Vier Wände
Seine Beine wurden immer schwerer. Je länger der Gang hinter ihn wurde, um so mehr verwandelte sich seine Handlungen in einen surrealen Traum. Immer wieder blitzte es vor seinen Augen und Bilder von längst vergangenen Tagen tauchten für einen kleinen Moment auf.
Sie liebte ihn. Schon immer. Und wie sie sich es selbst gerne einredete, würde sie es auch für immer tun. Doch sie wusste, dass dies nur noch ein Traum war. Ein Traum, den nur sie träumen würde. An den Wänden hangen die gleichen Klagen, die gleichen Vorwürfe und die gleichen Worte. Und verschwinden würden sie wohl nie. Und das wusste sie nun.
Sie lag ab zusammen gekauert auf ihrem Bett. Tränen liefen ihre Wangen herunter. Tränen voller Schmerz, voller Zorn, voller Verzweiflung. Wahrhaben wollte sie das alles nicht. Und doch, irgendwo wusste sie, dass das Geräusch der Schritte, welche vom Flur hereinschallten, das Letzte sein würde, was sie von ihm hören würde.
Es war nicht einfach gewesen. Damals, in jenen Sommertagen. Sie standen sich gegenüber und wussten sich nichts zu erzählen. Irgendetwas war anders als sonst. Sie waren keine Freunde mehr. Sanfter war ihr Umgang während des gesamten Urlaubs geworden. Beide bewegten sich die ganzen Tage umeinander, wie zwei Magneten, die nicht wussten, was sie antreibt.
Am letzten Tag, war die Anziehung so stark, dass weder sie noch er sich ihr entziehen konnte.
Ein Bild an der Wand ihres Zimmers zeugt noch heute von diesem Tag. Entstanden wenige Stunden vor dem Schicksal.
Jetzt waren diese Tage so weit weg, dass er sich nicht an sie erinnerte. Die Angst hemmte alle Erinnerungen aus allen Zeiten. Nur eine Frage, brannte ihm in seinem Kopf. „Warum?“ Warum hatte er das getan? Wieso hat er diese Dinge gesagt? Warum hat er sie so belogen?
Er saß lange am Ufer des Flusses und starrte auf die Lichter der Lampen, die sich im Wasser zu immer neuen Mustern zusammenschlossen. Dachte über seine Fragen nach und sah sie die ganze Zeit vor seinem Auge.
Und er kam immer wieder nur zu einem Schluss. Dass er sie liebte. Er liebte sie, wie noch nie jemanden in seinem ganzen Leben. Er fand sie so schön, so lieblich, so umwerfend. Das machte ihm Angst. Ihm, dem Starken.
Jeden Abend lag er lange wach. Ängste verfraßen ihn innerlich und er wusste nicht weiter. Er liebte sie. Doch er hatte solche Angst sie jemals zu verlieren, dass er sie langsam in sich verlor. Und an einem Punkt, wo es kein zurück mehr gab, log er. Erzählte was von einer anderen, von Liebe und so.
Heute hängt ein weiteres Bild an der Wand. Direkt neben dem Urlaubsbild von vor vielen Jahren. Es zeigte einen Mann, der ein Kind in den Armen hält. Und lächelt.
Und jedes Mal wenn er an diesem Bild vorbei geht, weiß er, dass er nicht sie verloren hatte, sondern sich.