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Virtual Tours

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24.03.2019
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Virtual Tours

Sie trug ein enges, weißes T-Shirt mit Ausschnitt, der üppige Busen darunter wurde durch den Büstenhalter hochgepuscht. Auch der Lederrock und die hohen, schwarzen Schaftstiefel verfehlten ihre Wirkung nicht. Jürgen musste sich Mühe geben, seinen Blick auf ihr Gesicht zu fokussieren.
Agnes, die weniger auf die Reize der jungen Dame reagierte, fasste sich zuerst. Sie holte ihre Handtasche nach vorne, öffnete sie und kramte kurz nach dem Gutschein.
„Den haben wir von unserer Tochter bekommen“, meinte Agnes knapp und reichte ihn der Frau.
„Zur Porzellanhochzeit“, fügte Jürgen fast entschuldigend hinzu.
„Herzlichen Glückwunsch“, sagte die junge Frau sogleich und deutete mit der Hand auf den Schreibtisch. „Ach, dann seid ihr der Vier-Uhr-Termin. Dann kommt mal mit! Ich bin übrigens die Jenny.“
Sie ging voran und setzte sich an den Schreibtisch. Jürgen und Agnes nahmen auf den beiden Stühlen davor Platz.
„Habt ihr alles dabei?“
Agnes nickte.
„Ich glaube schon. Wir haben Fotos mitgebracht, von damals halt.“
„Analog oder digital?“
„Ähm ...“, erwiderte Agnes und holte die Umschläge mit den Farbfotos heraus.
„Okay, also analog. Is’ kein Problem, wir jagen die gleich einmal durch den Scanner, dann sind die digitalisiert. Sind die Fotos sortiert?“
„Ja, natürlich“, gab Agnes zurück.
„Habt ihr ein bestimmtes Ereignis vor Augen, irgendein Urlaubsszenario, das ihr nochmal erleben wollt?“
Agnes warf einen kurzen Blick auf Jürgen. „Ja, also wir haben hier zwei Umschläge mit Fotos vom Urlaub am Gardasee. Das war 1981.“
„Zeig doch mal her, bitte!“, meinte Jenny, nahm die Umschläge in die Hand und packte die Fotos aus.
„Ja, das sieht gut aus“, meinte sie beim Durchblättern. „Wichtig sind halt Ganzkörperaufnahmen, im Idealfall ohne Kleidung. Nacktfotos habt ihr nicht zufällig?“
Jürgen errötete leicht.
„Nein, nur die, die sie da haben.“
„Okay.“
Jenny legte die Fotos gestapelt in den Einzug eines Scanners. Dann tippte Jenny etwas in den Computer.
„Die wesentlichen Informationen haben wir schon von eurer Tochter bekommen. Der Gutschein ist allerdings nur für die Basisversion. Ihr könnt noch das Enhancement-Special dazu buchen, das kostet nur zehn Euro mehr pro Person. Wenn ihr das nehmt, schmeiß ich noch unser Location-Refinement Programm gratis dazu. Da würden wir dann frei zugängliche Daten eurer Location, also dem Ort auf den Fotos, ins Programm integrieren, das wird dann really real, wenn ihr versteht, was ich meine. Soll ich das machen?“
Agnes und Jürgen verstanden kein Wort.
„Machen Sie mal!“, sagte Agnes schließlich und warf Jürgen einen Komm-is-doch-egal Blick zu.
„Supi!“, sagte Jenny und haute wieder enthusiastisch in die Tasten.
Für einige Minuten saßen sie schweigend da und schauten Jenny dabei zu, wie sie an der Tastatur arbeitete. Jürgen ergriff Agnes’ Hand und drückte sie einmal fest. Agnes streichelte ihm kurz über den Unterarm.

„So, dann ist so weit alles eingestielt“, erklärte Jenny schließlich. „Dann können wir jetzt zu den VR-Räumen gehen.“
Jenny stand auf. Mit einem Blick bedeutete sie Agnes und Jürgen, ihr zu folgen. Die beiden standen auf und folgten ihr den schmalen Gang hinunter, aus dem Jenny vorhin gekommen war. Jürgen klopfte im Vorbeigehen an die Wand und merkte am hohlen Klang, dass es keine tragende, sondern eine Trockenbauwand war. Kurz danach blieb Jenny vor einer Tür stehen, machte diese auf und drehte sich zu ihren Kunden um.
„Das hier ist deine Kabine“, sagte sie lapidar, an Jürgen gerichtet. „Geh ruhig schon mal rein, aber bitte nichts anfassen, du kriegst gleich von mir eine Einweisung, okay?“
Jürgen war etwas irritiert.
„Nur ich?“, fragte er. „Können wir beide nicht zusammen ... ?“
„Nein“, sagte Jenny knapp. „In einem einzigen Raum würdet ihr nur ineinander reinlaufen. Klar?“
Jürgen nickte ergeben.
„Klar“, sagte er mit schwacher Stimme und warf Agnes einen letzten Blick zu.
„Wird schon, Jürgen“, sagte Agnes. „Ich seh’ dich später.“
Sie gaben sich einen Kuss auf den Mund, dann verschwand Agnes mit Jenny und die Tür fiel ins Schloss.

Jürgen sah sich den Raum an. Er maß ungefähr vier mal fünf Meter und war ebenfalls nur spärlich möbliert. Es gab einen an die Wand gestellten Schreibtisch mit einem Bürosessel davor, es lag aber nichts darauf. Auf der anderen Seite des Raumes stand ein einfaches Bett, der Rahmen war aus Leichtmetall. Das dünne Laken und das schmale Kopfkissen auf der Matratze ließen Jürgen an eine Gefängniszelle denken.
Really real, das alles“, murmelte Jürgen.
Das interessanteste Möbelstück war eine Schaufensterpuppe, die mittig im Raum stand. Sie hatte ungefähr Jürgens Größe und trug einen hautfarbenen Ganzkörperanzug, auf dem vorne an entscheidenden Stellen kleine, metallene Kappen mit Eisennoppen angebracht waren. Als Jürgen ein paar Schritte in den Raum hineinging, sah er, dass die Puppe einen erigierten Penis mit einer Art übergestreiftem ‚Kondom’ hatte. Auch auf diesem ‚Kondom’ befanden sich drei kleine Metallkappen mit Eisennoppen. Links neben der Puppe, auf einer Art Kleiderständer, hingen Kabel mit Krokodilklemmen in verschiedenen Farben. Die Kabel endeten alle in einer handtellergroßen Box. An der Box waren Gummibänder fixiert. Unten am Kleiderständer war ein silberner Kasten installiert. Auf dem Kasten lag eine große Sonnenbrille ohne Kabelanschluss.

Jürgen stand eine Weile im Raum. Irgendwie war ihm die ganze Sache nicht geheuer, aber er wollte auch kein Spielverderber sein. Er hatte das Gefühl, dass Agnes die ganze Sache wichtig war. Und er wollte auch sein prüdes Gemüt, ‚seine katholisch verbrämte Libido’, wie Agnes es genannt hatte, überwinden.

Die Klinke sauste herunter und Jenny kam herein.
„So, da bin ich wieder. Deine Frau ist schon zugange“, meinte sie grinsend.
Jürgen schwieg und blieb, wo er war.
„Also“, fuhr Jenny fort und holte tief Luft. „Du hast bestimmt schon den Ganzkörperanzug bemerkt. Den musst du gleich anziehen. Wir benutzen übrigens für jeden Kunden einen neuen, quasi maßgeschneiderten Anzug. Du musst dir also keine Sorgen um Hygiene machen. Das läuft bei uns alles ganz sauber ab. Jedenfalls, du ziehst das Ding an und dann verbinde ich dich, beziehungsweise deinen Anzug mit den Kabeln. Die Kabel senden elektrische Signale oder Stöße aus. So simulieren wir Berührungen. Die Kabelbox funktioniert über Funk. Die schnallen wir dir mithilfe der Gummibänder auf den Rücken, dann hast du Bewegungsfreiheit. Beim Hinsetzen am besten nicht anlehnen, okay? Der Kasten da unten verfügt über ein olfaktorisches System, der kann also Geruchsmuster abgeben, die die Location untermalen, zum Beispiel bei Szenen am Meer, in der Innenstadt, im Restaurant oder im Hotelzimmer. Außerdem haben wir natürlich noch die VR-Brille, die projiziert das setting auf deine Netzhaut. Der Rest erklärt sich eigentlich von selbst. In den Szenarien kannst du stehen, ein bisschen gehen und sitzen, mehr nicht, okay? Wenn ihr dann im Hotelzimmer seid, zum Finale quasi, kannst du dich am freiesten bewegen. Dann entsprechen die Maße eures Hotelzimmers und die Möbel darin mehr oder weniger diesem Zimmer hier. Aber bitte nicht auf den Rücken legen, wegen der Kabelbox. Alles klar? Fragen?“
Jürgen, der nur die Hälfte verstanden hatte, konnte keinen klaren Gedanken fassen.
„Nein.“
„Gut, dann helfe ich dir jetzt in den Anzug.“
Jürgen glaubte, sich verhört zu haben. Ihm in den Anzug helfen? Dafür musste er sich doch ausziehen, oder nicht? Sollte er das einfach so tun, hier, vor ihr?
Eine gefühlte Ewigkeit passierte nichts. Jenny stand wartend da, Jürgen ebenso. Dann gab Jürgen sich einen Ruck. Er überwand seine Scham und entkleidete sich.
Jenny, in ihrer Professionalität, machte ihm die Sache einerseits leichter. Sie würdigte seinen rüstigen Körper, wie Jürgen fand, keines Blickes und half ihm in den Anzug wie eine Mutter ihrem Kind in die Badehose. Andrerseits machte sie es ihm auch schwerer, denn dass er mit seinem Körper so gar nichts bei ihr auslöste, frustrierte ihn ebenso. Er war doch trotz allem noch ein Mann.
„So, sitzt alles?“, fragte Jenny, als sie fertig waren.
„Ja, ich denke“, erwiderte Jürgen und kam sich in seinem Anzug ziemlich dämlich vor.
„Gut, dann stöpsel ich den Anzug mal ein.“
In Windeseile brachte Jenny die Krokodilklemmen am Ganzkörperanzug an, fixierte die Kabelbox auf Jürgens Rücken und drückte ein paar Knöpfe auf dem großen, silbernen Kasten.
„So, und jetzt noch die VR-Brille.“
Jenny nahm die Sonnenbrille vom Kasten und setzte sie Jürgen auf die Nase.
„Du siehst jetzt erst mal nix. Ich muss das Programm vom Büro aus starten. Falls irgendwas nicht läuft, einfach Bescheid sagen, ich bin über ein Mikro mit dir verbunden. Okay?“
„Okay.“
„Ich dimme das Licht im Raum ein bisschen, dann dringt nichts durch, okay?“
„Ja.“
„Viel Spaß dann!“
„Danke.“

Jürgen hörte, wie Jenny den Raum verließ. Um ihn herum herrschte Dunkelheit. Er hörte das leise Surren des Kastens unter ihm und wartete auf das erste Bild. Als es plötzlich pffft, pfft, pfft machte, und Jürgen der Geruch von Salz, Algen und Zitrone in die Nase stieg, tauchte vor ihm das erste Bild auf.

Jürgen stand an einem Hafen, sein Blick war auf das Wasser gerichtet. Kleine, bunte Holzboote lagen vor Anker, einige mit Motor, einige nur mit Rudern ausgestattet. Das Wasser schwappte sanft auf und ab. Am Horizont, auf der anderen Seite des Sees, tat sich im Sonnenlicht die Silhouette eines Berges auf. Um Jürgen herum waren die Geräusche von Menschen, eine Sprache konnte er dem Gebrabbel aber nicht zuordnen. Als er sich umdrehte, erkannte er den Ort sofort wieder: die terrassenförmig übereinander liegenden Häuser, ihre geneigten, mit mediterranen Dachziegeln bestückten Walmdächer, die verwinkelten und blumengeschmückten Gässchen, die Olivenhaine und Zitronenbäume oberhalb der des Dorfes und der Berghang dahinter.

„Limone“, sagte Jürgen in den kalten Raum hinein. Er sah zwar das italienische Dorf durch die Brille, fühlte aber noch das deutsche Zimmer auf seiner Haut und in den Knochen. Gedanklich an zwei Orten, beurteilte er die Illusion. Warum riecht es nach Meer, wenn ich an einem See bin?, fragte er. Und warum höre ich kein Italienisch?

„Ciao, ragazzo!“, tönte es plötzlich, leicht blechern, aus dem Off. Jürgen drehte sich wieder um. Und sah tatsächlich: Agnes mit zweiundzwanzig, in ihren Originalkleidern von damals.
„Ciao, ragazza“, gab er keck zurück und strahlte seine digitale Agnes an. Sie trug das hellrote Blumenkleid, die schlanken, sonnengebräunten Beine und Arme glänzten vom leicht öligen Film der Sonnencreme. Ihr offenes, schwarzes Haar, der sinnliche Mund und die dunkelgrünen Augen machten sie ununterscheidbar von den italienischen ragazze, die ebenfalls am Hafen flanierten. Alles war wie damals. Bis auf Agnes’ Dekolleté. Das wirkte größer, viel größer als damals. Jürgen hatte nun eine Ahnung davon, was es mit dem ‚Enhancement-Special’ auf sich hatte.
„Na, Süßer“, sagte Agnes in einer Stimme, die ihre war und sich doch davon unterschied. Vielleicht hatte ihre Tochter Jenny mit Hörproben vom Handy versorgt.
„Hast du Lust zu bumsen?“
Das war direkt, selbst für Agnes. Jürgen war irritiert, seine Frau so ordinär reden zu hören. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass er es mit einer Kopie zu tun hatte.
„Lass uns doch erst was essen gehen, Schatz. Hier draußen ist es so schön.“
„Okay dann“, sagte Agnes und machte eine Schnute, als hätte sie eine Zigarette im Mundwinkel.

Jürgen fühlte sich wieder prüde. Im Grund hätte er Agnes hier, im ‚Freien’, an den Busen fassen, ihr die Kleider vom Leib reißen und sie vögeln können, es war ja schließlich nicht echt. Es gab keine Regeln, an die er sich hätte halten müssen. Aber er wollte trotzdem nicht. Außerdem hörte Jenny ja auch zu.

Stattdessen griff er nach Agnes’ Hand. Als er sie erfasste, spürte er einen Druck in den Handflächen und einen Schlag, als ob er eine gewischt bekäme. Agnes’ echte Hand fühlte sich anders an, viel weicher und nicht so kalt. Jürgen sah plötzlich ganz in seiner Nähe ein Außenrestaurant mit kleinen Tischen und Chiavari-Stühlen aus Holz.
„Setzen wir uns doch!“, sagte er zu Agnes und ließ ihre Hand wieder los. Er machte ein paar Trippelschritte. Als er vor einem der Stühle stand und nach der Rückenlehne griff, ging sein Griff ins Leere. Er versuchte es nochmal und traf schließlich auf einen Widerstand, der sich gar nicht wie Holz anfühlte.

„Ach so“, dachte Jürgen. „Das ist der Bürostuhl im Raum.“ Er rollte den Bürostuhl zurück und tastete sich in den Sitz hinein. Das Gefühl von weichem Leder passte so gar nicht zu dem Holzstuhl aus seinem ‚Film’. Aber immerhin, er saß.

Jürgen schaute sich die wenigen Menschen in der Umgebung an. Einige trugen Kleidung aus den Achtzigern, andere wirkten sehr modern. Er sah ein junges Mädchen in Leggings und einem neonfarbenen Oberteil, mit einem Walkman in der Hand. Etwas weiter stand ein Mann in einem Businessanzug, in der Hand ein iPhone. Das Mädchen kannte er von den Fotos, den Mann nicht. Google StreetView, vermutete Jürgen. Die digitale Agnes sagte nichts, saß vornüber gebeugt, schaute Jürgen lüstern an und leckte sich dann und wann über die Lippen. Dann zuckte sie kurz zusammen. Die zeitlichen Abstände, in denen sie das tat, waren erstaunlich regelmäßig. Jürgen hätte gerne eine Stoppuhr dabei gehabt.
„Geht’s dir gut, Agnes?“, fragte er sein Gegenüber, um das Schweigen zu brechen.
„Ich habe Lust auf dich.“
„Okay“, erwiderte Jürgen. Agnes’ programmierte Geilheit ging ihm langsam auf den Keks.
Der Kellner kam und brachte unaufgefordert zwei Espressi.
„Prego, due espressi!“
Jürgen griff nach dem Espresso, doch seine Hand ging wieder ins Leere.

„Oh Mann“, sagte er laut.
„Tschuldige“, ertönte plötzlich Jennys Stimme aus dem Off. „Daran arbeiten wir noch.“
Jürgen, für den die Stimme aus dem Himmel über Limone kam, brauchte einen Moment, bis er verstand.

Agnes jedenfalls konnte die Tasse greifen und trank den konzentrierten Kaffee. Als sie die Tasse abgesetzt hatte, warf sie Jürgen wieder einen Blick zu und wischte sich dabei mit der Zunge die Schaumschicht, die Crema, von der Oberlippe.
„Ist dir auch so heiß?“, fragte Agnes.
„Es geht“, erwiderte Jürgen lapidar.
„Ich will dich so sehr“, sagte Agnes unbeirrt. „Lass uns aufs Hotelzimmer gehen.“
„Okay, tun wir das“, sagte Jürgen nach einer kurzen Pause. Mit Mühe und Not unterdrückte er den Nachsatz, der ihm durch den Kopf ging.

Plötzlich wurde Jürgen schwarz vor Augen.
„Okay, Jürgen, prima. Nimm jetzt bitte die VR-Brille ab und geh zurück zum Ausgangspunkt. Ich lade dann das Hotelzimmer-Programm hoch.“
Jürgen tat, wie ihm geheißen. Als er die VR-Brille abnahm, war die ohnehin wenig überzeugende Illusion sofort aus seinen Gedanken. Er sah den Raum, schaute an sich und seinem Ganzkörperanzug herunter und lachte ein kurzes Lachen. Immerhin: Er sehnte sich nach der echten Agnes. Er konnte es kaum erwarten, mit ihr über diese ‚Tour’ zu sprechen.
„Es geht los. Brille auf!“
Jürgen seufzte und setzte sich die Sonnenbrille auf.

Er stand in einem Hotelzimmer, das viel zu modern für die 80er Jahre war. An der Wand hing ein Bild von Gerhard Richter, eins dieser Photorealismus-Dinger, die Jürgens Schwager aus Düsseldorf in der Wohnung hängen hatte. Die Möbel hatten eine Strenge, die kühl und kalt wirkte. Das Sofa war aus schwarzem Leder. Bevor Jürgen sich jedoch noch weiter umsehen konnte, ging die Tür zum Badezimmer auf und eine Frau kam herein. Durch das vom Badezimmer einfallende Licht nahm er zunächst nur ihre Silhouette wahr. Als sich seine Augen aber an das Licht gewöhnt hatten, erkannte er Agnes in ihrer ganzen, virtuellen Pracht. Ihr Gesicht war das von den Italien-Fotos: jung, braungebrannt und sinnlich. Aber ihr Körper passte leider so gar nicht dazu. Zunächst war die Haut viel heller. Außerdem war ihr Körper kurviger und draller, Agnes war 1981 schlanker gewesen. Die Brüste, verpackt in einen Büstenhalter aus Spitze, wirkten jetzt wie kleine Fußbälle in Netzen. Die Strapse, das Höschen und die schwarzen Schaftstiefel wirkten insgesamt nicht erotisch. Für Jürgen sah es so aus, als hätte man den Kopf seiner Frau auf den Körper von Dolly Buster montiert. Oder Gina Wild, Jürgen kannte sich da natürlich nicht so aus. Auch die Bewegungen des Körpers passten nicht zum Gesichtsausdruck seiner Frau. Die digitale Agnes leckte sich auch wieder über die Lippen, so dass es Jürgen mittlerweile eher wie eine spastische Bewegungsstörung vorkam, nicht aber wie das sinnliche Verlangen seiner Ehefrau.
„Ich bin so feucht“, sagte Agnes.
Dann nimm doch einen Lappen und wisch es auf, dachte Jürgen. Wofür gibt es schließlich Handtücher?
„Und wie ich sehe, bist du auch schon ganz hart.“
Das war eine Lüge. Bei Jürgen passierte nichts. Sein Glied baumelte leb- und lustlos in der Kautschukhülle.
Agnes kam näher.
„Nimm mich“, sagte sie und öffnete ihren BH. Ihre großen Brüste plumpsten aus den Körbchen wie Hundewelpen kurz nach der Geburt.
„Nöö, lass mal“, sagte Jürgen und nahm die VR-Brille ab.

Jenny?“, rief er in den Raum hinein.
„Ja?“
„Ich bin fertig!“
„Okay“, kam es gedehnt von Jenny. „Warte, ich bin gleich bei dir und helfe dir aus dem Anzug.“
Zwei Minuten später kam sie zur Tür herein.
„Na, das war aber eher coitus interruptus, was?“, meinte sie jovial.
Jürgen war nicht zu Scherzen aufgelegt. Er zog den Ganzkörperanzug mitsamt Lametta aus, ließ sich nur widerwillig von Jenny helfen und stieg wieder in seine Klamotten. Als er fertig war, verließ er den Raum und wollte eigentlich Agnes aus ihrem Raum ‚befreien’. Jenny überholte ihn jedoch im Flur und stellte sich vor die Eingangstür der anderen Kabine.
„Halt“, rief sie und klemmte ihre Extremitäten in den Türrahmen.
„Lassen Sie mich“, sagte Jürgen. „Ich will zu meiner Frau.“
„Das geht nicht!“, sagte Jenny.
„Wieso nicht?“
„Deine Frau ist noch nicht fertig, okay!?“
Jürgen wich von der Tür. Sollte Agnes etwa, hatte sie vielleicht, sie würde doch nicht ...?
Er riss sich zusammen.
„Gut“, sagte er. „Dann warte ich draußen auf sie. Auf Wiedersehen!“
Ohne sich nochmal nach Jenny umzudrehen oder sich bei ihr zu bedanken, verließ er das ‚Reisebüro’. Zurück auf der Straße lehnte er sich an eine alte Straßenlaterne und winkelte das Bein an. Er bereute, vor zwei Jahren mit dem Rauchen aufgehört zu haben.

Gut zwanzig Minuten später kam eine beseelte Agnes aus dem Laden. Sie lief federnden Schrittes auf Jürgen zu und küsste ihn auf die Wange.
„Na, mein Hengst“, sagte sie lachend. „Wie war es bei dir?“
„Geht so“, meinte Jürgen und müsste sich Mühe geben, nicht die beleidigte Leberwurst zu geben. „Komm, lass uns gehen“, sagte er und zog seine Frau unsanft mit. Agnes, irritiert über die barsche Art ihres Mannes, folgte ihm, befreite sich aber aus dem Griff seiner Hand.

Schweigend liefen sie nebeneinander her. Agnes wusste nicht, was in Jürgens Kabine vorgefallen war, fand es aber unfair, dass ihr Abenteuer durch Jürgens Erfahrung in Mitleidenschaft gezogen wurde. Sie konnte ja nichts dafür, dass es ihm nicht gefallen hatte. Man muss sich eben auch drauf einlassen können, fand sie. Jürgen wollte sich ebenfalls nicht die Laune verderben lassen und realisierte, dass es keinen Grund gab, auf Agnes sauer zu sein. Er erkannte, dass es wohl so etwas wie Neid auf sein virtuelles Alter Ego war. Aber, so dachte er weiter, in dieser Figur hatte sie ja auch ihn erkannt, und somit auch ihre Liebe zu ihm bestätigt.

Jürgen blieb stehen, nahm seine Agnes in den Arm und lächelte sie an.
„Es tut mir leid“, begann er. „Ich glaube, ich habe mir einfach mehr davon versprochen. Vielleicht bin ich doch zu verklemmt.“
„Schon gut“, entgegnete Agnes fast zärtlich.
„Und?“, fragte Jürgen mit einem Grinsen im Gesicht. „Wie war ich?“
Agnes lachte.
„Wie der unglaubliche Hulk“, meinte sie. „Nur in weiß.“
Jürgen grinste. Dann nahm er seine Agnes in den Arm und fuhr ihr mit der rechten Hand durchs Haar. Der Blick ihrer dunkelgrünen Augen war für ihn immer noch magisch. Er presste seine Lippen auf ihren Mund und genoss den Geschmack seiner Frau. Plötzlich fühlte sich für ihn alles so echt an wie schon lange nicht mehr.

„Lass uns nach Hause gehen“, forderte er. „Ich möchte dir noch was zeigen.“

 
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„Lass uns nach Hause gehen“, forderte er. „Ich möchte dir noch was zeigen.“

Warum nimmt der den Schlusssatz als und zur Einleitung,

magstu Dich fragen,

lieber HerrLehrer,

und die Antwort ist schlicht und einfach, weil er (er)nüchternd ist für die wirrtuelle Welt. Hieß es bei Matthias Caudius‘ „wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“, so reicht dem modernen Menschen die Simulation (erst behutsam nach den Fotostrecken zu Großelterns Zeiten, alsodann mit der Glotze und ihrer bewegten Zweidimensionalität und heute dem dreidimensionalen, wirrtuellen Raum), wie sie Jürgen (ein eingedeutschter „Georg“ = „Bauer“) und Agnes (≈ heilig, geweiht, aber auch das „Lamm“) zur „Porzellanhochzeit“ (war davor noch 'ne gläserne?) gespendet bekommen.
„Simulieren“ wird nicht umsonst für eine Form von Sprechakt verwendet und seine Synonyme sind zahlreich, wenn auch nicht ganz wie das Sandkorn am Badestrand.

Also mir hat die kleine Humoreske gefallen, selbst wenn gelegentlich „gehobene“ Sprache gewählt wird, wo für schlichte Leute wie mich auch eine schlichtere Sprache angebracht wäre, wie etwa beim „sich befinden“

Über dem Fenster befand sich ein billiges Pappschild, ...
oder
… mit einem Bürosessel davor, es befand sich aber nichts darauf.
Wo auch mal das schlichte „sein“ als Vollverb geachtet werden könnte oder ein beliebiges anderes, passendes Verb, wie etwa dass da nichts lag ...
Und – natürlich inzwischen, als einer, der die Ehre hatte, seinen Facharbeiterbrief in einem Forschungsinstitut erworben zu haben, das „fokussieren“
Jürgen musste sich Mühe geben, seinen Blick auf ihr Gesicht zu fokussieren.
Was immerhin mit der Herkunft des Wortes aus der Optik spielt, womit wir zu der gar nicht mal so umfangreichen Flusenlese sind:

Seine blaue Jeans mit Schlag, die abgenutzte, …
„die Jeans“, "nur" ein Pluralwort - wegen der zwo Beine vermutlich, darum seine „blauen“ Jeans korrekt

Jürgen schaute auf das Geschäft, das, eingepfercht zwischen einem Blumenladen und einer längst geschlossenen Sparkassenfiliale, eher winzig daher kam.
Ein Wort, „daherkommen“

„Ähm..“, erwiderte Agnes …
Fehlt da am „ähm“ ein Buchstabe? Vielleicht ein Punkt, ansonsten vgl. bei Agnes ...

Punkt einfangen, hier

„Okay. Kriegen wir schon hin“.

Ihr könnt noch das Enhancement-Special dazu buchen, das kostet nur 10 Euro mehr pro Person.
„zehn“ Euro

„So, dann ist so[...]weit alles eingestielt“, erklärte Jenny schließlich.
Jenny stand auf und kam von ihrem Schreibtisch hervor.
Statt „von“ vllt. „hinter“?

„Nur ich?“, fragte er. „Können wir beide nicht zusammen ... [...]?“
Auf dem Kasten lag eine überdimensional große Sonnenbrille[…] ohne sichtbaren Kabelanschluss.

Die Kabel senden minimale, elektrische Signale oder Stöße aus.
Hier ist m. E. aufs Komma zu verzichten, weil es eher nicht gleichrangige Attribute sind, selbst wenn jedes für sich stehen könnte, die elektrischen Signale dann aber auch heftiger ausfallen können. Da ist „minimal“ dann paradoxerweise eine Verstärkung, Präzisierung der „elektrischen Signale“

Ja, ich denke“, erwiderte Jürgen[…] und kam sich in seinem Anzug ziemlich dämlich vor.
Warum riecht es nach Meer[,] wenn ich an einem See bin?, fragte er kritisch. Und warum höre ich kein Italienisch?

Agnes mit Zweiundzwanzig, in ihren Originalkleidern von damals.
Eher „zweiundzwanzig“ ohne „Jahren“

Im Grund[e] hätte er Agnes hier, im ‚Freien’, …
Er sah ein junges Mädchen in Leggings und einem
einem neonfarbenen Oberteil, …

Jürgen tat[,] wie ihm geheißen.
Nimm mich“, sagte sie fordernd und öffnete ihren BH. Ihre großen Brüste plumpsten unkoordiniert aus den Körbchen[…] wie Hundewelpen kurz nach der Geburt.
Statt des Kommas kannstu doch einen Gedankenstrich setzen, selbst beim bloßen Vergleich wie hier.
Im Falle zuvor leitet das "wie" einenvollständigen Satz ein, selbst wenn er elliptisch (wie ihm geheißen wurde/war) wirkt.

Vorsicht, alte Schreibweise

„Nöö, laß mal“, sagte Jürgen entschlossen und nahm die VR-Brille ab.

Jürgen war nicht zum Scherzen aufgelegt.
Warum „zu dem“, wenn einer nicht zu Scherzen/zu scherzen aufgelegt ist?

Sollte Agnes etwa, hatte sie vielleicht, sie würde doch nicht....?
Warum die ...-Inflation???? Und das Leerzeichen zwischen t und Punkten vergessen ...

„Komm, lass uns gehen“, sagte er und zog seine Frau etwas unsanft mit sich.

Ohne Wort
„Wie der unglaubliche Hulk“, meinte sie. „Nur in weiß“.

Gern gelesen vom

Friedel

 

Lieber @Friedrichard,

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Die Flusen, wie du sie nennst, habe ich schon ausgebessert, einzig und allein beim letzten Hinweis (Nur in weiß) war mir nicht klar, was genau du monierst.

Beim nochmaligen Lesen vor dem Einstellen hatte ich die Befürchtung, dass es zuviel Vorgeplänkel vor dem eigentlichen Ereignis (in der VR-Kabine) kommt, wusste mir aber nicht anders zu helfen, da ich die vorab genannten Infos als unabdingbar empfinde.

Liebe Grüße und tausend Dank,

HL

 

Hallo!

„Das muss es sein“, meinte Jürgen.
Eine halbe Stunde waren sie durch die Innenstadt gelaufen.
Seit der Eröffnung des Shopping Centers auf dem Gelände der alten Textilfabrik waren sie nicht mehr hier gewesen. Das war sechs Jahre her
Ich würde direkt hier einsteigen. Die ersten Sätze sind für mich konfliktfrei und mit wenig Zug.

Die maroden Läden, von denen nicht wenige verrammelt waren, wirkten wie aus der Zeit gefallen.
Sprachlich gesehen finde ich, könntest du hier noch feilen und die Qualität oder Präzession anziehen.
von denen nicht wenige verrammelt waren - wie sieht verrammelt aus? Das ist ein Wort, bei dem ich als Leser mir selbst ausdenken muss, wie das Bild aussehen mag; sind Bretter vor den Fenstern? Abklebeband? Ich weiß nicht, wie verrammelte Läden aussehen - dein Job als Autor, mir das gut und authentisch zu zeigen.
wirkten wie aus der Zeit gefallen. - wieder: Wie sieht das aus? Sind die Türen aus dickem Eichenholz, und es wirkt urig? Hier zeigst du mir als Leser nichts, sondern du erzählst. Schöner fände ich es, wenn du mir keine Zusammenfassung der Bilder geben würdest, sondern einfach beschreiben würdest, wie es aussieht - und dann kann ich als Leser selbst schlussfolgern, dass es altmodisch oder verrammelt aussieht - hat eine viel stärkere Wirkung!

Auch Agnes’ Kleid wirkte wie eines von Princess Margaret, das diese in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit (also vor vierzig Jahren) getragen hatte.
Wieder: Wie sieht das Kleid aus? Ich weiß nicht, wer diese Prinzessin ist und kann mir das nicht wirklich konkret vorstellen.

Der Laden war verwaist und nur spärlich möbliert. Ein schlecht verlegter, grünfarbiger Teppich kleidete den Boden aus, in den Ecken erkannte man das Linoleum darunter.
Hier könnte man den Text auch beginnen lassen. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht krumm oder persönlich, aber der erste Absatz wirkte auf mich sehr zäh und langwierig; was wurde hier erzählt? Ich denke, hier beginnt die Geschichte erst wirklich.

Auf einem weißen Schreibtisch von IKEA stand ein moderner Computer: sehr flacher Bildschirm, kabellose Tastatur und Mouse, daneben zwei graue Kästen, schlichtes Design, Metalliclackierung. Wahrscheinlich Festplatten oder Speicher, dachte Jürgen, der keine Ahnung von moderner Technik hatte.
redundant, da es danach genau erklärt wird, wie mordern aussieht

Wahrscheinlich Festplatten oder Speicher, dachte Jürgen, der keine Ahnung von moderner Technik hatte. Hinten im Raum standen noch zwei Vitrinen mit anderen elektronischen Geräten. Viele, kleine Dioden hinter dem Glas leuchteten grün oder rot.
Könnte man theoretisch streichen. Mir ist das etwas zu langsam und weder Text noch Figuren voranbringend, was hier steht

„Hier ist niemand“, stellte Jürgen fest.
„Wir warten“, erwiderte Agnes.
Hier könnte man den Text auch beginnen lassen.

Sie hatte schwarze Haare, die ihr helles Gesicht fast weiß aussehen ließen. Ihre grünen Augen strahlten groß und gütig auf Jürgen und Agnes.
Viele Adjektive! Wieso nicht: Sie hatte schwarze Haare und ein helles Gesicht. Ihre grünen Augen strahlten gütig auf Jürgen und Agnes.

Keep the best, kill the rest

Als sie bis auf einen Meter herangekommen war, erkannte Jürgen den kleinen, silbernen Ring in ihrer Nase.
zu viel Information in diesem Satz, mMn

Sie trug ein enges, weißes T-Shirt mit Ausschnitt, der üppige Busen darunter wurde durch den Büstenhalter hochgepuscht. Auch der Lederrock und die hohen, schwarzen Schaftstiefel verfehlten ihre Wirkung nicht. Jürgen musste sich Mühe geben, seinen Blick auf ihr Gesicht zu fokussieren.
Auch hier könntest du den Text beginnen lassen. Ich meine das nicht abwertend, ich hoffe, du verstehst mich nicht falsch; aber was steht zuvor, was ich als Leser für das Verständnis des Textes missen würde? Ich finde, hier beginnt erst der Konflikt so richtig. Ich würde nichts missen.

„Okay, also analog. Is’ kein Problem, wir jagen die gleich einmal durch den Scanner, dann sind die digitalisiert. Es kann sich allerdings auf die Farben und auf die Bildqualität, also auf die Auflösung im Virtual Room auswirken. Wir schaun gleich mal. Sind die Fotos sortiert?“
Viel Info, was die Dame sagt! Ich würde 50% davon killen.

„Habt ihr ein bestimmtes Ereignis vor Augen, irgendein Urlaubsszenario, das ihr nochmal erleben wollt?“
Agnes warf einen kurzen Blick auf Jürgen. Der machte aber keine Anstalten, etwas zu sagen.
„Ja, also wir haben hier zwei Umschläge mit Fotos vom Urlaub am Gardasee. Das war 1981. Ich hoffe, dass das genügend Material ist.
„Zeig doch mal her, bitte!“, meinte Jenny, nahm die Umschläge in die Hand und packte mit geübten Bewegungen die Fotos aus.
„Ja, das sieht gut aus“, meinte sie beim Durchblättern. „Wichtig sind halt Ganzkörperaufnahmen, im Idealfall ohne Kleidung. Nacktfotos von damals habt ihr nicht zufällig dabei, oder?“
Jürgen errötete leicht, Agnes hingegen blieb sachlich.
„Nein, nur die, die sie da haben.“
„Okay. Kriegen wir schon hin.
Jenny legte die Fotos gestapelt in den Einzug eines Scanners, der hinter ihr auf einer Ablage stand. Mit einem Surren verschwanden sie im Inneren des Geräts. Dann tippte Jenny etwas in den Computer und dachte laut dabei.
„Die wesentlichen Informationen haben wir schon von eurer Tochter bekommen. Der Gutschein ist allerdings nur für die Basisversion. Ihr könnt noch das Enhancement-Special dazu buchen, das kostet nur zehn Euro mehr pro Person. Wenn ihr das nehmt, schmeiß ich noch unser Location-Refinement Programm gratis dazu. Da würden wir dann frei zugängliche Daten eurer Location, also dem Ort auf den Fotos, ins Programm integrieren, das wird dann really real, wenn ihr versteht, was ich meine. Soll ich das machen?“
Agnes und Jürgen verstanden kein Wort.
„Machen Sie mal!“, sagte Agnes schließlich und warf Jürgen einen Komm-is-doch-egal Blick zu.
„Supi!“, sagte Jessy und haute wieder enthusiastisch in die Tasten.

Für einige Minuten saßen sie schweigend da und schauten Jenny dabei zu, wie sie sich an der Tastatur samt Maus abarbeitete. Jürgen ergriff in der Zeit Agnes’ Hand und drückte sie einmal fest. Agnes schaute ihn liebevoll an und streichelte ihm kurz über den Unterarm.
Ich muss dir sagen, mir ist der Dialog zu "voll". Also, da wird vieles gesagt, was ich streichen würde, weil es vielleicht einem echten Dialog ähneln mag, aber nirgendwo hin führt und beim Lesen eher bremst, als weiterbringt. Ob sie jetzt das Special wollen oder nicht, das interessiert den Leser doch nicht und bringt weder Handlung noch Figur weiter. Hier ist weniger mehr, meine Meinung!
Auch: Welche Details sind wichtig? Das ist wirklich schwierig das abzuwägen, ich weiß, aber weniger ist oft mehr, mein Rat wäre, dich einmal darauf einzulassen. Beispiel:

Jürgen ergriff in der Zeit Agnes’ Hand und drückte sie einmal fest. Agnes schaute ihn liebevoll an und streichelte ihm kurz über den Unterarm.
oder
Jürgen ergriff Agnes’ Hand und drückte sie fest. Agnes streichelte ihm kurz über den Unterarm.

Fehlt dir hier etwas im zweiten Satz? Mir nicht :) Ich finde, die Liebe und die zwischenmenschliche Beziehung der beiden kommt genauso rüber, und es liest sich geschmeidiger und "präziser"

Und Jenny heißt hier plötzlich Jessy im zitierten Absatz.


Also, gelesen. Die Idee, die in der Geschichte steckt, ist gut; allerdings ist mir die Sprache im Kleinen wie im großen Ganzen zu ausschweifend. Meiner Meinung nach könntest du den Text um gern zwei Drittel kürzen, und du hättest die Geschichte, die du erzählen willst, "fettfrei" oder eben ordentlich entschlackt. Ich muss dir sagen, die vielen "unnötigen" Beschreibungen im Kleinen, die ich dir teilweise oben auch angekreidet hab, finde ich sehr störend beim Lesen. Wieso ist es wichtig zu wissen, wie gewisse Räume im Detail aussehen, wo der Scanner steht, oder Sätze wie " Jürgen klopfte im Vorbeigehen an die Wand und merkte am hohlen Klang, dass es keine tragende, sondern eine Trockenbauwand war", das ist für mich überflüssige Information, die nichts in der Handlung zu suchen hat. Ich kann mir vorstellen, dass du Jürgen damit charakterisieren möchtest, aber Charakterisierungen müssen auch irgendwo im Bezug zum Plot stehen, und ich sehe hier keinen Zusammenhang.
Also ingesamt macht das einen Text zäh und langwierig, meiner Meinung nach. Ich würde wirklich großzügig kürzen, indem ich mich hier im Text bei jedem Satz und jeder Beobachtung frage: Muss das der Leser wissen?
Noch mal: Entschlackt sehe ich eine echt gute Geschichte mit einer interessanten Idee hinter diesem Text, allerdings muss ich dir sagen - und ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel, ich habe weder ein Interesse daran, andere unnötig anzufahren noch dich persönlich anzugreifen - dass mir der Text in dieser ausufernden Form nicht gefallen hat, da er mir zu unpräzise, zu langwierig und mit überflüssiger Information zugekleistert vorkam. Ich hoffe, du setzt dich an eine Überarbeitung und ich kann mir eine gekürzte Fassung noch einmal ansehen. Bis zu "Agnes schaute ihn liebevoll an und streichelte ihm kurz über den Unterarm" habe ich dir den Text komplett mit dem Rotstift angestrichen, was ich kürzen würde. Danach hab ich einfach weitergelesen, ohne mitzuschreiben, weil mein Kommentar sonst zu viel Zeit benötigen würde. Vielleicht bringen dir meine Anmerkungen etwas.

Viele Grüße,
zigga

 

„Wie der unglaubliche Hulk“, meinte sie. „Nur in weiß“.

Moin, HerrLehrer,

einzig und allein beim letzten Hinweis (Nur in weiß) war mir nicht klar, was genau du monierst.
mekrstu an, aber das Problem ist doch klar wie dicke Tinte ... Aber manchmal hat man solche "Ausreißer" selbst. Kurz: Den letzten, den ausreißenden Punkt musstu einfangen und an seinen angemessenen Platz vorm auslaufenden Gänsefüßchen setzen.

Bis bald

Friedel

 

Die Geschichte fand ich sehr kreativ, interessant und spannend. Vielen Dank. Das Lesen hat sich ausgezahlt.

 

Lieber @zigga ,

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren meiner Geschichte. Sehr positiv finde ich auch, wie behutsam du deine Kritik äußerst. Das macht es mir einerseits schwer, sie einfach so vom Tisch zu wischen, andrerseits ist es für meine Begriffe genau die Tonart, von der manch andere Kritiker hier in diesem Forum sich eine Scheibe abschneiden sollten. Ganz so sehr musst du mich allerdings nicht mit Samthandschuhen anfassen, ich halte meine Texte beileibe nicht für das nonplusultra und hänge nicht an jedem Wort wie an einem eigenen Kind. Du darfst also beim nächsten Mal ruhig direkter sein.

Ich habe jetzt den Text für meine Begriffe arg gekürzt (du würdest wahrscheinlich sagen, da geht noch mehr) und kann dir sagen, dass es ein recht befreiendes und sinnstiftendes Gefühl war. Manche von dir vorgeschlagene Kürzung habe ich nicht vorgenommen, da ich die in der Textstelle enthaltenen Informationen für wichtig halte, aber ich habe mich von vielen allzu erklärenden Adjektiven getrennt, so dass meine Geschichte jetzt fast 2 DinA4 Seiten kürzer ist als vorher.

Beim Kürzen habe ich auch gemerkt, wie sehr ich zu Ausschmückungen mit Adjektiven neige, die gar nicht nötig sind, weil die Handlung an sich die Gefühlslage schon klar macht.

Ich hoffe, dass die Geschichte durch die Kürzung und Entschlackung reizvoller geworden ist.

Dir nochmal vielen Dank für die intensive und gelungene Beschäftigung mit meinem Text.

Liebe Grüße,

HL

Liebe @Judith Maria ,

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Du hast noch die alte, lange Version gelesen. Auf Hinweis von zigga habe ich den Text nochmal gestrafft, wenn du Lust hast, kannst du ja einmal sagen, ob der Text für dich dadurch besser wird oder nicht.

Liebe Grüße,vielen Dank,

HL

 

Hallo @HerrLehrer

Ich hatte den Text schonmal vor der Überarbeitung gelesen.
Den Einstieg direkt im Laden, finde ich besser. Er ist nicht mehr so verwirrend.

Sie trug ein enges, weißes T-Shirt mit Ausschnitt, der üppige Busen darunter wurde durch den Büstenhalter hochgepuscht.
und Trotzdem gefällt mir der erste Satz nicht so. Warum? Weil der Fokus zu sehr auf die Nebenrolle Jenny gelegt wird. Aber das ist wohl geschmakssache. Vielleicht einen Satz vorher anfangen, wie sie den Laden betreten? Dann "sieht man Jenny durch seine Augen"?
„Zur Porzellanhochzeit“, fügte Jürgen fast entschuldigend hinzu.
Ooops - Ich hab das nächstes Jahr. Also bin ich wohl voll "Zielpublikum" :D
Und er wollte auch sein prüdes Gemüt, ‚seine katholisch verbrämte Libido’, wie Agnes es genannt hatte, überwinden.
Die Katoliken haben's doch sonst immer am meisten faustdick hinter den Ohren - so kenn ich das. OK _ vielleicht nur bei den weiblichen Katoliken - katholisches Schulmädchen und so.. :rotfl:

Mich hat das Setting etwas an Quarks Holosuiten aus Star Trek Deep Space Nine erinnert :)
Insgesamt habe ich das aber ganz gern gelesen, weil man mit Jürgen das VR "erlebt".

Gruß
pantoholli

PS: So - such mir jetzt ne VR-Brille für meine PS4???

 

Lieber @pantoholli,

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Ooops - Ich hab das nächstes Jahr. Also bin ich wohl voll "Zielpublikum" :D

Alles Gute für die bevorstehende Porzellanhochzeit.

und Trotzdem gefällt mir der erste Satz nicht so. Warum? Weil der Fokus zu sehr auf die Nebenrolle Jenny gelegt wird. Aber das ist wohl geschmakssache. Vielleicht einen Satz vorher anfangen, wie sie den Laden betreten? Dann "sieht man Jenny durch seine Augen"?

@zigga hat es schon gesagt. Man kann an mehreren Stellen einsteigen. Ich bin jetzt mit der Lösung zufrieden und, verzeih, möchte nicht nochmal überlegn, wo es evtl. besser passt.

Mich hat das Setting etwas an Quarks Holosuiten aus Star Trek Deep Space Nine erinnert :)

Ich erinnere mich vage an das Holodeck by Raumschiff:Enterprise. Das funktionierte aber besser als in meiner Geschichte.
Insgesamt habe ich das aber ganz gern gelesen, weil man mit Jürgen das VR "erlebt".

Schön. Das freut mich.

Danke, liebe Grüße,

HL

 

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