auf unterschiedliche Weise erzaehlen. Entweder variabel fokalisiert, so dass ein Abschnitt des Geschehens aus Perspektive der einen Figur und ein anderer aus Sicht einer anderen Figur erzaehlt wird. Oder multipel fokalisiert, wenn das gleiche Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven erzaehlt wird - meist um sehr unterschiedliche Wahrnehmungen eines Ereignisses darzustellen. Oder man kann beides mischen.
Also anders als viele andere Schreibexperimente, die oft zu sehr nervigen Texten fuehren, faende ich solche Perspektivexperimente schon reizvoll. Eben nicht nur als Formspielerei, sondern weil es da vor allem auch um Charakterisierung geht. Und die interessiert mich grundsaetzlich immer.

lg,

fiz

Also es wuerde mich schon auch interessieren, welche Erzaehlperspektive andere Autoren hier bevorzugen und aus welchen Gruenden.

 
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Was passiert aber, wenn ich drei Hauptfiguren habe, wo jede einzelne Perspektive für die Geschichte wichtig ist. Habe ich dann drei personale Erzähler? Kann man das überhaupt handwerklich?

Klar geht das. Da gibt's doch ganz viel. Was weiß ich ... in "The Stand" hat King doch einen Haufen verschiedene Charaktere in der dritten Person, und alle haben ein anders Feeling. In "A long way down" macht das Hornby mit vier Charakteren in der 1. Person, und alle sind anders. Also ich arbeite gerade an zwei (längere) Sachen, und die haben auch mehrere personale Erzähler. Ich schreibe in der dritten Person, und vor jeder Szene entscheide ich einfach, aus welcher Sicht geschrieben wird (und das halte ich dann auch die ganze Szene über konsequent ein). Ganz einfach ist das nicht, da muss man schon vorher überlegen, was am günstigsten, spannedsten ist ... und man merkt auch voll schnell, diese Person kenne ich voll gut, ich stehe ihr oder ihm voll nahe, und bei dem hier ich muss ich noch ein wenig in mich gehen ... oder vielleicht sagt man auch, nein, er oder sie bleibt geheimnisvoll, aus ihrer Sicht wird nicht geschrieben ... also ich finde das voll spannend, für mich macht das mit den Reiz am Schreiben aus, das Rollenspiel, die Möglichkeiten des Ichs austesten, mal eine Frau sein. Da hat man so viele Möglichkeiten, finde ich. Das wird hier auch zu selten gemacht, und das finde ich schade. Das "Problem" ist halt, wenn man mehrere Erzähler hat, dann hat man auch schnell mehrere Konflikte und Nebenhandlungen. Solche Texte ufern schnell aus, da muss man viel vorausdenken, und dann darf man sie hier gar nicht posten. Bei der einen, da arbeite ich jetzt schon länger dran, da weiß ich schon, das wird nicht gehen, und bei der Neuen bin ich mir noch nicht sicher.

Ich glaube handwerkliches Geschick ist da auch gar nicht so das Wichtigste. Das muss man irgendwie fühlen. Ich glaube nicht, dass man sich ewig hinsetzt, und überlegt: Wie ist eine Frau denn jetzt? Wie sind die so drauf? Und das dann nachschlägt oder sie zu beobachten anfängt oder so ... ich habe häufiger gelesen, dass Autoren von Möglichkeiten des Seins sprechen, und ich glaube, das ist auch so. King hat eine feminine Seite, eine dominante Seite, eine devote Seite, eine unsichere Seite, eine homosexuelle Seite, eine selbstbewusste Seite, eine destruktive Seite, eine kindliche Seite, eine vollgekokste Seite, eine betrunkene Seite, das ist er alles mal gewesen, das hat er alles noch im Kopf, das alles kann er sich vorstellen, und wenn er sich seine Charaktere vorstellt, dann bedient er sich eben aus dieser seelischen Schublade. Und wenn er mal wirklich nicht weiß, wie eine Frau jetzt fühlt, dann hat er halt genug gelesen und gesehen, um so zu tun, als wüsste er es.
Ich glaube, das hat auch was mit Empathie zu tun. Die meisten Schriftsteller werden eher liberal und links sein, bzw. alle Künstler eigentlich. Das muss fast so sein. Da kann man nicht voll den Hass auf andere Leute schieben, weil sie Ausländer oder Juden oder was weiß ich sind, wenn man immer wieder sagen muss: Ja ... unter den Umständen, das kann ich verstehen, ich bin zwar alles andere als homophob oder pyromanisch oder geizig oder schwul aber ich kann trotzdem irgendwie nachempfinden, was das ist.

Da gabs vor Kurzem diese Tierdiskussion unter Lakitas Geschichte. Okay ... Tiere sind vielleicht eine Grenze, das geht nicht authentisch – aber Menschen? Da stimme ich Quinn und Katia mit ihrer historischen Perspektive nicht wirklich zu. Die Zeiten und die Werte ändern sich, gut, aber der Mensch ist ein Mensch, und es sind immer dieselben Grundbedürfnisse, die er hat. Wenn ich alte Sachen lese, bin ich immer wieder verblüfft, wie ähnlich das alles ist. Da geht um Liebe und Sex und Verrat und Freundschaft und Hunger und Kälte, immer und immer wieder. Ich glaube die Psychologie ist nicht so anders. Männer müssen Männer werden, Inzest ist verboten, die Hierarchie, die Religion, der Tod, die Gruppe, Respekt, Stellung ...
Was ich sagen will: Traut euch und schreibt mal aus einer anderen Perspektive!

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin Jo,
ich habe mal eine Erzählung geschrieben, in der zwei Ich-Erzähler (ein Ehepaar) sich nach je zwei bis drei Seiten abwechseln. Die ersten 30 Seiten bewegen sie sich in den gleichen Szenen und der Wechsel findet ohne Übergang statt (außer, dass der Name des Ich-Erzählers jeweils über dem neuen Absatz steht), später trennen sie sich und treffen noch zweimal aufeinander. Der Wechsel bleibt aber vom Zeitablauf aufbauend. Falls du mal reinlesen willst, findest du eine Leseprobe unter: http://www.inseltage.info

Da es sich (logischerweise) um einen Mann und eine Frau handelt, die allerdings (da 25 Jahre verheiratet) viele Dinge zusammen erlebt haben (die in Rückblenden kommen), musste ich mich bei jedem neuen Absatz in die andere Person hineindenken. Das fiel mir erst ganz schön schwer, aber nach etwa 20 Seiten hat es tierisch Spaß gemacht. Vor allem war ich nicht so auf ein Innenleben beschränkt und konnte ein und dieselbe Sache aus zwei Perspektiven ausleuchten.

Ich habe auch mal ein Buch gelesen, in dem sich vier Ich-Erzähler abwechseln. Allerdings waren es hier vier Ich-Erzähler und jeweils ganze Kapitel. (Alejandro Palomas, „bis hierher, bis heute“ – der Titel ist bescheuert, der Roman aber interessant und lesenswert).

Ich hoffe mal, ich habe dein Anliegen richtig verstanden und konnte dir etwas weiterhelfen.

Herzlichst Heiner

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey ho Jo,

habe nicht allzu viel Zeit, möchte dir aber dennoch ein paar Worte hier lassen.

Es ist für den Leser bestimmt anstrengend zu lesen, wenn innerhalb einer Szene die Perspektive gewechselt wird, oder wenn jede Szene aus einer anderen Perspektive geschrieben ist.
Genau das wurde an meiner Geschichte "Kusslos" kritisiert, dass es das Lesen unheimlich erschwert. Das liegt zum einen daran, dass der Wechsel sehr schnell erfolgt, aber wohl auch an meinen mangelhaften handwerklichen Fähigkeiten. Die Frage ist nur, ob es denn einen schnellen Wechsel unbedingt braucht. Einen Perspektivwechsel in Ich-Perspektive halte ich für sehr anspruchsvoll. Dagegen ist ein Perspektivwechsel in der dritten Person schon sehr viel einfacher. Meistens fällt es beim Lesen gar nicht auf, wenn der Erzähler die Seiten wechselt. Als Autor hat man ja die Kamera in der Hand und man kann sie richten worauf man will. Manchmal empfiehlt es sich auch, die Gefühle aller Personen zu beschreiben, aber nicht durcheinander, sondern einmal von Person A, das andere Mal von Person B. So entsteht der Eindruck eines Perspektivwechsels.

Max Frisch hat das meisterlich gemacht. In "Stiller" hat er einen wirklich eigenartigen Erzähler, der Perspektiven nicht vermischt, aber aneinanderreiht. Also es kommt eine Szene aus der einen Perspektive, danach die selbe Szene aus einer anderen Sichtweise. Ist das denn nicht langweilig, wirst du dich fragen und ich antworte, ohne dass du fragen kannst: Nein! Man möchte meinen, es sind zwei verschiedene Geschichten. Den Kontrast zwischen männlichen und weiblichen Denken verbalisiert er hier total genial.

Viel Spaß beim Experimentieren!

Beste Grüße
markus.

PS: Stephen King hat wahrlich viele Bücher mit Perspektivspielerein geschrieben. DAS GEHEIME FENSTER aus Sicht eines Schizophrenen, ES einmal aus Sicht der Kinder, einmal aus Sicht der Erwachsenen.

 

Hey Jo, fang doch einfach mal an, Multiperspektive lohnt sich, das kann spannend sein, eine Szene aus der Sicht verschiedener Figuren zu erzählen. Auch für den Leser, du bringst eine eigene Dynamik da rein, könntest vor jedem Wechsel zB einen kleinen Cliffhanger setzen, wenn du willst. Ein bisschen mehr muss man da aufpassen, dass der Leser nicht durcheinanderkommt. Mir fällt gerade eine Szene ein, die alle durcheinandergebracht hat, obwohl ich das immer noch völlig verständlich finde. da muss man wohl noch einen anderen Blick entwickeln, auf andere Dinge achten. was wissen und sehen die Figuren, wie macht man die unterscheidbar?

Und wer setzt dir Grenzen? ich kann mir nicht vorstellen, dass ein auktorialer Stil an sich altbacken ist - wenn die Erzählerin frisch und spannend ist, kann man bestimmt auch als Allwissender den Leser bei der Stange halten und mitdenken lassen. Ist mindestens eine Herausforderung, an der man schreiberisch wachsen kann, wenn man das durchdenkt und -arbeitet, selbst wenn keine tolle Geschichte rauskommt. Außerdem hat mir die Multiperspektive auch viel Spaß gemacht - probiers einfach aus!

Kubus

 

Diese Perspektiven sind für mich deswegen relativ einfach hinzukriegen, weil ich die Grenze der Figuren kenne, sie befinden sich in imaginären Blasen, die sie eben nicht durchbrechen können und dadurch gar kein fremdes Wissen haben können, weil ihnen einfach eine andere Perspektive auf die Dinge fehlt, nämlich die Perspektive der anderen Figuren oder die auktoriale Perspektive.
Was passiert aber, wenn ich drei Hauptfiguren habe, wo jede einzelne Perspektive für die Geschichte wichtig ist. Habe ich dann drei personale Erzähler? Kann man das überhaupt handwerklich?
Ja, man hat drei Blasen dann.
Lied von Eis und Feuer wieder als Beispiel. Das ist eine riesige Welt. Es gibt Perspektivträger (im englischen nennt man die POV-Character, im Deutschen Perspektivträger, das ist was anderes als Hauptfigur, Hauptfigur ist was aus dem Drama eigentlich). Die haben einen bestimmten Horizont.
Die Geschichte beginnt mit einer Burg abgeschieden von der Welt und die Perspektivträger sind Kinder, die keine Ahnung von der Welt da draußen haben, die nur das wissen, was ihnen die Märchentante am Bett erzählt oder was sie so aufschnappen. Und dann entfaltet sich die Welt dort immer mehr, mit jedem neuen Perspektivträger sehen wir andere Facetten dieser Welt. Sogar noch im dritten, vierten Buch werden da neue Figuren eingeführt, die wieder was freischalten, die wieder einen neuen Blickwinkel ermöglichen.

Der Autor bleibt aber bei der Stimme ganz dezent. Der nimt sich literarisch da zurüc, sondern lässt die Figuren bleiben, die Kinder sind kindlicher, aber der Erzähler geht nicht in sie rein, sondern bleibt immer auf einer neutralen Distanz. Sonst wäre das nicht zu lesen, jedenfalls nicht leicht. Die Erzählstimme wird eingefärbt, aber nur dezent, weil andere Dinge wichtiger sind.

Lied von Eis und Feuer ist handwerklich wirklich fantastisch, was das angeht. Perspektiven, Handlungsstränge, Twists, Erwartungen des Lesers, aber es ist nicht literarisch für Puristen, oder für Leute, die das jetzt ästhetisch sehen wollen, sondern es ist vom Erzählen her ein sehr pragmatisches Buch.

Ich kann das nur immer wieder empfehlen, weil es ein fantastisches Buch ist, um es erst zu genießen und später zu analyisieren, wie er das alles gemacht hat. Dazu gehört, dass man als Leser viel mehr weiß als alle anderen Figuren zusammen, aber natürlich auch wieder weniger im Einzelnen. da werden Geheimnisse vorm Leser verborgen und er weiß um Gefahren, die die Figuren überhaupt nicht kennen. Und dann sieht man Figuren, die man lieb gewonnen hat, aus der Sicht der anderen Perspektivträger und es ist ganz tolles Ding.

Anderes Buch mit drei Perspektivträgern: L.A. Confidential. Da werden auch die Stimmen gefärbt, aber das sind beides Bücher, in denen es dem Autor wichtiger ist, die verschiedenen Arten Dinge zu sehen, zu beleuchten, und es geht nicht so darum, zu zeigen: Ich kann das, ich kann drei Figuren ganz verschieden zeigen, das ist oft Eitelkeit des Autors und geht oft schief.

Also ein Text, der dann zu fragmentarisch wird, und in dem die Stimmen zu verschieden voneinander werden, ist dann eher etwas für andere Autoren als für den Leser, glaube ich.

(Beispiele aus der Literatur oder aus Kg wären super, ich würde gerne sowas lesen, um zu sehen, wie die das Problem gelöst haben) Es ist für den Leser bestimmt anstrengend zu lesen, wenn innerhalb einer Szene die Perspektive gewechselt wird, oder wenn jede Szene aus einer anderen Perspektive geschrieben ist. Oder unterschätze ich hier den Leser?
Nein, du unterschätzt ihn nicht. Es ist anstrengend. Man muss das auch immer abtrennen. Im Lied von Eis und Feuer steht immer der Name des Perspektivträgers groß und fett über einem neuen Abschnitt. Das muss schon sein, glaube ich, jedenfalls bei langen Texten. Je kürzer ein Text ist, desto mehr kann man den Leser strapazieren und anstrengen, glaube ich. Aber das ist etwas, dieses Färben der Erzählstimme, das Finden einer Figurenstimme ... das ist sehr wichtig, das ist schwierig und ich glaube, der Leser honoriert es selten. So dezent wie möglich, sonst drängt sich die Stimme, sonst drängt sich dieser Kniff des Stimmwechsels zu sehr in den Vordergrund und schiebt sich vor die Geschichte.


Die andere Möglichkeit wäre, die Geschichte dann von einem auktorialen Erzähler erzählen zu lassen, aber der ist dann doch so altbacken und man kommt nicht umhin, die Figuren zu werten.
Nein, nein, nein. Dezente personale Erzähler. Es gibt ja personale Erzähler, die sich sehr der Sprache ihrer Figur bedienen und solche, die es weniger tun. Wenn man drei Perpsektivträger hat, tut man gut daran, es dezenter zu tun.

Ich hab mich früher viel damit beschäftigt und in letzter Zeit gar nicht mehr und hab auch die Beispiele dazu nicht mehr so im Kopf, aber L.A: Confidnetial und Das Lied von Eis und Feuer. Man merkt dann an der Sprache, dass eine andere Figur an der Reihe ist. Aber sowas zu schreiben und genau hinzuhören und das subtil zu machen und die Nuancen und sublim und so ... das ist dann schon richtig Kunst. Wirklich wichtig: Darüber nicht die Geschichte und die Figuren vergessen und sie in den Hintergrund treten lassen. Das ist die größte Gefahr und das verzeihen viele Leser nicht.
Sowohl L.A. Confidential als auch Das Lied von Eis und Feuer sind sehr auf ihre Handlung bedacht und noch mehr auf ihre Figuren.

gruß
Quinn

P.S.: Dieser 10 Minuten abfertigen Dialog wäre so viel schöner gewesen, wenn du den mit Apfelstrudel geführt hättest statt mit Juju!

 

Hey ihr!

Danke für die Antworten!

Feirefiz, Zadie Smith wurde mir schon mal an anderer Stelle empfohlen. Ich weiß jetzt gar nicht mehr, in welchem Zusammenhang. Ich glaube auch, dass man den altbackenen Allwisser auffrischen kann - irgendwie - aber wie? Ich werde mir die Zadie mal zu Gemüte führen.
Ich muss jetzt auch kurz an Roths Menschlichen Makel denken, wo du doch den modernen auktorialen Erzähler erwähnst. Also sein Zuckerman ist ja in dem Kontext auch ein allwissender Erzähler, weil er dann die ganzen Bermerkungen, Verhaltensweisen von Coleman (?) zusammenführt. Das weiß man während des Lesens nicht, aber erst gegen Ende weiß der Leser auch: Oh, der wusste das alles gar nicht, Coleman hatte ihm nicht gesagt, dass er schwarz ist, Zuckerman hat sich das in fast detektivischer Manier zusammengesponnen, um uns dann so eine tolle Geschichte erzählen zu können. Aber Zuckerman ist auch ein Ich-Erzähler, eine Nebenfigur, ein personaler Erzähler ... ach.

Das ist mir aber echt fremd. Ich hab ja eigentlich immer ich-Erzaehler, dazu meist noch im Praesens, so dass die Erzaehlung immer extrem fokal sind, also sehr unmittelbar.
Es ist aber schon toll, auch die anderen Erzähler drauf zu haben. ;)

Klar kann man das auch mit einer Erzaehlung in der dritten Person hinkriegen, wenn man eben sehr personal erzaehlt, da kann man die Erzaehlstimme der Wahrnehmung der Figur anpassen. Aber es ist fuer mein Empfinden trotzdem vermittelter.
ja, bei Lolleks Schmetterling Geschichte denke ich, wieso hat er das nicht aus der Ich-Perspektive erzählt? Was würde dadurch verloren gehen. Für mich gehört die Geschichte ganz klar in die Ich-Perspektive. Dann könnte er sich auch dieses "dachte Gerd" sparen. Die Sprache des Erzählers ist da identisch mit der Sprache des Protagonisten.

Ich finde es sauschwer innerhalb einer (Kurz!)Geschichte drei verschiedene Ich-Erzähler zu haben, die auch noch glaubwüridig wirken sollen udn gleichzeitig der Geschichte nicht zu viel Raum wegnehmen.

Multiperspektivisch kann man ja auch auf unterschiedliche Weise erzaehlen. Entweder variabel fokalisiert, so dass ein Abschnitt des Geschehens aus Perspektive der einen Figur und ein anderer aus Sicht einer anderen Figur erzaehlt wird. Oder multipel fokalisiert, wenn das gleiche Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven erzaehlt wird - meist um sehr unterschiedliche Wahrnehmungen eines Ereignisses darzustellen. Oder man kann beides mischen.
Ja, sagt mir doch was, da war doch was im ersten Semester in den Literaturvorlesungen.
Aber daran habe ich auch schon gedacht, das Ding ist, ich will mich gar nicht so sehr auf eine Sitaution im szenischen Sinne beschränken. Es geht mir vielmehr um die Welt dreier Figuren, die eigentlich unter dem gleichen Dach wohnen, aber eben ganz andere Mentalitäten, um beim Thema zu bleiben, ganz andere Perspektiven auf die Welt haben - es ist keine WG. :P Sie haben natürlich auch Szenen zusammen, die jeder für sich anders wertet, aber sie haben auch eigene Szenen, wo der andere kein Einblick drin hat.
Aber auch allgmein gesehen wäre es interessant, sowas elegant lösen zu können.
Für mich bietet sich bis jetzt so ein auktorialer Erzähler an, den ich aber unbedingt vermeiden möchte.

Hey JuJu!

n "A long way down" macht das Hornby mit vier Charakteren in der 1. Person,
Ich hab den mal vor Jahren gelesen. Und ich fands ganz unterhaltsam. Die Göre, also die Tochter des Politikers ist mir immer noch im Kopf, dann der Ami, der wegen britischer Mädchen nach UK kommt und dann gabs die Mutti und so einen zynischen ...Beamten? Keine Ahnung, oder was war der? Ich glaub, der war so der vernünftigste von allen.
Die Charakter wurden durch ihre Sprache und ihr Verhalten, wie sie von anderen eben gesehen wurden, charakterisiert. Das hat der schon gut gemacht, aber das hat deswegen funktioniert, weils ein Roman ist. Der kann sich Zeit und Raum für seine Figuren nehmen. Wir sind bei unserem Genre viel beschränkter - nicht geistig ;) sondern handwerklich.
Also ich arbeite gerade an zwei (längere) Sachen, und die haben auch mehrere personale Erzähler. Ich schreibe in der dritten Person, und vor jeder Szene entscheide ich einfach, aus welcher Sicht geschrieben wird (und das halte ich dann auch die ganze Szene über konsequent ein). Ganz einfach ist das nicht, da muss man schon vorher überlegen, was am günstigsten, spannedsten ist ... und man merkt auch voll schnell, diese Person kenne ich voll gut, ich stehe ihr oder ihm voll nahe, und bei dem hier ich muss ich noch ein wenig in mich gehen ... oder vielleicht sagt man auch, nein, er oder sie bleibt geheimnisvoll, aus ihrer Sicht wird nicht geschrieben ... also ich finde das voll spannend, für mich macht das mit den Reiz am Schreiben aus, das Rollenspiel, die Möglichkeiten des Ichs austesten, mal eine Frau sein.
Ja, dann stell sie mal ein, vielleich tkann ich mir was abgucken, so du als Frau.
Da hat man so viele Möglichkeiten, finde ich. Das wird hier auch zu selten gemacht, und das finde ich schade. Das "Problem" ist halt, wenn man mehrere Erzähler hat, dann hat man auch schnell mehrere Konflikte und Nebenhandlungen. Solche Texte ufern schnell aus, da muss man viel vorausdenken, und dann darf man sie hier gar nicht posten. Bei der einen, da arbeite ich jetzt schon länger dran, da weiß ich schon, das wird nicht gehen, und bei der Neuen bin ich mir noch nicht sicher.
Ja, sein Ziel muss man immer vor Augen haben. Ich merke ja auch bei meinen Überlegungen, oh, nicht dass das noch ausartet und ich merke auch, dass ich bei der einen Figur ganz viele Szenen schon im Kopf habe. Die andere figur nimmt erst Form an, wenn die andere handelt, so quasi als Reaktion auf die Aktion. Dieses Zusammenspiel interessiert mich.
Ich glaube handwerkliches Geschick ist da auch gar nicht so das Wichtigste. Das muss man irgendwie fühlen.
Nee, da darf man jetzt nicht so naiv an die Sachen rangehen.
Schau dir mal deine Texte von vor drei/vier Jahren an und von heute. Du wirst merken, dass du bestimmte Szenen auf eine bestimmte Art geschrieben hast, weil du weißt, auf welchen Knöpfen du drücken muss, um deine Intention klar zu machen.
Das ist handwerkliches Geschick, zu wissen, welcher Ton ist der richtige. Quinn hat mir bei meinen ersten Geschichten immer vorgeworfen, ich würde nie in der Perspektive bleiben, ich hab das gar nicht so gesehen, ich wusste zwar, was er meinte, aber ich konnte das einfach nicht umsetzen, ich hatte da die ganzen Erzähler selbst im Kopf nicht auseinandergetrennt. Das ist ein Prozess, den man durchmachen muss. Wenn man talentiert ist, tja, dann ist es bestimmt ein Gefühl, ich weiß aber nicht, wie weit man mit seinem Gefühl kommt.
Ich glaube nicht, dass man sich ewig hinsetzt, und überlegt: Wie ist eine Frau denn jetzt? Wie sind die so drauf? Und das dann nachschlägt oder sie zu beobachten anfängt oder so
Nachschlagen nicht, aber beobachten, also das ist doch die Hauptaufgabe eines Schriftstellers. Ich merke das ja auch bei mir, wenn irgendjemand in meiner Umgebung ne Bemerkung macht, die so typisch für ihn ist oder mich zu etwas inspiriert - das fließt alles in unseren Texten ein, das passiert auch sicher bei dir.
Ich meine mit handwerklichem Geschick auch gar nicht so generelle Fragen, wie: Wie tickt ne Frau, wie fühlt sich ein Mann so, wenn er mit seinen Kumpels abends rausgeht, das ist dann eher eine Frage der Charakterisierung. Und das ist wieder Handwerk. Es gibt ja tatsächlich noch Leute, die ihre Figuren äußerlich beschreiben. Ich mag sowas nicht. Solange es nix mit dem charakter der Person zu tun hat, lasse ich das auch bleiben. Es ist mir eben wurscht, ob eine Figur blonde Haare hat oder die glatt/lockig sind, was tut das zu Sache. Oder ob eine Figur Engelslocken mehr mag, was solls? Sowas rauszulassen oder zu wissen, wann man sowas schreiben muss, das ist für mich Handwerk.
Traut euch und schreibt mal aus einer anderen Perspektive!
Ja, das will ich auch lesen, zwar keine Katzenperspektive, aber es wäre bestimmt interessant mehr mit der Perspektive zu spielen.

Zu den anderen werde ich später noch was sagen. Und Quinn, du Schuft!

 

Ich glaube handwerkliches Geschick ist da auch gar nicht so das Wichtigste. Das muss man irgendwie fühlen.

Nee, da darf man jetzt nicht so naiv an die Sachen rangehen.

Ja, gut, das klingt schon ein bisschen naiv. Da gehört schon viel Handwerk dazu, allein schon dass man in der Perspektive bleibt und nicht Dinge zu bechreiben beginnt, die man gar nicht wissen/sehen kann. POV jump, kreischen die Amis dann immer. Oder "Author intrusion". Ich wollte halt bisschen pesudoesoterisch vermitteln, warum ich das cool finde mit verschiedenen Erzählern. Mit Gefühl meinte ich halt, dass man schon irgendwann ein Gefühl für eine Perspektive früher oder später entwickeln muss, das gilt ja für alle Erzähler eigentlich, aber besonders wenn man dann mehrere in einem Text hat, da braucht man ja mehr als eine Stimme, oder sollte man haben, finde ich. Da gibt's ja auch Leute, die finden eine, und die ist genial, und dann schreiben sie ganze Serien in dem Format. Hat Bukowski je eine andere Stimme als die "eigene"? Quinn hat da mal von Wolf Haas geschwärmt und diese Brenner Romane. Der unbekannte Erzähler da, die Stimme ist ja auch ganz prägnant, und natürlich gehört unheimlich viel Handwerk dazu, in jedem Satz eigentlich bei dem, aber der hat eben auch irgendwie ein "Gefühl" für diesen Stammtischerzähler und seinen Witz, sonst hätte er den gar nicht erst entwickeln können. Da kann doch kein anderer jetzt vorgehen und sagen, ich schreib jetzt auch ein Brenner Roman. Wie soll das gehen? Das ist mehr als nur ein bestimmter Schreibstil, das ist auch eine Stimme, Witz, Gefühl. Ein echter Mensch eben. Also klar, das ist alles nicht so einfach. Da gehört sehr viel dazu, deswegen ist das auch so interessant, gerade wenn man da mit Perspektiven rumexperimentiert.


Nachschlagen nicht, aber beobachten, also das ist doch die Hauptaufgabe eines Schriftstellers.

Ja, das ist der Klassiker. Beobachte mal deine Umwelt, lausche Gespräche, halt die Augen offen ... das sagt man Leuten immer am ersten Tag im Creative-Writing Kurs, und dann stürmen alle mit ihren Notepads in die Cafés und fangen an zu beobachten und machen Notizen. Da war man sein ganzes Leben ein Zombie und hat nie was mitgekriegt, aber jetzt geht's los. Also klar, natürlich, beobachten ist wichtig, trotzdem finde ich das immer lustig. :)

 

Hallo!

heiner schrieb:
ich habe mal eine Erzählung geschrieben, in der zwei Ich-Erzähler (ein Ehepaar) sich nach je zwei bis drei Seiten abwechseln. Die ersten 30 Seiten bewegen sie sich in den gleichen Szenen und der Wechsel findet ohne Übergang statt (außer, dass der Name des Ich-Erzählers jeweils über dem neuen Absatz steht), später trennen sie sich und treffen noch zweimal aufeinander. Der Wechsel bleibt aber vom Zeitablauf aufbauend. Falls du mal reinlesen willst, findest du eine Leseprobe unter:

Hmm, ich fand die jetzt ziemlich gleich. Hab zwar nur einige Seiten gelesen, aber das hat mir gereicht, um zu sehen, wie gleich die sich im Grunde sind. Gut, man könnte argumentieren, sie sind Ehepartner, und die Sprache färbt sich nach einer Zeit ab, aber dann bleibt die Charakterisierung auf der Strecke. Aber das wäre ja die Herausforderung gewesen, die Nuancen zu erkennen und hervorzuheben. So könnte Rainer auch Sabine sein. ;)
Hornby hat das ja auch gemacht, ich glaube, das ist auch eine gängige Methode, um viele Ich-Erzähler zu haben. Ich glaube, in einer Kg ist das viel schwieriger zu realisieren, weil jeder Erzähler eine bestimmte Stimmung transportiert, wenn innerhalb der Erzählung, die Stimmung wechselt, dann ist das entweder genial oder daneben.

Glass schrieb:
Genau das wurde an meiner Geschichte "Kusslos" kritisiert, dass es das Lesen unheimlich erschwert.
Auch da sehe ich das gleiche Problem. Es ist die ein und selbe Stimme, die spricht, es sind keine zwei Personen, man merkt das lediglich, da die Stimmen sich immer auf die andere Person beziehen und der weibliche Teil in kursiv ist.
Das ist ja ein gedanklicher Dialog, der nur mit Mimik und Gestik stattfindet.
Ich glaube auch, dass es sehr schwer ist, viele Ich-Erzähler zu haben, für jeden braucht man eine andere Stimme, das merkt man ja schon allein darin, wenn man Dialoge schreibt.
Max Frisch hat das meisterlich gemacht. In "Stiller" hat er einen wirklich eigenartigen Erzähler, der Perspektiven nicht vermischt, aber aneinanderreiht. Also es kommt eine Szene aus der einen Perspektive, danach die selbe Szene aus einer anderen Sichtweise. Ist das denn nicht langweilig, wirst du dich fragen und ich antworte, ohne dass du fragen kannst: Nein! Man möchte meinen, es sind zwei verschiedene Geschichten. Den Kontrast zwischen männlichen und weiblichen Denken verbalisiert er hier total genial.
Gut, dass du für mich antwortest. ;) Also, nein, ich würd das sicher nicht langweilig finden, weil mich diese Perspektivenfrage momentan sehr beschäftigt.
ES einmal aus Sicht der Kinder, einmal aus Sicht der Erwachsenen.
Das hab ich sogar gelesen. Aber da hab ich, glaub, auf ganz andere Sachen geachtet. Gegen Ende hatte ich so das Gefühl, das zerfasert so alles und will sich nicht richtig ineianderfügen.
Kubus schrieb:
Hey Jo, fang doch einfach mal an
:P
Das hab ich ja, was glaubst du, wieso ich hier so verzweifelt rumfrage. Ich hab da x Anfänge, die mir alle nicht gefallen, also die Stimme passt nicht.
Mittlerweile kann ich mir wirklich so einen personalen Erzähler vorstellen, der sich nicht unbedingt der Sprache der Personen bedient, sondern eine eigene hat. Quasi als eine vierte unsichtbare Person.

Multiperspektive lohnt sich, das kann spannend sein, eine Szene aus der Sicht verschiedener Figuren zu erzählen. Auch für den Leser, du bringst eine eigene Dynamik da rein, könntest vor jedem Wechsel zB einen kleinen Cliffhanger setzen, wenn du willst. Ein bisschen mehr muss man da aufpassen, dass der Leser nicht durcheinanderkommt.
Es muss ja nicht immer die gleiche Situation sein, es kann ja wie in dieser Simpsons-Folge sein, wo man einen Tag die Simpsons Mitglieder verfolgen darf, und wenn Marge dann Bart im Supermarkt erwischt, wo er doch in der Schule sein müsste, man erfährt dann beim Bart-Teil, dass er mit Milhouse nach neuem Klebstoff für einen neuen Streich gesucht hat.
Das zeigt viel! Wenn diese ganzen Perspektiven sich ineinanderfügen, das ist auch für den Leser/Zuschauer sehr befriedigend.
Und wer setzt dir Grenzen? ich kann mir nicht vorstellen, dass ein auktorialer Stil an sich altbacken ist - wenn die Erzählerin frisch und spannend ist, kann man bestimmt auch als Allwissender den Leser bei der Stange halten und mitdenken lassen. Ist mindestens eine Herausforderung, an der man schreiberisch wachsen kann, wenn man das durchdenkt und -arbeitet, selbst wenn keine tolle Geschichte rauskommt. Außerdem hat mir die Multiperspektive auch viel Spaß gemacht - probiers einfach aus!
Man kann natürlich auch den How I Met Your Mother Erzähler nehmen, der auch alles weiß, aber auch ziemlich viel vorenthält, aber auch aufgrund der Gags viel bewertet. Ein Merkaml des allwissenden Erzählers ist doch wie der Name schon sagt, allwissend und omnipräsent zu sein, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft, und das wirkt sich dann auf die Erzählweise aus. Ein anderer ist, dass er bewertet, weil er ja weiß, was in der nächsten Szene mit der Figur passiert. Aber das ist alles so theoretisches Wissen, man kann mit Sicherheit so Sachen mit ihm anstellen, deswegen habe ich mir auch jetzt die ZSmith bestellt.
Quinn schrieb:
Und dann entfaltet sich die Welt dort immer mehr, mit jedem neuen Perspektivträger sehen wir andere Facetten dieser Welt. Sogar noch im dritten, vierten Buch werden da neue Figuren eingeführt, die wieder was freischalten, die wieder einen neuen Blickwinkel ermöglichen.
Ohne das glesen zu haben, dachte ich immer, die Bücher hätten einen allwissenden Erzähler gehabt, weil du ja immer von den vielen Figuren sprichst.
Lied von Eis und Feuer ist handwerklich wirklich fantastisch, was das angeht. Perspektiven, Handlungsstränge, Twists, Erwartungen des Lesers, aber es ist nicht literarisch für Puristen, oder für Leute, die das jetzt ästhetisch sehen wollen, sondern es ist vom Erzählen her ein sehr pragmatisches Buch.
Gut, bestelle ich auch. Und L.A. Confidential. Ich bin gespannt.
Ich kann das nur immer wieder empfehlen, weil es ein fantastisches Buch ist, um es erst zu genießen und später zu analyisieren, wie er das alles gemacht hat. Dazu gehört, dass man als Leser viel mehr weiß als alle anderen Figuren zusammen,
GEnau das macht für mich auch den Reiz aus. Man weiß z.B. dass es ein Fehler ist, wenn diese Person sich so und so verhält, weil man ja vom vorigen Perspektivträger etwas erfahren hat, was die anderen nicht wissen, was sich aber auf das Verhalten dieser einen Person dramatisch auswirken kann.
und es geht nicht so darum, zu zeigen: Ich kann das, ich kann drei Figuren ganz verschieden zeigen, das ist oft Eitelkeit des Autors und geht oft schief.
Das geht immer schief, nicht nur bei der Perspektive, sondern auch beim Stil oder ausgetüftelten Plots oder dollen Charakterisierungen. Nee, also, auch diese Perspektivsache muss der Geschichte dienen und muss einen Zweck haben, da bin ich deiner Meinung.

Danke für eure Meinung, ihr lieben Menschen. Ach, Juju, hätt ich glatt vergessen.

Mit Gefühl meinte ich halt, dass man schon irgendwann ein Gefühl für eine Perspektive früher oder später entwickeln muss, das gilt ja für alle Erzähler eigentlich, aber besonders wenn man dann mehrere in einem Text hat, da braucht man ja mehr als eine Stimme, oder sollte man haben, finde ich.
Ja, die Stimme, an der du immer erkannt wirst. Ich finde, man sollte eher am Stil erkannt werden und nicht an der Stimme. In Palahniuks Romanen hast du immer wieder denselben Stil, die Stimmen unterscheiden sich aber voneinander, hauchdünn zwar, aber der Erzähler von Flug (Zahlenfolge) klingt und benimmt sich anders als der Typ von Fight Club, oder der von Der Simulant.
Hornby genauso. Er hat immer denselben Stil, denselben Humor drin, es ist bei ihm immer ein leichter Ton, es wird nie drückend, und daran ist er zu erkennen, aber nicht unbedingt an der Stimme. Quinn hatte in seiner Anfangszeit immer den gleichen Stil und die gleiche Stimme gehabt - das langweilte auf die Dauer. Er verwendet den auch nur noch selten. ;)
Ja, das ist der Klassiker. Beobachte mal deine Umwelt, lausche Gespräche, halt die Augen offen ... das sagt man Leuten immer am ersten Tag im Creative-Writing Kurs, und dann stürmen alle mit ihren Notepads in die Cafés und fangen an zu beobachten und machen Notizen. Da war man sein ganzes Leben ein Zombie und hat nie was mitgekriegt, aber jetzt geht's los. Also klar, natürlich, beobachten ist wichtig, trotzdem finde ich das immer lustig.
Ich weiß, was du meinst. :)
Aber nein, ich glaube, das wäre der falsche Weg. Das ist genau wie: So, jetzt habe ich mir nen Kaffee gekocht, ich habe alle Arbeiten erledigt und jetzt schreibe ich mal eine Geschichte.
Kann man knicken.
Nein, ich meine einfach nur, deine Umgebung bewusster nehmen, wildfremde Menschen beobachten, ich weiß nicht, was das bringen soll, wenn man sie nicht kennt, dann kann man eben nicht bewerten, ob das jetzt typisch für sie ist, wie sie sich benehmen. Es ist etwas anderes, wenn zwei deiner Freunde sich zoffen, als wenn ein Ehepaar sich auf der Straße streitet.

 

JoBlack:

Hmm, ich fand die jetzt ziemlich gleich. Hab zwar nur einige Seiten gelesen, aber das hat mir gereicht, um zu sehen, wie gleich die sich im Grunde sind.
Da hast du recht! Ohne die Erzählung jetzt groß verteidigen zu wollen: Meiner Meinung nach (gerade am Anfang) ist die Ähnlichkeit aufgrund des schnellen Wechsels notwendig, da der Leser ansonsten noch mehr hin und hergeworfen und das „Hineinleben“ in die Geschichte weiter erschwert würde. Später (wenn sie sich nicht nur räumlich trennen, sondern auch die Konflikte aufbrechen) wird es (hoffe zumindest, dass ich es geschafft habe) „unterschiedlicher“.
Und nochmals recht: In einer Kurzgeschichte kann ich mir diesen (dann notwendiger Weise noch schnelleren) Wechsel auch nur schwer vorstellen.

 
Zuletzt bearbeitet:

ja, bei Lolleks Schmetterling Geschichte denke ich, wieso hat er das nicht aus der Ich-Perspektive erzählt? Was würde dadurch verloren gehen.
Da würde viel von der Komik verloren gehen. Außerdem würde man die Hauptfigur weniger sympathisch finden. Aber vom Inhalt her stimmts wohl, da würde sich nicht so viel tun. Das ist eher eine Spielerei für den Ton der Geschichte. Aber mit so komplizierten Dingen, wie du sie hier wissen willst, beschäftige ich mich noch gar nicht. Und wenn ich das dann mal mache in einer Geschichte, dann weiß ich nicht, wie das heißt, was ich dann da mache
;-)

 

Ein japanischer Filmklassiker, Akira Kurosawa "Rashomon - Das Lustwäldchen" 1950. Grundlage des Films sind zwei Kurzgeschichten (Rashomon und Im Dickicht) von Akutagawa Ryūnosuke. Es wird dieselbe Story aus verschiedenen Sichten geschildert. Eine Situation wie sie in Gerichtsverhandlungen dauernd vorkommt. Ob das konkret bei der Entwicklung multipler Sichtweisen hilfreich ist, weiss ich nicht, aber der Film guckt sich gut und die Kurzgeschichten schaden auch nicht. http://www.amazon.de/Rashomon-Seventeen-Stories-Penguin-Classics/dp/0140449701

Das Buch spielt auch (wenn ich hier schon einen kineastischen Abstecher mache) in einem Jim Jarmusch Film eine Rolle, in "Ghostdog"

 

Hallo JoBlack,

ich hab mit jetzt keine anderen Antworten durchgelesen. Falls es schon empfohlen wurde, sorry für die Doppelnennung:

L. A. Confidential von James Ellroy. Buch und Film sind ein gutes Beispiel. Im Buch schreibt allerdings der allwissende Erzähler, das ich finde so aber gut gelöst. obwohl ich mich am Anfang erst einmal reinbeißen musste. Der Film ist sowieso sensationell, mit drei gleichwertigen Hauptrollen.

Rick

Rick

 

Hey Tam,

mein Freund redet immer von dem Regisseur und hat mich gezwungen "Die Sieben Samurai" zu gucken, ich fand den gut. :)
Ich gucke mir den Film an und die Kurzgeschichten sind jetzt auf meiner amazon-Liste.
Bei Filmen geht das mit der Perspektive einfacher als in einer Geschichte, einer KURZgeschichte, denke ich. Deswegen bin ich dankbarer für die Kgs.

Hey Rick,

ja, Quinn hat das Buch schon erwähnt, ich hab's schon gekauft, da ist ne heiße Version von Kim Basinger auf dem Cover. Den Film habe ich jetzt zwei mal im Fernsehen verpasst, aber der steht auch schon seit längerem auf meiner Liste.
Ich mag den allwissenden Erzähler nicht; ich wurde von Fontane traumatisiert.
Aber so einem modernen, allwissenden Erzähler würde ich gerne zuhören.

DAnke für die Tipps, ihr zwei.

JoBlack

 

Es gibt den allwissenden Erzähler in sehr sehr vielen Filmen und ich denke dass das als Trick halt vieles vereinfacht. Auch in Serien ist er gebräuchlich.

 

Es gibt den allwissenden Erzähler in sehr sehr vielen Filmen und ich denke dass das als Trick halt vieles vereinfacht. Auch in Serien ist er gebräuchlich.
Eben. Dieser Erzähler aus dem off ist fast nur in schlechten Filmen und ebenso schlechten Serien zu finden. Ich meine, in einem Film muss die Geschichte mit filmischen Mitteln erzählt und nicht von einem Erzähler erklärt/erzählt werden.

Etwas anderes ist das bei Texten. Da gibt es nur den Text, der die Bilder und den Ton im Kopf des Lesers erzeugen muss. Da ist alles möglich und auch erlaubt.

 

He Jo,

mir fielen noch zwei interessante Varianten ein, die ich erst mal nachsehen wollte.

Mulitperspektive hat zB John Dos Passos in seiner USA-Trilogie verwendet, sehr sehr gut, wie ich finde. amerikanische Figuren um 1900 cirka.
der überschreibt seine Kapitel auch mit den Namen der jeweils behandelten Figur, das scheint verbreitet zu sein bei der Perspektive, macht ja auch Sinn. da wechseln also die Figuren ab, aber er hat auch noch zwei andere Elemente dazwischengeschaltet, zum einen die 'Weltwochenschau' und zum anderen das 'Kamera-Auge'.

und dann gibts da noch ein wenigstens für mich interessantes Kuriosum in Nabokovs hochsympathischem Buch 'Pnin' erzählt ein Allwissender, aber irgendwann in der zweiten Hälfte des Buches entpuppt der sich als Ich-Erzähler, der in die Szene tritt und handelt. Nabokovs Humor. also es lassen sich auf den ersten Blick widersprüchliche Elemente mischen.

bis dann

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich denke wirklich, dass das in Filmen viel einfacher ist als in Kurzgeschichten.
Erzähler aus dem off mag ich auch nicht immer, es gibt allerdings Ausnahmen.
Warum das in Filmen besser geht, ist der simple Grund, dass der Film ne Kamera hat, mit der er die Figuren begleiten kann. Der Zuschauer kann sich den Rest denken. Ich hab letztens den Film "Montags in der Sonne" gesehen, grandioser Film. Die Kamera begleitet die Figuren abwechselnd, es werden also mindestens drei Geschichten erzählt, die miteinander verwoben sind.
In Texten musst du aber einen Erzähler erfinden, der die Arbeit der Kamera leistet, der den Ton und die Atmosphäre mit seiner Sprache festlegen muss und diese Sprache muss zu den Figuren passen, und zwar zu Figuren, die von grund auf unterschiedlich sind. Ich denke, DAS ist schwierig. Deswegen wäre es mal cool hier eher literarische Beispiele anzubringen als irgendwelche Filme.


edit:

Hey Kubus,

John Dos Passos in seiner USA-Trilogie verwendet, sehr sehr gut, wie ich finde. amerikanische Figuren um 1900 cirka.
ah, mit dem kam ich bis jetzt immer in der Sekundärliteratur in Kontakt. Ich guck ihn mir auf jeden Fall an. Das Traurige ist, der Typ ist auch bestimmt shcon auf meiner amazon-Liste. Die Liste mutiert langsam.

Aber hier, das mit Nabokov, das ist ja lustig. Das will ich auf jeden Fall lesen!

 

Nur kleiner Zwischenhinweis wegen interessanter Perspektiven: Bei Nabokov sind in der Hinsicht noch "Ada oder das Verlangen" bzw. "Der Spion" zu empfehlen. Sind eigentlich auch Versteckspiele mit der eigentlichen Perspektive.

 

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