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Vier Jahre danach

HGD

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11.12.2001
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Vier Jahre danach

Vier Jahre danach


Auf einmal stand sie hinter mir. Das Gespräch, was ich vor mir hatte, verstummte und starrte an mir vorbei. Als ich mich umdrehte sah ich sie wieder. Nach vier Jahren schaute ich wieder in ihr Gesicht. Vor mir explodierte der innere Film und jedes Bild stach und brannte, rächte sich dafür verdrängt worden zu sein. Ohne Ausdruck schaute sie mich an. Ich kannte sie. Mit der Ausdruckslosigkeit im Gesicht wurde nur die innere Aufregung vor der Außenwelt verborgen.

„Hallo.“ Sie senkte den Blick und beäugte ihre Schuhe. Ich auch. Es waren neue Turnschuhe. Olivgrün-schwarz. Ihre Hände schlossen sich zu Fäusten und öffneten sich wieder. Als ich wieder hoch schaute, lächelte sie schwach und blinzelte ein wenig zu oft. „Und jetzt?“

Es gibt bessere und vor allem nettere Gesprächsanfänge für Menschen, die man seit vier Jahren nicht gesehen hat, aber unsere gemeinsame Vergangenheit war zu lang, um sich hinter eben solchen Höflichkeiten zu verstecken. „Ich habe deine Adresse herausgefunden und möchte mit dir reden.“ Ich aber nicht mit dir! Jahrelang versuche ich von dir loszukommen, dich zu verdrängen und nun stehst du ohne Vorwarnung vor mir und besuchst mich! „Schön.“, so habe ich das dann zusammengefasst. Ihr Gesicht entspannte sich nun, denn aus ihrer Warte schien das Eis gebrochen, denn ich hatte sie nicht sofort wieder zum Teufel gejagt. „Willst du nicht wissen worüber?“ „Hier?“ „Ja, sonst geht’s eh wieder nach hinten los! Sofort.“ Alle Leute, die jetzt hinter mir schwiegen, brachen ihr Schauspiel, sich dezent zu verziehen, ab und lauschten andächtig. Zwar hatte niemand diese Frau zuvor gesehen aber die Veränderung in meiner Stimme veranlasste sie dazu Interesse zu entwickeln. Nach einem kurzem Schulterblick stellte ich fest, dass es länger als dreißig Sekunden dauern würde sie loszuwerden, und so drehte ich mich mit erwartenden Gesicht in ihre Richtung.

„Ich bin vorbeigekommen, um dir zu sagen, dass ich einen Job angenommen habe. Hier in dieser Stadt und ich nun hierher gezogen bin. Vielleicht willst du das wissen.“ NEIN! Das wollte ich nicht wissen! ICH lebe hier. Was willst du von mir? „Und?“

„Genau. Ich wusste, dass du das sagen würdest. Ich habe nachgedacht. Lange. Auch wenn du sagst, dass vier Jahre ohne einen Ton sehr lang sind, aber ich hab es wirklich getan. Jetzt bin ich auch in dieser Stadt. Und ich habe gehört dass es dir hier gefällt. Und da für dich der erste Eindruck immer wichtig und fast entscheidend war, und ich dass irgendwie von dir übernommen habe, denke ich, dass es mir hier auch gefällt. ... Zu viele ‚Unds’, oder?“
Definitiv zu viele. „Aber da ist noch mehr, oder?“ Mein linkes Knie fing an zu zittern. Sie würde es sagen.

„Oder was? Nun ja, da ist noch was...“ Ich unterbrach sie. „Nein, da ist nichts! Nichts mehr. Mir geht es gut. Und ich kenne dein nächstes Fragewort: Wirklich? Ja, mir geht es gut.“ Ihre Schuhspitze kreiste auf der Stelle und alles, was jetzt folgen sollte, kam damit von Herzen, ihrer tiefsten Gefühlswelt. Es wurde richtig wichtig, richtig ehrlich. „Ich denke oft an dich. Zu oft, um zu sagen, ich könnte dich vergessen. Zu oft sehe ich unsere Zeit vor meinem inneren Auge und mir gefällt, was ich da sehe.“ „Wie geht’s deinem Freund?“ Ich wusste, das sie vor ein paar Monaten mit ihm Schluss gemacht hatte. „Gut. Glaube ich. Er ist nicht mehr.“ Nun starrte sie mich an, mit diesem Blick, dem ich all die Jahre nie widerstanden habe, dem ich mich beugen musste, und es mir nie wie eine Last vorkam. Doch diesmal schien zu viel Zeit zwischen diesen Blicken zu liegen, häufig hatte ich mir ausgemalt, ihm zu widerstehen. „Woran denkest du? Die schöne Zeit auf deiner Couch in deinem Zimmer? Arm in Arm und so? Weißt woran ich denke?“

Ihre Augen wurden nun größer. Diesen Wendepunkt in unserem Gespräch hatte sie nicht kalkuliert, egal wie lange sie es schon durchgegangen war. Ich erwischte sie, wie ich es selten zuvor tat. Auf dem falschen Fuß, unvorbereitet. Ihre Schultern zuckten reflexartig. „Zwischen unseren schönen Augenblicken, was geschah dort immer und immer wieder? Ich hab dich beschissen. Du hast mich verlassen. Und nicht nur einmal, aber wem sag ich das!?! Ich hab’s satt. Wir können nicht, wir konnten es noch nie. Immer, wenn wir zusammen waren, haben wir gegenseitig verletzt, zerstört. So ging es immer aus. Und erzähl mir nicht, dass hast du verdrängt, weil es jetzt vier Jahre her ist! Es scheint besser für uns zu sein, wenn wir getrennte Wege gehen.“ „Das denkst Du?“, antwortete sie sofort. Sie wollte Zeit gewinnen, um selbst nachzudenken. Ich gab sie ihr nicht. „Weißt du noch, unser gemeinsamer Urlaub. Wir hatten beide diesen Husten und die ekligen Halsschmerzen. Erst Du, dann ich. In dieser Pension hatten wir einzelne Betten. Keiner von uns beiden ist, als er sich nachts die Seele aus dem Hals gehustet hat, aufgestanden, um sich um den anderen zu kümmern. Ich zwinge mich jedes Mal an diese Szene zu denken, wenn die guten Erinnerungen an uns beiden überhand nehmen.“

Aggressives Schweigen füllte den Raum zwischen uns. Ich hielt diese Phrase immer für ein bescheuertes Stilmittel, aber jetzt spürte ich es. Das Gespräch klemmte zwischen Hass und Verzweiflung und machte keine Anstalten sich zu erholen. Sie beugte sich vor. Zurück. Nein sie wanke. Drehte den Kopf weg von mir und schaute mit zusammengekniffenen Lippen an die Decke. „Wenn die guten Erinnerungen überhand nehmen?“ Sie strafte mich mit ihren zornigen Augen und ging zur Tür hinaus. Sie hatte leicht an ihr gezogen, uns so fiel die Tür ins Schloss, als sie langsam immer kleiner wurde. Vorbei.

Dann betrat sie erneut mit Wucht den Raum und schrie mich an. Verheult und gebrochen wirkte sie nun. Sie brüllte, und ich verstand kein Wort. Sie stoppte. „Raus! Alle sofort raus hier!“ Der Mob gehorchte ihr und verließ, teils fluchtartig, teils gelassen den Raum. Sie setzte sich in den warmen Ledersessel und beäugte mich durch einen dicken Tränenfilm. Dieser Blick war mir neu. „Weißt Du wer ich bin? Warum ich hier bin? Weshalb ich zu Dir gekommen bin?“ Dreifaches Ja, bis zu dem Zeitpunkt, wo sie diese Fragen stellte. Nun saß vor mir eine Frau, deren berufliche Karriere es in diese Stadt verschlagen hatte und nicht wusste wer ich bin. „Sag es mir.“ Verschüchtert wie ein kleines Kind ließ ich meine Schultern sinken. Sie griff nach den Zigaretten einer der Flüchtigen und spielte mit dem Feuerzeug bevor sie es benutzte. Minuten vergingen. „Du.“

So begann es, vier Jahre danach. Wenn wir heute über alte Zeiten reden, dann ist es so, als ob es die Geschichte zweier Menschen ist, die wir in unserer Jugend flüchtig gekannt haben.

 

Das Gespräch, was ich vor mir hatte, verstummte und starrte an mir vorbei
Der Gesprächspartner
"Schön.", so habe ich das dann zusammengefasst
Punkt weg
Zwar hatte niemand diese Frau zuvor gesehen aber die Veränderung in meiner Stimme veranlasste sie dazu Interesse zu entwickeln
gesehenKOMMA; dazuKOMMA
Und ich habe gehört dass es dir hier gefällt.
gehörtKOMMA
und ich dass irgendwie von dir übernommen habe
das
Er ist nicht mehr."
das würde bedeuten, er ist tot
"Woran denkest du?
denkst
Weißt woran ich denke?"
Weißt duKOMMA
dass hast du verdrängt
das
Nein sie wanke.
Nein, sie wankte.
"Weißt Du wer ich bin?
duKOMMA
Hi HGD,
den Anfang find ich ziemlich gut, aber gegen Ende driftet es ins sinnlose ab. Was soll das?!
Schreibstil durchgehend relativ gut.
Bruder Tserk

 

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