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Von Zufällen und Tiergeschichten
„Da draußen gibt es ein grässliches Stachelschwein“, sagte die Eule zu den Mäusen. „Wenn ihr von hier fort geht, wird es euch auffressen. Ihr werdet schon sehen. Aber wenn ihr hier bleibt, in der Nähe meiner Baumhöhle, dann seid ihr in Sicherheit.“ So machte die Eule den Mäusen Angst, und wenn sie in der Nacht eine von ihnen holte, dann behauptete sie am nächsten Morgen, die Maus sei in der Dunkelheit weggelaufen und das
Stachelschwein hätte sie aufgefressen...
„Du, Mama?“, fragt Jeremy, nachdem ich das Buch für heute zumache.
„Ja?“ - „Fressen Stachelschweine wirklich Mäuse?“ - „Gute Frage“, antworte ich. „Ich weiß es auch nicht, aber ich kann ja mal nachsehen, morgen... jetzt schlaf gut.“ Ich gebe ihm und David einen Kuss und gehe selbst auch zu Bett.
Um vier läutet bereits der Wecker. Ich frühstücke im Halbschlaf und wanke zum Wagen. Wie kann es sein, dass diese Läden schon so früh am Morgen Computerprobleme haben? Egal, es hilft nichts, wenigstens ist der Job gut bezahlt und ich bin fast den ganzen Nachmittag zuhause.
Ein typischer Sonntag. Da lassen sie sogar die Unfähigen an die Rechner. Natürlich, die Fähigen finden ja auch Möglichkeiten, die Sonntagsarbeit zu vermeiden. Am Morgen ist die Hölle los. Pausenlos Anrufe wegen der vermeidbarsten Kleinigkeiten. Diese Leute weigern sich ja sogar, die Hinweise des Computers zu lesen. Wenn auf dem Bildschirm steht: „bitte die Diskette aus dem Laufwerk nehmen“, warum tun sie es dann nicht? Warum rufen sie mich an und fragen, warum das Ding nicht hochfährt? Manchmal möchte ich sie einfach nur anschreien, aber ich halte mich zurück. Es hätte ja sowieso keinen Sinn.
Gegen Mittag kehrt schließlich Ruhe ein und ich habe ein bisschen Zeit, im Internet zu surfen. Ich tratsche mit Freundinnen, die gerade online sind und gehe in den Bücher-und-Literatur-Chat-room.
Da sehe ich plötzlich jemanden, der sich Porcupine nennt. Natürlich, Porcupine, Stachelschwein. Mir fällt die Gute-Nacht-Geschichte wieder ein,und ich schicke dem Chatter eine PM. „Fressen Stachelschweine eigentlich Mäuse?"
„Äh, das weiß ich nicht“, kommt die Antwort. Dann beginnt er, mir was von russischen Science-Fiction-Filmen zu erzählen. Na toll, wen hab ich denn da erwischt? Ein Freak!
Gerade will ich nach Stachelschwein-Seiten im Internet suchen, als eine neue Welle von Anrufen eingeht, anscheinend ist gerade Schichtwechsel in den Läden. Neue Leute, dieselben alten Probleme.
Die Stachelschweine sind schon lange von vielen Kleinigkeiten aus meinen Gedanken verdrängt worden und ich freue mich auf den Feierabend als plötzlich ein PM-Fenster aufgeht. Ich hatte völlig vergessen, den Messenger auszuschalten und war die ganze Zeit online. Es ist Porcupine und er sagt: „Rat mal was?“
„Was?“
„Stachelschweine fressen keine Mäuse. Ich hab nachgesehen, im Web. Aber das ist noch nicht alles!“
„Was denn noch?“, will ich wissen.
„Bei meiner Suche habe ich eine Buchhandlung gefunden, die heißt auch Porcupine, in England“
'Na toll', denke ich, „will der jetzt alles mit dem Namen Porcupine aufzählen?“
„Stell dir vor, die handeln mit gebrauchter Science-Fiction. Die haben genau das Buch, das ich schon seit zehn Jahren suche. Danke, Danke!!“
Da erst wird mir klar, dass und wie sehr er sich freut. Dieses blöde Internet. Warum kann es eigentlich keine Stimmungen übertragen? Ich freue mich mit ihm und wir tauschen unsere E-Mail Adressen aus.
Vielleicht ist das ja der Anfang einer wunderbaren Freundschaft?