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Vielleicht werden wir ausgehöhlt
Vielleicht werden wir ausgehöhlt. Vielleicht treiben sie ihre Spielchen nur, um Zeit zu vernichten. Eintönigkeit als Waffe, lautet die Devise.
Wir haben keine Ahnung, nicht die geringste. Alles um uns bewegt und verhält sich den Gesetzen der Trägheit entsprechend. Das helle Aufflackern ist selten, seltener noch das grelle Abfackeln. Und niemanden kümmert’s. Oder kümmert’s jeden? Ist, bei Licht betrachtet, das gleiche. Und Licht gibt’s zuhauf, wenn wir nicht mal wieder zu matt sind: matt, matt, matt.
„Füll die Maschine auf!“, bellte Jakob, der Beller, und riss mich aus meinen Gedanken. Die Maschine war augenscheinlich nicht träge, jedenfalls tat sie, als wäre sie es nicht. Der Job war gut, weil ich nicht denken musste und schlecht, weil in meiner Schicht alle Kerle Arschlöcher waren. Auch die Frauen: Arschlöcher, die mich anekelten, mit ihren fetten Ärschen, Tanga-Ritzen im Winter, Halle Zwei, ekelhaft.
Jakob war noch einer der besseren, einer vom alten Schlag. Er verhielt sich rüde und direkt, ein klassischer Antreiber. Gut, besser als der Chef; dieser Schleimscheißer, der Universitätsjargon ejakulierte, dem beim Aufsagen von Erfolgszahlen einer abging und der einem mit Wörtern wie „Standort“, „Leistung“, „Pflicht“, „Rendite“, „Arbeitsmarkt“, den Tag so richtig schön versauen konnte. Ich glaube, er ahnte, dass er ein dummes Schwein war, aber eingestehen würde er es sich nie können, dafür nahm er sich zu wichtig. Er wurde auch ausgehöhlt.
„Hol die vierhundertsechziger!“, bellte Jakob, der Beller, und ich tat wie befohlen. Die Flanschen lagerten im Freien, also nahm ich eine Kippe aus der Schachtel und zündete sie mir beim Hinausgehen an. Der Hubwagen bollerte laut, so dass ich Hugo erst hörte, als ich bei den Gitterkörben ankam. Noch so ein Grund diesen Laden zu hassen: Hugo. Hugo, der Spion, Hugo, der ehrgeizige Zeitarbeiter, Hugo, den alle hassten, weil er ein noch größeres Arschloch als alle anderen war. Wirklich beeindruckend. Er baute sich schnaufend vor mir auf.
„Hör mal, auf dem Gelände darf nicht mehr geraucht werden.“ –
„Ich weiß.“ –
„Warum machst du’s dann?“ –
„Warum gehst du nicht dem Chef einen runterholen?“
Jetzt lief er rot an. Bisher hatte ich mich zurückgehalten, aber heute war ein „ich-sage-was-ich-denke-und-es-ist-mir-scheißegal" Tag. Ich ließ Hugo stehen und zog die Flanschen in die Halle.
„Füll die Maschine auf!“, bellte Jakob, der Beller und ich lächelte, das erste Mal heute. Es tat gut jemandem wahrhaftig gegenüber zu treten, egal wem, egal warum. Gestern rief mich der Chef in sein Büro und fragte, ob ich gerne hier arbeitete, es sei ihm aufgefallen, dass mein Einsatz zu wünschen übrig ließe. Ich war angeschwärzt worden, von wem auch immer. Die meisten Leute kamen nicht damit klar, wenn man an ihren Gesprächen über das Abendprogramm, Autos, Ficken oder ähnlich langweiligem Zeug nicht teilnahm. Jeder, der für sich allein bleibt, wird gefürchtet und sei er noch so harmlos, so war es schon immer. Und dieser Penner von Chef glaubte tatsächlich, mir Angst machen zu können: ich stünde unter Beobachtung, er persönlich werde ein Auge auf mich werfen, ich solle mich vorsehen.
Einen Scheiß mache ich. Arbeiten werde ich. Und das Maul halten. Und auf meine Kündigung warten. Feierabend.