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Voller Mond

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02.06.2001
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Voller Mond

Nachdem er die Personalien der jungen Frau aufgenommen hatte, fragte er erneut:"Was genau ist Ihrem Johnny zugestoßen, Miss?"

Sheriff Crompton blickte in das verstörte Gesicht einer Frau Anfang 20, die eine halbe Stunde zuvor halbweinend, halblachend das Revier betreten hatte. Sie begegnete ihm mit Unverständnis.

"Tot", flüsterte sie, als müssten Crompton und Deputy O'Hara es ohnehin bereits wissen. "Er ist tot."

O'Hara saß an der Schreibmaschine - eine alte Typenradmaschine ohne Korrekturband - und tippte etwas auf ein Formular. Die junge Frau - Sheila Thorne, wie sie der Reisepass auswies - begann leise zu schluchzen und hob zaghaft ihre Hände.
Sie betrachtete diese durch einen Schleier von Tränen.
Crompton runzelte die Stirn. Er konnte sich noch keinen Reim auf das merkwürdige Verhalten Thornes machen.

"Johnny ist Ihr Verlobter und er ist tot, habe ich das richtig verstanden?"

Sie nickte.

"Erzählen Sie uns einfach was passiert ist, Miss. Ich weiß, es muss Ihnen sehr schwer fallen -"

"Gar nichts wissen Sie!“, zischte die Frau und ballte ihre Hände zu Fäusten.

Crompton und der Deputy warfen sich vielsagende Blicke zu. Thorne stand unter schwerem Schock. Sheriff Crompton würde sich persönlich ihrer annehmen, doch zuerst musste er wissen, was denn so schreckliches geschehen war.

"Wir sind Kanadier.", erklärte sie, "Wir trampten ein bisschen durch die Gegend hier. Hatten Schlafsäcke, ein Zweimannzelt und Geschirr bei uns. Was man eben so braucht. Und-"

Plötzlich stockte sie. O'Hara war sich ziemlich sicher, dass ihre Gedanken dem Büro entrückt waren - sie befand sich an der Unglücksstelle.

"Da draußen, im Wald. Kennen Sie? Viele alte Bäume und Moore und ... und Bodennebel."

Crompton nickte. "Ja, unheimliche Gegend, besonders um diese Jahreszeit."

Die Frau sprach unbeirrt weiter. "Wir hatten uns verlaufen und ich bekam es mit der Angst zu tun. Johnny zieht mich auf, redet von Monstern, die uns auflauern und ich bitte ihn, mich nicht grundlos noch mehr zu ängstigen und ... Oh, Johnny."

Sie machte eine kurze Pause die O'Hara nutzte, um noch etwas Kaffee aus der Thermoskanne in den Becher zu füllen. "Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten, Miss?"

"Nein, ich trinke keinen Kaffee. Ist ungesund.", flüsterte Thorne.

Dessen ungeachtet trank der Deputy schluckweise von der schwarzen, bitteren Flüssigkeit.

"Wir schlagen unser Zelt auf. Es ist dunkel und ... dann essen wir noch eine Kleinigkeit und schlüpfen in unsere Schlafsäcke. Es ist kalt, so kalt. Und nur das Zelt ist zwischen uns und der Dunkelheit - den Monstern, die dahinter auf uns lauern. Ich döse vor mich hin und bin am Einschlafen, da ... da schreckt mich dieses Heulen auf."

"Heulen? Von einem Hund?", begehrte Crompton zu wissen.

"Nein, eher wie ein Wolf."

Skeptisch zog der Sheriff die Augenbrauen hoch. "Bei uns gibt es keine Wölfe. Schon seit mindestens 100 Jahren nicht mehr."

"Es war auch kein Wolf. Ich meine, nicht wirklich. Ich wecke Johnny, sage ihm, ich habe Angst. Er reagiert verärgert, sagt, er bereue es, vorhin gescherzt zu haben. Und dann wieder dieses entsetzliche Heulen – es klingt wie eine Wehklage. Gott, ich halte es nicht aus, dieses Heulen!"

"Beruhigen Sie sich, Miss, Sie sind hier in Sicherheit.", versuchte sie der Sheriff zu beruhigen.

"Es gibt keinen sicheren Ort.", entgegnete sie und wischte eine Träne von den Wangen. "Das Heulen hält an und Johnny bemerkt, es sei Vollmond und vielleicht gäbe es Wölfe. Daraufhin habe ich noch mehr Angst. Und dann ist das Heulen nicht mehr zu hören. Stattdessen verschlagene Schritte, die unser Zelt umschleichen.
Ich bin kurz davor durchzudrehen. Da draußen ist nichts Menschliches ..."

Mit einem bestimmten Ausdruck in seinen Augen fragte O'Hara: “Soll ich das später ins Protokoll aufnehmen?“

Die quälende Litanei der jungen Frau setzte sich fort. "Ich schreie auf, als ich ein knurrendes Geräusch hinter mir höre. Johnny wird blass im Gesicht, das sehe ich selbst im Schein der Petroleumlampe, die wir kurz vorher angezündet hatten. Auf meiner Seite des Zeltes entstehen Ausbuchtungen im Zeltstoff.
Etwas will zu uns. Und dieses Etwas faucht und knurrt, es ist kein Wolf. Ja, es faucht wie eine gigantische Katze, aber es ist nichts katzenartiges, denn es klingt viel zu dumpf. Ich wünschte, wir hätten eine Waffe.
Und plötzlich beginnt das Ding da draußen das Zelt aufzuschlitzen. Riesige Pranken sind es ... ich kann es ganz deutlich erkennen. Und dann zwängt sich das Ding durch den langen Riss. Es ist - ist-"

Ihr Atem beschleunigte sich, sie war einer Ohnmacht nahe. Allein die Erinnerung - die lebhafte Erinnerung - drohte sie um den Verstand zu bringen.

„Grauenvoll. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Es ähnelt einem Wolf, aber es hat auch was katzenhaftes, tückisches an sich. Und es ist groß und aggressiv. Es fletscht die Zähne und schnappt nach mir. Johnny schlägt dem Ding mit der Bratpfanne auf die Schnauze, woraufhin die Kreatur aufheult.
Aber es ist nicht einzuschüchtern und attackiert Johnny. Und Johnny stößt mich von sich und schreit: Lauf! Und ich laufe. Und drehe mich nicht einmal um. Und dann höre ich grässliche Schmerzensschreie, die von Johnny stammen. Ganz sicher schreit Johnny so erbärmlich. Johnny..."

Erneut brach sie ab um zu weinen.
Crompton fühlte sich unbehaglich im Angesichte des Schreckens, den die junge Frau - tatsächlich oder nur imaginär - durchlebt hatte.
Tröstend legte er ihr seine Hand auf die Schulter. "Ich nehme an, Sie haben noch kein Quartier für diese Nacht gefunden?"

Sie schüttelte den Kopf.

"Gegenüber der Bar ist ein billiges, gepflegtes Motel. Ich werde Sie hingeleiten, okay?"

Thorne dachte nicht daran, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. "Nein danke, ich komme sehr gut alleine zurecht.", sagte sie trotzig und stand auf.

Crompton lugte nach der Wanduhr. Es war eins vorbei. "Oh, es würde mir keine Unannehmlichkeiten bereiten, Miss, ich-"

"Ich sagte nein!", warf sie dem Sheriff entgegen und lief aus dem Büro, hinaus, in die Dunkelheit, aus der sie gekommen war.

"Hm, was sagt man dazu.", murmelte O'Hara.

"Am besten gar nichts. Ich werde mich sofort der Sache annehmen."

Crompton schritt zu dem Wandschrank, in welchem die Waffen aufbewahrt wurden. Er öffnete diesen und entnahm eine ungeladene Pistole und eine kleine Packung Munition.

"Was denken Sie?", fragte der Deputy, während Crompton die Waffe lud.

"Ich denke, die Kleine sprach die Wahrheit. Und außerdem denke ich, dass wir in dieser Sache hart durchgreifen müssen, schließlich leben wir vom Tourismus."

"Wo Sie recht haben, haben Sie nicht unrecht.", stimmte O'Hara zu. "Was soll ich in den Bericht schreiben? Soll ich überhaupt etwas schreiben?"

Crompton verschloss den Schrank wieder. "Ach, schreiben Sie irgendwas und legen Sie's zu den Akten. Wäre ja nicht das erste Mal."

O'Hara nahm den Befehl kopfnickend entgegen und deutete mit dem Finger auf die geladene Pistole seines Vorgesetzten. "Gehen Sie bloß sparsam mit unserer Spezialmunition um, die Silberpreise sind erneut gestiegen."

„Nur keine Sorge", sagte Crompton lächelnd, "Ich werde mir Foster vorknöpfen, diesen verdammten Idioten."

Mit diesen Worten ging er zur Tür und langte nach der Klinke.

"Machen Sie das. Ich gedenke unterdessen Miss Thorne zu erklären, wie sehr wir die Touristen benötigen."

Crompton stieß ein hässliches Lachen aus und warf dem Deputy einen unmissverständlichen Blick zu: Lassen Sie mir auch noch was übrig!

 

Hennaboindl hat wohl recht - das Sujet des Werwolfes ist ziemlich ausgelaugt.
Wobei diese Story wirklich nur eine Fingerübung war, die halt ein wenig doof geraten ist.
"Es" ist mein Lieblings-King-Buch! Aber wenn es dir nach ein paar hundert Seiten nicht gefällt, kannst du dir den Rest auch gleich sparen - anders wird´s nicht.
Welche SF-Bücher hast du denn gelesen? Ich wette, irgendwer kennt sie doch!

 

Mal was ganz anderes, Rainer: schon mal was von Absätzen gehört?

 

Ja, modisches Accessoir, oder? :D

Ne, schon kapiert! Ich werde in Zukunft darauf achten. Wobei vermutlich die meisten das gleiche Prob haben wie ich: Aus WORD rauskopiert sind alle Formatierungen weg. Dann muss man den Text nochmal hier bearbeiten - und wenn man so notorisch faul wie ich es bin ist... :rolleyes:

 

Und was bringt das? :confused: Formatieren muss ich den Text so oder so!

 

Hi Rainer!
So, auch gelesen. Und ich fand sie recht gut, unterhaltsam auf alle Fälle, wenn auch sicher nicht eine Deiner besten Stories. An Deinen anderen gemessen, von denen, die ich bisher kenne, Durchschnitt, sag'sch mal ("Die Königin" ist bisher unerreicht, find ich :shy: ).

Klar ist das Werwolf-Thema schon reichlich ausgelutscht, aber es muss dennoch möglich sein, daraus eine unterhaltsame Geschichte zu basteln und das ist Dir ja hier geglückt. Für "zwischendurch" geht sie absolut in Ordnung.
Ich find sie schon besser als meine Werwolf-Story (Hammer-Kompliment, ich weiß :D).
Und kurz ist sie für Deine Verhältnisse! :eek:
Wer sagt, es gäbe keine Wunder mehr ...
Dass es nicht ein einzelner Werwolf, sondern eine ganze Stadt ist, hab ich bisher so nicht gelesen, also war auch ein für mich neuer Aspekt dabei.

Gruß, Gin

 

Hey, Ginny. Das mit meiner Aufzählung der ersten Modhandlungen Rubrik Horror im Chat neulich, das sollte doch nicht wortwörtlich gemeint sein... :D ;)

Is scho Recht, Chekov. D'oh... :dozey:

 

Hallo Rainer,

auch wenn man das Ende schon ahnt - die Geschichte hat doch ihren Reiz. Die gestreßte Frau und die coolen Sheriffs sind in ihrer Gegensätzlichkeit gut dargestellt.
Noch einige Änderungsvorschläge: Angesicht, „ ... merkwürdige Verhalten Thornes ...“ – von Miss. Thorne; „Da draußen im Wald. Kennen Sie?“ – Was? „hingeleiten“ – das klingt zu förmlich, für so einen Sheriff.--

„da draußen ist nichts menschliches“ - tja, wie der Mensch sich doch irren kann...

Tschüß... Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

@Rainer:

Wobei vermutlich die meisten das gleiche Prob haben wie ich: Aus WORD rauskopiert sind alle Formatierungen weg.

Dazu hab ich doch HTML2UBB geschrieben. Sieh in der Tools-Sektion nach. Ich habe bisher eigentlich kein Feedback bekommen, ob das Tool auch bei anderen gut funktioniert. Bei mir tut's das. :)

Edit: Wobei das Tool 2001 aber noch nicht programmiert war. :shy:

 
Zuletzt bearbeitet:

Tag auch.
Vielleicht hat die Frage schon irgendwer gestellt, aber mit brennt das einfach auf der Zunge (oder auf den Fingern) :

Die Stadt lebt also vom Tourismus, und das im wortwörtlichsten Sinne, immerhin sind alle die dort leben Werwölfe und können sich natürlich nicht untereinander auffressn.
Stimmt's? Am Ende wird ja angedeutet, dass der eine Polyp die Überlebende Camperin verspeisen will, oder?

Und der andere Bulle ladet eine Kanone mit Silberkugeln (Silberpreis ist gestiegen blabla...)
um den Werwolf, der ihren Verlobten schnabuliert hat kaltzustellen, oder?

Mal angenommen ich hab das bis jetzt alles richtig verstanden, dann stellt sich mir zu der Geschichte eine entscheidende Frage.
Nämlich: Wenn es für die Polizisten kein Verbrechen ist, Menschen zu verputzen und die ganze Stadt "Vom Tourismus lebt", sprich auch mal eben gerne 'nen Snack auf zwei Beinen einwirft,
dann wundert mich, was der olle Bulle mit der Kanone machen will?
Den Werwolf abknallen, oder?
Weil er einen Menschen gegessen hat, netwar?
Aber das scheint in der Stadt nicht nur vollkommen legal und legitim zu sein, nein essentiell.
Die Stadt lebt immerhin "vom Tourismus", sprich von Menschen die von außerhalb kommen, wie zum Beispiel die zwei verlobten Camper.
Also wieso will er den Typen abknallen?

Hm, das will ich nur mal gefragt haben, wenn ich mich grundlegend irre und nur Schwachsinn laber, dann klärt mich mal eben auf, bidde.

Vielleicht sind sie auch nur sauer, weil er den einen hat überleben lassen, aber deswegen gleich abknallen?
Vielleicht weil er den ganzen Typen ganz alleine aufgefressen hat, aber das macht der Bulle ja auch, oder er würde es machen, wenn ihn sein Partner nicht bitten würde ihm etwas übrig zu lassen... egal

Wahrscheinlich hab ich was übersehen, wie auch immer ich blick da nicht durch.
Tja das wär alles.

Ciao
Matt

 

@ Mat
Klar wird er Foster erledigen. Eben weil er in jener Weise "unvorsichtig" war, wie sie Existence wunderbar darlegte.
Zeugen können diese Stadtleute nun mal nicht brauchen, weil sie sonst auffliegen könnten.
Wobei es mich erstaunt, welche Gedanken du dir über die Logik bei einer Werwolf-Geschichte machst... :D Ne, ist schon richtig so! Auch bei Horror- oder SF-Stories muss Logik halbwegs vorhanden sein.

 

Wow... ich bin neu in diesem Forum und noch grün hinter den Ohren. Ist auch meine erste Geschichte, die ich hier lese, aber ich als leidenschaftlicher Rollenspieler und Leser von Vampir-/Werwolf-Grusel Bücher muss sagen, diese Geschichte hat seinen eigenen, noch nie dagewesenen Charm. Werwölfe mit Sinn zum kommerziellen Erfolg durch strikt geführte Strategien in der "Tourismusbranche" :D Herrlich!!!

 

Oha! Da werden alte Leichen aus dem Keller gezerrt...
Werwölfe und Vampire gehören nicht gerade zu meinen Lieblingsfiguren, weil ihre Darstellung meist doch sehr stereotyp verläuft. Ich habe deshalb mit dieser (und einer anderen Geschichte, die online nicht mehr zu lesen ist) versucht, diesen Genre-Vertretern etwas Neues abzugewinnen.
Ob es gelungen ist, muss jeder Leser für sich selber entscheiden.
Danke für die (sehr unerwartete) Rückmeldung.

 

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