Hallo!
heiner schrieb:
ich habe mal eine Erzählung geschrieben, in der zwei Ich-Erzähler (ein Ehepaar) sich nach je zwei bis drei Seiten abwechseln. Die ersten 30 Seiten bewegen sie sich in den gleichen Szenen und der Wechsel findet ohne Übergang statt (außer, dass der Name des Ich-Erzählers jeweils über dem neuen Absatz steht), später trennen sie sich und treffen noch zweimal aufeinander. Der Wechsel bleibt aber vom Zeitablauf aufbauend. Falls du mal reinlesen willst, findest du eine Leseprobe unter:
Hmm, ich fand die jetzt ziemlich gleich. Hab zwar nur einige Seiten gelesen, aber das hat mir gereicht, um zu sehen, wie gleich die sich im Grunde sind. Gut, man könnte argumentieren, sie sind Ehepartner, und die Sprache färbt sich nach einer Zeit ab, aber dann bleibt die Charakterisierung auf der Strecke. Aber das wäre ja die Herausforderung gewesen, die Nuancen zu erkennen und hervorzuheben. So könnte Rainer auch Sabine sein.

Hornby hat das ja auch gemacht, ich glaube, das ist auch eine gängige Methode, um viele Ich-Erzähler zu haben. Ich glaube, in einer Kg ist das viel schwieriger zu realisieren, weil jeder Erzähler eine bestimmte Stimmung transportiert, wenn innerhalb der Erzählung, die Stimmung wechselt, dann ist das entweder genial oder daneben.
Glass schrieb:
Genau das wurde an meiner Geschichte "Kusslos" kritisiert, dass es das Lesen unheimlich erschwert.
Auch da sehe ich das gleiche Problem. Es ist die ein und selbe Stimme, die spricht, es sind keine zwei Personen, man merkt das lediglich, da die Stimmen sich immer auf die andere Person beziehen und der weibliche Teil in kursiv ist.
Das ist ja ein gedanklicher Dialog, der nur mit Mimik und Gestik stattfindet.
Ich glaube auch, dass es sehr schwer ist, viele Ich-Erzähler zu haben, für jeden braucht man eine andere Stimme, das merkt man ja schon allein darin, wenn man Dialoge schreibt.
Max Frisch hat das meisterlich gemacht. In "Stiller" hat er einen wirklich eigenartigen Erzähler, der Perspektiven nicht vermischt, aber aneinanderreiht. Also es kommt eine Szene aus der einen Perspektive, danach die selbe Szene aus einer anderen Sichtweise. Ist das denn nicht langweilig, wirst du dich fragen und ich antworte, ohne dass du fragen kannst: Nein! Man möchte meinen, es sind zwei verschiedene Geschichten. Den Kontrast zwischen männlichen und weiblichen Denken verbalisiert er hier total genial.
Gut, dass du für mich antwortest.

Also, nein, ich würd das sicher nicht langweilig finden, weil mich diese Perspektivenfrage momentan sehr beschäftigt.
ES einmal aus Sicht der Kinder, einmal aus Sicht der Erwachsenen.
Das hab ich sogar gelesen. Aber da hab ich, glaub, auf ganz andere Sachen geachtet. Gegen Ende hatte ich so das Gefühl, das zerfasert so alles und will sich nicht richtig ineianderfügen.
Kubus schrieb:
Hey Jo, fang doch einfach mal an
:P
Das hab ich ja, was glaubst du, wieso ich hier so verzweifelt rumfrage. Ich hab da x Anfänge, die mir alle nicht gefallen, also die Stimme passt nicht.
Mittlerweile kann ich mir wirklich so einen personalen Erzähler vorstellen, der sich nicht unbedingt der Sprache der Personen bedient, sondern eine eigene hat. Quasi als eine vierte unsichtbare Person.
Multiperspektive lohnt sich, das kann spannend sein, eine Szene aus der Sicht verschiedener Figuren zu erzählen. Auch für den Leser, du bringst eine eigene Dynamik da rein, könntest vor jedem Wechsel zB einen kleinen Cliffhanger setzen, wenn du willst. Ein bisschen mehr muss man da aufpassen, dass der Leser nicht durcheinanderkommt.
Es muss ja nicht immer die gleiche Situation sein, es kann ja wie in dieser Simpsons-Folge sein, wo man einen Tag die Simpsons Mitglieder verfolgen darf, und wenn Marge dann Bart im Supermarkt erwischt, wo er doch in der Schule sein müsste, man erfährt dann beim Bart-Teil, dass er mit Milhouse nach neuem Klebstoff für einen neuen Streich gesucht hat.
Das zeigt viel! Wenn diese ganzen Perspektiven sich ineinanderfügen, das ist auch für den Leser/Zuschauer sehr befriedigend.
Und wer setzt dir Grenzen? ich kann mir nicht vorstellen, dass ein auktorialer Stil an sich altbacken ist - wenn die Erzählerin frisch und spannend ist, kann man bestimmt auch als Allwissender den Leser bei der Stange halten und mitdenken lassen. Ist mindestens eine Herausforderung, an der man schreiberisch wachsen kann, wenn man das durchdenkt und -arbeitet, selbst wenn keine tolle Geschichte rauskommt. Außerdem hat mir die Multiperspektive auch viel Spaß gemacht - probiers einfach aus!
Man kann natürlich auch den How I Met Your Mother Erzähler nehmen, der auch alles weiß, aber auch ziemlich viel vorenthält, aber auch aufgrund der Gags viel bewertet. Ein Merkaml des allwissenden Erzählers ist doch wie der Name schon sagt, allwissend und omnipräsent zu sein, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft, und das wirkt sich dann auf die Erzählweise aus. Ein anderer ist, dass er bewertet, weil er ja weiß, was in der nächsten Szene mit der Figur passiert. Aber das ist alles so theoretisches Wissen, man kann mit Sicherheit so Sachen mit ihm anstellen, deswegen habe ich mir auch jetzt die ZSmith bestellt.
Quinn schrieb:
Und dann entfaltet sich die Welt dort immer mehr, mit jedem neuen Perspektivträger sehen wir andere Facetten dieser Welt. Sogar noch im dritten, vierten Buch werden da neue Figuren eingeführt, die wieder was freischalten, die wieder einen neuen Blickwinkel ermöglichen.
Ohne das glesen zu haben, dachte ich immer, die Bücher hätten einen allwissenden Erzähler gehabt, weil du ja immer von den vielen Figuren sprichst.
Lied von Eis und Feuer ist handwerklich wirklich fantastisch, was das angeht. Perspektiven, Handlungsstränge, Twists, Erwartungen des Lesers, aber es ist nicht literarisch für Puristen, oder für Leute, die das jetzt ästhetisch sehen wollen, sondern es ist vom Erzählen her ein sehr pragmatisches Buch.
Gut, bestelle ich auch. Und L.A. Confidential. Ich bin gespannt.
Ich kann das nur immer wieder empfehlen, weil es ein fantastisches Buch ist, um es erst zu genießen und später zu analyisieren, wie er das alles gemacht hat. Dazu gehört, dass man als Leser viel mehr weiß als alle anderen Figuren zusammen,
GEnau das macht für mich auch den Reiz aus. Man weiß z.B. dass es ein Fehler ist, wenn diese Person sich so und so verhält, weil man ja vom vorigen Perspektivträger etwas erfahren hat, was die anderen nicht wissen, was sich aber auf das Verhalten dieser einen Person dramatisch auswirken kann.
und es geht nicht so darum, zu zeigen: Ich kann das, ich kann drei Figuren ganz verschieden zeigen, das ist oft Eitelkeit des Autors und geht oft schief.
Das geht immer schief, nicht nur bei der Perspektive, sondern auch beim Stil oder ausgetüftelten Plots oder dollen Charakterisierungen. Nee, also, auch diese Perspektivsache muss der Geschichte dienen und muss einen Zweck haben, da bin ich deiner Meinung.
Danke für eure Meinung, ihr lieben Menschen. Ach, Juju, hätt ich glatt vergessen.
Mit Gefühl meinte ich halt, dass man schon irgendwann ein Gefühl für eine Perspektive früher oder später entwickeln muss, das gilt ja für alle Erzähler eigentlich, aber besonders wenn man dann mehrere in einem Text hat, da braucht man ja mehr als eine Stimme, oder sollte man haben, finde ich.
Ja, die Stimme, an der du immer erkannt wirst. Ich finde, man sollte eher am Stil erkannt werden und nicht an der Stimme. In Palahniuks Romanen hast du immer wieder denselben Stil, die Stimmen unterscheiden sich aber voneinander, hauchdünn zwar, aber der Erzähler von Flug (Zahlenfolge) klingt und benimmt sich anders als der Typ von Fight Club, oder der von Der Simulant.
Hornby genauso. Er hat immer denselben Stil, denselben Humor drin, es ist bei ihm immer ein leichter Ton, es wird nie drückend, und daran ist er zu erkennen, aber nicht unbedingt an der Stimme. Quinn hatte in seiner Anfangszeit immer den gleichen Stil und die gleiche Stimme gehabt - das langweilte auf die Dauer. Er verwendet den auch nur noch selten.
Ja, das ist der Klassiker. Beobachte mal deine Umwelt, lausche Gespräche, halt die Augen offen ... das sagt man Leuten immer am ersten Tag im Creative-Writing Kurs, und dann stürmen alle mit ihren Notepads in die Cafés und fangen an zu beobachten und machen Notizen. Da war man sein ganzes Leben ein Zombie und hat nie was mitgekriegt, aber jetzt geht's los. Also klar, natürlich, beobachten ist wichtig, trotzdem finde ich das immer lustig.
Ich weiß, was du meinst.

Aber nein, ich glaube, das wäre der falsche Weg. Das ist genau wie: So, jetzt habe ich mir nen Kaffee gekocht, ich habe alle Arbeiten erledigt und jetzt schreibe ich mal eine Geschichte.
Kann man knicken.
Nein, ich meine einfach nur, deine Umgebung bewusster nehmen, wildfremde Menschen beobachten, ich weiß nicht, was das bringen soll, wenn man sie nicht kennt, dann kann man eben nicht bewerten, ob das jetzt typisch für sie ist, wie sie sich benehmen. Es ist etwas anderes, wenn zwei deiner Freunde sich zoffen, als wenn ein Ehepaar sich auf der Straße streitet.